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Access Provider und Netzsperren – eine (erste) Analyse zu BGH „3dl.am“ und „Goldesel“ (Update)

(Update 27.11.2015 zu WLANs s.u.)

Gestern hat der BGH die Urteile in Sachen „3dl.am“ (OLG Hamburg, 21.11.2013 – 5 U 68/10, GRUR-RR 2014, 140 – 3dl.am) und „goldesel“ (OLG Köln, 18.7.2014, GRUR 2014, 1081 – 6 U 192/11 – Goldesel) verkündet (Urteile vom 26.11.2015 – I ZR 3/14 und I ZR 174/14) . Die Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor, sondern bisher nur die Pressemitteilung.

In den beiden Urteilen ging es um das Begehren von Rechteinhabern, Access Provider im Wege der Störerhaftung zur Einrichtung von Netzsperren (in Form von DNS-Sperren, IP-Sperren, URL-Sperren und hybriden Sperren) zu verpflichten. OLG Hamburg und OLG Köln hatten dies zurückgewiesen, wobei das OLG Köln dabei schon auf die kurz zuvor ergangene EuGH-Entscheidung „UPC Telecabel ./. Constantin Film – kino.to“-Entscheidung (GRUR 2014, 468) zurückgreifen konnte. Beide Instanzgerichte hatten eine umfassende Grundrechtsabwägung vorgenommen und im Ergebnis alle Pflichten der Access Provider abgelehnt.

Im Wesentlichen ging es bei beiden Fällen darum, dass die Kläger von den Beklagten wollten, dass der Zugang zu Webseiten mit Linklisten (auf Filehoster wie rapidshare oder auf Edonkey-Links) gesperrt wird. Es sollte daher nicht das Angebot der Linklisten abgestellt werden. Vielmehr sollten die Access Provider nur den Zugang dazu sperren.

Der BGH hat die Revisionen zwar zurückgewiesen, hat aber grundsätzlich – unter weiteren Voraussetzungen – eine Sperrpflicht von Access Providern angenommen.

Da die Entscheidungsgründe noch nicht vorliegen, möchte ich nur oberflächlich ein paar Punkte analysieren und ein paar Fragen stellen (und möglicherweise teilweise beantworten). Von den Entscheidungsgründen wird einiges abhängen. Es lassen sich der Pressemitteilung aber schon jetzt Hinweise entnehmen, wobei diese mit starker Vorsicht zu genießen sind, da sich zwischen Pressemitteilund und Entscheidungsgründen durchaus noch Unterschiede ergeben können, wie manchem noch vom Fall „Sommer unseres Lebens“ bekannt sein dürfte.

Vorab ist eines festzustellen: Die Entscheidungen des BGH bedeuten eine ganz deutliche Veränderung im Rahmen der Störerhaftung. Nicht unbedingt im Hinblick auf die Zumutbarkeit, hier war durch den offenen Abwägungsprozess viel Raum in jede Richtung. Massiv ist jedoch die Veränderung, was die Subsidiarität angeht. Auch sonst müssen wir abwarten, wie der BGH die Entscheidungen begründet, denn dogmatisch wird das Ergebnis nicht vollständig in den bisherigen Entscheidungskanon passen.

1. Von der Pflicht zum Sperren: Die schlechte Nachricht

Zunächst einmal lässt sich festhalten: Access Provider müssen künftig ihre Systeme so einrichten, dass sie Filter und Sperren vorsehen können. Der BGH hat zwar Voraussetzungen vor eine solche Filterpflicht geschaltet, diese aber nicht vollständig und grundsätzlich abgelehnt.

Welche Filter und Sperren das sein werden (DNS-Sperren, IP-Sperren, URL-Sperren oder hybride Sperren), lässt sich noch überhaupt nicht absehen. Wer den Unterschied zwischen diesen Maßnahmen sehen will und wie man damit in der Abwägung umgeht, dem lege ich die Lektüre der OLG Köln-Entscheidung „Goldesel“ (Achtung: 192 Seiten!) nahe.

Zu Filtern des Datenverkehrs mittels Deep Packet Inspection verhält sich die Pressemitteilung nicht. Ich gehe davon aus, dass die selbst dem BGH zu weit gehen dürfte. Wir werden sehen müssen.

Interessant ist auch, welche Argumente der BGH in der Abwägung wohl nicht gelten lassen will:

„Die aufgrund der technischen Struktur des Internet bestehenden Umgehungsmöglichkeiten stehen der Zumutbarkeit einer Sperranordnung nicht entgegen, sofern die Sperren den Zugriff auf rechtsverletzende Inhalte verhindern oder zumindest erschweren.“

Insoweit geht der BGH mit dem EuGH, der auch formuliert hat, dass es ausreicht, wenn der Zugriff auf rechtsverletzende Inhalte erschwert wird. Es stellt sich aber die Frage, wo man hier die Grenze zieht. Sind DNS-Sperren wirksam? Mit dem BGH wohl schon, obwohl die Umgehung denkbar einfach ist.

2. Voraussetzungen der Sperrpflicht – Gesamtverhältnis, Overblocking und Subsidiarität.

a. Das Gesamtverhältnis

Eine Frage, die sich sowohl im Verfahren des EuGH als auch des OLG Köln gestellt hatte, war, wann eine Webseite als „so rechtsverletzend“ anzusehen ist, dass sie sperrwürdig ist.

Der BGH hat in der Pressemitteilung eine nicht eindeutige Formulierung gewählt:

„Eine Sperrung ist nicht nur dann zumutbar, wenn ausschließlich rechtsverletzende Inhalte auf der Internetseite bereitgehalten werden, sondern bereits dann, wenn nach dem Gesamtverhältnis rechtmäßige gegenüber rechtswidrigen Inhalten nicht ins Gewicht fallen.“

Zu Recht verweist Ansgar Koreng im Interview mit Netzpolitik.org darauf, dass im Grunde der Rechteinhaber bei Inanspruchnahme des Access Providers die gesamte Seite analysieren und eruieren müsste, zu welchem Anteil legale und illegale Inhalte angeboten werden. Dass das von außen extrem schwierig ist, ist klar.

Außerdem dürfte „nicht ins Gewicht fallen“ schon eine bestimmte Richtung vorgeben. Ob es aber im Verhältnis „illegal/legal“ 80/20 oder 95/5 bedeutet, werden am Ende die Gerichte klären müssen.

Auf der anderen Seite ist dies aber wohl auch eine gute Nachricht. Denn nur wenn sich dieses Gesamtverhältnis zu Gunsten des Rechteinhabers leicht feststellen lässt, dürfte eine Seite auch wirklich zu sperren sein. Bei den hier in Frage stehenden Webseiten dürfte das einfach gewesen sein. Der Großteil der eDonkey-Linklisten dürfte auf illegal eingestellte Inhalte verweisen.

Bei Seiten wie YouTube, Twitter, Instagram etc. dürfte aber unstreitig sein, dass im Verhältnis die rechtsverletzenden Inhalte nicht ins Gewicht fallen. Hier ist eine Sperrung also nicht zu erwarten.

Ein Gedanke am Rande: Als Betreiber solcher Linklisten könnten als Folge des Urteils Foren und Webseiten ihre Inhalte mit Links auf rechtmäßig eingestellte Werke (bei Wikipedia oder unter Creative Commons stehend) anreichern und es so schwieriger machen, eine im Gesamtverhältnis eindeutig rechtsverletzende Handlung festzustellen … Das könnte aber wiederum die Attraktivität solcher Seiten senken – wir müssen sehen, was passiert.

b. Overblocking

Nicht klar ist mir, wie der BGH der Problematik des Overblocking begegnen will. Wenn eine Seite 90% illegale Inhalte aufweist und damit eventuell sperrwürdig wäre, werden immer noch 10% legale Inhalte geblockt. Dem könnte man damit begegnen, dass nur zielgerichtete Sperren (URL-Sperren, hybride Sperren) verlangt werden könnten. Die sind aber wiederum aufgrund eines Eingriffs in das Fernmeldegeheimnis hochproblematisch.

Der EuGH hat hier eine Abwägung der betroffenen Interessen verlangt. Ich bin gespannt, wie die beim BGH aussehen wird.

c. Adäquate Kausalität

Der BGH hat die adäquate Kausalität der Mitwirkungshandlung des Access Providers bejaht. Das ist – so z.B. von Thomas Stadler – in Frage gestellt worden. Stadler ist dabei in guter Gesellschaft, in der Vorinstanz zur BGH „Sommer unseres Lebens“-Entscheidung hatte das OLG Frankfurt am Main eine solche adäquate Kausalität verneint (OLG Frankfurt, 1.7.2008 – 11 U 52/07, MMR 2008, 603).

Stadler meint, dass die Adäquanz fehlt, weil die Rechtsverletzung ja auch mit der Sperre fortdauert. Das ist nach meiner Einschätzung leider nur halb richtig. Der BGH hat in „Sommer unseres Lebens“ (und auch hier) die Adäquanz wohl zu Recht angenommen. Denn zwar bleibt es dabei, dass der Host Provider trotz Sperre eine Rechtsverletzung begeht, aber auch der Nutzer des Access Providers, der ein geschütztes Werk herunterlädt, begeht eine Rechtsverletzung – nämlich durch die Vervielfältigung. Und an dieser Rechtsverletzung wirkt der Access Provider adäquat-kausal mit.

d. Subsidiarität

Der BGH verlangt vom Rechteinhaber, dass er zunächst gegen den unmittelbaren Verletzer und gegen den Host Provider vorgeht. Erst dann soll der Access Provider überhaupt haften können. Der BGH begründet hier eine Subsidiarität der Störerhaftung. Diese war dem deutschen System bisher fremd (vgl. BGH, Urt. v. 5.12.1975 – I ZR 122/74, GRUR 1976, 256 (257) – Rechenscheibe; BGH, Urt. v. 5.4.1995 – I ZR 133/93, GRUR 1995, 605 (608) – Franchise-Nehmer; Ahlberg/Götting in Ahlberg/Götting, Beck’scher Online-Kommentar UrhG, § 97 UrhG Rn. 46; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl. 2011, Kap. 14 Rn. 12 m.w.N.; für Art. 10 EMRK ebenso EGMR, Urt. v. 10.10.2013 – 64569/09 – Delfi As v. Estonia.).

Hier findet eine erhebliche Verschiebung des Haftungssystems statt. Auch da bin ich gespannt, wie der BGH die Abkehr von der bisherigen Systematik begründet und ob er dies als allgemeines Prinzip stehen lässt oder klarstellt, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung nur bei Access Providern handelt. Die Folgefragen mag ich mir ehrlich gesagt gar nicht ausmalen.

Die fehlende Subsidiarität war übrigens schon vorher in der Literatur in Frage gestellt worden (Ahrens, WRP 2007, 1281 (1288)), häufig aber  mit einem anderen Hintergrund verbunden worden: Es wurde geglaubt, dass der Access Provider sich aus der Störerhaftung befreien könne, wenn er Auskunft über den Verletzer erteilt (soweit ihm das möglich ist) (s. dazu eingehend Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, 2014, Rn. 241).

Auch hier müssen wir die Gründe abwarten. Nach der Pressemitteilung erteilt der BGH einer solchen Auslegung aber eine klare Absage: Denn der Rechteinhaber muss selbst Nachforschungen anstellen und versuchen, den Verletzer und den Host Provider in Anspruch zu nehmen. Erst dann kann die Störerhaftung des Access Providers greifen. Dementsprechend dürfte die „Auskunft, dann alles gut“-Lösung auch nach den Entscheidungen des BGH nicht die richtige sein.

e. Von kerngleichen Rechtsverletzungen: Enge Auslegung = „nur der konkrete Fall“

Eine weitere – prozessual – interessante Folge dürften die hohen Anforderungen haben, die der BGH aufgestellt hat. Nach dieser Entscheidung dürften in einen Verbotstenor sogenannte „kerngleiche Rechtsverletzungen“ nämlich kaum noch fallen.

