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BGH „Dead Island“ – Wie der BGH zwar die Abschaffung der Störerhaftung (bei WLANs) bestätigt, ihr Grundübel aber weiter beibehält

Der BGH hat kürzlich eine Entscheidung zur Haftung des Betreibers von WLANs gefällt (BGH, Urt. v. 26.7.2018 – I ZR 64/17 – Dead Island (PM)), die sich sowohl mit der neuen Rechtslage nach § 8 TMG n.F. (eingehend dazu hier) befasst als auch mit der alten Rechtslage. Bisher liegt nur die Pressemitteilung (PM) vor, deshalb ist bei jeder Analyse Vorsicht angesagt, diese kann zwangsläufig nur vorläufig sein, da die Urteilsgründe sich doch noch etwas anders darstellen können, als die Pressemitteilung (z.B. zum Debakel in Sachen BGH „Sommer unseres Lebens“ hier, unter 4.).

Der BGH fasst den Sachverhalt in der PM ganz kurz so zusammen:

Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Computerspiel „Dead Island“. Der Beklagte unterhält einen Internetanschluss. Am 6. Januar 2013 wurde das Programm „Dead Island“ über den Internetanschluss des Beklagten in einer Internet-Tauschbörse zum Herunterladen angeboten. Die Klägerin mahnte den Beklagten im März 2013 ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Zuvor hatte die Klägerin den Beklagten zweimal wegen im Jahr 2011 über seinen Internetanschluss begangener, auf andere Werke bezogener Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing anwaltlich abgemahnt.

Der Beklagte hat geltend gemacht, selbst keine Rechtsverletzung begangen zu haben. Er betreibe unter seiner IP-Adresse fünf öffentlich zugängliche WLAN-Hotspots und drahtgebunden zwei eingehende Kanäle aus dem Tor-Netzwerk („Tor-Exit-Nodes“).

Es ging also um einen doppelt interessanten, aber dadurch auch verwickelten Fall, in dem letztlich unklar war, ob die Rechtsverletzung über einen der öffentlichen WLANs des Beklagten oder aber den TOR-Exit-Node des Beklagten begangen worden war.

Der Fall ist aus dem Grunde etwas kompliziert, dass man bei der Rechtslage zwischen den einzelnen Ansprüchen unterscheiden muss. Die Klägerin hatte einen Anspruch auf Unterlassung (der weiteren Mitwirkung an Rechtsverletzungen der Nutzer, also Störerhaftung) geltend gemacht. Ein solcher Unterlassungsanspruch ist begriffsnotwendig in die Zukunft gerichtet. Deshalb kommt es für die Gesetzeslage darauf an, wie sich diese zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (also der Revisionsverhandlung) darstellte. Dementsprechend war für den Anspruch auf Unterlassung die neue Regelung in § 8 Abs. 1 TMG n.F. maßgebend. Anders war dies bei den Abmahnkosten, da ging es nach der alten Rechtslage, also nach § 8 Abs. 1 TMG a.F.

Bezüglich der Abmahnkosten hat der BGH entschieden, dass der Anspruch gegen den Beklagten begründet war, da er – vor der Gesetzesnovelle – als Störer gehaftet hätte. Hierzu hat der BGH ausgeführt:

Der Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, sein WLAN durch den Einsatz des im Kaufzeitpunkt aktuellen Verschlüsselungsstandards sowie eines individuellen Passworts gegen missbräuchliche Nutzung durch Dritte zu sichern. Für den Fall der privaten Bereitstellung durch den Beklagten bestand diese Pflicht ohne Weiteres bereits ab Inbetriebnahme des Anschlusses. Sofern der Beklagte den Internetzugang über WLAN gewerblich bereitgestellt hat, war er zu diesen Sicherungsmaßnahmen verpflichtet, weil er zuvor bereits darauf hingewiesen worden war, dass über seinen Internetanschluss im Jahr 2011 Urheberrechtsverletzungen im Wege des Filesharings begangen worden waren. Der Annahme einer Störerhaftung steht es nicht entgegen, dass das im Hinweis benannte Werk nicht mit dem von der erneuten Rechtsverletzung betroffenen Werk identisch ist.

Das alles ist durchaus diskussionswürdig, es gibt hier bezüglich der alten Rechtslage einige Ansatzpunkte, die zu kritischen Fragen einladen.

Ich möchte aber trotzdem in meiner Kurzanalyse nur auf die aktuelle Rechtslage eingehen, also den Unterlassungsanspruch, der nach § 8 Abs. 1 TMG n.F. ausgeschlossen ist.

1. Störerhaftung nach § 8 Abs. 1 TMG n.F. und Sperranspruch

Hierzu hat der BGH folgendes entschieden:

Die Verurteilung zur Unterlassung hat der Bundesgerichtshof aufgehoben, weil nach der seit dem 13. Oktober 2017 geltenden Neufassung des § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG der Vermittler eines Internetzugangs nicht wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers auf Schadensersatz, Beseitigung oder Unterlassung einer Rechtsverletzung in Anspruch genommen werden kann. Ist eine Handlung im Zeitpunkt der Revisionsentscheidung nicht mehr rechtswidrig, kommt die Zuerkennung eines Unterlassungsanspruchs nicht in Betracht.

Dementsprechend konnte der Kläger nicht zur Unterlassung verurteilt werden. Die gute Nachricht der Entscheidung ist also, dass die neue Rechtslage vom BGH nicht als unwirksam angesehen wird und insoweit ein Stück Rechtssicherheit herbeigeführt wurde. Hierbei ist zu bemerken, dass die neue Rechtslage nicht nur auf das WLAN des Beklagten Anwendung findet, sondern auch auf den TOR-Exit-Node. Denn auch insoweit ist die Rechtsverletzung über den Anschluss des Beklagten begangen worden und § 8 Abs. 1 TMG findet nach seinem Wortlaut Anwendung gerade nicht nur auf WLANs, sondern auf alle Formen der Zugangsvermittlung (unter den weiteren Voraussetzungen den § 8 Abs. 1 TMG) (näher Mantz, GRUR 2017, 969, 970 f.).

In der Literatur bestand eine große Diskussion darüber, ob die Regelung europarechtskonform ist (dazu Mantz, GRUR 2017, 969, 975 m.w.N.). Ich hatte dazu u.a. folgendes geschrieben (Mantz, GRUR 2017, 969, 976):

Bei der Umsetzung von Richtlinien hat der nationale Gesetzgeber nach Art. 288 III AEUV einen gewissen Spielraum. … § 8 I 2 und § 7 IV TMG nutzt diesen Spielraum, um einen Ausgleich der betroffenen Interessen herbeizuführen: Der betroffene Rechteinhaber kann vom Anbieter des WLANs nicht mehr Unterlassung verlangen, da dieser Anspruch im Ergebnis zu erheblicher rechtlicher Unsicherheit des Anbieters geführt hatte und so dem erklärten politischen Ziel der breiten Verfügbarkeit von WLANs entgegenstand. Zum „Ausgleich“ erhält der Rechteinhaber aber einen Anspruch auf Einrichtung von Websperren gegen den Anbieter des WLANs, wenn Rechtsverletzungen auftreten. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass mit dem Anspruch auf Einrichtung von Websperren im Ergebnis jedenfalls ein Teil des ursprünglichen „Unterlassungsanspruchs“ aufrecht erhalten bleibt, denn der BGH hatte bereits aus der Störerhaftung einen Anspruch auf Sperrung von Inhalten abgeleitet. Diese Folge wird nun aber – insoweit normenklarer – auf den neu geschaffenen § 7 IV TMG gestützt.

Der BGH hat sich diesem Argument (jedenfalls im Ergebnis) angeschlossen und ausgeführt (Hervorhebung hier):

Gegen die Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG nF bestehen keine durchgreifenden unionsrechtlichen Bedenken. Zwar sind die Mitgliedstaaten gemäß Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48/EG verpflichtet, zugunsten der Rechtsinhaber die Möglichkeit gerichtlicher Anordnungen gegen Vermittler vorzusehen, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden. Der deutsche Gesetzgeber hat die Unterlassungshaftung des Zugangsvermittlers in § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG nF zwar ausgeschlossen, jedoch zugleich in § 7 Abs. 4 TMG nF einen auf Sperrung des Zugangs zu Informationen gerichteten Anspruch gegen den Betreiber eines Internetzugangs über WLAN vorgesehen.

Problematisch war allerdings stets, dass § 8 Abs. 1 TMG n.F. eine Privilegierung für alle Anschlussarten (nicht nur WLAN) vorsah, während der Sperranspruch nach § 7 Abs. 4 TMG nur gegen Anbieter von  WLANs nach § 8 Abs. 3 TMG gelten sollte, eine seltsame Unwucht, die der BGH nun in europarechtskonformer Auslegung beseitigt hat:

Diese Vorschrift ist richtlinienkonform dahin fortzubilden, dass der Sperranspruch auch gegenüber den Anbietern drahtgebundener Internetzugänge geltend gemacht werden kann.

Die Einschränkung im Wortlaut von § 7 Abs. 4 TMG ist damit hinfällig, der Sperranspruch kann damit auch gegen drahtgebundene Internetanschlüsse geltend gemacht werden – und damit wohl auch gegen „klassische Access Provider“ wie die Telekom etc. Hier zeigt sich schon der erste klare Hinweis, dass der BGH im Grunde seine „Access Provider“-Rechtsprechung (dazu näher hier), die zuvor eine Störerhaftung des Access Providers in bestimmten Fällen annahm, auf den neuen Sperranspruch gemäß § 7 Abs. 4 TMG übertragen will.

Der BGH hat nun den Rechtsstreit teilweise wieder an das OLG Düsseldorf zurückverwiesen:

Der Anspruch auf Sperrmaßnahmen ist nicht auf bestimmte Sperrmaßnahmen beschränkt und kann auch die Pflicht zur Registrierung von Nutzern, zur Verschlüsselung des Zugangs mit einem Passwort oder – im äußersten Fall – zur vollständigen Sperrung des Zugangs umfassen.

