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Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 07.03.2013 – I-20 W 121/12 – Keine Speicherung auf Zuruf – jetzt online

In eigener Sache:

Die in der K&R 2013, S. 344 ff. erschienene Anmerkung zur Entscheidung des OLG Düsseldorf (Beschl. v. 07.03.2013 – I-20 W 121/12 – Keine Speicherung auf Zuruf) ist nun online verfügbar (PDF).

Die Leitsätze (von mir) lauteten:

1. Gegen einen Access Provider besteht kein Anspruch auf Sicherung (Erhebung und Speicherung) von im System für die Dauer der Verbindung vorhandenen IP-Adressen. Dieser Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 101 Abs. 9 UrhG.

2. Löscht der Access Provider dynamische IP-Adressen unmittelbar nach Ende der Verbindung oder vergibt sie neu, so erfüllt er mit der Auskunft, dass er keine Information habe, seine Auskunftspflichten nach § 101 Abs. 9 UrhG.

Aus der Anmerkung:

Mit den vorliegenden Entscheidungen hat das OLG Düsseldorf (erneut) klargestellt, dass § 101 UrhG allein einen Auskunftsanspruch regelt, und dass hieraus keine Pflicht zur Erhebung und Speicherung von Daten erwächst. Die Entscheidungen des OLG Düsseldorf führen dabei die Linie des Gerichts fort und reihen sich in die absolut h. M. der Rechtsprechung ein.[1]

I. Hintergrund

Jedes Gerät im Internet verfügt über eine eindeutige Adresse, die sog. IP-Adresse. Wer sich im Internet bewegt, ist daher im Grunde über seine IP-Adresse identifizierbar.[2] Die Identifizierung wird aber dadurch problematisch, dass Access-Provider ihren Kunden immer wieder wechselnde IP-Adressen zuweisen (sog. „dynamische IP-Adressen“). Die Zuweisung erfolgt in aller Regel nur für die Dauer einer Verbindung („Session“), wobei meist nach maximal 24 Stunden eine Zwangstrennung und ggf. Neuzuweisung durchgeführt wird. Aus diesem Grunde sind Rechteinhaber, wenn sie eine (potentielle) Rechtsverletzung über das Internet feststellen, darauf angewiesen, dass Access-Provider nachträglich einem Kunden die festgestellte IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zuordnen können. …

OLG Düsseldorf, 7.3.2013 – I 20 W 121/12: Keine Speicherpflicht des Access Providers „auf Zuruf“ nach § 101 UrhG (Volltext)

(ebenso bzw. ähnlich: OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 07.03.2013, Az. I-20 W 118/12, I-20 W 123/12, I-20 W 124/12, I-20 W 126/12, I-20 W 128/12, I-20 W 142/12, I-20 W 143/12, I-20 W 162/12), K&R 2013, 344

Leitsätze (des Verfassers):

1. Gegen einen Access Provider besteht kein Anspruch auf Sicherung (Erhebung und Speicherung) von im System für die Dauer der Verbindung vorhandenen IP-Adressen. Dieser Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 101 Abs. 9 UrhG.

2. Löscht der Access Provider dynamische IP-Adressen unmittelbar nach Ende der Verbindung oder vergibt sie neu, so erfüllt er mit der Auskunft, dass er keine Information habe, seine Auskunftspflichten nach § 101 Abs. 9 UrhG.

Volltext:

In dem Anordnungsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch … am 7. März 2013

beschlossen:

Auf die Beschwerden der Beteiligten werden die Beschlüsse der 212. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 27. August und 16. Oktober 2012 aufgehoben und der auf ihren Eriass gerichtete Antrag zurückgewiesen,

Gründe:

Die zula?ssigen Beschwerden der Beteiligten vom …, mit der sie sich gegen die einstweilige Anordnung der Sicherung der Verkehrsdaten laufender Verbindungen und die nachfolgende Gestattung der Auskunftserteilung wendet, haben auch in der Sache Erfolg.