Bei solchen „kerngleichen Rechtsverletzungen“ geht es darum, dass derjenige, der zur Unterlassung einer bestimmten Rechtsverletzung verpflichtet worden ist, andere aber ganz ähnliche Rechtsverletzungen von sich aus verhindern soll.

Das ist nach den Entscheidungen des BGH aber kaum noch denkbar. Denn der Access Provider kann nicht wissen, ob der Rechteinhaber bereits versucht hat, den Verletzer und den Host Provider in Anspruch zu nehmen. Wenn der Rechteinhaber also einen Link auf das selbe geschützte Werk gesperrt wissen möchte, dieser aber auf einer anderen Webseite liegt, dann muss er nach der Pressemitteilung des BGH erst den Host Provider in Anspruch genommen haben. Solange er das nicht gemacht hat, ist eine Haftung des Access Providers nicht begründet. Damit kann eine Sperrverpflichtung sich aber immer nur auf die ganz konkrete, mitgeteilte Rechtsverletzung beziehen – Kerngleichheit ist praktisch unmöglich.

3. Vorprozessuales Verhalten

Wie oben schon angesprochen, muss der Rechteinhaber seinerseits erst alles tun, um den Verletzer und den Host Provider in Anspruch zu nehmen.

Der BGH führt dazu aus:

„Eine Störerhaftung des Unternehmens, das den Zugang zum Internet vermittelt, kommt unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit allerdings nur in Betracht, wenn der Rechteinhaber zunächst zumutbare Anstrengungen unternommen hat, gegen diejenigen Beteiligten vorzugehen, die – wie der Betreiber der Internetseite – die Rechtsverletzung selbst begangen haben oder – wie der Host-Provider – zur Rechtsverletzung durch die Erbringung von Dienstleistungen beigetragen haben. Nur wenn die Inanspruchnahme dieser Beteiligten scheitert oder ihr jede Erfolgsaussicht fehlt und deshalb andernfalls eine Rechtsschutzlücke entstünde, ist die Inanspruchnahme des Access-Providers als Störer zumutbar. Betreiber und Host-Provider sind wesentlich näher an der Rechtsverletzung als derjenige, der nur allgemein den Zugang zum Internet vermittelt. Bei der Ermittlung der vorrangig in Anspruch zu nehmenden Beteiligten hat der Rechtsinhaber in zumutbarem Umfang – etwa durch Beauftragung einer Detektei, eines Unternehmens, das Ermittlungen im Zusammenhang mit rechtswidrigen Angeboten im Internet durchführt, oder Einschaltung der staatlichen Ermittlungsbehörden – Nachforschungen vorzunehmen.“

4. Rechtsfolgen

Wichtig sind natürlich die Folgen für Access Provider.

a. Sperrmechanismen

Und das ist die wirklich schlechte Nachricht: Access Provider müssen nun Listen anlegen und Sperrmechanismen einrichten. Problematisch ist, dass wir bis die Entscheidungsgründe vorliegen nicht wissen, welche Sperren denn verlangt werden können. Dann aber könnten Link-, Domain- und IP-Listen anzulegen sein, die gesperrt werden müssen.

Allerdings sind vor der Aufnahme einer URL, Domain oder IP in die Liste hohe Anforderungen zu beachten: Erstens muss der Rechteinhaber vorher versucht haben, den Verletzer oder Host Provider in Anspruch zu nehmen. Es reicht nicht aus, dass er das behauptet, er muss das konkret darlegen. Zweitens muss feststehen, dass im Gesamtverhältnis unter der zu sperrenden IP, Domain oder Webseite hauptsächlich rechtsverletzende Inhalte hinterlegt sind. Erst dann darf der Access Provider sperren.

Sperrt der Access Provider zu früh, dürfte er sich Regressansprüchen ausgesetzt sehen: Nämlich einerseits seiner Kunden (warum komme ich auf heise-online nicht mehr drauf?) und andererseits der Host Provider. Ganz wichtig wird das bei IP- und Domain-Sperren. Denn hier ist die Gefahr des Overblocking extrem groß. Wenn der Access Provider hier nicht aufpasst, sieht er sich hohen Haftungsrisiken ausgesetzt.

Eine weitere – vermutlich auch weiterhin unbeantwortete Frage – ist die nach der Dauer einer Sperre. Angenommen die Domain www.goldesel.to wird gesperrt. Einige Jahre später wird die Domain aufgegeben und ein neuer Anbieter betreibt die Domain – mit ausschließlich legalen Inhalten. Dann müsste die Sperre wieder aufgehoben werden – aber nach welchem Verfahren? Wer kann hier gegen wen vorgehen? Ist der Access Provider haftbar, wenn er die Sperre rückgängig macht und dann wiederum Jahre später erneut die Webseite überwiegend für Rechtsverletzungen genutzt wird? Der BGH hat hier ein ganzes Fass an neuen Fragen aufgemacht.

b. Access Provider als Gate-Keeper

Aus diesem Grunde hoffe ich, dass die Access Provider nicht einfach alles sperren, was ihnen zugerufen wird. Access Provider sind jetzt – ähnlich wie Google beim „Recht auf Vergessenwerden“ bzw. „Recht auf De-Listing“ in einer unangenehmen Rolle: Sie müssen sperren, wozu sie verpflichtet sind, dürfen aber nicht sperren, wozu sie nicht verpflichtet sind. Eine extrem problematisch Lösung, für die der BGH hoffentlich Anhaltspunkte zu einer Lösung entwickelt hat und uns aufzeigen wird.

c. Missbrauchsgefahr

Denn die Missbrauchsgefahr solcher Sperren ist natürlich extrem hoch. Sind Sperrmechanismen erst einmal eingerichtet, wird sicher auch versucht, sie für andere Inhalte nutzbar zu machen, z.B. missliebige Meinungen. Die Diskussion um Domain-Sperren über den Registrar bei möglicherweise schmähenden Äußerungen haben kürzlich LG Frankfurt und OLG Frankfurt thematisiert und eine Haftung des Domain-Registrars abgelehnt.

d. Network Provider

Ich bin auch gespannt, ob der BGH Andeutungen machen wird, inwiefern seine Entscheidungen nur für Access Provider gelten. Denn mir sind aus der Praxis Einzelfälle bekannt, in denen gegen Network Provider vorgegangen wird, also solche Provider, die nur Datenverkehr durchleiten.

Wenn man allerdings die Entscheidungen des BGH (nach den Pressemitteilungen) weiterdenkt, dürfte hier wohl vorrangig der Access Provider in Anspruch zu nehmen sein, denn schließlich ist der an der Rechtsverletzung „näher dran“ als der Network Provider. Spannende Fragen …

e. Abmahnungen

Und nun wenigstens eine kleine gute Nachricht. Die Anforderungen an die Sperrpflicht des Access Providers hat der BGH hoch gehängt.

Vor Kenntnis von einer Rechtsverletzung kann daher eine Störerhaftung gar nicht begründet sein, das war schon zuvor die eindeutige Linie des BGH. Zusätzlich muss der Rechteinhaber aber in der Mitteilung oder Abmahnung mitteilen, ob und wie er bereits versucht hat, den Verletzer und den Host Provider in Anspruch zu nehmen. Fehlt es daran, besteht auch keine Sperrpflicht.

Jedenfalls im Urheberrecht wird dies nach § 97a UrhG auch erhebliche Auswirkungen für die Abmahnung und die Pflicht zur Kostenerstattung haben. Denn wenn es an diesen Anforderungen fehlt, ist die Abmahnung unwirksam.

Außerdem – da erhoffe ich mir auch klare und erläuternde Worte des BGH – muss nach der „Sommer unseres Lebens“-Entscheidung der Rechteinhaber ganz deutlich machen, was denn der Access Provider überhaupt tun soll, also welche Seite er (und möglicherweise auch wie?) sperren soll.

5. Folgen für WLANs?

In diesem Blog darf natürlich ein Blick auf die Folgen für WLANs nicht fehlen und ich möchte meine Leser nicht enttäuschen.

Leider muss ich konstatieren, dass alles, was ich oben geschrieben habe, auch für WLAN-Betreiber gilt. WLANs müssen daher zukünftig wohl – jedenfalls ab der ersten Aufforderung, die den oben beschriebenen Voraussetzungen entspricht – Sperren einrichten und unterhalten. Man sollte aber jedenfalls die Entscheidungsgründe abwarten und nicht in Panik verfallen. Bisher ist noch unklar, was genau verlangt werden kann und was nicht. Geht es um Sperren, sind Kosten für Abmahnungen wohl eher nicht zu erwarten, da die Anforderungen sehr hoch sind und Sperren zwingend erst nach der Mitteilung der Rechtsverletzung eingerichtet werden können. Ein Haftungsrisiko besteht auch bei WLANs also nur, wenn der Betreiber nach einer hinreichend konkreten und den obigen Anforderungen genügenden Aufforderung keine Sperre einrichtet.

Bei WLANs ist darüber hinaus in der Abwägung die häufig geringe Leistungsfähigkeit der Betreiber und der Geräte zu beachten. Wie sich das auswirken wird, lässt sich aber noch nicht absehen (s. aber sogleich zum Ausblick).

Nachtrag 27.11.2015:

Ich möchte nach verschiedenen Rückfragen zu den Folgen für WLANs noch etwas Wichtiges nachtragen, was ich vorher vergessen hatte. Die oben Ausführungen zu WLANs beziehen auf den Stand heute!

Wenn das TMG-Änderungsgesetz mit seinen Änderungen in § 8 TMG zu WLANs kommt – ich hatte darüber hier im Blog mehrfach berichtet – dann sieht das Ganze schon wieder anders aus, da nach den Vorgaben der Bundesregierung (BT-Drs. 18/6745) und des Bundesrats (BR-Drs. 440/15) § 8 TMG  auf jeden Fall Anwendung auf WLANs finden wird.

Kommt der Bundesrats-Entwurf durch, sind die vorliegenden Urteile des BGH für Betreiber von WLANs schlicht ohne Auswirkung.

Wird es der Entwurf der Bundesregierung, dann wird man diskutieren müssen, ob die vom BGH vorgesehenen Netzsperren als „angemessene Maßnahme zur Sicherung gegen Rechtsverletzungen“ anzusehen sind, die nach dem neuen § 8 Abs. 4 TMG gefordert werden können. Und genau dagegen gibt es ein gewichtiges Argument: Der Gesetzgeber hat ausweislich der Gesetzesbegründung ausdrücklich auf andere Maßnahmen abgestellt, obwohl er wusste, dass der BGH über die Frage der Access Provider-Haftung entscheiden wird und dort Netzsperren im Gespräch waren.

6. Ausblick

Generell und für WLANs ist noch ein anderer Aspekt von erheblicher Bedeutung: Das LG München I hat – darüber hatte ich hier berichtet – dem EuGH eine Menge Fragen vorgelegt, die für die Entscheidung des BGH von hoher Bedeutung sind. Das LG München I hat den EuGH insbesondere gefragt, welche Maßnahmen (also auch Sperren) überhaupt zumutbar sind (s. dazu hier und hier).

Es ist noch unklar, ob der EuGH sich dazu überhaupt äußern wird, oder ob er auf die nationalen Gerichte und Gesetzgeber verweisen wird. Hier ist jedenfalls noch Musik drin.

Außerdem dürfte klar sein, dass die Entscheidungen des BGH eine Menge an Rechtsfragen aufwerfen, die durch die Gerichte erst noch geklärt werden müssen. Und wie ich oben dargestellt habe, wird das nicht leicht. Die Rechtsunsicherheit bleibt also, auch wenn sich die Fragestellungen verschieben werden.