Zur Prüfung der Frage, ob der Klägerin gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf Sperrung von Informationen gemäß § 7 Abs. 4 TMG nF zusteht, hat der Bundesgerichtshof die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Das OLG Düsseldorf soll also nun den Anspruch auf Sperrung von Informationen nach § 7 Abs. 4 TMG prüfen (zur prozessualen Problematik s.u.). Und auch hier legt der BGH den Anspruch sehr weit – über den Wortlaut hinaus – aus. Er lässt nämlich die gesamte Klaviatur aus der Störerhaftung quasi wieder aufleben und transferiert sie – im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes – in den Sperranspruch nach § 7 Abs. 4 TMG. Bisher waren in diesem Zusammenhang im Rahmen der Gesetzesbegründung nur die folgenden Maßnahmen diskutiert worden (s. z.B. Mantz, GRUR 2017, 969, 973 ff.): DNS-, IP-, URL-Sperren und Verkehrsfilter, Portsperren, Datenmengenbegrenzungen und zeitliche Beschränkungen. Schon die letzten beiden Maßnahmen sind mit dem Wortlaut „Sperre von Informationen“ nicht mehr zu vereinbaren. Der BGH geht nun aber noch deutlich darüber hinaus: Er hält die Verschlüsselung des WLANs, die Registrierung der Nutzer und sogar die Komplettsperre des Anschlusses für möglich. Keine dieser Maßnahmen hat mit der „Sperre von Informationen“ auch nur das Geringste zu tun. Es handelt sich vielmehr um Maßnahmen, die aus der Störerhaftung herrühren.

§ 7 Abs. 4 TMG sieht vor, dass die Maßnahmen im Einzelfall verhältnismäßig sein müssen. Dabei darf nach der Gesetzesbegründung auch insbesondere kein Overblocking stattfinden. Letzteres hatte der BGH in seiner „Access Provider“-Entscheidung z.B. als nicht gegeben angenommen, wenn auf einer zu sperrenden Webseite nur 4% legale Inhalte zu finden sind. Wenn nun ein öffentliches WLAN komplett gesperrt wird oder eine Registrierung erforderlich ist, dann liegt ein Overblocking jedenfalls nahe, denn durch diese Maßnahmen ist jeder Nutzer betroffen, während vermutlich an einem öffentlichen WLAN nicht nur Rechtsverletzungen begangen werden.. Das wird nun aber das OLG Düsseldorf zu klären haben, wobei das OLG den Beklagten – so könnte man die vorangegangene Entscheidung verstehen – möglicherweise zur Einrichtung von Portsperren verurteilen wird.

Das Problematische an der Entscheidung des BGH ist, dass sie die Unsicherheit der Vergangenheit wieder befördert, die der Gesetzgeber gerade beseitigen wollte. Denn weiterhin bleibt unklar, was der Anbieter eines WLANs nun im Einzelfall tun muss. Im Ergebnis wird dies dazu führen, dass die Anbieter von WLANs in vorauseilendem Gehorsam Maßnahmen ergreifen, insbesondere die – auch vom EuGH postulierte – Registrierung von Nutzern, obwohl es keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass diese Maßnahme irgend etwas bringt. Anderenfalls muss sich der Anbieter möglicherweise wegen jeder Rechtsverletzung verklagen lassen, damit ihm die Gerichte erklären, was denn das Richtige gewesen wäre. Die Folgen der Störerhaftung für öffentliche WLANs finden sich daher im Wesentlichen leider nur in neuem Gewand wieder (vgl. insoweit auch Thomas Stadler bei internet-law).

Ein Positives dürfte bei § 7 Abs. 4 TMG aber (hoffentlich) weiterhin verbleiben: Der Anbieter eines WLANs kann nach dem Gesetzeswortlaut nicht auf Ersatz von Abmahnkosten und auf Ersatz der Anwaltskosten im Gerichtsverfahren in Anspruch genommen werden (§ 7 Abs. 4 S. 3 TMG). Das Kostenrisiko ist damit immerhin erheblich reduziert.

2. Prozessuales

Die Entscheidung des BGH weist – soweit aus der Pressemitteilung ersichtlich – noch ein prozessuales Problem auf:

Zwischenergebnis von oben ist jedenfalls, dass der Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 TMG n.F. nicht besteht. Dennoch hat der BGH den Rechtsstreit (insoweit?) an das OLG Düsseldorf zurückverwiesen. Das OLG müsse nun prüfen, ob „der Klägerin gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf Sperrung von Informationen gemäß § 7 Abs. 4 TMG nF zusteht.“

Das ist zumindest überraschend. Die Klägerin hatte vor dem LG und OLG Düsseldorf jeweils Unterlassung verlangt. Erst nach Erlass des Urteils des OLG ist der Anspruch nach § 7 Abs. 4 TMG n.F. gesetzlich geschaffen worden. Der Anspruch nach § 7 Abs. 4 TMG richtet sich zwar auf etwas  ähnliches wie der Unterlassungsanspruch, es liegt aber eine andere Anspruchsgrundlage und ein anderer Anspruchsinhalt vor. Auch der prozesuale Klageantrag dürfte ein anderer sein: Während es bei der Störerhaftung im Antrag gelautet haben dürfte (so oder ähnlich): „… den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, …“ müsste nun der neue Klageantrag nach § 7 Abs. 4 TMG n.F. eher lauten: „… den Beklagten zu verurteilen, den Zugang zu den Informationen <Spiel Dead Island in einer Filesharing-Tauschbörse> zu sperren.“

Es liegt daher nicht fern, hier von einem anderen (prozessualen) Streitgegenstand (der sich nach der zweigliedrigen Streitgegenstandslehre aus Antrag und zugehörigem Sachverhalt zusammensetzt) auszugehen (vgl. insoweit schon Mantz, GRUR 2017, 969, 975: andere Zielrichtung). Dann hätte aber der BGH möglicherweise den Rechtsstreit bzgl. etwas zurückverwiesen, das vorher beim OLG Düsseldorf noch nie anhängig war. Ich weiß natürlich nicht, was im Rahmen der mündlichen Verhandlung beim BGH passiert ist, was beantragt wurde, etc. Das sind Unbekannte, die evtl. die Urteilsgründe des BGH aufklären werden. Es könnte aber durchaus sein, dass die Klägerin eigentlich den Unterlassungsantrag für erledigt hätte erklären müssen, weil dieser durch die Neufassung des TMG nunmehr unbegründet war. Das ist aber jedenfalls nicht passiert, sonst hätte der BGH nicht zurückverweisen können. Fragen über Fragen …

Von der Anhörung im Wirtschaftsausschuss zum 3. TMG-Änderungsgesetz

Wie schon hier angesprochen, war ich am 26.6.2017 als Sachverständiger zur Anhörung zum 3. TMG-Änderungesetz im Wirtschaftsausschuss des Bundestages eingeladen. Im Kern geht es bei dem Gesetz um den erneuten Versuch, die Haftungssituation bei Anbietern von WLANs zu verbessern.

Geladen waren insgesamt sieben Sachverständige, drei der CDU, zwei der SPD und jeweils einer für DIE LINKE und Bündnis ’90/Grüne, letztere hatten mich eingeladen.

Es sollten vorab schriftliche Stellungnahmen abgegeben werden (abrufbar hier). Meine Einschätzung zu dem Gesetzesentwurf (mit Literaturfundstellen zu Aufsätzen zu dem Thema) findet sich hier. Die weiteren Stellungnahmen sind auf der Seite des Wirtschaftsausschusses verfügbar, ich verlinke sie hier mal alle (in der Reihenfolge wie im Wirtschaftsausschuss eingestellt):

Prof. Tobias Keber konnte keine Stellungnahme mehr verfassen, da er sehr (sehr!) kurzfristig eingeladen worden war.

Die Anhörung verlief insgesamt in angenehmer Atmosphäre. Eingangsstatements waren leider nicht vorgesehen, stattdessen drei Fragerunden, in denen die Anzahl der Fragen zwischen CDU/SPD/Linke/Grüne wie folgt verteilt war: 1. 2:2:1:1, 2. 5:3:1:1, 3. 2:2:1:1. Üblicherweise befragen die Parteien „ihre“ Sachverständigen, das wurde aber glücklicherweise nicht streng eingehalten. Diskussionen unter den Sachverständigen sind leider praktisch nicht möglich.

Ich möchte hier nicht auf die einzelnen Äußerungen eingehen, wer will, sollte sich die schriftlichen Stellungnahmen ansehen, es wird auch ein Wortlautprotokoll geben. Die Anhörung verlief allerdings nur teilweise wie erwartet. Während Dr. Florian Drücke das Gesetz für komplett europarechtswidrig hielt und als „Rechtsdurchsetzungsverhinderungsgesetz“ bezeichnete, sprach sich Andreas May dafür aus, Überwachung auch in WLANs zu ermöglichen. Von diesen beiden abgesehen, bestand aber erstaunliche Einigkeit unter den Sachverständigen, dass zum einen eine Novellierung erforderlich ist. Zum anderen wurde Kritik insbesondere an Websperren insgesamt, aber auch an der konkreten Gesetzesformulierung erhoben.

Auch die CDU hat mich zwischendurch befragt und zwar, ob es rechtlich zulässig sei, die Privilegierung in § 8 Abs. 1 S. 2 TMG ebenfalls nur auf WLAN-Betreiber zu beschränken und auch insofern eine Ungleichbehandlung von Access Providern und WLAN-Anbietern herbeizuführen. Kurzversion: Gut finde ich das nicht, aber für unzulässig halte ich es auch nicht.

