Schlagwort-Archive: Urheberrecht

Anmerkung zu BGH, Urt. v. 28.11.2013 – I ZR 76/12 – Meilensteine der Psychologie erschienen

In eigener Sache:

Mittlerweile ist meine zum Urteil des BGH v. 28.11.2013 – I ZR 76/12 – „Meilensteine der Psychologie“ (MMR 2014, 616) erschienen. Ich hatte mich mit dem Urteil bereits im Zusammenhang mit der Frage des Begriffs „nicht-kommerzielle Nutzung“ (bei Creative Commons-Lizenzen) befasst, nun habe ich eine kurze Anmerkung für die Zeitschrift Multimedia und Recht (MMR) dazu geschrieben (MMR 2014, 623-624).

In dem Fall ging es im Wesentlichen darum, unter welchen Voraussetzungen (nach § 52a UrhG) Hochschulen ihren Studenten Teile von Werken zur Veranschaulichung und Unterstützung des Unterrichts online zur Verfügung stellen dürfen. Da war eine ganze Menge umstritten, wohl auch, weil klar widerstreitende Interessen aufeinander trafen. Der BGH hat nun eine Menge der bisher offenen Fragen geklärt.

Aus der Anmerkung (MMR 2014, 623):

Die 2003 eingeführte Regelung des § 52a UrhG stellt eine Privilegierung für die Durchführung von Unterricht und Forschung zur Verfügung, durch die es möglich wird, im Rahmen von Unterricht und Forschung Teile eines Werks in digitaler Form zum Abruf zur Verfügung zu stellen. Sie transferiert damit einen in der analogen Welt üblichen Vorgang – die Kopiervorlage in der Lehrstuhlbibliothek – in den digitalen Kontext. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch hier widerstreitende Interessen der Beteiligten bestehen. Und wie bei fast allen solchen Transfers vom Analogen ins Digitale werden Fragen aufgeworfen, die zu gesetzgeberischem Handeln und reger Aktivität in Literatur (und Rechtsprechung) führen können, dies häufig auch im Wechselspiel.

  1. Privilegierung

Der vorliegend im Streit stehende § 52a Abs. 1 Nr. 1 UrhG gestattet das öffentliche Zugänglichmachen unter bestimmten Voraussetzungen, namentlich können (1) kleine Teile eines Werkes, Werke geringen Umfangs sowie einzelne Beiträge (2) im Unterricht und zu dessen Zweck (3) auschließlich für den bestimmt abgegrenzten Kreis von Teilnehmern öffentlich zugänglich gemacht werden, soweit dies (4) geboten und (5) zur Verfolgung nicht kommerzieller Zwecke gerechtfertigt ist. Unschwer ist zu erkennen, dass jedes dieser Merkmale auslegungsbedürftig ist. …

S. auch:

LG Köln: Creative Commons „NonCommercial“ umfasst nur rein private Nutzung

Wie Till Jaeger für das iFrOSS berichtet, hat das LG Köln mit Urteil v. 5.3.2014 (28 O 232/13) als wohl erstes deutsches Gericht zur Frage des Begriffs „NonCommercial“ bei Creative Commons-Lizenzen Stellung genommen. Dabei hat das LG Köln offenbar nicht auf die von der Community entwickelte Definition abgestellt (Studie dazu hier; s. auch Mo?ller, in: Lutterbeck/Ba?rwolff/Gehring, Open Source Jahrbuch 2006, 271), sondern formuliert:

Nach dem objektiven Erklärungswert  ist unter der Bezeichnung „nicht kommerzielle Nutzung“ eine rein private Nutzung zu verstehen.

Auch die von der Creative Commons-Community entwickelte Definition hat ihre Untiefen und Schwächen, aber eine solch enge Auslegung dürfte dem Begriff „NonCommercial“ dennoch kaum gerecht werden.

Der Volltext ist bisher noch nicht veröffentlicht worden. Till Jaeger hat aber eine interessante und informative Besprechung des Urteils verfasst.