Ich werde hier jedenfalls weiter berichten …

„Risikoverteilung bei urheberrechtlichen Abmahnungen – Neue Wege mit § 97a UrhG?“ in CR 2014, 189 ff. erschienen

In eigener Sache:

Im aktuellen Heft 3/2014 der Zeitschrift Computer und Recht (CR) ist mein Beitrag mit dem Titel „Die Risikoverteilung bei urheberrechtlichen Abmahnungen – Neue Wege mit § 97a UrhG?“ erschienen (CR 2014, 189-193).

Seit einiger Zeit berichte ich immer wieder über Entscheidungen etc. im Zusammenhang mit der Neuregelung zur urheberrechtlichen Abmahnung nach § 97a UrhG und führe eine jeweils aktualisierte Übersicht über Rechtsprechung und Literatur zu § 97a Abs. 3 UrhG. Das habe ich zum Anlass genommen, den neuen § 97a UrhG genauer unter die Lupe zu nehmen und die Folgen für die Risiko- und Beweislastverteilung bei urheberrechtlichen Abmahnungen zu analysieren. Ergebnis ist der jetzt erschienene Aufsatz in der CR. Der Beitrag behandelt dabei insbesondere die Wirksamkeitsvoraussetzungen der urheberrechtlichen Abmahnung in § 97a Abs. 3 UrhG sowie die Folgen der Missachtung dieser Voraussetzungen sowie die Beschränkung des Aufwendungsersatzes in § 97a Abs. 3 UrhG. Dabei ist festzuhalten, dass § 97a UrhG einiges verändert und manches beim Alten belässt.

Hier ein kurzer Abschnitt aus der Einleitung zum Beitrag:

Die Risikoverteilung bei urheberrechtlichen Abmahnungen – Neue Wege mit § 97a UrhG?

Urheberrechtliche (Massen-)Abmahnungen haben es in den letzten Jahren zu einer solch traurigen Berühmtheit gebracht, dass der Gesetzgeber hier wiederholt aktiv geworden ist. Nachdem die 2008 eingeführte Kostendeckelung in § 97a Abs. 2 UrhG a.F. keine Besserung brachte, hat der Gesetzgeber im Rahmen des „Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken“ 2013 einen neuen Anlauf gestartet und § 97a UrhG weitgehend neu gestaltet. Dieser Umstand bietet Anlass, die Beweislast- und Risikoverteilung bei urheberrechtlichen Abmahnungen nach § 97a UrhG n.F. zu betrachten.

I. Einleitung

Aufgrund der bisherigen rechtlichen Konstellation konnte der Geschädigte vom Abgemahnten nach § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG a.F. – unter der Voraussetzung,  dass die Abmahnung berechtigt ist – Ersatz für die (Rechtsanwalts-)Kosten der Abmahnung verlangen […]

S. auch:

LG Köln, Beschl. v. 3.12.2013 – 28 T 9/13: (Gerichtlicher) Streitwert bei UrhR-Verletzung bleibt trotz § 97a Abs. 3 UrhG hoch (Update)

Die Kanzlei LHR hat gestern über einen Beschluss des LG Köln (Beschl. v. 3.12.2013 – 28 T 9/13) berichtet. Danach nimmt das LG Köln auch nach Inkrafttreten der Regelung in § 97a Abs. 3 UrhG, die in bestimmten Fällen eine Beschränkung des Gegenstandswertes auf 1.000,- EUR vorsieht, weiter die im Urheberrecht üblichen (relativ hohen) Streitwerte für das gerichtliche Verfahren an. Die Begrenzung in § 97a Abs. 3 UrhG gelte nur für die Kosten der Abmahnung, nicht aber für das gerichtliche Verfahren.

Das LG Köln soll ausgeführt haben:

Unerheblich für die Bemessung des gerichtlichen Gegenstandswertes ist schließlich § 97a UrhG in der am 9. Oktober 2013 in Kraft getretenen Neufassung. Dies gilt bereits deshalb, da zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung im Mai 2013 das Gesetz noch nicht einmal vom Bundestag beschlossen geschweige denn in Kraft getreten war und eine rückwirkende Anwendung schon deshalb nicht in Betracht kommt.

Hinzu kommt, dass § 97a Abs. 3 UrhG auch in seiner neuen Fassung ausschließlich die Frage regelt, in welchem Umfang der abmahnende Rechteinhaber Ersatz seiner erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen für die vorgerichtliche Abmahnung von dem Schuldner verlangen kann. Für den Gebührenstreitwert im gerichtlichen Verfahren enthält die Vorschrift keine Regelung und ist sie somit ohne Belang.

So mag man – wie das Amtsgericht – es für rechtspolitisch wünschenswert halten, auch für den gerichtlichen Streitwert eine Deckelung auf 1000,00 EUR einzuführen. Dies hat der Gesetzgeber jedoch ausdrücklich, wie auch der Gesetzesbegründung zu entnehmen ist, nicht getan, so dass es auf die diesbezügliche Argumentation im Beschluss des Amtsgerichts Köln nicht ankommen kann.

So war in dem ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung (vgl. BT-Drucksache 17/13057) noch eine Kostenregelung in einem § 49 GKG-E enthalten, die sowohl die anwaltlichen als auch die gerichtlichen Gebühren erfasste. Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages hat in seinen Beschlussempfehlungen (vgl. BT-Drucksache 17/14216) jedoch die Auffassung vertreten, dass diese Regelung nicht beibehalten werden soll. Stattdessen hat der Ausschuss empfohlen, dass zwischen dem gerichtlichen und außergerichtlichen Bereich differenziert werden solle.

Für urheberrechtliche gerichtliche Streitigkeiten soll es bei dem Grundsatz des § 3 ZPO verbleiben, wonach der Wert vom Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt wird. Für den vorgerichtlichen Bereich schaffe die nach den Beschlussempfehlungen des Rechtsausschusses in § 97a ZPO eingegliederte Regelung zur Begrenzung des anwaltlichen Erstattungsanspruchs bei urheberrechtlichen Abmahnungen eine “zielgenaue” Regelung (vgl. BT-Drucksache 17/14216). Exakt diese auf die Kosten der vorgerichtlichen Abmahnung beschränkte Regelung in § 97a Abs. 3 UrhG ist vom Deutschen Bundestag mit Billigung des Bundesrates zum Gesetz gemacht worden.

Die Entscheidung hätte damit im Wesentlichen zur Folge, dass das Meiste beim Alten bleibt. Für die Abmahnung wird in den Fällen des § 97a Abs. 3 UrhG ein Gegenstandswert für die Rechtsanwaltsgebühren von nur 1.000,- EUR anzusetzen sein. Gibt der Abgemahnte die meist geforderte Unterlassungserklärung ab, zahlt aber nicht, beschränkt sich der gerichtliche Streitwert auf die Höhe des Schadensersatzes zzgl. Rechtsanwaltsgebühren, so dass in der Regel das Amtsgericht sachlich zuständig sein wird.

Gibt der Abgemahnte keine Unterlassungserklärung ab, ist in den Streitwert auch der Unterlassungsanspruch einzuberechnen. Das OLG Hamm (Beschl. v. 4.11.2013 – I-22 W 60/13) hat diesen Streitwert für den Unterlassungsanspruch bei den typischen Filesharing-Fällen kürzlich auf 2.000,- EUR festgesetzt, das OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf, 4.2.2013 – I-20 W 68/11) auf 2.500,- EUR. Bei den meisten Gerichten wird allerdings ein deutlich höherer Streitwert für solche Fälle angesetzt, so dass häufig das Landgericht sachlich zuständig sein wird.

Für denjenigen, der in Zukunft Klage (entweder auf Unterlassung und Schadensersatz oder als negative Feststellungsklage) erhebt, besteht daher ein gewisses Kostenrisiko für die eventuell zusätzlich anfallenden Kosten einer Verweisung.

Der Volltext der Entscheidung liegt derzeit noch nicht vor.

Eine jeweils aktualisierte Übersicht zu Rechtsprechung und Literatur zu § 97a Abs. 3 UrhG findet sich hier.

Update: Der Volltext der Entscheidung findet sich hier.

Muss der Abmahner der Abmahnung eine Abschrift des Beschlusses nach § 101 Abs. 9 UrhG beifügen?

Auf dieses Blog ist in den letzten Tagen ein Besucher mit der im Titel genannten Frage gestoßen (aufgezeichnet durch – anonymisiertes – Piwik). Die entsprechende Suche bei Bing habe ich mir angesehen und sie beantwortet die Frage nicht.

Ob der Leser hier im Blog eine Antwort gefunden hat, weiß ich nicht. Daher für die Zukunft und nur ganz kurz:

Muss der Abmahner der Abmahnung eine Abschrift des Beschlusses nach § 101 Abs. 9 UrhG beifügen?

Die Antwort liefert der (neue) § 97a Abs. 2 UrhG, der lautet:

(2) Die Abmahnung hat in klarer und verständlicher Weise

  1. Name oder Firma des Verletzten anzugeben, wenn der Verletzte nicht selbst, sondern ein Vertreter abmahnt,
  2. die Rechtsverletzung genau zu bezeichnen,
  3. geltend gemachte Zahlungsansprüche als Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche aufzuschlüsseln und
  4. wenn darin eine Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtung enthalten ist, anzugeben, inwieweit die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht.

Eine Abmahnung, die nicht Satz 1 entspricht, ist unwirksam.

Eine Kopie des Beschlusses gehört hierzu nicht. Eine Abmahnung ist daher auch ohne diese wirksam.

Redtube-Abmahnungen und Datenschutzstrafrecht

Ulf Buermeyer (@vieuxrenard) hat auf heise-online eine sehr lesenswerte strafrechtliche Analyse der Redtube-Abmahnungen vorgenommen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass eine Strafbarkeit der abmahnenden Anwälte der Kanzlei Urmann + Collegen wegen (versuchten und vermutlich in vielen Fällen auch vollendeten Betruges) vorliegen kann.

Aus strafrechtlicher Perspektive bedeutet das: Wenn man die urheberrechtliche Lage so einschätzt wie dargestellt, dann enthalten Abmahnungen wegen Streaming von legalen Portalen schon deswegen objektiv eine Täuschung. […]

Und je unzuverlässiger die Daten, umso eher wird sich ein Gericht davon überzeugen können, dass der Abmahnanwalt wenigstens ahnte, dass etwas nicht mit rechten Dingen zuging, er also wenigstens bedingt vorsätzlich handelte.

Er bezeichnet die beschriebenen Massenabmahnungen zusätzlich treffend als den „Enkeltrick des Internet-Zeitalters“. Er hofft, …

dass gegen Streaming-Abmahner engagiert ermittelt wird, denn hier geht es um ein Massenphänomen, das erheblichen gesellschaftlichen Schaden anrichtet. Bei unberechtigten Abmahnungen werden unter Missbrauch des Urheberrechts abwegige Vorwürfe erhoben; dadurch wird das Urheberrecht insgesamt weiter diskreditiert. Es ist kein Geheimnis, dass breite Kreise der Bevölkerung manche Aspekte des deutschen Urheberrechts ohnehin für fragwürdig halten. Windige Abmahnungen wegen Streamings sind daher blankes Gift für die gesellschaftliche Akzeptanz dieses Rechts.

Außerdem richten Streaming-Abmahnungen erheblichen wirtschaftlichen Schaden an – sie sind quasi der „Enkeltrick“ des Internet-Zeitalters: Die Hintermänner setzen gezielt auf die Unbedarftheit ihrer Opfer und versuchen, sie zu unbegründeten Zahlungen bringen, zumal wenn es um peinliche Vorwürfe geht. Diese Masche sollte entsprechend energisch verfolgt werden.

Die Analyse von Ulf Buermeyer bietet einen Anlass, auch über den Tellerrand des Strafgesetzbuches hinauszublicken und einen Blick ins Nebenstrafrecht zu werfen, namentlich ins Datenschutzstrafrecht.