Hervorheben möchte ich die Redebeiträge von Volker Tripp vom Digitale Gesellschaft e.V. Volker wurde am häufigsten befragt und hat durchgehend ruhig und souverän dargestellt, dass Websperren nicht zu empfehlen sind. Insbesondere hat er sehr deutlich gemacht, dass es keinerlei Beleg dafür gibt, dass es vermehrt zu Rechtsverletzungen aus öffentlichen WLANs kommt. Die CDU griff diese Frage dann auch gleich auf und stellte sie ihren Experten, ohne dass Volkers Einwand widerlegt werden konnte: Dr. Florian Drücke hatte auch keine Zahlen. Andreas May konnte von genau einem Fall berichten, in dem der Täter gefasst werden konnte, da es der Nachbar des Anschlussinhabers war.

Ich weiß nicht, ob die Anhörung einen Einfluss hatte. Wie sich nun andeutet, wird das Gesetz wohl so oder zumindest sehr ähnlich kommen wie bisher im Gesetzgebungsverfahren, was ich für insgesamt positiv halte, auch wenn das Gesetz nicht gelungen ist. Eventuell (wahrscheinlich?) hatte sich die Koalition schon vor der Anhörung verständigt und die im Verfahren geäußerte Kritik verhallt tatsächlich ungehört, aber darauf kommt es dann jetzt auch nicht mehr an.

Das Wortlautprotokoll verlinke ich demnächst hier noch, wenn es verfügbar wird.

Weitere Links:

Anhörung im Bundestag: TMG-ÄnderungsG zur Haftung bei WLANs (26.6.2017)

Ich hatte hier im Blog bereits den ersten Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des TMG besprochen, mit dem (wieder und endlich) die WLAN-Haftung neu geregelt werden soll.

Am 26.6.2017 findet dazu im Wirtschaftsausschuss des Bundestages eine Anhörung statt, zu der ich als Sachverständiger eingeladen worden bin. Hierfür war eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, die ich hier vorab online stelle.

In den nächsten Tagen werden alle Stellugnahmen auf der Webseite des Bundestages erscheinen, ich werde diese dann hier verlinken.

(Update 25.6.2017: Link auf Webseite des Wirtschaftsausschusses)

WLAN-Haftung: RefE zur (3.) Änderung des TMG in der Kurzanalyse

Das BMWi hat einen Referentenentwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes in die Verbändeanhörung geschickt (abrufbar bei Netzpolitik hier). Der Gesetzesentwurf soll (nun endlich) das Versprechen der Großen Koalition wahr machen, Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber herzustellen.

1. Der (geänderte Entwurfs-)Text

Zunächst einmal der (konsolidierte) geänderte Text von §§ 7 und 8 TMG:

§ 7 Allgemeine Grundsätze

(1) Diensteanbieter sind für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich.

(2) Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 sind nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.

(3) Verpflichtungen zur Entfernung von Informationen oder zur Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen aufgrund von gerichtlichen oder behördlichen Anordnungen bleiben auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 unberührt. Das Fernmeldegeheimnis nach § 88 des Telekommunikationsgesetzes ist zu wahren.

(4) Wurde ein Dienst der Informationsgesellschaft von einem Nutzer in Anspruch genommen, um das Recht am geistigen Eigentum eines anderen zu verletzen und besteht für den Inhaber dieses Rechts keine andere Möglichkeit der Verletzung seines Rechts abzuhelfen, so kann der Inhaber des Rechts von dem betroffenen Diensteanbieter nach § 8 insbesondere die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen, um die Wiederholung der Rechtsverletzung zu verhindern. Die Sperrung muss zumutbar und verhältnismäßig sein. Ein Anspruch gegen den Diensteanbieter auf Erstattung der vor- und außergerichtlichen Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung des Anspruchs nach Satz 1 besteht außer in den Fällen des § 8 Absatz 1 Satz 3 nicht.

§ 8  Durchleitung von Informationen

(1) Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie

  1. die Übermittlung nicht veranlasst,
  2. den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und
  3. die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben.

Sofern diese Diensteanbieter nicht verantwortlich sind, können sie insbesondere nicht wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers auf Schadensersatz oder Beseitigung oder Unterlassung einer Rechtsverletzung in Anspruch genommen werden; dasselbe gilt hinsichtlich aller Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung dieser Ansprüche.

Die Sätze 1 und 2 finden keine Anwendung, wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen.

(2) Die Übermittlung von Informationen nach Absatz 1 und die Vermittlung des Zugangs zu ihnen umfasst auch die automatische kurzzeitige Zwischenspeicherung dieser Informationen, soweit dies nur zur Durchführung der Übermittlung im Kommunikationsnetz geschieht und die Informationen nicht länger gespeichert werden, als für die Übermittlung üblicherweise erforderlich ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Diensteanbieter nach Absatz 1, die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen.

(4) Diensteanbieter nach § 8 Absatz 3 dürfen von einer Behörde nicht verpflichtet werden, vor Gewährung des Zugangs

  1. a) die persönlichen Daten von Nutzern zu erheben und zu speichern (Registrierung) oder b) die Eingabe eines Passworts zu verlangen oder
  2. das Anbieten des Dienstes einzustellen.

Davon unberührt bleiben Maßnahmen auf freiwilliger Basis.

2. Analyse

Der Gesetzesentwurf sieht Änderungen in §§ 7 und 8 TMG vor. Er ist systematisch nicht ganz einfach zu verstehen, auch bei den Formulierungen bleiben noch Fragen offen. Zu berücksichtigen sind insoweit auch die Vorgaben der europäischen Richtlinien, des EuGH (insbesondere in der Entscheidung „McFadden“), des BGH (insbesondere in der Entscheidung „Access Provider“) sowie der Umstand, dass die Regierungskoalition offenbar gewillt ist, nun endlich eine Lösung für die Störerhaftung herbeizuführen.

a. Störerhaftung

Zunächst einmal der wichtigste Punkt: Die Große Koalition hatte sich zum Ziel gesetzt, Rechtssicherheit für WLANs zu schaffen, indem die Störerhaftung ausgeschlossen wird. Am einfachsten wäre insoweit ein Ausschluss von Unterlassungsansprüchen gewesen. Den hatte der Gesetzgeber aber in seine letzte Änderung nicht hineingeschrieben (bzw. nur in die Gesetzesbegründung). Folgerichtig ignoriert z.B. das KG Berlin die letzte Gesetzesänderung.

Dieses Problem dürfte – mit einer Restunsicherheit, dazu unten – mit diesem Entwurf nun beseitigt sein.

Die Störerhaftung ist ein Rechtsinstitut, das aus § 1004 BGB abgeleitet wird und mittlerweile (für das Urheberrecht) in § 97 Abs. 1 UrhG kodifiziert ist. Der Anspruch ist – vereinfacht – gerichtet auf Unterlassung der Mitwirkung an einer Rechtsverletzung. Damit können insbesondere auch Intermediäre von der Störerhaftung betroffen sein. § 8 Abs. 1 S. 2 TMG-RefE schließt nun Unterlassungsansprüche ausdrücklich aus. Damit sollte die Störerhaftung für WLANs Geschichte sein. Denn der Rechteinhaber kann den Betreiber wegen § 8 TMG-RefE nicht mehr erfolgreich auf Unterlassung in Anspruch nehmen.

Warum bin ich mir nicht ganz sicher? Grund hierfür ist das Zusammenspiel zwischen § 7 Abs. 4 und § 8 Abs. 1 TMG-RefE: In § 7 Abs. 4 TMG-RefE wird ein vollständig neuer Anspruch geschaffen, nämlich einer auf Einrichtung von Websperren. Allerdings formuliert das BMWi hier offen:

[unter den Voraussetzungen in § 7 Abs. 4 S. 1 TMG-RefE …] kann der Inhaber des Rechts von dem betroffenen Diensteanbieter nach § 8 insbesondere die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen …

Das Problem ist hier das „insbesondere“. Dieses Signalwort deutet darauf hin, dass der Rechteinhaber nicht nur die Sperrung verlangen kann, sondern möglicherweise noch anderes – aber was? Auf der anderen Seite sieht § 8 Abs. 1 S. 2 TMG-RefE ausdrücklich einen Ausschluss von Unterlassungsansprüchen vor.

Der Gesetzgeber sollte also entweder erläutern, was er mit diesem „insbesondere“ meint, oder das Wort schlicht und einfach streichen. Mir fällt nämlich auch gar nicht ein, was für weitere Ziele des Anspruchs gemeint sein könnten. Es sollte mit dem neuen Gesetz klipp und klar sein, dass der Anspruch auf Unterlassung – und damit die Störerhaftung – ausgeschlossen ist, Hintertürchen sollten nicht offen bleiben.

 

Problematisch ist weiter, wie § 8 Abs. 4 TMG-RefE zu verstehen ist bzw. welche Folgen er hat. Nach § 8 Abs. 4 TMG-RefE sollen WLAN-Anbieter von einer Behörde nicht verpflichtet werden können, Nutzer zu registrieren, ein Passwort einzurichten oder das Anbieten des Dienstes einzustellen.

Mein erster Impuls war, dass das BMWi hier eigentlich meinte „von einer Behörde oder einem Gericht“, dass also auch Gerichte von WLAN-Anbietern die dort angeführten Maßnahmen nicht verlangen können. Dagegen spricht (teilweise) die Begründung. Auf S. 10 heißt es, dass nach dem neuen Absatz 4 WLAN-Betreiber nicht „behördlich“ verpflichtet werden dürfen. Andererseits steht im selben Absatz am Ende, dass verhindert werden soll, dass Betreiber aus Angst vor „Abmahnungen oder gerichtlichen Anordnungen“ ihren Dienst nicht anbieten.

Bisher sind (mir) gegenüber WLAN-Betreibern solche behördlichen Anordnungen nicht bekannt geworden. Problematisch waren bisher die gerichtlichen Verfahren und damit die gerichtlichen Anordnungen im Rahmen eines Unterlassungsanspruchs gestützt auf Störerhaftung.