Der Anspruch auf Auskunft nach § 101 Abs. 2 Nr. 3 UrhG, dessen Sicherung die Antragstellerin vorliegend im Wege der einstweiligen Anordnung erstrebt, scheitert bereits daran, dass die Beteiligte die verlangte Auskunft tatsa?chlich nicht geben kann. Die Beteiligte speichert im Hinblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur „Vorratsdatenspeicherung“ (NJW 2010, 833 ff) keine dynamischen IP-Adressen mehr. Die fu?r den Aufbau einer Internetverbindung beno?tigten IP-Adressen sind in ihren Systemen nur fu?r die Dauer der Verbindung vorhanden, sie werden in einem vollautomatisierten Verfahren nach dem Ende der Verbindung wieder abgebaut und einer nächsten Verbindung zugewiesen. Eine Erfassung, Kontrolle oder Beobachtung der IP-Adressen erfolgt nicht. Diese Praxis der Beteiligten ist dem Senat auch aus anderen Verfahren bekannt.

Ein Anspruch auf Sicherung dieser im System für die Dauer der Verbindung vorhandenen IP- Adressen besteht nicht, eine Speicherung von Daten kann von der Beteiligten auf der Grundlage von § 101 UrhG nicht verlangt werden.

Der Senat hat sich mit der Problematik der Speicherung von IP-Adressen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung bereits in seinem Urteil vom 15. März 2011, I-20 U 136/10, ausführlich, auseinandergesetzt (BeckRS 2011, 06223). Die Pflicht zur sogenannten Drittauskunft, wie sie § 101 UrhG statuiert, geht nicht über das hinaus, was der Schuldner ermitteln kann. Die Auskunft ist eine Wissenserklärung. Der Schuldner muss in zumutbarem Umfang alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Information ausschöpfen (Wimmers in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Auflage, § 101 Rn. 75 mit Nachweisen der Rechtsprechung). Auch wenn der Auskunftsschuldner sich also nicht damit begnügen darf, sein präsentes Wissen preiszugeben, sondern gegebenenfalls auch Nachforschungen in seinem eigenen Bereich anzustellen hat (z.B. anhand von Geschäftsunterlagen, Erkundigungen bei Vertragspartnern), ist die Schuld mit der Mitteilung des dann vorhandenen Wissens erfüllt (für das Markenrecht Hacker in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Auflage, § 19 Rn. 4 9 m it Nachweisen der Rechtsprechung). Der Schuldner ist nicht verpflichtet, Unterlagen und Belege, derer er für die ordnungsgemäße Führung seines Unternehmens nicht bedarf, nur deshalb zu erstellen, damit er Auskunftsverlangen, denen er sich einmal ausgesetzt sehen mag, nachkommen kann. Die gesetzliche Pflicht, unter bestimmten Bedingungen einmal eine Wissenserklärung abzugeben, begründet nicht zugleich die sofort zu erfüllende Pflicht, für die Ansammlung des Wissens zu sorgen.

In Fortführung dieses Urteils hat sich der Senat in einer weiteren Entscheidung (Beschl. v. 30. Mai 2011, I-20 W 127/10) der Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt (GRUR-RR 2010, 91) angeschlossen, dass es mangels gesetzlicher Grundlage keinen Anspruch des Auskunftsgläubigers nach § 101 Abs. 1 und 2 Nr. 3 UrhG auf die die Auskunft erst ermöglichende Speicherung gibt (so auch OLG Hamm GRUR-Prax 2011, 61). Ein Löschungsverbot zu dem Zweck, auf dieser Grundlage ein Anordnungsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG durchzuführen, ist im Gesetz nicht vorgesehen (OLG München, Beschl. v. 21. Nov. 2011, 29 W 1939/11, ZUM 2012, 592 Rn. 5). Die Annahme einer Pflicht zur Speicherung dynamischer IP-Adressen im Interesse der Inhaber gewerblicher Schutzrechte und Urheberrechte bedarf aber – gerade vor dem Hintergrund des Urteils des Bundes Verfassungsgerichts zur „Vorratsdatenspeicherung“ – einer gesetzlichen Grundlage.