1. Der Sachverhalt

Um eine strafrechtliche Analyse vornehmen zu können, ist zunächst festzuhalten, auf welcher Grundlage dieser erfolgt. Dies gestaltet sich allerdings sehr schwierig, da in Bezug auf die Redtube-Abmahnungen noch sehr vieles im Dunkeln liegt. Der nachfolgende Sachverhalt beruht auf den bisher bekannten Tatsachen, erhebt aber keinen Anspruch auf Richtigkeit und Vollständigkeit. Er dient lediglich der Vorbereitung der nachfolgenden juristischen Analyse.

a. Die Beteiligten
Vorliegend gab es – soweit ersichtlich – vier Beteiligte:
  • den angeblichen Rechteinhaber, The Archive AG,
  • das Unternehmen, das die IP-Adressen ermittelt haben will, itGuard Inc.,
  • den Rechtsanwalt, der beim LG Köln nach § 101 UrhG Auskunft über die hinter den IP-Adressen stehenden Anschlussinhaber beantragt (und in großem Umfang erhalten) hat (RA Sebastian), und
  • die Anwaltskanzlei, die die Abmahnungen versandt hat (nachfolgend „U+C“).

Bisher ist nicht erkennbar, dass Redtube irgendwie involviert war. Im Gegenteil hat Redtube erklärt, dass sie keine IP-Adressen weitergegeben hätten. Mittlerweile hat Redtube auch gegen

b. Die „Tathandlungen“

Zu unterscheiden sind verschiedene mögliche „Tathandlungen“:

  • die Ermittlung der IP-Adressen – wie auch immer dies erfolgt sein soll,
  • die Übermittlung der IP-Adressen an RA Sebastian,
  • die Übermittlung der IP-Adressen an das LG Köln zusammen mit einem Antrag nach § 101 UrhG,
  • die Übermittlung der IP-Adressen mitsamt der beauskunfteten Informationen des LG Köln an U+C und
  • die Aussprache der Abmahnung durch U+C,

sowie verschiedene Formen der Beteiligung, z.B. eine mittelbare Täterschaft, Anstiftung oder Beihilfe zu den einzelnen „Tathandlungen“.

c. „Tathergang“

Nach dem bisherigen Stand soll ein Unternehmen mit Hilfe der Software „GladII“ die IP-Adressen ermittelt haben. Dabei bleibt weiter völlig unklar, wie dies passiert sein soll. Es gibt Theorien, dass die IP-Adressen ermittelt wurden durch

Zu dem gesamten Vorgang hat sich mittlerweile RA Urmann in einem Interview geäußert. Auch RA Sebastian hat eine Pressemitteilung herausgegeben.

2. Mögliche Straftatbestände und (kurze) Analyse

Ulf Buermeyer ist schon auf den Straftatbestand des Betruges nach § 263 StGB eingegangen. Aus dem Datenschutzstrafrecht kommen verschiedene Tatbestände nach §§ 43, 44 BDSG in Betracht. Denken könnte man zudem auch an Straftaten aus dem Telekommunikationsbereich, namentlich §§ 89 Abs. 1, 148 TKG, denken.

Aus dem StGB kommt auch eine Strafbarkeit wegen des Ausspähens von Daten nach § 202a StGB, des Abfangens von Daten nach § 202b StGB, beim Einsatz von Trojanern auch Datenveränderung und Computersabotage nach §§ 303a, 303b StGB in Betracht. Diese sind aber nicht Gegenstand dieses Beitrages.

Nun zum Datenschutzstrafrecht:

a. Personenbezogene Daten

Als erste Frage ist zu klären, ob es sich bei den IP-Adressen in den verschiedenen Stadien um personenbezogene Daten nach § 3 BDSG handelt. Man könnte daran zweifeln, weil z.B. das LG Berlin dynamische IP-Adressen i.d.R. nicht als personenbezogen ansieht – außer beim Access Provider. Die Datenschutzaufsichtsbehörden sehen das allerdings anders. Ermittelt wurden die IP-Adressen durch die itGuard Inc. Diese hatte zunächst noch keine weiteren Informationen, insbesondere die später durch die Gerichtsbeschlüsse erwirkten Daten der jeweiligen Anschlussinhaber. Man könnte die Daten also bei itGuard Inc. als nicht personenbezogen ansehen. Dann wäre nach der Auffassung des LG Berlin zumindest die Sammlung der Daten nicht datenschutzrechtlich relevant.

Zu beachten ist jedoch, dass die Daten später durch die (vom LG Köln angeordnete) Auskunft der Telekom einzelnen Personen zugeordnet wurden und zugeordnet werden sollten, so dass die IP-Adressen in einem späteren Stadium zu personenbezogenen Daten wurden.

Dabei ist nach allgemeiner Auffassung die Übermittlung von nicht-personenbezogenen Daten an jemanden, der Zusatzwissen hat, und dadurch einen Personenbezug herstellen kann, also Übermittlung i.S.v. § 3 Abs. 4 Nr. 3 BDSG anzusehen.

Es kann davon ausgegangen werden, dass itGuard Inc. und The Archive AG wussten, dass der Empfänger einen Personenbezug herstellen will – das war ja gerade der Zweck der Datensammlung! Daher dürfte die Weitergabe der Daten unter das BDSG fallen. Im Ergebnis sind die IP-Adressen somit für alle Beteiligten als personenbezogene Daten anzusehen.

Im Übrigen ist nach dem Vorgenannten auch der Umstand „Nutzer XY hat zum Zeitpunkt Z den Film ABC angesehen“ ebenfalls ein personenbezogenes Datum.

b. Ungerechtfertigte Nutzung der Daten

Nach § 4 BDSG ist jede Verwendung von Daten unzulässig, sofern sie nicht gerechtfertigt ist. In Betracht kommt im Grunde hier nur eine Rechtfertigung nach § 28 BDSG. Im Einzelnen wären das § 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG, weil durch die Abmahnung möglicherweise ein Rechtsverhältnis nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag begründet werden soll, § 28 Abs. 2 Nr. 2 BDSG zur Wahrung berechtigter Interessen eines Dritten bzw. zur Verfolgung von Straftaten.

Grundsätzlich wird man davon ausgehen können, dass die Verwendung von IP-Adressen nach diesen Regeln gerechtfertigt ist, wenn dies zur Verfolgung der Rechte des Rechteinhabers dient. Bestehen allerdings von vornherein kein Rechte, wie dies im Fall der Redtube-Abmahnungen nahe liegt, dann können auch die Rechtfertigungstatbestände nicht greifen. Auch kann in einem solchen Fall kein Rechtsverhältnis durch die Abmahnung entstehen. Im Falle der Redtube-Abmahnungen war die Datennutzung daher vermutlich nicht durch § 28 BDSG gerechtfertigt.

Es ist darauf hinzuweisen, dass – anders als RA Urmann  in seinem Interview geäußert hat – die Gerichtsbeschlüsse des LG Köln (s. Pressemeldung des LG Köln) keinesfalls zu einer Rechtfertigung führen. Das LG Köln hat lediglich auf Grundlage des Vortrages von RA Sebastian geprüft, ob die Voraussetzungen von § 101 Abs. 9 UrhG vorliegen und danach in der Mehrzahl der Fälle (Beispiel eines ablehnenden Beschlusses hier) der Telekom Gegenüber die Herausgabe der Daten angeordnet. Dafür, dass die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen der Datenherausgabe tatsächlich vorliegen, ist weiterhin der Antragsteller, hier The Archive AG, verantwortlich.

c. Ordnungswidrigkeit, § 43 BDSG

In Betracht kommen auf dieser Grundlage zunächst verschiedene Ordnungswidrigkeitstatbestände nach § 43 BDSG, wonach

(2) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
1. unbefugt personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, erhebt oder verarbeitet,
4. die Übermittlung von personenbezogenen Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, durch unrichtige Angaben erschleicht, …

Datei fällt unter das „Verarbeiten“ in § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG auch die Übermittlung.

Der Vorsatz und die Fahrlässigkeit beziehen sich auch auf das Tatbestandsmerkmal „unbefugt“. Nach derzeitigem Stand dürfte hier jedenfalls Fahrlässigkeit in Betracht kommen, vermutlich auch Vorsatz mindestens in Form des sog. bedingten Vorsatzes, weil die Beteiligten die fehlende Befugnis für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben (vgl. dazu auch die Ausführungen von Ulf Buermeyer).

d. Strafbarkeit, § 44 BDSG

Nächste Stufe ist die Strafbarkeit nach § 44 BDSG, der in Abs. 1 lautet:

(1) Wer eine in § 43 Abs. 2 bezeichnete vorsätzliche Handlung gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Hier dürfte folgendes gelten:

  • Die itGuards Inc. wird für ihre Dienste bezahlt worden sein => (+)
  • The Archive AG wollte – davon können wir ausgehen – mit den Abmahnungen Geld verdienen und sich dadurch bereichern => (+)
  • RA Sebastian ist für seine Tätigkeit bezahlt worden und wollte seiner Mandantin helfen, sich zu bereichern => (+)
  • Die Kanzlei U+C ist für ihre Tätigkeit bezahlt worden und wollte ihrer Mandantin helfen, sich zu bereichern => (+)
3. Telekommunikations-Strafnormen (§§ 89, 148 TKG)

Eine Strafbarkeit nach §§ 89, 148 TKG scheidet aus, da nicht ersichtlich ist, dass die Beteiligten eine Funkanlage i.S.v. § 89 TKG eingesetzt haben.

4. jeweils: Beteiligung

Wenn man davon ausgeht, dass die Beteiligten um den gesamten Vorgang wussten, dürften sie jeweils für ihre Tathandlung Täter sein. Alternativ kommt – mit entsprechendem Vorsatz – auch eine Strafbarkeit als Gehilfe (§ 27 StGB) oder „mittelbarer Täter“ (dazu Ulf Buermeyer) in Betracht.

 

(Bild von tpsdave, Quelle: http://pixabay.com/en/hawaii-volcano-hot-fire-night-142138/, Lizenz: CC0)

 

 

 

 

Übersicht Rechtsprechung und Literatur zur Gebührendeckelung in § 97a Abs. 3 UrhG

Der Gesetzgeber hat in § 97a Abs. 3 UrhG eine Gebührendeckelung für Abmahnungen im Bereich des Urheberrechts eingeführt (Gesetzestext hier, s. auch BT-Drs. 17/14192). Der folgende Beitrag enthält eine Sammlung von Entscheidungen und Aufsätzen zum neuen § 97a Abs. 3 UrhG sowie den übrigen Voraussetzungen des neuen § 97a UrhG mit Links und/oder Fundstellen. Diese wird nach Möglichkeit erweitert und ergänzt. Hinweise auf weitere Urteile, Literatur und Blogs bitte in den Kommentaren (Danke).

Stand: 28.3.2015 (neu: Amtsgericht Köln)

Rechtsprechung

Oberlandesgerichte

Landgerichte

Amtsgerichte

Literatur

Blog-Beiträge

Permalink: http://s100026103.ngcobalt84.manitu.net/offenenetze.de/97aurhg

AG Hamburg, Vfg. v. 27.7.2013: Streitwert bei Filesharing bei 1.000,- EUR in Vorgriff auf § 97a Abs. 3 UrhG

Wie RA Dr. Schenk berichtet, greift das AG Hamburg in einem laufenden Verfahren mit einer aktuellen Verfügung vom 27.07.2013 (Az.: 31 a C 108/13) bereits jetzt die Erwägungen des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken (BT-Drs. 17/14192) auf, das zwar verabschiedet, aber noch nicht im Bundesgesetzblatt verkündet und in Kraft getreten ist.