Sinn ergibt die Regelung allerdings, wenn man das Zusammenspiel zwischen § 8 Abs. 3 und 4 TMG-RefE und § 7 Abs. 4 TMG-RefE beachtet. Der Gesetzesentwurf weist ausdrücklich mit Blick auf die EuGH-Entscheidung „McFadden“ darauf hin, dass der Entwurf eine Abwägung durchführt. Dem Rechteinhaber soll auf der einen Seite der Unterlassungsanspruch genommen werden, auf der anderen Seite wird ihm aber der Anspruch auf Einrichtung von Websperren nach § 7 Abs. 4 TMG-RefE eingeräumt. Dies stellt aus Sicht des BMWi den Ausgleich der betroffenen Interessen sicher. Die Gesetzesbegründung stützt diese Auslegung. Denn dort führt das BMWi aus, dass der EuGH gerichtliche Anordnungen zwar für zulässig erachtet habe, zwingend seien diese aber nicht (S. 8 des Entwurfs). Der Gesetzgeber entscheidet sich nun also für den Ausschluss gerichtlicher Anordnungen und im Gegenzug zur Einräumung eines Anspruchs auf Einrichtung von Websperren. Das ist gelebte praktische Konkordanz.

Wenn man dies im Hinterkopf hat, kann § 8 Abs. 1 S. 2 TMG-RefE nur so verstanden werden, dass Unterlassungsansprüche vollständig ausgeschlossen werden. Gerichte können in diesem Zusammenhang auch die in § 8 Abs. 4 TMG-RefE genannten Sicherungsmaßnahmen nicht anordnen. Gerichte können – bis auf die Einrichtung von Websperren – eigentlich keine Anordnungen mehr treffen, weshalb auch das „insbesondere“ in § 7 Abs. 4 TMG RefE zu streichen ist (siehe oben).

b. Websperren

In § 7 Abs. 4 TMG-RefE sieht der Entwurf wie gesagt eine neue Anspruchsgrundlage für Websperren vor. Mit dieser Neuregelung kodifiziert der Entwurf im Grunde die Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 26.11.2015 – I ZR 174/14, GRUR 2016, 268 – Access Provider, Analyse dazu hier).

aa. Voraussetzungen / Anwendungsbereich

Dem BGH folgend ordnet § 7 Abs. 4 TMG-RefE ausdrücklich eine Subsidiarität des Anspruchs an. Der Rechteinhaber muss daher zuvor vergeblich versucht haben, den Webseiteninhaber und den Host Provider zur Löschung zu bewegen. Erst dann kann er vom Access Provider die Einrichtung von Websperren verlangen.

Der Anspruch hängt weiter davon ab, dass ein „Dienst der Informationsgesellschaft von einem Nutzer in Anspruch genommen [wurde], um das Recht am geistigen Eigentum eines anderen zu verletzen.“ § 7 Abs. 4 TMG-RefE ist also ausdrücklich auf Rechte des geistigen Eigentums beschränkt. Beispielsweise wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen kann der Anspruch daher nicht geltend gemacht werden (vgl. dazu Mantz, EuZW 2016, 817, 820 m.w.N.).

bb. Anspruchsgegner

Problematisch ist insoweit, dass „Dienst der Informationsgesellschaft“ grundsätzlich weiter ist als „Diensteanbieter nach § 8 TMG“, also z.B. auch Host Provider umfasst. Mit anderen Worten, der Anspruch kann schon bestehen, wenn ein Nutzer rechtlich geschützte Werke von einer Webseite herunterlädt, weil er dann einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ genutzt hat. Wenn man nur das liest, könnte der Rechteinhaber gegen *alle* Access Provider vorgehen, über die ein Zugriff auf die Webseite möglich erscheint.

Der Anspruch besteht aber ausdrücklich nur gegen den „betroffenen Diensteanbieter nach § 8 TMG“. Das ist enger und dürfte nur den Access Provider betreffen, den der Nutzer konkret für seine Rechtsverletzung in Anspruch genommen hat. Diese Auslegung wird durch die Gesetzesbegründung gestützt. In dieser heißt es: „Konkret schafft § 7 Abs. 4 TMG[-RefE] eine Anspruchsgrundlage … gegen Dienstanbieter nach § 8 TMG, dessen Zugang von einem Nutzer … benutzt wurde …“

Es würde sich daher aus meiner Sicht empfehlen, den Gesetzeswortlaut des § 7 Abs. 4 TMG-RefE durchgängig auf den „Diensteanbieter nach § 8 TMG“ zu beschränken, um Unklarheiten zu vermeiden. Außerdem ist § 7 Abs. 4 TMG-RefE in § 7 TMG falsch verortet (dazu unten).

cc. Anspruchsziel

Der Rechteinhaber soll vom Access Provider („insbesondere“) die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen können.

Unklar ist, was das genau umfassen soll. Klar ist – auch wenn man das BGH-Urteil „Access Provider“ liest –, dass der Zugriff auf bestimmte (rechtsverletzende) Webseiten gesperrt werden soll. So könnten z.B. einzelne Torrent-Seiten oder eDonkey-Linklisten gesperrt werden.

Auf der anderen Seite stellt sich das BMWi allerdings vor, dass der Anbieter Portsperren einrichtet. Dies zielt wohl auf Tauschbörsen ab. Das Problematische an Portsperren ist, dass sie völlig wirkungslos sind und deshalb bisher im Rahmen der Störerhaftung auch überwiegend abgelehnt wurden (vgl. Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, 2014, Rn. 229 m.w.N.). Es ist leicht, die Ports eines Tauschbörsenprogramms umzustellen, sehr viel leicht als die vom BGH in der Entscheidung „Access Provider“ behandelte Umstellung des vom System genutzten DNS-Server (BGH, Urt. v. 26.11.2015 – I ZR 174/14, GRUR 2016, 268 Rn. 29, 46 ff. – Access Provider, dazu hier). Außerdem ist – wenn man die Wirksamkeit unterstellt – bei Portsperren ein Overblocking nicht zu verhindern. Denn Ziel der Portsperren ist es, den Datenverkehr einer Tauschbörse generell zu verhindern. Tauschbörsen dienen aber nicht nur dem Austausch rechtsverletzenden Materials. Vielmehr werden z.B. Linux-Distributionen über Bittorrent verteilt. Auch Windows-Updates werden tauschbörsen-ähnlich verteilt.

Im Übrigen richtet sich § 7 Abs. 4 TMG-RefE ja auch nicht nur gegen WLAN-Anbieter, sondern gegen alle Access Provider, der Gesetzgeber dürfte insoweit aber nur an den WLAN-Anbieter gedacht haben. Man wird aber von der Telekom nicht verlangen können, Portsperren einzurichten und damit potentiell Millionen von Kunden (wie oben dargestellt wenig effektiv) generell von Tauschbörsen auszuschließen. Die Telekom würde sonst nur ein kastriertes Internet anbieten. Ggf. wäre auch daran zu denken, ob dadurch nicht Verletzungen der Netzneutralität vorliegen.

Der Gesetzgeber täte dementsprechend gut daran, Portsperren nicht zu verlangen und auch nicht als Beispiel in die Gesetzesbegründung zu schreiben.

Ähnlich Portsperren wäre übrigens auch die Einrichtung des sog. Zapp-Scripts (s. dazu hier KG Berlin).

dd. Abwägung

Die Sperrung muss nach dem Gesetzeswortlaut technisch möglich, wirtschaftlich zumutbar und verhältnismäßig sein. Dabei ist im Einzelfall eine Interessenabwägung vorzunehmen.

Insbesondere will das BMWi ein Overblocking verhindern. Wie oben dargestellt, ist dies bei Portsperren immer der Fall. Der BGH hat insoweit bezüglich einer Linkliste ein Overblocking verneint, wenn lediglich 4% der auf der Webseite verlinkten Inhalte legal sind (BGH, Urt. v. 26.11.2015 – I ZR 174/14, GRUR 2016, 268 Rn. 54-56 – Access Provider).

Problematisch ist das Sperren von Webseiten insbesondere bei kleinen WLAN-Anbietern. Cafés, Freifunker etc. nutzen für das WLAN häufig relativ günstige WLAN-Router, das ist auch ein Teil der Erfolgsgeschichte öffentlicher WLANs und offenkundig politisch gewollt. Diese Router weisen in der Regel nur sehr wenig Speicher auf. Dementsprechend ist zwangsläufig auch die Größe einer Blacklist durch den Speicher begrenzt. Dem WLAN-Betreiber könnte daher, wenn die Blacklist bereits voll ist, die Einrichtung weiterer Sperren wirtschaftlich unzumutbar sein, die Abwägung fiele zu Lasten des Rechteinhabers aus.

Überhaupt ist fraglich, wie sinnvoll die Einrichtung von Websperren gerade bei WLANs ist. Denn Nutzer können künftig einfach ein anderes WLAN nutzen.

ee. (Selbst-)Zensurgefahr

Ein generelles Argument gegen Websperren ist die Gefahr von Selbstzensur (untechnisch gesprochen). Droht dem Betreiber eines Dienstes wegen der Rechtsverletzungen seiner Nutzer die Gefahr, dass er selbst Kosten tragen muss oder anders in die Haftung genommen wird, wird er im Zweifel eher geneigt sein, Sperrforderungen von Rechteinhabern nachzukommen, selbst wenn die Forderung möglicherweise unbegründet oder zu weitgehend ist. Denn vom Rechteinhaber droht ihm in der Regel mehr Ungemach als vom (angeblich rechtsverletzenden) nutzer. Diese Problematik zeigt sich insbesondere bei Löschforderungen nach dem „Recht auf Vergessenwerden“ bei Suchmaschinen, aber auch in anderen Zusammenhängen. Gerade kleinere Anbieter werden das Risiko, bei einer Abwägungsentscheidung falsch zu liegen, tendenziell zu Lasten ihrer Nutzer nicht eingehen.