Die Entwicklung ist jedenfalls spannend. Im Zusammenhang mit meiner Anmerkung zur Entscheidung des LG Hamburg zur GPLv2 (dazu hier) hatte ich (zur GPL) formuliert:

Offene Lizenzen schaffen dadurch Rechtssicherheit für Urheber und Nutzer, gerade in Zeiten eines stetigen Wandels der urheberrechtlichen Nutzungsgewohnheiten. Interessanterweise wird es trotz der diese Auffassung immer wieder bestätigenden Entscheidungen nicht still um offene Lizenzen. Es darf mit Spannung erwartet werden, welche Konstellation die Gerichte das nächste Mal beschäftigen wird.

Es zeigt sich, dass nicht mehr die „großen Fragen“ im Zusammenhang mit offenen Lizenzen, u.a. den Creative Commons-Lizenzen, sondern eben die Einzelheiten und Begrifflichkeiten noch ihrer (gerichtlichen) Klärung harren. In diesem Sinne kann auch das Urteil des LG Köln einen Beitrag leisten.

Wenn der Volltext verfügbar ist, werde ich hier berichten.

Update: Der Volltext ist (mit Leitsätzen von mir) jetzt verfügbar.

„Risikoverteilung bei urheberrechtlichen Abmahnungen – Neue Wege mit § 97a UrhG?“ in CR 2014, 189 ff. erschienen

In eigener Sache:

Im aktuellen Heft 3/2014 der Zeitschrift Computer und Recht (CR) ist mein Beitrag mit dem Titel „Die Risikoverteilung bei urheberrechtlichen Abmahnungen – Neue Wege mit § 97a UrhG?“ erschienen (CR 2014, 189-193).

Seit einiger Zeit berichte ich immer wieder über Entscheidungen etc. im Zusammenhang mit der Neuregelung zur urheberrechtlichen Abmahnung nach § 97a UrhG und führe eine jeweils aktualisierte Übersicht über Rechtsprechung und Literatur zu § 97a Abs. 3 UrhG. Das habe ich zum Anlass genommen, den neuen § 97a UrhG genauer unter die Lupe zu nehmen und die Folgen für die Risiko- und Beweislastverteilung bei urheberrechtlichen Abmahnungen zu analysieren. Ergebnis ist der jetzt erschienene Aufsatz in der CR. Der Beitrag behandelt dabei insbesondere die Wirksamkeitsvoraussetzungen der urheberrechtlichen Abmahnung in § 97a Abs. 3 UrhG sowie die Folgen der Missachtung dieser Voraussetzungen sowie die Beschränkung des Aufwendungsersatzes in § 97a Abs. 3 UrhG. Dabei ist festzuhalten, dass § 97a UrhG einiges verändert und manches beim Alten belässt.

Hier ein kurzer Abschnitt aus der Einleitung zum Beitrag:

Die Risikoverteilung bei urheberrechtlichen Abmahnungen – Neue Wege mit § 97a UrhG?

Urheberrechtliche (Massen-)Abmahnungen haben es in den letzten Jahren zu einer solch traurigen Berühmtheit gebracht, dass der Gesetzgeber hier wiederholt aktiv geworden ist. Nachdem die 2008 eingeführte Kostendeckelung in § 97a Abs. 2 UrhG a.F. keine Besserung brachte, hat der Gesetzgeber im Rahmen des „Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken“ 2013 einen neuen Anlauf gestartet und § 97a UrhG weitgehend neu gestaltet. Dieser Umstand bietet Anlass, die Beweislast- und Risikoverteilung bei urheberrechtlichen Abmahnungen nach § 97a UrhG n.F. zu betrachten.

I. Einleitung

Aufgrund der bisherigen rechtlichen Konstellation konnte der Geschädigte vom Abgemahnten nach § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG a.F. – unter der Voraussetzung,  dass die Abmahnung berechtigt ist – Ersatz für die (Rechtsanwalts-)Kosten der Abmahnung verlangen […]

S. auch:

Muss der Abmahner der Abmahnung eine Abschrift des Beschlusses nach § 101 Abs. 9 UrhG beifügen?

Auf dieses Blog ist in den letzten Tagen ein Besucher mit der im Titel genannten Frage gestoßen (aufgezeichnet durch – anonymisiertes – Piwik). Die entsprechende Suche bei Bing habe ich mir angesehen und sie beantwortet die Frage nicht.

Ob der Leser hier im Blog eine Antwort gefunden hat, weiß ich nicht. Daher für die Zukunft und nur ganz kurz:

Muss der Abmahner der Abmahnung eine Abschrift des Beschlusses nach § 101 Abs. 9 UrhG beifügen?