§ 97a Abs. 3 UrhG lautet in der künftigen Fassung:

(3) Soweit die Abmahnung berechtigt ist und Absatz 2 Nummern 1 bis 4 entspricht, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwen- dungen verlangt werden. Fu?r die Inan- spruchnahme anwaltlicher Dienstleistun- gen beschra?nkt sich der Ersatz der erfor- derlichen Aufwendungen hinsichtlich der gesetzlichen Gebu?hren auf Gebu?hren nach einem Gegenstandswert fu?r den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch von 1 000 EUR, wenn der Abgemahnte
1. eine natu?rliche Person ist, die nach diesem Gesetz geschu?tzte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschu?tzte Schutzgegensta?nde nicht fu?r ihre gewerbliche oder selbsta?ndige berufliche Ta?tigkeit verwendet, und
2. nicht bereits wegen eines Anspruchs des Abmahnenden durch Vertrag, aufgrund einer rechtskra?ftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfu?gung zur Unterlassung verpflichtet ist.Der in Satz 2 genannte Wert ist auch maßgeblich, wenn ein Unterlassungs- und ein Beseitigungsanspruch nebeneinander geltend gemacht werden.

Satz 2 gilt nicht, wenn der genannte Wert nach den besonderen Umsta?nden des Einzelfalles unbillig ist.

Den in § 97a Abs. 3 UrhG zu Grunde liegenden Gedanken scheint das AG Hamburg bereits jetzt anzuwenden. Dies ist auch deshalb relevant, weil damit zu rechnen ist, dass derzeit besonders viele Abmahnungen ausgesprochen und Gerichtsverfahren eingeleitet werden, um vor Inkrafttreten des Gesetzes noch Anwaltsgebühren für die Abmahnung nach dem bisherigen Streitwert (von häufig 10.000,- EUR) zu erhalten.

Die Ansicht des AG Hamburg ist begrüßenswert. Es ist zu hoffen, dass andere Gerichte dem folgen werden.

Wenn der neue § 97a Abs. 3 UrhG erst einmal in Kraft getreten ist, muss sich auch noch zeigen, ob diese Norm effektiver wird als der unrühmliche § 97a Abs. 2 UrhG, der so schwammig formuliert war, dass die Gerichte ihn praktisch nie angewandt haben.

S. auch Kurzbericht von RA Staemmler

LG Frankfurt am Main, Urt. v. 28.06.2013 – 2-06 O 304/12: Keine Störerhaftung für WLAN bei Vermieter einer Ferienwohnung

Landgericht Frankfurt am Main, Urt. v. 28.06.2013 – 2-06 O 304/12

Das Landgericht Frankfurt hat zur Störerhaftung des Vermieters einer Ferienwohnung Stellung genommen. Im Wesentlichen hat es seine bereits bzgl. Hoteliers ergangene Rechtsprechung bestätigt (s. hierzu auch LG Frankfurt am Main, Urt. v. 18.8.2010 – 2-6 S 19/09, MMR 2011, 401 (m. Anm. Mantz, PDF). Eine Besprechung des Urteils folgt .hier demnächst

S. in dem Zusammenhang auch meine Stellungnahme zu den Fragen zum Antrag im Landtag Nordrhein-Westfalen „Abschaffung der Störerhaftung“, Drs. 16/2884, Anhörung am 3.7.2013.

Leitsätze (des Verfassers):

1. Die Beweislast für die Einhaltung etwaiger Prüfungs- und Überwachungspflichten obliegt dem potentiellen Störer.

2. Im Fall einer von Anfang an beschränkten Nutzungsüberlassung bedarf es keines ausdrücklichen Verbots von illegalen Internetaktivitäten unter Einschluss des Filesharings. Wer den Zugang zum Internet über ein WLAN nur für berufliche Zwecke eröffnet, genügt seinen zumutbaren Prüfungs- und Überwachungspflichten. Man würde die Sorgfaltsanforderungen an die Inhaber von Internetanschlüssen übersteigern, wenn man von diesen ungeachtet der konkreten Umstände des Einzelfalls in jedem Fall ein ausdrückliches Verbot von illegalen Internetaktivitäten verlangte, um eine Störerhaftung und damit zumindest nicht unerheblichen Abmahnkosten zu vermeiden.

Tenor:

Es wird festgestellt, dass der Beklagte aus der am 27.10.2011 ausgesprochenen Abmahnung mit dem Aktenzeichen 000000000 keine Rechte gegenüber den Klägern geltend machen kann.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte aus der am 06.10.2011 ausgesprochenen Abmahnung mit dem Aktenzeichen 1111111111111 keine Rechte gegenüber den Klägern geltend machen kann.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf € 10.000,00 festgesetzt.

Tatbestand
Die Kläger beantragen die Feststellung, dass der Beklagte aus zwei an sie adressierte Abmahnungen keine Ansprüche geltend machen kann.

Die Kläger sind Eigentümer einer Ferienwohnung in Bissendorf, die am 28.08.2011 an eine Frankfurter Firma (F GmbH) vermietet war.

Der Beklagte ist Mitkomponist sowie Mitdichter des Textes verschiedener Versionen des Musikstücks „A“ der Künstlergruppe G.

Die Kläger stellten der F GmbH in ihrer Ferienwohnung über W-LAN einen Internet- Gastzugang zur Verfügung.

Am 28.08.2011 wurde über vorbezeichneten Internetzugang, dem seinerzeit dynamisch die IP-Adresse 84.136.220.98 zugeteilt war, die Tonaufnahme „G – A (German Top 100 Single Charts 29.08.2011)“ um 10:17:07 Uhr sowie um 18:11:20 Uhr (jeweils mit identischem Hashwert) über eine Tauschbörse zum Download angeboten.

Der Beklagte (bzw. ein von diesem ermächtigtes Unternehmen) beantragte wegen beider Verstöße jeweils gesondert unter dem 30.08.2011 beim Landgericht Köln eine einstweilige Anordnung gemäß § 101 Abs. 9 UrhG, die hinsichtlich des Verstoßes von 10:17:07 Uhr unter Az. 218 O 206/11 mit Beschluss vom 24.10.2011 (Anlagen B 2 und B 3, Bl. 98 ff. d.A.) und hinsichtlich des Verstoßes von 18:11:20 Uhr unter Az. 221 O 255/11 erlassen wurde.

Nach der im Folgenden eingeholten Auskunft des Internetproviders der Kläger war die IP- Adresse 84.136.220.98 seinerzeit diesen zugeteilt.

Der Beklagte ließ – nach seiner von den Klägern mit Nichtwissen bestrittener Behauptung – in Bezug auf den Verstoß von 18:11:20 Uhr unter dem 06.10.2011 ein anwaltliches Abmahnschreiben fertigen (Anlage B 5, Bl. 110 ff d.A.), dessen Zugang die Kläger bestreiten.

Daneben mahnte der Beklagte die Kläger mit Anwaltsschreiben vom 27.10.2011 wegen des Verstoßes von 10:17:07 Uhr ab (Anlage K 1, Bl. 6 ff d.A.).

Unter dem 31.10.2011 erhielten die Kläger ein Erinnerungsschreiben zur Abmahnung vom 06.10.2011 (Verstoß von 18:11:20 Uhr).

Mit Schreiben vom 03.11.2011 gaben die Kläger eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab (Anlage K 2, Bl. 13 d.A.).

Unter dem 22.11.2011 sandte ihnen der Beklagte eine zweite Aufforderung zur Abgabe eine strafbewehrten Unterlassungserklärung bezüglich der Abmahnung vom 06.10.2011 (Anlage K 3, Bl. 14 f. d.A.).

Die Kläger teilten dem Beklagten mit, dass der Verstoß durch die F GmbH begangen worden sei, ohne (einen) konkrete(n) Namen zu nennen.

Über den klägerischen Anschluss ist von Seiten der F GmbH unstreitig jedenfalls eine weitere Urheberrechtsverletzung begangen worden.

Die Kläger behaupten, die Internetverbindung sei in dem ländlichen Gebiet langsam, Down- bzw. Uploads nähmen entsprechend viel Zeit in Anspruch.

Sie bestreiten den Ablauf der Feststellung der Urheberrechtsverletzung mit Nichtwissen.

Sie behaupten, erst durch das Erinnerungsschreiben vom 31.01.2011 von der Abmahnung vom 06.10.2011 erfahren zu haben, weswegen diese ihrer Meinung nach unwirksam ist.

Die zweite Abmahnung (vom 27.10.2011) stelle eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung dar.

Ihrer Behauptung nach hatten sie vor dieser Abmahnung keine Kenntnis von dem durch die F GmbH verursachten Verstoß, wobei aus ihrer Sicht eine einheitliche Verletzungshandlung in Rede steht.

Die Kläger behaupten, der F GmbH den Internetzugang ausschließlich für den E-Mailverkehr eröffnet zu haben. Eine rechtswidrige Nutzung, z.B. von Tauschbörsen, hätten sie explizit untersagt. Sie hätten ausdrücklich betont, dass nur Mailverkehr gestattet sei, da andere Anwendungen zu Störungen im Netz führen würden. Ihr Internetzugang sei hinreichend verschlüsselt.

Sie sind der Ansicht, ihrer sekundären Darlegungslast damit nachgekommen zu sein und sich entsprechend der Rechtsprechung der Kammer zu Hotelbetrieben exkulpiert zu haben.

Die Kläger beantragen,

1. festzustellen, dass der Beklagte aus der am 27.10.2011 ausgesprochenen Abmahnung mit dem Aktenzeichen 0000000000 keine Rechte gegenüber ihnen geltend machen kann.

2. festzustellen, dass der Beklagte aus der am 06.10.2011 ausgesprochenen Abmahnung mit dem Aktenzeichen 111111111111 keine Rechte gegenüber ihnen geltend machen kann.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Seines Erachtens ist die negative Feststellungsklage unbegründet, da beide Abmahnungen berechtigt gewesen seien.

Nach Behauptung des Beklagten haben die Kläger keine hinreichenden Sicherungsvorkehrungen gegen eine unbefugte Nutzung des Internetanschlusses getroffen und eine solche seiner Meinung nach auch nicht dargetan.

Er behauptet, die Kläger hätten über einen erheblichen Zeitraum einen ungesicherten Anschluss ohne besondere Benutzungs- bzw. W arnhinweise überlassen und ihre Übernachtungsgäste nicht – wie aus seiner Sicht jedenfalls erforderlich – umfassend aufgeklärt und diese Aufklärung „notfalls“ dokumentiert.

Seiner Meinung nach gelten insofern nicht dieselben Anforderungen wie an Hoteliers, sondern
–wegen der größeren Vergleichbarkeit mit einem Zwei-Familien-Haushalt – die (vermeintlich) strengeren Maßstäbe für Privathaushalte mit (angeblich) erhöhten Prüf- und Sicherungspflichten.

Er habe vor seinen Abmahnungen auch nicht zunächst eine Berechtigungsanfrage stellen müssen, da seinerzeit noch keine Anhaltspunkte für potenzielle Drittverletzer vorgelegen hätten und damit keine Unsicherheit hinsichtlich des Verletzungstatbestands bestanden habe.

Mit Blick darauf, dass über den Anschluss der Kläger unstreitig zumindest eine weitere Urheberrechtsverletzung begangen worden ist, erscheint dem Beklagten der klägerische Vortrag, dass die Kläger erst nach Zugang seiner Abmahnschreiben von möglichen Urheberrechtsverletzungen Kenntnis erlangt hätten, zumindest zweifelhaft (Bl. 40 d.A.).

Die Einzelrichterin hat in der mündlichen Verhandlung vom 31.05.2013 auf Grund des Beweisbeschlusses vom 06.03.2013 (Bl. 266 f. d.A.) Beweis durch Vernehmung der Zeugen Sascha und Svenja D erhoben. Hinsichtlich des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 31.05.2013 verwiesen (Bl. 278 ff. d.A.).

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf sämtliche gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 09.01.2013 (Bl. 246 f. d.A.) und 31.05.2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die negative Feststellungsklage ist begründet.