Dies gilt auch für die hier betroffenen Websperren. Zu beachten ist insoweit allerdings, dass der Entwurf das Risiko der Betreiber deutlich minimiert (siehe zu den Kosten unten). Die Situation ist daher für den Betreiber – endlich Rechtssicherheit vorausgesetzt – bei Weitem nicht so bedrohlich wie vorher, als der Betreiber einem Unterlassungsanspruch und einem erheblich höheren Kostenrisiko ausgesetzt war. Ob der Anspruch nach § 7 Abs. 4 TMG-RefE angesichts der Kostenverteilung überhaupt häufig in Anspruch genommen werden wird, muss sich auch noch zeigen.

ff. Systematik

Der Anspruch auf Einrichtung von Websperren ist in § 7 TMG-RefE verortet, der allgemeine Regeln für die §§ 8-10 TMG enthält, obwohl sich der Anspruch nur gegen den Access Provider nach § 8 TMG richtet. Für die Host und Cache Provider (§§ 9, 10 TMG) hat § 7 Abs. 4 TMG-RefE seinem Wortlaut nach keine Bedeutung. Systematisch ist § 7 Abs. 4 TMG-Ref daher nach meiner Einschätzung falsch verortet. Hieraus resultieren zum Teil auch die oben dargestellten Auslegungsschwierigkeiten. Es wäre daher empfehlenswert, den Anspruch in § 8 TMG (z.B. als Absatz 5) zu ziehen.

d. Kosten, Rechtsverfolgungskosten

Spannend sind die Ausführungen zur Kostenverteilung: Access Provider sind nach der neuen Fassung von § 8 TMG-RefE von (fast) allen Kosten freigestellt. Da Ansprüche auf Unterlasssung nach § 8 Abs. 3 TMG-RefE ausgeschlossen sind, kann der Rechteinhaber weder Abmahnkosten, noch Schadensersatz (wie schon zuvor) verlangen und muss der Betreiber auch Gerichtskosten nicht tragen.

Im Hinblick auf den Anspruch auf Einrichtung von Websperren sieht der Entwurf vor, dass der Access Provider weder vorgerichtliche Kosten (für das Aufforderungsschreiben, Websperren einzurichten), noch die Anwaltskosten des Rechteinhabers im Gerichtsverfahren tragen muss. Wenn ein Anspruch nach § 7 Abs. 4 TMG-RefE geltend gemacht wird, beschränkt sich das Kostenrisiko des Betreibers daher auf die Gerichtskosten und die eigenen Anwaltskosten. Es bleibt abzuwarten, welche Streitwerte für den Anspruch nach § 7 Abs. 4 TMG-RefE angesetzt werden. Sie dürften aber (ggf. deutlich) unter dem Streitwert für einen Unterlassungsanspruch liegen.

Für den Rechteinhaber sinkt durch die Kostenregelung möglichersweise das Interesse an der Rechtsverfolgung. Denn er kann weder Abmahnkosten noch die Kosten seines Anwalts im Gerichtsverfahren aufgrund der Geltendmachung des Anspruchs nach § 7 Abs. 4 TMG-RefE verlangen. Wenn er diese Kosten nicht vom eigentlichen Täter ersetzt bekommt (worauf die Entwurfsbegründung ausdrücklich verweist), was eher unwahrscheinlich ist, bedeutet dies für ihn erhebliche Kosten.

Ob vor diesem Hintergrund vom Anspruch nach § 7 Abs. 4 TMG-RefE häufig Gebrauch gemacht werden wird, ist unklar.

3. Fazit

Der Gesetzesentwurf ist nicht ganz leicht zu verstehen. Wenn man ihn wie ich oben auslegt und ggf. noch etwas nachbessert, ist er aber schon geeignet, (endlich) Rechtssicherheit für WLANs herzustellen.

Der Anspruch auf Websperren (aber bitte nur auf konkrete Webseiten und nicht mit Portsperren) ist eine Kröte, die die (WLAN-)Anbieter dann möglicherweise schlucken müssen. Dabei ist zu beachten, dass der Gesetzesentwurf im Grunde nur umsetzt, was der BGH bisher im Rahmen der Störerhaftung ausgeurteilt hat – allerdings nun mit reduziertem Kostenrisiko für den Betreiber. Von daher sehe ich den Entwurf „vorsichtig positiv“.

Im Entwurf sind meiner Einschätzung nach jedenfalls folgende Änderungen vorzunehmen:

  • § 7 Abs. 4 TMG-RefE sollte in § 8 TMG gezogen werden.
  • Die Gesetzesbegründung sollte zur Klarstellung erwähnen, dass Unterlassungsansprüche vollständig ausgeschlossen sind und der Rechteinhaber (allein) auf den Sperranspruch nach § 7 Abs. 4 TMG-RefE verwiesen wird.
  • In § 7 Abs. 4 TMG sollte das „insbesondere“ gestrichen werden.
  • Portsperren sollten nicht als Beispiel genannt werden.

Links:

EuGH-Entscheidung zur Haftung beim Betrieb eines WLANs – McFadden (C-484/14) – oder: Kein guter Tag

Heute hat der EuGH seine Entscheidung in Sachen „McFadden“ verkündet (Link, Dokumentübersicht zum Verfahren)

Zum Hintergrund: In dem Verfahren geht es um das WLAN eines Münchener Piraten (McFadden), der im Wege des sog. Piratenfreifunk sein WLAN öffentlich angeboten hatte. Nachdem einer seiner Nutzer ein urheberrechtlich geschütztes Werk abgerufen und angeboten hatte, war er abgemahnt worden. Er erhob (nach vorheriger Gegenabmahnung) negative Feststellungsklage vor dem Landgericht München I gegen den Rechteinhaber mit dem Ziel festzustellen, dass er für die Rechtsverletzung seines Nutzers auch nicht als Störer hafte. Er hat insoweit vorgetragen, dass er sein WLAN bewusst nicht durch ein Passwort geschützt habe, um der Öffentlichkeit einen unmittelbaren Zugang zum Internet zu ermöglichen. Er selbst habe die behauptete Urheberrechtsverletzung nicht begangen, könne jedoch nicht ausschließen, dass ein Nutzer seines Netzes sie begangen habe. Das Landgericht München I hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH eine Reihe Fragen vorgelegt (dazu eingehend im Blog hier; ferner Mantz/Sassenberg, MMR 2015, 85 – PDF).

Der Generalanwalt beim EuGH hat im März 2016 dem EuGH empfohlen (eingehende Analyse hier), die Fragen überwiegend im Sinne des Klägers zu beantworten. Insbesondere lehnte der Generalanwalt beim EuGH die Haftung von McFadden für die Rechtsverletzung ab. Dabei hat der Generalanwalt auf die Unterscheidung in Art. 12 E-Commerce-Richtlinie zwischen „Haftungsansprüchen“ einerseits und „Anordnungen“ andererseits abgestellt und gefolgert, dass grundsätzlich behördliche und gerichtliche Anordnungen gegen den Betreiber eines WLANs ergehen können. Eine Inanspruchnahme des Betreibers eines WLAN soll also nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Allerdings hat der Generalanwalt im Anschluss daran ausgeführt, dass der Betreiber eines WLANs nicht zu Schadensersatz, Ersatz von Abmahnkosten und auch nicht zur Tragung von Gerichtskosten verurteilt werden könne. Weiter könne vom Betreiber nicht verlangt werden, dass er (1) seinen Betrieb einstellt, (2) seine Nutzer überwacht oder (3) sein WLAN verschlüsselt.

Der EuGH hat nun wie angekündigt am 15.9.2016 seine Entscheidung verkündet – und er ist dem Generalanwalt beim EuGH im entscheidenden Teil überwiegend nicht gefolgt.

1. Anwendungsbereich der E-Commerce-Richtlinie, Erforderlichkeit eines Vertrages

Das LG München I hatte gefragt, ob die E-Commerce-Richtlinie auf das WLAN von Herrn McFadden anwendbar sei, da Herr McFadden das WLAN ja kostenlos und nur zu Werbezwecken angeboten hatte.

Hierzu hat der EuGH ausgeführt (Rn. 36 ff.):

Demnach sind als Dienste der Informationsgesellschaft im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 nur Dienste anzusehen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden. Daraus lässt sich allerdings nicht schließen, dass eine Leistung wirtschaftlicher Art, die unentgeltlich erbracht wird, niemals einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 darstellen kann. Denn die Vergütung für einen Dienst, den ein Anbieter im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit erbringt, wird nicht notwendig von denjenigen bezahlt, denen der Dienst zugutekommt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2014, Papasavvas, C?291/13, EU:C:2014:2209, Rn. 28 und 29). …

Das ist insbesondere dann der Fall, wenn eine unentgeltliche Leistung von einem Anbieter zu Werbezwecken für von ihm verkaufte Güter oder angebotene Dienstleistungen erbracht wird, da die Kosten dieser Tätigkeit dann in den Verkaufspreis dieser Güter oder Dienstleistungen einbezogen werden (Urteile vom 26. April 1988, Bond van Adverteerders u. a., 352/85, EU:C:1988:196, Rn. 16, und vom 11. April 2000, Deliège, C?51/96 und C?191/97, EU:C:2000:199, Rn. 56).

Demnach ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. a dieser Richtlinie und mit Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34 dahin auszulegen ist, dass eine Leistung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die von dem Betreiber eines Kommunikationsnetzes erbracht wird und darin besteht, dass dieses Netz der Öffentlichkeit unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird, einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 darstellt, wenn diese Leistung von dem Anbieter zu Werbezwecken für von ihm verkaufte Güter oder angebotene Dienstleistungen erbracht wird.

Im Ergebnis sind nach dem EuGH also nur solche WLAN-Anbieter erfasst, die ihren Dienst gegen Entgelt oder zu Werbezwecken betreiben. Der rein private Anbieter – wie viele Freifunker – unterfallen der Richtlinie nicht. Der Generalanwalt hatte diese Frage noch offen gelassen.

Die Entscheidung des EuGH ist insoweit wenig überraschend. Für private WLAN-Anbieter hat dies (nur) zur Folge, dass auf sie allein die deutsche Regelung des § 8 TMG Anwendung findet, die insoweit überschießend ist.

Das LG München I hatte dann auch noch – vereinfacht – gefragt, ob es irgendeine Form von „Vertrag“ zwischen dem Anbieter und dem Nutzer geben muss. Dies hat der EuGH verneint (Rn. 44 ff.).