Die Speicherung der IP-Adressen stellt einen Eingriff in die Grundrechte der Nutzer auf Wahrung des Fernmeldegeheimnisses, Art. 10 Abs. 1 GG, und auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, dar, mag der Eingriff auch nicht schwerwiegend sein (BGH, MMR 2011, Tz. 27, Tz. 28). Die Richtlinien zum Schutz des geistigen Eigentums einerseits und des Datenschutzes andererseits gebieten es nicht, die Pflicht zur Mitteilung personenbezogener Daten im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens vorzusehen (EuGH, GRUR 2008, 241 Tz. 70 Promusicae; BVerfG, Beschl. v. 17. Feb. 2011, 1 BvR 3050/10, BeckRS 2011, 48780, Nichtannahme der gegen die Entscheidung des OLG Hamm gerichteten Verfassungsbeschwerde). Dieser Grundrechtseingriff bedarf einer legitimierenden gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerfG, NJW 2012,1419 Rn. 110, Rn. 164). Es kommt allein dem Gesetzgeber zu, einen Ausgleich herzustellen zwischen den Interessen dieser Inhaber privater Rechte, die von Verfassung wegen zu schützen sind, und den datenschutzrechtlichen Belangen der Internetnutzer, die ihrerseits verfassungsrechtlich geschützt sind (Senat, Besch!, v. 30. Mai 2011, I-20 W 127/10; OLG München, Beschl. v. 21. Nov. 2011, 29 W 1939/11, ZUM 2012, 592 Rn. 5). Das insoweit bestehende Spannungsverhältnis verdeutlicht gerade das zur Untermauerung des Anspruchs angeführte Argument, Urheberrechtsverletzungen stellten eine Straftat dar. Der Gesetzgeber hat im Bereich der Strafverfolgung genau geregelt, wann Straftaten einen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis und das Recht auf informelle Selbstbestimmung rechtfertigen. Zu den in § 100a Abs. 2 StPO genannten Katalogtaten gehören Urheberrechtsverletzungen nicht.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von dem durch Beschluss vom 30. Mai 2011 beschiedenen im Grunde nicht. Auch vorliegend müsste die Beteiligte Unterlagen, derer sie für die ordnungsgemäße Führung ihres Unternehmens nicht bedarf, nur deshalb erstellen, damit sie dem Auskunftsverlangen der Antragstellerin nachkommen kann. Der Senat hat sich in seiner eingangs zitierten Grundsatzentscheidung vom 15. März 2011 bereits mit der von der Antragstellerin begehrten Sicherung im System vorhandener, aber nicht gespeicherter Daten auseinandergesetzt. Es geht bei dem von der Antragstellerin begehrten Verbot der Löschung nicht um ein Unterlassen, sondern um ein Handeln, da Daten, die bisher nicht automatisch abgerufen werden können, erstmals in dieser Weise gespeichert werden sollen. Eine Pflicht zur Datensicherung ohne gesetzliche Grundlage ist jedoch zu verneinen (Senat, Urt. v. 15. März 2011, U20U 136/10).

Erst die Speicherung und die ihr notwendig vorgelagerte Ermittlung der Daten wären eine Erhebung im Sinne von § 3 Abs. 3 BDSG, die den Eingriff in den Schutzbereich des Telekommunikationsgeheimnisses begründet. Nach § 3 Abs. 3 BDSG ist Erheben das Beschaffen von Daten über den Betroffenen. Die Datenerhebung setzt folglich ein aktives, von einem entsprechenden Willen getragenes Handeln voraus, während die bloße objektive Begründung der Verfügung über die Daten nicht ausreicht (Dammann in Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, 7. Aufl., § 3 Rn. 102). Erforderlich ist ein zielgerichtetes Handeln der fraglichen Stelle, die sich hierdurch Kenntnis von den Daten verschafft; es genügt nicht, wenn die Informationen ihr ohne eigenes Zutun zugehen (OLG Frankfurt, NStZ-RR 2004, 316). Von daher stellt das reine Vorhandensein der IP-Adressen im System der Beteiligten noch keine Erhebung der Daten da, die hierfür erforderliche willentliche Kenntnisnahme durch aktives Handeln würde erst im Zuge ihrer (manuellen) Ermittlung zum Zwecke der Speicherung erfolgen. Jede Kenntnisnahme, Aufzeichnung und Verwertung von Kommunikationsdaten sowie jede Auswertung ihres Inhalts oder sonstige Verwendung stellt einen Grundrechtseingriff dar, weshalb in der Erfassung von Telekommunikationsdaten, ihrer Speicherung, ihrem Abgleich mit anderen Daten, ihrer Auswertung, ihrer Selektierung zur weiteren Verwendung oder ihrer Übermittlung an Dritte je eigene Eingriffe in das Telekommunikationsgeheimnis liegen (BVerfG, NJW 2010, 833 Rn. 190).