Der Beklagte kann weder aus der Abmahnung vom 27.10.2011 noch aus dem Abmahnschreiben vom 06.10.2011 Rechte gegenüber den Klägern in deren Eigenschaft als Inhaber desjenigen Internetanschlusses geltend machen, über den unstreitig am 28.08.2011 ein (auch) zu Gunsten des Beklagten geschütztes Musik- bzw. Sprachwerk urheberrechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht worden ist (§§ 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 i.V.m. Abs. 2, 10, 15 Abs. 2 S. 2 Nr. 1, 19a UrhG).

Die Kläger sind für die von einem oder mehreren Mitarbeiter(n) der F GmbH begangene Urheberrechtsverletzung weder als (Mit-/)Täter noch als T eilnehmer oder Störer verantwortlich.

1. Spätestens seit Vorlage der Ermittlungsdaten durch die Beklagtenseite steht fest, dass beide Verletzungen am 28.08.2011 unter derselben dynamischen IP-Adresse erfolgten.

Es ist daher – was der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vom 31.05.2013 auch nicht mehr bestritten hat – von einer einheitlichen Urheberrechtsverletzung auszugehen. Dasselbe Musikstück mit demselben Hashwert wurde ohne temporäre Trennung der Internetverbindung am 28.08.2011 von Morgens (jedenfalls) um 10:17:07 Uhr bis Abends um (jedenfalls) 18.11:20 Uhr zum Upload angeboten.

2. Die Kläger haften für diese Urheberrechtsverletzung zunächst einmal nicht als (Mit-/)Täter.

Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass einer der Kläger die Urheberverletzung eigenhändig, als mittelbarer oder Mittäter begangen haben könnte.

a) Die Frage, ob sich jemand als Täter, Mittäter, Anstifter oder Gehilfe in einer die zivilrechtliche Haftung begründenden Weise an einer deliktischen Handlung eines Dritten beteiligt hat, beurteilt sich nach den im Strafrecht entwickelten Rechtsgrundsätzen (BGH (U.v. 22.07.2010 – I ZR 139/08) – „Kinderhochstühle im Internet“, zitiert nach juris, Rn. 30).

Täter ist derjenige, der die Zuwiderhandlung selbst oder in mittelbarer Täterschaft begeht (§ 25 Abs. 1 StGB).

Mittäterschaft erfordert eine gemeinschaftliche Begehung, also ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken (vgl. § 830 Abs. 1 S. 1 BGB; BGH (U.v. 18.11.2010 – I ZR 155/09) – „Sedo“, zitiert nach juris, Rn. 24; BGH – „Kinderhochstühle im Internet“, a.a.O.).

b) Wird ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht zwar eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist, woraus sich eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers ergibt, der geltend macht, eine andere Person habe die Rechtsverletzung begangen (vgl. BGH (U..v. 12.05.2010 – I ZR 121/08) – „Sommer unseres Lebens“, zitiert nach juris, Rn. 12; BGH (U.v. 15.11.2012 – I ZR 74/12) – „Morpheus“, zitiert nach juris, Rn. 33), dieser sekundären Darlegungslast haben die Kläger im Streitfall jedoch genügt.

Sie haben die tatsächlich Vermutung ihrer Täterschaft durch Benennung der F GmbH und ihren korrespondierenden Vortrag zur Gestattung einer Internetnutzung zu Gunsten der Mieter ihrer Ferienwohnung entkräftet.

Unter diesen Umständen ist es wiederum Sache des Beklagten als Anspruchsteller, die für eine Haftung der Kläger als Täter oder T eilnehmer einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (BGH – „Morpheus“, a.a.O., Rn. 35).

c) Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung kommt eine täterschaftliche Haftung der Kläger auch nicht unter dem Aspekt der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht in Betracht.

Für eine täterschaftlich begangene Urheberrechtsverletzung müssen die Merkmale eines der handlungsbezogenen Verletzungstatbestände des Urheberrechts erfüllt sein (vgl. z.B. BGH (B.v. 10.05.2012 – I ZR 57/09), zitiert nach juris, Rn. 3 m.w.N.). Im Streitfall müsste das Verhalten der Kläger – die Überlassung eines Gastzugangs an die Mieter ihrer Ferienwohnung – daher den Tatbestand der öffentlichen Zugänglichmachung des in Rede stehenden urheberrechtlichen Werkes erfüllen (§ 19a UrhG). Dies ist nicht der Fall (vgl. z.B. BGH – „Sommer unseres Lebens“, a.a.O., Rn. 13; BGH – „Morpheus“, a.a.O., Rn. 38).

3. Die Kläger können auch nicht als Teilnehmer an der von den Mitarbeitern der F GmbH begangenen Urheberrechtsverletzung zur Verantwortung gezogen werden.

a) Die Gehilfenhaftung setzt neben einer objektiven Beihilfehandlung zumindest einen bedingten Vorsatz bezüglich der Haupttat voraus, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einschließt (BGH – „Sedo“, a.a.O., Rn. 32, 34). Im Fall einer Beihilfe durch Unterlassen – wie sie hier in Rede steht – bedürfte es zudem einer Erfolgsabwendungspflicht (BGH – „Kinderhochstühle im Internet“, a.a.O., Rn. 34).

b) Den Klägern fehlte jedenfalls der erforderliche Gehilfenvorsatz.

aa) Dafür, dass die Kläger Kenntnis von der konkreten Verletzungshandlung – dem Filesharing des Titels „A“ hatten – fehlt jeder Anhaltspunkt (siehe insofern u.a. BGH – „Sedo“, a.a.O., Rn. 33; BGH (U.v. 12.07.2012 – I ZR 18/11) – „Alone in the Dark“, zitiert nach juris, Rn. 17).

bb) Es kann nicht einmal davon ausgegangen werden, dass sie die Haupttat – ohne von dieser eine ganz konkrete Vorstellung zu haben – auch nur in groben Zügen kannten und den Verletzungserfolg billigend in Kauf nahmen.

Mindestvoraussetzung für eine Beihilfe durch Unterlassen wäre, dass die Kläger mit vergleichbaren Rechtsverletzungen durch ihre Gäste rechneten und dennoch keine geeigneten Sicherungsvorkehrungen trafen, sondern den/die Filesharer einfach gewähren ließen.

Hiervon ist vorliegend nicht auszugehen.

Im Fall der Kenntnis von einem zeitlich vorhergehenden Verstoß bestehen zwar gesteigerte Anforderungen an die Prüfungs- und Überwachungspflichten eines Anschlussinhabers (zur elterlichen Aufsichtspflicht, vgl. insofern BGH (U.v. 15.11.2012 – I ZR 74/12) – „Morpheus“, zitiert nach juris, Rn. 24 ), zudem ist über den klägerischen Anschluss unzweifelhaft noch mindestens eine weitere von der „F GmbH“ (i.w.S.) zu verantwortende Urheberrechtsverletzungen begangen worden, es ist jedoch nichts dafür ersichtlich, dass die Kläger von dieser/n bereits im Vorfeld der streitgegenständlichen Verletzung am 28.08.2011 oder auch nur vor Abreise der F-Mitarbeiter Kenntnis hatten.

Die Darlegungs- und Beweislast für einen Teilnehmervorsatz liegt – wie dargetan – auch im Rahmen einer negativen Feststellungsklage beim Beklagten in dessen Eigenschaft als Anspruchsteller (allgemein zur Darlegungs- und Beweislast: BGH – „Morpheus“, a.a.O., Rn. 32). Dieser hat einen solchen Vorsatz weder konkret behauptet noch unter Beweis gestellt. Gegen einen Eventualvorsatz der Eheleute D spricht vielmehr, dass der Zeuge D 1 ausgesagt hat, die Firma F habe die Ferienwohnung nur einmalig für die Dauer von ca. zwei Wochen gemietet.

Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die Kläger bereits am 28.08.2011 von einem (weiteren) Filesharing-Verstoß wussten.

4. Die Kläger schulden dem Beklagten auch unter dem Aspekt einer Störerhaftung nicht jedenfalls Ersatz der Kosten für eine der beiden Abmahnungen.

a) Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt.

Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers nach ständiger Rechtsprechung des BGH die Verletzung von Prüfpflichten voraus, deren Umfang sich danach bestimmt, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH – „Morpheus“, a.a.O., Rn. 41; BGH – „Sommer unseres Lebens“, a.a.O., Rn. 19; BGH – „Sedo“, a.a.O., Rn. 37; BGH – „Alone in the Dark“, a.a.O., Rn. 19). Dabei können für den Inhaber eines Internetanschlusses durchaus Prüfungs- und ggf. auch Handlungspflichten zur Vorbeugung gegen Schutzrechtsverletzungen bestehen (OLG Frankfurt a.M. (U.v. 01.07.2008 – 11 U 52/07), zitiert nach juris, Rn. 23).

b) Theoretisch wäre zwar zumindest eine der beiden Abmahnungen berechtigt gewesen, um den Klägern vorprozessual Gelegenheit zu Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zu geben, da diese selbst behaupten, von der Rechtsverletzung vor der Abmahnung vom 27.10.2011 keine Kenntnis von der Rechtsverletzung gehabt zu haben – wobei im Streitfall dahinstehen kann, welche Abmahnungen eine Ersatzpflicht ausgelöst hätte (eine Pflicht zum Ersatz der Kosten für die Abmahnung vom 27.10.2011 scheitert nicht bereits daran, dass die Kläger behaupten, die Abmahnung vom 06.10.2011 nicht erhalten zu haben; träfe dies zu, könnte Erstere nicht als unberechtigte Zweitabmahnung angesehen werden, Darüber hinaus haben die Kläger vor Abgabe ihrer Unterlassungserklärung unzweifelhaft das Erinnerungsschreiben vom 31.01.2011 (zur Abmahnung vom 06.10.2011) erhalten) – allerdings stehen die Voraussetzungen für eine Störerhaftung im Streitfall nicht fest.

aa) Die Frage, ob ausschließlich die Benutzer der Ferienwohnung Zugang zu dem W-LAN hatten, keine anderen Gäste als die Mieter (Mitarbeiter der F GmbH) anwesend waren und ob das Netz hinreichend sicher verschlüsselt war, bedurfte trotz Aufnahme in den Beweisbeschluss (Bl. 267 d.A.) keiner Auseinandersetzung.

Vorliegend kommen weder ein sog. Hacker-Angriff außenstehender Dritter auf das Netz der Kläger noch ein potenzieller Verstoß durch einen dritten Besucher (i.w.S.) in Betracht (vgl. in diesem Zusammenhang auch LG Düsseldorf (U.v. 26.08.2009 – 12 O 594/07), zitiert nach juris, Rn. 25). Im Streitfall steht fest, dass ein oder mehrere der Bewohner der Ferienwohnung den zu Gunsten des Beklagten geschützten Titel illegal über eine Tauschbörse zum Upload anbot(en).

bb) Die Anforderungen an einen Anschlussinhaber, der seinen W-LAN-Anschluss den Mietern seiner Ferienwohnung überlässt, sind in der Rechtsprechung noch ungeklärt.

Zu den Anforderungen an Hoteliers existiert im Wesentlichen das Urteil der Kammer in der Sache S 19/09, in der diese es zur Verneinung einer Störerhaftung ausreichen ließ, dass der Hotelinhaber seinen Gästen eine rechtswidrige Internetnutzung untersagt hatte (U.v. 18.08.2010, zitiert nach juris, Rn. 12).

cc) Die Frage, ob es eines solchen Verbots illegaler Internetaktivitäten mit Blick auf die nicht ganz unwahrscheinliche Gefahr, dass die Mieter einer Ferienwohnung über den ihnen zur Verfügung gestellten fremden Internetanschluss eine Tauschbörse nutzen, grundsätzlich auch auf Seiten des Vermieters der Ferienwohnung bedarf, kann im Streitfall auf Grund der spezifischen Sonderkonstellation dahinstehen (zur Hinweispflicht des Betreibers eines Kopierladens, vgl. z.B. BGH (U.v. 09.06.1983 – I ZR 70/81 – „Kopierläden“, zitiert nach juris, Rn. 24; zur Belehrungspflicht von Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern, vgl. BGH – „Morpheus“, a.a.O., Rn. 29; zu möglichen Maßnahmen des Inhabers eines Internet-Cafés, siehe z.B. LG Hamburg (U.v. 25.11.2010 – 310 O 433/10), zitiert nach juris, Rn. 7) .