Die Antwort liefert der (neue) § 97a Abs. 2 UrhG, der lautet:

(2) Die Abmahnung hat in klarer und verständlicher Weise

  1. Name oder Firma des Verletzten anzugeben, wenn der Verletzte nicht selbst, sondern ein Vertreter abmahnt,
  2. die Rechtsverletzung genau zu bezeichnen,
  3. geltend gemachte Zahlungsansprüche als Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche aufzuschlüsseln und
  4. wenn darin eine Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtung enthalten ist, anzugeben, inwieweit die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht.

Eine Abmahnung, die nicht Satz 1 entspricht, ist unwirksam.

Eine Kopie des Beschlusses gehört hierzu nicht. Eine Abmahnung ist daher auch ohne diese wirksam.

Die Veröffentlichung des Gutachtens des wissenschaftlichen Dienstes zur Abgeordnetenbestechung auf Netzpolitik, das Urheberrecht und das Informationsfreiheitsgesetz

Auf Netzpolitik.org ist heute ein Artikel mit dem Titel „Wird der Bundestagspräsident Markus Beckedahl verklagen?“ von Andre Meister bzw. Christian Humborg, Geschäftsführer von Transparency International Deutschland, erschienen.

Darin wird thematisiert, dass Markus Beckedahl auf Netzpolitik.org ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zur Nichtumsetzung der UN-Konvention gegen Korruption und insbesondere der Abgeordnetenbestechung veröffentlicht hat, an dem der wissenschaftliche Dienst des Bundestages bzw. die Bundestagsverwaltung als Inhaberin der entsprechenden Verwertungsrechte angeblich Rechte geltend macht, um eine Weiterveröffentlichung zu verhindern. In dem Beitrag heißt es u.a.:

Das Urheberrecht wird zu einem neu entdeckten Instrument, um unliebsame Veröffentlichungen zu erschweren.

Weiter wird das Verhältnis des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) und des Urheberrechts angesprochen. Und tatsächlich mutet es seltsam an: Ein Beitrag, den jeder aufgrund des IFG herausverlangen kann bzw. könnte, darf dennoch nicht verbreitet werden. Schauen wir uns das mal etwas genauer an:

Der Anspruch der Bundestagsverwaltung gegen Netzpolitik/Markus Beckedahl könnte sich aus § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG ergeben:

(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Zweifel könnten hier an der Widerrechtlichkeit bestehen. Dazu schreiben Möhring/Nicolini (§ 97 UrhG Rn. 92):

Weiterhin stellt es auch weder eine Rechtfertigung noch eine Einrede i. S.des § 242 BGB dar, wenn der Verletzte aus Treu und Glauben oder sonstigen Gründen verpflichtet war, dem Verletzer die fraglichen Rechte einzuräumen.

Diese Fundstelle spricht eher gegen den Einwand, dass nach dem IFG ohnehin eine Herausgabe erfolgen müsste. Allerdings könnte Markus Beckedahl sich evtl. alternativ (im Rahmen der Widerrechtlichkeit der Verletzung) auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Im Urheberrechtskommentar von Wandtke/Bullinger liest man folgendes (§ 97 Rn. 34):

Den Zivilgerichten obliegt die Durchsetzung von grundrechtlich geschützten Werten nämlich nicht nur bei der Auslegung und Anwendung des gesetzlichen Verletzungstatbestandes, sondern auch bei der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verletzung (OLG Stuttgart NJW-RR 2004, 619, 621 zum Urheberrecht; BGH GRUR 2005, 583, 584 f. – Lila-Postkarte – zur Markennutzung „ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise“ i. S. d. § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG). Ansprüche nach § 97 setzen neben der Rechtsverletzung ausdrücklich auch deren „Widerrechtlichkeit“ voraus. Zwar ist bei einer Rechtsverletzung regelmäßig von einer Rechtswidrigkeit auszugehen. Im Einzelfall kann jedoch die Rechtswidrigkeit zu verneinen sein, wenn nach einer Abwägung das Urheberrecht hinter der gegenläufigen Grundrechtsposition des „Verletzers“ zurücktreten muss.