2. Keine Übertragbarkeit von Art. 13, 14 E-Commerce-Richtlinie; keine weiteren Anforderungen

Weiter hatte das LG München I gefragt, ob denn die zusätzlichen Anforderungen insbesondere von Art. 14 E-Commerce-Richtlinie, der Host Provider betrifft, auch im Rahmen von Art. 12 E-Commerce-Richtlinie anzuwenden seien. Außerdem wollte das LG München I wissen, ob möglicherweise andere, zusätzliche Anforderungen bestehen könnten.

Host Provider – wie z.B. eBay etc. – sind nämlich auf Aufforderung hin verpflichtet, rechtsverletzende Inhalte ihrer Nutzer zu löschen.

Auch diese Frage hat der EuGH – in begrüßenswerter Klarheit – verneint (Rn. 55 ff. und 66 ff.). Die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 12 E-Commerce-Richtlinie sind abschließend, weitere können nicht verlangt werden.

3. Reichweite von Art. 12 E-Commerce-Richtlinie

Anschließend ging es um die Frage, welche Ansprüche durch Art. 12 E-Commerce-Richtlinie gesperrt sind. Wie hier im Blog schon vielfach erwähnt, war lange Zeit problematisch, ob Art. 12 E-Commerce-Richtlinie auch Unterlassungsansprüche sperrt. Spätestens seit der EuGH-Entscheidung UPC/Telekabel war allerdings klar, dass dies nicht der Fall ist. Insoweit schafft das vorliegende Urteil weitere Klarheit und öffnet die Türen für die Haftung von WLAN-Betreibern weit.

a. Schadensersatz und Abmahnkosten (und Abmahnkosten für Schadensersatz)

Dementsprechend hat der EuGH dann auch festgestellt, dass der WLAN-Betreiber für Urheberrechtsverletzungen seiner Nutzer nicht zu Schadensersatz verurteilt werden kann. Ebenso wenig kann von ihm verlangt werden, anwaltliche Kosten für die Geltendmachung von Schadensersatz zu verlangen (Rn. 75):

Infolgedessen scheidet es jedenfalls auch aus, dass ein Urheberrechtsinhaber die Erstattung der für sein Schadensersatzbegehren aufgewendeten Abmahnkosten oder Gerichtskosten verlangen könnte. Denn ein solcher Nebenanspruch könnte nur bestehen, wenn der Hauptanspruch selbst bestünde, was Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 jedoch ausschließt.

b. Aber: Unterlassung und Abmahnkosten

Im folgenden kommt eine große Abweichung zur den Schlussanträgen des EuGH-Generalanwalts. Der EuGH stellt fest, dass es die E-Commerce-Richtlinie nicht untersagt, wenn der Betreiber eines WLAN-Anschlusses auf Unterlassung in Anspruch genommen wird und dann auch die Abmahnkosten zahlen soll (Rn. 77 f.):

Daher läuft es, wenn ein Dritter eine Rechtsverletzung mittels eines Internetanschlusses begangen hat, der ihm von einem Diensteanbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, zur Verfügung gestellt worden ist, Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 nicht zuwider, dass der dadurch Geschädigte bei einer nationalen Behörde oder einem nationalen Gericht beantragt, es diesem Anbieter zu untersagen, die Fortsetzung dieser Rechtsverletzung zu ermöglichen.

Folglich ist davon auszugehen, dass es Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 für sich genommen auch nicht ausschließt, dass der Geschädigte die Erstattung der Abmahnkosten und Gerichtskosten verlangen kann, die für einen Antrag wie die in den vorstehenden Randnummern genannten aufgewendet worden sind.

Demnach ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 dahin auszulegen ist, dass es ihm zuwiderläuft, dass derjenige, der durch eine Verletzung seiner Rechte an einem Werk geschädigt worden ist, gegen einen Anbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsdienst vermittelt, Ansprüche auf Schadensersatz und auf Erstattung der für sein Schadensersatzbegehren aufgewendeten Abmahnkosten oder Gerichtskosten geltend machen kann, weil dieser Zugang von Dritten für die Verletzung seiner Rechte genutzt worden ist. Hingegen ist diese Bestimmung dahin auszulegen, dass es ihr nicht zuwiderläuft, dass der Geschädigte die Unterlassung dieser Rechtsverletzung sowie die Zahlung der Abmahnkosten und Gerichtskosten von einem Anbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt und dessen Dienste für diese Rechtsverletzung genutzt worden sind, verlangt, sofern diese Ansprüche darauf abzielen oder daraus folgen, dass eine innerstaatliche Behörde oder ein innerstaatliches Gericht eine Anordnung erlässt, mit der dem Diensteanbieter untersagt wird, die Fortsetzung der Rechtsverletzung zu ermöglichen.

Mit anderen Worten: Es ist nach dem EuGH möglich, den Betreiber eines WLAN-Anschlusses in Anspruch zu nehmen mit dem Ziel, ihm die Fortsetzung der Ermöglichung von Rechtsverletzungen zu untersagen. Das erinnert mich an die Ausführungen des BGH in der Sache „Sommer unseres Lebens“ (MMR 2010, 565), in der der BGH verlangt hatte, dass ein Unterlassungsantrag in einer Klage erkennen lässt, dass es nicht um die täterschaftliche Haftung, sondern die Haftung als Störer gemeint ist.

Eine Sache ist eventuell noch hervorzuheben: Der EuGH spricht jeweils von „behördlichen oder gerichtlichen Anordnungen„. Damit sind auch gerichtliche Urteile gemeint, die den Betreiber zur Unterlassung verpflichten. Schon im Fall UPC/Telekabel ging es um ein gerichtliches Urteil auf Unterlassung und hier ist dies nicht anders. Die Ausführungen des EuGH-Generalanwalts waren da noch etwas anders zu verstehen, da er zwar eine Anordnung zulassen wollte, der WLAN-Betreiber aber keine Kosten tragen sollte. Das wäre in einem typischen zivilrechtlichen Verfahren praktisch nicht möglich gewesen und hat teilweise die Idee aufkommen lassen, dass ein separates Verfahren wie z.B. nach § 101 Abs. 9 UrhG entsprechend dem FamFG hätte geschaffen werden müssen. Dem ist nicht so.

Wie gesagt, der Streit um den sachlichen Anwendungsbereich der E-Commerce-Richtlinie dürfte mit diesem Urteil beendet sein.

4. Maßnahmen des WLAN-Betreibers zur Verhinderung von Rechtsverletzungen

Anschließend wendet sich der EuGH einer Kernfrage zu: Was muss denn der Betreiber eines WLANs tun, um einer Haftung zu entgehen? Und die Antwort kann eigentlich niemandem so richtig gefallen.

Man sollte sich vergewärtigen, dass die deutsche Bundesregierung ebenso wie die EU-Kommission erkannt haben, dass WLANs ein ganz entscheidendes Mittel zur Digitalisierung darstellen und große Potenziale bergen. Gerade gestern hat EU-Komissionspräsident Juncker WLANs für jedes Dorfzentrum gefordert.

Der EuGH orientiert sich streng an den Vorlagefragen des LG München I. Dies hatte den EuGH gefragt, ob der Betreiber (1) den Datenverkehr im WLAN überwachen, (2) sein WLAN abschalten oder (3) sein WLAN verschlüsseln muss.

Die erste und zweite Variante sieht der EuGH als unzulässig an. Die Überwachung von Datenverkehr widerspräche ganz klar Art. 15 E-Commerce-Richtlinie (Rn. 87). Und die Abschaltung eines WLANs wäre ebenso klar unverhältnismäßig (Rn. 88).

Allerdings – und hier liegt ein weiterer Haken des Urteils – die Verschlüsselung sieht der EuGH ausdrücklich als einen guten Ausgleich zwischen den betroffenen, kollidierenden Grundrechten an (Rn. 90 ff.):

Was drittens die Maßnahme anbelangt, die in der Sicherung des Internetanschlusses durch ein Passwort besteht, so ist sie geeignet, sowohl das Recht des Anbieters, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, als auch das Recht der Empfänger dieses Dienstes auf Informationsfreiheit einzuschränken.

Gleichwohl ist erstens festzustellen, dass eine solche Maßnahme nicht den Wesensgehalt des Rechts des Anbieters von Netzzugangsdiensten auf unternehmerische Freiheit verletzt, da sie darauf beschränkt bleibt, in marginaler Weise eine technische Modalität für die Ausübung der Tätigkeit dieses Anbieters festzulegen.

Zweitens erscheint eine Maßnahme, die in der Sicherung des Internetanschlusses besteht, auch nicht geeignet, den Wesensgehalt des Rechts der Empfänger eines Internetzugangsdienstes auf Informationsfreiheit zu verletzen, weil sie von ihnen nur verlangt, sich ein Passwort geben zu lassen, wobei überdies vorauszusetzen ist, dass dieser Anschluss nur ein Mittel unter anderen für den Zugang zum Internet bildet.

Drittens ergibt sich zwar aus der Rechtsprechung, dass die ergriffenen Maßnahmen in dem Sinne streng zielorientiert sein müssen, dass sie dazu dienen müssen, der Verletzung des Urheberrechts oder eines verwandten Schutzrechts durch einen Dritten ein Ende zu setzen, ohne dass die für Internetnutzer, die die Dienste dieses Anbieters in Anspruch nehmen, bestehende Möglichkeit, rechtmäßig Zugang zu Informationen zu erlangen, dadurch beeinträchtigt wird. Andernfalls wäre der Eingriff des Anbieters in die Informationsfreiheit dieser Nutzer gemessen am verfolgten Ziel nicht gerechtfertigt (Urteil vom 27. März 2014, UPC Telekabel Wien, C?314/12, EU:C:2014:192, Rn. 56).