Vorliegend haben die Kläger ihren Gästen den Internetzugang von vornherein nur zum Versand von E-Mails und allenfalls noch zu beruflichen Zwecken eröffnet.

(Zumindest) Im Fall einer von Anfang an beschränkten Nutzungsüberlassung bedarf es keines ausdrücklichen Verbots von illegalen Internetaktivitäten unter Einschluss des Filesharings.

(1) Hinsichtlich einer etwaigen Störerhaftung mussten die Kläger ihre Behauptungen zur Einhaltung etwaiger Prüfungs- und Überwachungspflichten – soweit diese von dem Beklagten bestritten worden sind und entscheidungsrelevant waren – nach den allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln beweisen. Anders als im Fall einer sekundären Darlegungslast konnten Sie sich nicht auf dahingehenden Vortrag beschränken.

(2) Die Kläger haben den ihnen obliegenden Beweis einer fehlenden Störerhaftung durch die Aussagen der Zeugen D 1 und D 2, bei denen es sich um ihren Sohn und ihre Schwiegertochter handelt, erfolgreich geführt (eine Vernehmung weiterer Zeugen, insbesondere der seinerzeit bei den Klägern logierenden F-Mitarbeiter, kam mangels Benennung nicht in Betracht, vgl. insofern S. 5, Ziff. 3 des Beklagtenschriftsatzes vom 20.06.2013).

Beide Zeugen haben übereinstimmend – und insofern auch konsistent mit dem klägerischen Vorbringen (Bl. 251 d.A.) – ausgesagt, dass ausdrücklich darüber gesprochen worden sei, dass der Anschluss für E-Mail-Verkehr und berufliche Zwecke verwendet werden sollte.

(a) Nach Aussage des Zeugen D 1 war der Internetzugang nicht bereits Bestandteil des Mietarrangements.

Die Mitarbeiter der F GmbH hätten sich erst nach ihrer Ankunft nach der Möglichkeit eines Internetzugangs erkundigt, mit der Behauptung, diesen zu benötigen, um E-Mails zu verschicken und weil sie diesen zu beruflichen Zwecken benötigten.

Sie hätten ihnen daraufhin einen gesonderten Gastzugang zum Internet eingeräumt. Für Gäste der Ferienwohnung habe über eine FRITZ!Box ein gesondertes W-LAN eingerichtet werden können.

Der Zugang sei beschränkt auf E-Mail-Verkehr bzw. nur für berufliche Zwecke eröffnet worden, da die F GmbH ausdrücklich nur nach einem Internetzugang zu beruflichen Zwecken gefragt habe. Sie hätten dies dann unterstützt, da ihre Internetverbindung ohnehin sehr langsam sei. Im Prinzip sei es gar nicht möglich, solche Dateien auszutauschen.

Nachdem die Klägerin dann habe feststellen müssen, dass das W-LAN langsamer geworden sei, sich insbesondere die Seiten sehr langsam aufbauten, als sie mit ihrem Computer selbst ins Internet ging, sei der Gastzugang zunächst vollständig abgeschaltet worden, da das Netz scheinbar sehr von der F GmbH genutzt worden sei.

Die Mieter hätten sich dann über die Sperrung des Gastzugangs beschwert bzw. seien am nächsten Tag gekommen und hätten gefragt, ob sie wieder Zugang haben könnten, da sie diesen bräuchten, insbesondere um Mails zu verschicken und beruflich zu arbeiten.

Seine Mutter habe ihnen gesagt, dass der Zugang gesperrt worden sei, weil das Internet so langsam geworden sei. Sie hätten dann gesagt, sie würden tatsächlich nur E-Mails verschicken, worauf ihnen der Zugang ein/zwei Tage später wieder eröffnet worden sei.

(b) Die Zeugin D 2 hat ausgesagt, ihre Schwiegermutter habe am Anfang, als die Daten rausgegeben worden seien, extra gesagt, dass der Zugang nur für E-Mails sei, die für die Arbeit abgerufen werden können. Ihre Schwiegermutter habe das auch zwischendurch noch mal erwähnt.

Sie habe gehört, dass der Zugang nur für E-Mail-Verkehr und nicht für eine andere Nutzung des Internets verwendet werden dürfe. Sie habe das selbst mehrfach mitbekommen, da sie während der Gespräche mit den Mitarbeitern von F daneben gestanden habe.

Auf Rückfrage gab die Zeugin an, dies sei konkret hinzugesagt worden, weil das Internet sonst sehr langsam werde.

Von ihrer Schwiegermutter habe sie auch gehört, dass das Internet relativ langsam [geworden] sei.

Auf die Frage nach dem Grund für eine neuerliche Beschränkung auf E-Mail-Verkehr hat die Zeugin angegeben, teilweise sei der Zugang auch aus gewesen. Die hätten dann nachgefragt, ob sie diesen wieder nutzen könnten. Sie sei von den Mitarbeitern von F speziell danach gefragt worden, was denn los sei, da das Internet aus gewesen sei. Sie habe dann ihre Schwiegermutter dazugeholt und dabeigestanden, als diese den Mitarbeitern von F noch mal gesagt habe, dass der Zugang nur für E-Mail-Kontakte bzw. für die Arbeit sei.

Auf Rückfrage erklärte sie, mit „Nutzung für die Arbeit“ meine sie, dass die Leute, die bei ihnen waren, den Zugang für E-Mails, die für die Arbeit waren, hätten nutzen dürfen.

(c) Beide Zeugenaussagen waren in Bezug auf das Kerngeschehen glaubhaft. Die Zeugen waren auch nicht unglaubwürdig.

(aa) Soweit der Zeuge D 1 ausgesagt hat, dem Mitarbeiter der F GmbH im Zusammenhang mit der Einräumung des Gastzugangs selbst gesagt zu haben, dass sie den Anschluss nicht für andere Internetaktivitäten [als berufliche Zwecke] nutzen dürften, kann dahinstehen, ob dies zutrifft. Diese Behauptung ist nicht von streitentscheidender Relevanz.

Die Zeugin D 2 hat zwar – zunächst konsistent dazu – angegeben, ihr Ehemann sei bei dem anfänglichen Gespräch zugegen gewesen, sie hat aber anfänglich nur bekundet, ihre Schwiegermutter habe gesagt, dass der Zugang nur für E-Mail-Verkehr und nicht für eine andere Nutzung des Internets verwendet werden dürfte. Erst auf Rückfrage des Gerichts, ob ihr Ehemann bei dem Gespräch auch etwas gesagt habe, hat sie hinzugefügt, ja, der habe dann auch gesagt, dass der Internetzugang nur zur Nutzung von E-Mails sei. Auf den Hinweis, dass es doch ziemlich ungewöhnlich sei, dass so etwas von der Schwiegermutter wie auch dem Mann gesagt wird, hat sie keine Antwort gewusst.

Letzteres mag zwar ein gewisses Indiz dafür sein, dass sie bei ihren Angaben bemüht war, sich zu Gunsten ihrer Schwiegereltern und ihres Ehemannes nicht in Widerspruch zu dessen Aussage zu setzen, allerdings war die Zeugin D 2 bei ihrer Vernehmung auch sichtlich nervös. Diesbezüglich ist nicht auszuschließen, dass sie sich durch die – eine Unstimmigkeit ihrer Aussage implizierende – Rückfrage hat einschüchtern lassen und aus diesem Grund keine Antwort gegeben hat.

(bb) Ebenfalls offen bleiben kann, ob die Klägerin schon zum Zeitpunkt der Überlassung des Internetanschlusses darauf hingewiesen hat, dass der Anschluss nur für E-Mails genutzt werden dürfe (so die Aussage der Zeugin D 2) oder ob sich der beschränkte Nutzungszweck aus der Anfrage des als „Sprecher“ fungierenden F-Mitarbeiter bzw. einem Hinweis des Zeugen D ergab (so dessen Aussage des Zeugen D 1).

(cc) Beide Zeugen haben ausgesagt, die Mitarbeiter der F GmbH hätten ausdrücklich nur nach einem Internetzugang zur E-Mail-Korrespondenz bzw. zu beruflichen Zwecken gefragt.

Sie haben auch übereinstimmend angegeben, dass eine Nutzung des Gastzugangs nachteilige Auswirkungen auf die ohnehin nicht sehr schnelle Internetverbindung haben konnte, die von Klägerseite unerwünscht war.

Nachdem die Klägerin die Verlangsamung ihrer Internetverbindung festgestellt habe, sei der Gastzugang umgehend gesperrt und auch nicht sofort, sondern erst ein/zwei Tage später auf Bitte der Gäste wieder eröffnet worden. Nach Aussage der Zeugin D 2 fragten die Mitarbeiter der F GmbH mehrfach an, was mit dem Anschluss sei, wobei beide Zeugen übereinstimmend mitgeteilt haben, es sei immer derselbe Mitarbeiter gewesen, mit dem über den Internetanschluss gesprochen worden sei.

Die Zeugin D 2 hat sich noch daran erinnern können, dass es nach Sperrung des Anschlusses keine längeren Diskussionen gegeben hat, sondern immer nur ganz kurz gesprochen worden ist. Sie sei von einem der Gäste konkret darauf angesprochen worden und habe dann ihre Schwiegermutter dazugeholt zu haben, die dann noch mal gesagt habe, dass der Zugang nur für E-Mail-Kontakte bzw. für die Arbeit sei.

An der Glaubhaftigkeit dieser Aussage und damit an der Intention der Kläger an einer Beschränkung des Netzzugangs auf berufliche Zwecke bestehen keine Zweifel.

Beide Zeugen sind davon ausgegangen, die Internetnutzung durch die Mitarbeiter der F GmbH sei auf Grund ausdrücklicher Hinweise bzw. wegen der hierauf beschränkten Anfrage im Wesentlichen auf den E-Mail-Verkehr, ggf. noch auf die Abfrage von Bankkonten o.Ä. zu beruflichen Zwecken beschränkt gewesen.

Soweit der Zeuge D 1 ausgesagt hat, der Zugang sei nicht bereits Bestandteil der Ferienwohnungsmiete gewesen, sondern auf Anfrage sei nachträglich ein Gastzugang über eine FRITZ!Box eingeräumt worden, fehlt jedes Indiz dafür, dass dies nicht zutreffend sein könnte. Vielmehr erscheint glaubhaft, dass der Zugang tatsächlich erst nach Beginn des Mietverhältnisses gewährt worden ist, da die Klägerseite um die Problematik ihres recht schwachen Internetnetzes wusste und dessen Überlastung vermeiden wollte.

(d) Anlass zu Zweifeln an der Glaubwürdigkeit der Zeugen bestehen nicht.

(aa) Die Zeugin D 2 hat ausdrücklich eingeräumt, außer dem angeblich Hinweis auf eine Nutzungsbeschränkung von Seiten der Kläger keine konkreten Erinnerungen an den Tag der Ankunft der Gäste zu haben. Dies wirft allenfalls Fragen zur Glaubhaftigkeit einzelner Angaben auf, lässt aber nicht an ihrer Glaubwürdigkeit zweifeln. Entsprechendes gilt auch, soweit sie eine ihr vom Gericht gestellte Frage unbeantwortet gelassen hat.

Soweit die Zeugin insgesamt nur auf Rückfrage und recht knapp ausgesagt hat, dürfte dies ihrer Nervosität sowie ihrer Persönlichkeit geschuldet sein.