Folgt man dieser Auffassung, wäre im Rahmen der Prüfung der Rechtswidrigkeit der Nutzung des Werkes die Rechtsposition des potentiellen Verletzers zu berücksichtigen. Hier könnte Markus auf das erhebliche öffentliche Interesse an dem Bericht des wissenschaftlichen Dienstes verweisen, der einerseits aus möglicherweise sachfremden Erwägungen zurückgehalten werden könnte und andererseits der Öffentlichkeit nach dem Informationsfreiheitsgesetz ohnehin (wenn auch nur dem jeweiligen Antragsteller) zur Verfügung gestellt werden muss. Beides sind Argumente, die eher gegen die Widerrechtlichkeit und damit gegen eine Geltendmachung von Urheberrechten durch die Bundestagsverwaltung sprechen. Auf der anderen Seite steht das Recht des Urhebers, das generell durch den Gesetzgeber als schützenswert angesehen wird, und das vor Schwächungen geschützt werden soll. In die Abwägung wäre allerdings auch noch einzustellen, dass das Gutachten aus dem Jahre 2008 stammt und seit Dezember 2008 über dessen Inhalt berichtet wird (s. z.B. Spiegel Online hier).

Im Ergebnis wäre die Bundestagsverwaltung möglicherweise gut beraten, es in diesem konkreten Fall nicht darauf ankommen zu lassen. Ein fader Beigeschmack und der bekannte Streisand-Effekt könnten in diesem Zusammenhang eine gewichtige Rolle spielen.

BGH, Google, Thumbnails und die Anwendung der Privilegierungen der §§ 7-10 TMG auf Unterlassungsansprüche

RA Stadler hat in seinem Blog Internet-Law eine kurze Einschätzung zum Urteil des BGH zur Google-Bildersuche abgegeben. Die Urteilsbegründung (Volltext hier) war mit Spannung erwartet worden, da nicht ganz klar war, wie der BGH es konstruieren wuerde, dass jemand, der ein Werk ins Internet einstellt, Google nicht rechtlich in Anspruch nehmen darf, wenn Google das Werk in seiner Suchmaschine nutzt.

RA Stadler weist auf einen sehr interessanten Punkt in der Urteilsbegründung hin: Der BGH setzt nämlich fuer sein Urteil auch an der Privilegierung des Art. 14 der E-Commerce-Richtlinie an, der in Deutschland in  § 10 TMG umgesetzt wurde, also der Haftungsprivilegierung fuer Host Provider:

„Der BGH geht dann noch einen Schritt weiter und erläutert, dass Google das Urheberrecht auch dann nicht verletzt, wenn die Bilder nicht mit Zustimmung des Urhebers ins Netz gelangt sind, zumindest solange Google nicht auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist. Der BGH stützt sich hierbei auf die Rechtsprechung des EuGH zu Google-AdWords und nimmt Bezug auf Art. 14 Abs. 1 der E-Commerce-Richtlinie.“

Das ist relevant, da der BGH in ständiger Rechtsprechung (s. nur BGH Internetversteigerung I-III, s. hier) die Privilegierungen er §§ 7-10 TMG (also auch diejenige des Access Providers) nicht auf Unterlassungsansprueche wie z.B. die Störerhaftung anwendet, was in der juristischen Literatur Kritik erfahren hat.

Im vorliegenden Fall war Google aber gerade auf Unterlassung in Anspruch genommen worden. Der Antrag im Berufungsverfahren vor dem OLG Jena hatte gelautet (im offiziellen Text der BGH-Entscheidung sind die Anträge nicht enthalten):

„Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu €  250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen am gesetzlichen Vertreter, zu unterlassen, Abbildungen von Kunstwerken der Klägerin zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen und/oder  über das Internet zugänglich zu machen und oder zu bearbeiten oder umzugestalten, wie es in Form sogenannter thumbnails im  Rahmen der Bildersuchmaschine der Beklagten geschehen ist.“

Mit anderen Worten könnte man das Urteil des BGH nun so lesen, dass die Haftungsprivilegierungen eben doch auf Unterlassungsansprüche anwendbar sind. Vermutlich war sich der BGH dieses Widerspruchs aber nicht bewusst, wie auch RA Stadler meint. Allerdings zeigt dieses Urteil, dass auch der BGH bei einer kurzen Durchsicht eher davon ausgeht, dass die Privilegierung auch für Unterlassungsansprüche anwendbar sein soll.