Jedoch erscheint eine von dem Anbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, ergriffene Maßnahme, die in der Sicherung des Internetanschlusses besteht, nicht geeignet, die Möglichkeit des rechtmäßigen Zugangs zu Informationen zu beeinträchtigen, über die die Internetnutzer, die Dienste dieses Anbieters in Anspruch nehmen, verfügen, weil sie keine Sperrung einer Website bewirkt.

Viertens hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Maßnahmen, die vom Adressaten einer Anordnung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen bei deren Durchführung getroffen werden, hinreichend wirksam sein müssen, um einen wirkungsvollen Schutz des betreffenden Grundrechts sicherzustellen, d. h., sie müssen bewirken, dass unerlaubte Zugriffe auf die Schutzgegenstände verhindert oder zumindest erschwert werden und dass die Internetnutzer, die die Dienste des Adressaten der Anordnung in Anspruch nehmen, zuverlässig davon abgehalten werden, auf die ihnen unter Verletzung des genannten Grundrechts zugänglich gemachten Schutzgegenstände zuzugreifen (vgl. Urteil vom 27. März 2014, UPC Telekabel Wien, C?314/12, EU:C:2014:192, Rn. 62).

Insoweit ist festzustellen, dass eine Maßnahme, die in der Sicherung des Internetanschlusses durch ein Passwort besteht, die Nutzer dieses Anschlusses davon abschrecken kann, ein Urheberrecht oder verwandtes Schutzrecht zu verletzen, soweit diese Nutzer ihre Identität offenbaren müssen, um das erforderliche Passwort zu erhalten, und damit nicht anonym handeln können, was durch das vorlegende Gericht zu überprüfen ist.

Fünftens ist darauf hinzuweisen, dass nach den Angaben des vorlegenden Gerichts außer den drei von ihm genannten Maßnahmen keine andere Maßnahme existiert, die ein Anbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz wie dem hier fraglichen vermittelt, in der Praxis ergreifen könnte, um einer Anordnung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nachzukommen.

Da die beiden anderen Maßnahmen vom Gerichtshof verworfen worden sind, liefe die Auffassung, dass ein Anbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, seinen Internetanschluss nicht sichern muss, darauf hinaus, dem Grundrecht auf geistiges Eigentum jeden Schutz zu entziehen, was dem Gedanken eines angemessenen Gleichgewichts zuwiderliefe (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Juli 2015, Coty Germany, C?580/13, EU:C:2015:485, Rn. 37 und 38).

Unter diesen Umständen ist eine Maßnahme, die in der Sicherung des Internetanschlusses durch ein Passwort besteht, als erforderlich anzusehen, um einen wirksamen Schutz des Grundrechts auf Schutz des geistigen Eigentums zu gewährleisten.

Nach alledem ist unter den im vorliegenden Urteil dargelegten Voraussetzungen die Maßnahme, die in der Sicherung des Anschlusses besteht, als geeignet anzusehen, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Grundrecht auf Schutz des geistigen Eigentums einerseits und dem Recht des Diensteanbieters, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, auf unternehmerische Freiheit sowie dem Recht der Empfänger dieses Dienstes auf Informationsfreiheit andererseits zu schaffen.

Daher ist auf die fünfte, neunte und zehnte Frage zu antworten, dass Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 der Richtlinie 2000/31 unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Grundrechtsschutzes und der Regelungen der Richtlinien 2001/29 und 2004/48 dahin auszulegen ist, dass er grundsätzlich nicht dem Erlass einer Anordnung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, mit der einem Diensteanbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz, das der Öffentlichkeit Anschluss an das Internet ermöglicht, vermittelt, unter Androhung von Ordnungsgeld aufgegeben wird, Dritte daran zu hindern, der Öffentlichkeit mittels dieses Internetanschlusses ein bestimmtes urheberrechtlich geschütztes Werk oder Teile davon über eine Internettauschbörse („peer-to-peer“) zur Verfügung zu stellen, wenn der Diensteanbieter die Wahl hat, welche technischen Maßnahmen er ergreift, um dieser Anordnung zu entsprechen, und zwar auch dann, wenn sich diese Wahl allein auf die Maßnahme reduziert, den Internetanschluss durch ein Passwort zu sichern, sofern die Nutzer dieses Netzes, um das erforderliche Passwort zu erhalten, ihre Identität offenbaren müssen und daher nicht anonym handeln können, was durch das vorlegende Gericht zu überprüfen ist.

Im Ergebnis hat der EuGH versucht, einen Kompromiss zu finden und die betroffenen Grundrechte abzuwägen. Der EuGH sieht in der Sicherung allerdings eine lediglich „marginale technische Modalität“. Den Nutzer betreffe das auch nicht allzu sehr, schließlich sei WLAN ja nur eine unter vielen Zugangsmöglichkeiten. Die Sicherung sei auch wirksam, da sie Nutzer von der Rechtsverletzung abschrecken könne (Rn. 96). Es bleibt vollkommen unklar, auf welcher Grundlage der EuGH zu diesem Schluss kommt. Denn die Verschlüsselung oder Sicherung ist eine große Hürde für Nutzer, wie ich schon vielfach ausgeführt habe. Nutzer von WLANs lassen sich generell sehr leicht abhalten. Erfolgreiche Geschäftsmodelle mit WLAN werden durch den EuGH damit sehr schwierig gemacht.

Übrigens fordert der EuGH – über die Vorlagefrage des LG München I hinaus – auch, dass die Nutzer, bevor sie ein Passwort bekommen, irgendwie „ihre Identität offenbaren müssen“. Was genau das bedeutet, bleibt übrigens offen. Müssen Nutzer den Personalausweis zeigen oder nur ihren Namen nennen? Nicht nur datenschutzrechtlich ist das problematisch.

Eines sei noch angemerkt: Der EuGH spricht nicht von Verschlüsselung, sondern von Sicherung. Es dürfte also weiter möglich sein, ein WLAN ohne Verschlüsselung zu betreiben, aber den Zugang – über ein Anmeldeformular – erst denjenigen zu gewähren, die ihre Identität offenbart haben.

5. Fazit

Das Urteil des EuGH ist katastrophal für den Betrieb offener WLANs. Und damit sind nicht nur Freifunk-Netze gemeint, sondern jedes öffentliche WLAN. Der EuGH hat klargestellt, dass der Betreiber eines WLANs nicht auf Schadensersatz haftet – das ist aber keine Neuerung. Aber der Betreiber eines WLANs, der dieses nicht sichert und die Identität seiner Nutzer erfragt, kann auf Unterlassung und ebenso auf Zahlung von Abmahnkosten haften – so wie bisher auch. Dass dies keinen Anreiz für den Betrieb eines WLANs darstellt, liegt auf der Hand.

Die Folge des EuGH-Urteils könnte sein dass alle WLANs gesichert werden und die Nutzer für jedes WLAN ein Passwort erfragen oder sich anmelden müssen. Die Nutzung von öffentlichen WLANs könnte dadurch praktisch zum Erliegen kommen.

Ein praktisch gangbarer Weg könnte die Einrichtung einer Splash-Page mit Anmeldemaske sein. Das dürfte auch eine „Sicherung“ im Sinne des EuGH sein. Fraglich ist, welche Angaben dann zu verlangen sind. Unklar ist auch, ob die Identität irgendwie überprüft werden muss. Reicht es aus, wenn ein Nutzer eine E-Mail eingibt? Fragen über Fragen, die sich anschließen werden. Rechtssicherheit sieht anders aus.

Es bleibt am Ende ein Aufruf an die Politik: Der EuGH hatte nur darüber zu entscheiden, was aus Sicht der E-Commerce-Richtlinie unzulässig wäre. Der nationale Gesetzgeber dürfte also durch das Urteil nicht gehindert sein, andere Regelungen zu treffen. So kann der deutsche Gesetzgeber – wie er es mit der Neuregelung von § 8 TMG beabsichtigt hat – ohne Weiteres die Kosten einer Abmahnung als nicht erstattungsfähig erklären und möglicherweise auch auf andere Weise einen gerechten Ausgleich zwischen den betroffenen Rechten herstellen.

Jetzt wird man abwarten müssen, wie die deutsche Rechtsprechung mit der Neuregelung in § 8 TMG umgeht. Insgesamt ist der heutige Tag mit diesem EuGH-Urteil jedenfalls kein guter …

TMG-Änderungsgesetz ist in Kraft

Gestern ist das Zweite TMG-Änderungsgesetz im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Damit ist es heute in Kraft getreten.

Zur Erinnerung die wesentlichen Neuerungen für WLANs:

Nach § 2 Satz 1 Nummer 2 wird folgende Nummer 2a eingefügt:

1. „2a. ist drahtloses lokales Netzwerk ein Drahtlos- zugangssystem mit geringer Leistung und geringer Reichweite sowie mit geringem Störungs-risiko für weitere, von anderen Nutzern in un- mittelbarer Nähe installierte Systeme dieser Art, welches nicht exklusive Grundfrequenzen nutzt,“.

3. Dem § 8 wird folgender Absatz 3 angefügt:

„(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Diensteanbieter nach Absatz 1, die Nutzern einen Inter- netzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen.“

Ich hatte den Gesetzesentwurf schon einmal hier bewertet. Demnächst werde ich versuchen eine nähere Analyse mit Bewertung der Folgen für öffentliche und heimische WLANs zu schreiben.

Bundesregierung will WLAN-Störerhaftung doch nicht abschaffen – oder?

Die Haftung bei WLANs ist nun seit vielen Jahren ein Dauerbrenner. Im letzten Jahr ist in das Thema sehr viel neuer Schwung gekommen, der nun kürzlich in der Meldung der Großen Koalition mit der Bezeichnung „Störerhaftung wird abgeschafft“ kulminierte. Die Tagesschau beispielsweise formulierte „Koalition will freies WLAN stärken – Abschied von der Störerhaftung„. Lars Klingbeil postete bei Twitter: „Koalition einig – Freies WLAN kommt – Done!„.

https://twitter.com/larsklingbeil/status/730295181757583362

Das hörte sich gut an, eindeutig und klar. Deshalb hatte ich hier im Blog auch geschrieben, dass nun eine Regelung „ohne Wenn und Aber“ kommen soll. Doch schon kurz darauf kamen mahnende Zeigefinger. Der Titel könnte doch nicht stimmen. Es sei noch unklar, was tatsächlich beschlossen worden sei. Ulf Buermeyer hat das Problem in seinem Podcast (mit Philip Banse) „Lage der Nation“ Nr. 10 sehr schön aufgearbeitet.