(bb) Der Zeuge D 1 hat das Geschehen zunächst flüssig aus freien Stücken wiedergegeben und Rückfragen stets ohne Zögern beantwortet.

Das Gericht zweifelt auf Grund des von ihm in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks nicht an dessen Glaubwürdigkeit.

(3) Damit steht fest, dass den Mitarbeitern der F GmbH der Internetzugang von vornherein nur zu beruflichen Zwecken eingeräumt worden ist.

(a) Soweit der Zeuge D 1 u.a. ausgesagt hat, die Mitarbeiter der F GmbH hätten [anfangs] gesagt, dass sie „im Wesentlichen“ E-Mails schreiben wollten, im Anschluss an die Abschaltung seien sie gekommen und hätten gefragt, ob sie wieder Zugang haben könnten, da sie diesen „insbesondere“ bräuchten um Mails zu verschicken und beruflich zu arbeiten, folgt hieraus nicht, dass die Kläger begründeten Anlass zu der Annahme hatten – oder hätten haben müssen –, dass der Anschluss nicht ausschließlich beruflich genutzt werden würde.

Beide Zeugen haben übereinstimmend angegeben, dass Grund für die Bitte nach Eröffnung eines Internetanschlusses berufliche Zwecken gewesen seien, insbesondere das Erfordernis einer beruflichen E-Mail-Korrespondenz.

Vor diesem Hintergrund durften die Kläger davon ausgehen, dass ihre Gäste den Rahmen der von diesen selbst kommunizierten Beschränkung einhalten würden.

(b) In einer derartigen Konstellation scheint es trotz faktisch unbeschränkt eröffneten Internetzugangs nicht geboten, dass der Vermieter einer Ferienwohnung seine Mieter explizit darauf hinweist – und diesen Hinweis ggf. sogar schriftlich fixiert (vgl. insofern S. 2 und 5 des Beklagtenschriftsatzes vom 20.06.2013, Ziff. I. 1./2., 4.) –, dass über den Anschluss keine illegalen Internetaktivitäten erfolgen dürfen, insbesondere keine T auschbörsennutzung erlaubt ist.

Mit Blick auf die von vornherein beschränkte Verwendungsintention durften die Kläger zunächst darauf vertrauen, dass ihre Mieter das Internet tatsächlich nur zu beruflichen Zwecken verwenden würden, insbesondere um E-Mails zu empfangen und zu versenden.

Nachdem die Klägerseite auf Grund der von der Klägerin festgestellten Verlangsamung der Internetverbindung annehmen mussten, dass ihre Mieter das Internet in nicht unerheblichem Umfang nutzten – und damit möglicherweise Anlass für eine weiterreichende Nutzungsbelehrung bestand –, schalteten die Kläger den Gastzugang zunächst vollständig ab.

Sie eröffneten diesen ihren Gästen ausschließlich auf deren Zusage hin erneut, das Internet ausschließlich für E-Mails bzw. beruflich zu nutzen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme wurde die Nutzungsberechtigung durch die Kläger jedenfalls im Zusammenhang mit der Wiedereinräumung des Gastzugangs explizit beschränkt, wobei unklar ist, ob der streitgegenständliche Verstoß vom 28.08.2011 zuvor oder erst in der Folgezeit begangen worden ist. Die Kläger durften im Folgenden – mangels eines Anhaltspunktes für künftige Übertretungen dieser Nutzungsbeschränkung – davon ausgehen, dass sich ihre Gäste an ihre Vorgabe halten würden.

Eine weiterreichende Verwendungsbeschränkung erübrigte sich.

Sofern die Mitarbeiter der F GmbH die Beschränkung nicht einhielten, begründet dies zwar deren Haftung (als Täter und/oder Teilnehmer), nicht aber eine Störerhaftung der Kläger.

Diese haben ihren zumutbaren Prüfungs- und Überwachungspflichten Genüge getan, indem der Zugang nur für berufliche Zwecke eröffnet worden ist, zu denen die Nutzung von Internettauschbörsen nicht gehört. Man würde die Sorgfaltsanforderungen an die Inhaber von Internetanschlüssen übersteigern, wenn man von diesen ungeachtet der konkreten Umstände des Einzelfalls in jedem Fall ein ausdrückliches Verbot von illegalen Internetaktivitäten verlangte, um eine Störerhaftung und damit zumindest nicht unerheblichen Abmahnkosten zu vermeiden. Eine derartige Pauschalisierung erscheint im Lichte des schutzwürdigen Interesses der Allgemeinheit an einer Nutzung von Internetanschlüssen in temporären Unterkünften weder erforderlich noch angezeigt.

 

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.11.2011 – I-20 W 132/11: Bei Filesharing-Abmahnung müssen Titel konkret bezeichnet werden; Bestreiten des Zusammenhangs zwischen IP-Adresse und Anschluss mit Nichtwissen statthaft

Einen bemerkenswerten Beschluss hat am 14.11.2011 das OLG Düsseldorf gefällt (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.11.2011 – I-20 W 132/11, Volltext hier).

In dem Beschluss ging es um den Antrag auf Prozesskostenhilfe eines wegen Filesharings Abgemahnten, der auf Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch genommen worden war. Das OLG Düsseldorf hat die Prozesskostenhilfe zugestanden.

1. Sekundäre Darlegungslast und IP-Adresse

Spannend ist zunächst, dass die Beklagte die Zuordnung von IP-Adresse und Anschluss mit Nichtwissen bestreiten durfte. In falscher Auslegung des BGH-Urteils „Sommer unseres Lebens“ gehen einige Gerichte (fast) von einer Beweislastumkehr aus (s. nur zuletzt AG München, Urteil vom 23. November 2011 – 142 C 2564/11):

Die Beklagte ist nicht gehindert, die Aktivlegitimation der Klägerinnen, das Anbieten der streitgegenständlichen Musikdateien über die IP-Adresse … und die Zuordnung dieser IP-Adresse zu ihrem Anschluss mit Nichtwissen zu bestreiten. Die Beklagte hat keinen Einblick in den Geschäftsbetrieb der Klägerinnen, des „Onlineermittlers“ und des Internetproviders. Die weitere Substantiierung des Klägervortrags ist für die Zulässigkeit des Bestreitens mit Nichtwissen irrelevant.

2. Substantiierungslast des Abmahnenden

Der bei Filesharing Abmahnende muss nach zutreffender Ansicht des OLG Düsseldorf ganz konkret diejenigen Werke bezeichnen, für die er Rechte zu haben behauptet. Wenn er an

Schadensberechnung in Filesharing-Fällen, OLG Köln, Beschl. v. 30.9.2011 – 6 U 67/11

Das OLG Köln hat in einem Filesharing-Verfahren einen interessanten Hinweisbeschluss im Hinblick auf die Berechnung der Höhe des Schadensersatzanspruchs bei Filesharing von Musik erlassen (OLG Köln, Beschluss vom 30. September 2011 – 6 U 67/11, Volltext hier ).

Zum Hinweis:

Das Gericht sieht im konkreten Fall den Anspruch als grundsätzlich begründet an und erteilt Hinweise an die Klägerin, dass das Gericht für die Schätzung des Schadens nach § 287 ZPO noch weitere Belege benötigt.

Das Gericht hält an der Praxis fest, sich zur Schätzung an Tarifen der GEMA zu orientieren. Dabei geht es aber nicht – wie von der Klägerin gewünscht – vom Tarif „VR W I“ aus, der einen Mindestsatz von 100,- EUR enthält, also in einer Schätzung von mindestens 100,- EUR pro angebotenem Lied resultiert. Dieser Tarif betrifft jedoch nur „Hintergrundmusik im Bereich der Werbung, die im Wege des Streaming zur Verfügung gestellt wird.“ Dem Gericht ist daher darin zuzustimmen, dass dies für den Download von Musikdateien nicht passt.

Stattdessen sieht das Gericht den Tarif „VR-OD 5“ als einschlägig an, der rund 0,13 EUR pro tatsächlichem Download eines Musikstücks vorsieht, für ein Album also runde 1,50 EUR pro Zugriff (je nach Anzahl der Lieder, insb. bei Chart-Containern entsprechend mehr).

Da es in diesem Tarif keine Mindestgebühr gibt, benötigt das Gericht nähere Angaben zu den Zugriffszahlen. Zu diesen muss die Klägerin nun näher vortragen.

Bemerkenswert ist letztlich noch die Ansicht des Gerichts im Hinblick darauf, dass diejenigen, die das Musikstück herunterladen, es gleichzeitig (und möglicherweise zukünftig) an Dritte weiterverteilen:

Es wird darin weiter folgendes zu berücksichtigten sein. Das Einstellen der Titel in die Tauschbörse hat zwar – wie die Klägerinnen im Ausgangspunkt zutreffend vortragen – einer unübersehbaren Anzahl Beteiligter den Zugriff auf diese ermöglicht, es bestehen aber auch gegen all jene (soweit schuldhaft handelnden) weiteren unberechtigten Nutzer wiederum Schadensersatzansprüche. Eine – aus diesem Grunde zumindest theoretisch möglich erscheinende – vielfache Geltendmachung desselben Schadens ohne Anrechnung der schon erfolgten Ersatzleistung eines der Schädiger dürfte im Ansatz unberechtigt sein. Auch dieser Gesichtspunkt spricht im Übrigen gegen die Zugrundelegung des von den Klägerinnen favorisieiten GEMA-Tarifes, weil dieser ohne weiteres bis zu 10.000 Zugriffe zugrunde legt.

 Welche Folgen hat dies  für Filesharing-Verfahren?

Zunächst müssen Rechteinhaber nun näher zu typischen Download-Zahlen vortragen. Dementsprechende Studien dürften schon in Auftrag gegeben sein. Es wird interessant sein, ob alternative/unabhängige Studien durchgeführt werden werden. Voneinander abweichende Ergebnisse sind zu erwarten. Viel Stoff für weitere Diskussion also. Das Gericht kann allerdings auch bei abweichenden Zahlen nach § 287 ZPO schätzen (z.B. Mittelwert).

Zudem ist auch in diesem Zusammenhang zu fragen, ob in den Studien bzw. dem zu erwartenden Vortrag die bei Filesharing typische Technik Berücksichtigung findet. Denn beim Filesharing wird ein Musikstück nicht nur von einer Quelle runtergeladen, sondern in kleinen Blöcken von einer Vielzahl von Quellen. Ein „Zugriff“ ist daher noch kein „Download“. Im Gegenteil: Wenn jeder Zugriff als ein Download gerechnet würde, dann erhielte die Klägerin (die Schadensersatzansprüche gegen Dritte eingerechnet) pro „vollem Download“ ein Vielfaches der ca. 0,13 EUR. Entpsrechende Studien sollten daher nicht nur die „Zugriffe“ zählen, sondern auch messen, von wie vielen Quellen ein Musikstück im Durchschnitt heruntergeladen wird. Diese Anzahl ist bei der Berechnung der „Downloads“ zu berücksichtigen.

Zusätzlich kommt eine weitere Tatsachenfrage (und damit ein weiterer Einwand für den jeweiligen Beklagten) hinzu: Die Anzahl der Downloads ist immer abhängig von der Länge des Zeitraums, in dem das Musikstück zum Download angeboten wird. Bisher belegen die Rechteinhaber mittels Zeitpunkt und Hash-Key jedoch nur, dass überhaupt ein Angebot des Musikstücks von der fraglichen IP-Adresse vorlegen hat. In Zukunft müssten sie zusätzlich eine Zeitspanne angeben und belegen (z.B. „Unter der IP-Adresse A wurde das Musikstück M (Hash-Wert H) mindestens im Zeitraum t1 bis t2 angeboten. Beweis: Angebot des Musikstücks M von der IP-Adresse A zum Zeitpunkt t1 und Angebot zum Zeitpunkt t2).

 

Das OLG Köln hat dadurch ein spannendes weiteres Kapitel für Diskussionen geöffnet.