Und nun zeigt sich, dass der Kompromiss, den die Große Koalition da ausgehandelt hatte, wohl mit einer Abschaffung der Störerhaftung beim Betrieb öffentlich zugänglicher WLANs in ungefähr so viel miteinander zu tun hatte wie ein Paperflieger mit einem Airbus A380.

Denn offenbar war der Plan, dass in § 8 TMG – wie schon im bisherigen Entwurf – der Betreiber eines öffentlichen WLANs mit einem Access Provider wie z.B. der Deutschen Telekom rechtlich gleich gestellt werden sollte. Mit anderen Worten: § 8 TMG soll auch auf WLANs Anwendung finden. Das ist grundsätzlich schön – aber nur als Klarstellung. Denn das ist seit Jahren der Status Quo. Der Wortlaut von § 8 TMG ist da nämlich auch bisher schon eindeutig gewesen: WLAN ist Access Provider, eine Unterscheidung zwischen „klassischen“ und „nicht-klassischen“ Access Providern sieht das Gesetz nicht vor. In der juristischen Literatur war das längst klar. Auch die Gerichte erkannten das zunehmend, wenn sie sich denn ernsthaft damit beschäftigen mussten, was sehr selten der Fall war.

Was ein Teil der Großen Koalition nicht erkannt hatte: Damit ist das Problem der Störerhaftung nicht gelöst. Ganz im Gegenteil, das Problem ist noch nicht einmal berührt. Das ist so, als wenn man mit einem Bogen auf eine Zielscheibe schießt, aber vergisst, den Pfeil einzulegen. Und hinterher behauptet, man hätte ins Schwarze getroffen.

Denn nach der ständigen Rechtsprechung des BGH findet § 8 TMG auf Unterlassungsansprüche überhaupt keine Anwendung. Und – man ahnt es – Störerhaftung bedeutet, dass gegen einen Betreiber ein Unterlassungsanspruch besteht. Dann kann eine Erweiterung der Haftungsprivilegierung aber auch keinen Effekt haben … Die Große Koalition hat also großmundig behauptet, sie würde die Störerhaftung abschaffen, dafür aber in Wahrheit keinen Finger krumm getan.

Um es ganz klar zu sagen: Wenn für WLANs der Anwendungsbereich von § 8 TMG nicht auf Unterlassungsansprüche erweitert wird, bleibt es bei der bisher bestehenden, großen Rechtsunsicherheit!

Auf Freifunkstattangst schreibt der regelmäßig gut informierte Christian Heise:

„Die WLAN-Störerhaftung ist noch nicht vom Tisch. Erstens liegt noch immer kein finaler Entwurf vor, obwohl der Bundestag schon kommende Woche darüber abstimmen will. Zweitens vermuten wir, dass es diese überarbeiteten Entwurf zwar gibt, die Union diesen aber blockiert, weil sie Unterlassungsansprüche und Abmahnungen weiterhin möglich machen will.“

Damit haben sich die Befürchtungen wohl bewahrheitet, was die Einigung der Großen Koalition angeht (Papierflieger und A380), aber offenbar hat – sicher auch wegen des öffentlichen Aufschreis ob des oben dargestellten Sachverhalts – zumindest die SPD erkannt, dass sie auf ein Gesetz, das die Störerhaftung nicht berührt nicht „Störerhaftung wird abgeschafft“ draufschreiben kann. Und nun streiten die Koalitionsparteien also wieder. Man kann nur hoffen, dass das Gesetz doch keine Mogelpackung wird.

Christian Heise hat eine entsprechende Petition bei Change.org gestartet, die sich zu zeichnen lohnt.

WLAN: TMG-Änderungsgesetz soll kommen – Haftungsprivilegierung ohne Wenn und Aber

Wie mittlerweile bekannt geworden ist, ist der Streit um das TMG-Änderungsgesetz, das insbesondere eine Klarstellung und Neuregelung der Haftung für Betreiber von öffentlich zugänglichen WLANs bringen sollte, nun endlich beigelegt. Nachdem der EuGH-Generalanwalt sehr deutlich formuliert hatte, dass erzwungene Sicherungsmaßnahmen für WLANs europarechtswidrig sein dürften, hat die Regierungskoalition darum gerungen, ob nicht doch bestimmte Maßnahmen, ggf. nur für Private, verlangt werden sollen.

Kanzlerin Merkel soll letzte Woche ein Machtwort gesprochen haben, damit das Thema endlich vom Tisch kommt – allerdings ohne eine Richtung vorzugeben.

Nun sollen sich die Regierungskoalitionen darauf geeinigt haben, dass die Klarstellung in § 8 Abs. 3 TMG-Entwurf kommen soll, also WLAN-Betreiber (wie nach bisheriger Rechtslage) den „klassischen“ Access Providern gleichgestellt werden. Die in § 8 Abs. 4 TMG-Entwurf (und in einem früheren Entwurf für „nicht geschäftsmäßige“ Anbieter in § 8 Abs. 5 TMG-Entwurf) vorgesehenen „angemessenen Maßnahmen“, insbesondere Verschlüsselung und die Einholung einer Rechtstreueerklärung des Nutzers sollen entfallen.

Spiegel-Online gibt die Einigung wie folgt wieder:

„Der Kompromiss: Nun sollen auch private und nebengewerbliche Anbieter (wie ein Café-Betreiber) das sogenannte Providerprivileg der gewerblichen Anbieter genießen. Sie müssen, anders als von Gabriel geplant, ihr WLAN nun nicht mit einer Vorschaltseite oder mit einem Passwort sichern. Tatsächlich offene Hotspots werden damit möglich.“

Der SPD-Netzpolitiker Lars Klingbeil hat die Einigung über Twitter bestätigt.

Die Änderungen sollen in der nächsten Sitzungswoche im Parlament beschlossen werden. Eventuell tritt das TMG-Änderungsgesetz damit bereits ab Herbst in Kraft.

Die geplante Regelung ist aus meiner Sicht durchweg zu begrüßen. Sie beseitigt die bisher vorherrschende Rechtsunsicherheit und entspricht dem, was Experten durchweg gefordert hatten.

 

Bisherige Beiträge zu dem Thema:

Zum Stand des (WLAN-)TMG-Änderungsgesetzes: Die Bundesregierung will zuwarten

An dieser Stelle nur ein kurzer Zwischenruf. Wie man hört, hat sich die Regierungskoalition im Hinblick auf die geplanten Anforderungen an WLANs im TMG-Änderungsgesetz noch nicht auf eine einheitliche Linie einigen können. Zur Erinnerung: Letzter Entwurfsstand (BT-Drs. 18/6745) war, dass WLANs künftig verschlüsselt werden müssen und jeder Nutzer vor der Nutzung versprechen muss, keine Rechtsverletzungen zu begehen (treffend auch „Lügenseite“ genannt). Der Bundesrat hatte gefordert, diese Anforderungen zu streichen (BR-Drs. 440/15). Auch sonst war heftige Kritik am Entwurf laut geworden.

Zwischenzeitig war dann verlautbart worden, dass die Verschlüsselungspflicht möglicherweise gestrichen werden sollte.

Wie mir nun zugetragen wurde, konnte eine Einigung bisher noch nicht erzielt werden. Stattdessen soll zunächst die Stellungnahme des Generalanwalts beim EuGH in der Vorlagesache des LG München I (LG München I, Beschl. v. 18. 9. 2014 – 7 O 14719/12, GRUR Int. 2014, 1166 – Bring mich nach Haus; dazu Mantz/Sassenberg, MMR 2015, 85 (PDF)) abgewartet werden.

Es könnte also wesentlich davon abhängen, was der EuGH (bzw. in Vorbereitung der Generalanwalt, dessen Vorschlägen der EuGH in rund 2/3 der Fälle folgt) zur Thematik des § 8 TMG bzw. Art. 12 E-Commerce-RL sagt. Dabei ist es durchaus sinnvoll, dass die Bundesregierung zunächst zuwartet. Denn ggf. müsste das Gesetz ansonsten unmittelbar wieder geändert werden.

Bundesregierung treibt WLAN-Gesetz voran – und verwirft Vorschläge des Bundesrates

Ich hatte hier im Blog über die Empfehlung des Bundesrats berichtet, der sich im Grunde dafür ausgesprochen hat, die Haftung für die Betreiber von WLANs deutlich weiter einzuschränken und nicht zusätzliche Maßnahmen zu verlangen (BR-Drs. 440/15).

Die Bundesregierung hat am 13.11.2015 zu dieser Empfehlung des Bundesrates Stellung genommen (s. Anlage 3 zu BT-Drs. 18/6745, S. 20). Zum relevanten Punkt, nämlich der Änderung des § 8 Abs. 4 TMG-Entwurf heißt es in der Stellungnahme):

„Die Bundesregierung wird das Anliegen eingehend prüfen.“

Nun hat aber andererseits die Bundesregierung am 18.11.2015 – also 5 Tage nach der Stellungnahme – mit ihrem Gesetzesentwurf den nächsten Schritt des Gesetzgebungsverfahrens eingeleitet (BT-Drs. 18/6745) – und darin die Änderung des Bundesrates nicht übernommen. Es soll also weiter bei der – offenkundig misslungenen – Fassung des § 8 Abs. 4 TMG bleiben. Die Bundesregierung hat also die massiven Bedenken des Bundesrates beiseite gewischt. Leider ohne Begründung.

Es ist daher zu erwarten, dass sich die Situation für WLANs in Deutschland sogar noch verschlechtert. Eine Förderung ist von diesem Gesetz jedenfalls nicht zu erwarten.