Hieran vermag der Umstand, dass die Antragstellerin sich nicht direkt an die Beteiligte wendet, sondern ihr Ziel über den Erlass einer Sicherungsanordnung zu erreichen sucht, nichts zu ändern. So oder so sollen die Voraussetzungen für eine spätere Auskunftserteilung erst geschaffen werden, obwohl das Gesetz einen Anspruch auf Schaffung der Voraussetzungen gerade nicht vorsieht. Die Beteiligte soll ad hoc das leisten, wofür sie in Ermangelung einer gesetzlichen Bestimmung die Grundlagen gerade nicht legen muss und darf.

Auf § 96 TKG kann der Eingriff nicht gestützt werden, da die Vorschrift die Telekommunikationsdiensteanbieter nur zur Speicherung von Daten zu den in diesem Abschnitt des Telekommunikationsgesetzes genannten Zwecken ermächtigt, wozu eine Speicherung zur Erteilung der Auskunft nach § 101 Abs. 2 Nr. 3 UrhG nicht gehört. Mit § 113 TKG kann eine Speicherung zum Zwecke der Auskunftserteilung an Private schon?deswegen nicht begründet werden, weil die Norm lediglich eine Auskunftserteilung an staatliche Stellen regelt. Zudem ist § 113 TKG verfassungskonform dahingehend einschränkend auszulegen, dass er für sich allein Auskunftspflichten der Telekommunikationsunternehmen noch nicht begründet. Vielmehr setzt er für die abschließende Begründung einer Auskunftspflicht eigene fachrechtliche Ermächtigungsgrundlagen voraus, die eine Verpflichtung der Telekommunikationsdiensteanbieter gegenüber den jeweils abrufberechtigten Behörden aus sich heraus normenklar begründen. Überdies darf § 113 Abs. 1 TKG nicht so ausgelegt werden, dass er eine Zuordnung dynamischer IP-Adressen erlaubt (BVerfG, NJW 2012, 1419 Rn. 164).

Vor diesem Hintergrund kann auch die Gestattung der Erteilung der Auskunft unter Verwendung der gesicherten Verkehrsdaten keinen Bestand haben, da hierdurch der legitimationslose Grundrechtseingriff perpetuiert würde.

Die Anordnung einer Kostenerstattung unterbleibt. Fu?r das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes u?ber das Verfahren in Familjensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend, § 101 Abs. 9 Satz 4 UrhG. Gema?ß § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG kann das Gericht die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Nach der Auffassung des Senats entspricht es im vorliegenden Fall nicht billigem Ermessen, die Kosten in einem u?ber § 101 Abs. 9 Satz 5 UrhG hinausgehenden Umfang der Antragstellerin aufzuerlegen. Das bloße Unterliegen der Antragstellerin in der Sache rechtfertigt kein abweichendes Ergebnis. Der Gesetzgeber hat – anders als in Bereich der Zivilprozessordnung – gerade nicht allein auf diesen Aspekt abgestellt. Um der Antragstellerin weitere Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, mu?ssten besondere Umsta?nde hinzukommen, die die Belastung nach billigem Ermessen rechtfertigen ko?nnten (vgl. a. OLG Frankfurt, Beschl. v. 22. Dez.2010, Az. 11 W11/10). Hieran fehlt es vorliegend. Insbesondere liegt kein Fall des § 81 Abs. 2 Nr. 2 FamFG vor. Danach soll das Gericht die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste. Angesichts der anstehenden Rechtsfragen kann von einer erkennbaren Erfolglosigkeit noch nicht die Rede sein.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt nicht in Betracht, da die zentrale Rechtsfrage der Zula?ssigkeit der Anordnung der Sicherung der Verkehrsdaten eine einstweilige Anordnung betrifft. Gema?ß § 70 Abs. 4 FamFG findet gegen einen Beschluss im Verfahren u?ber die Anordnung, Aba?nderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung die Rechtsbeschwerde nicht statt.

S. auch

 

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.11.2011 – I-20 W 132/11: Bei Filesharing-Abmahnung müssen Titel konkret bezeichnet werden; Bestreiten des Zusammenhangs zwischen IP-Adresse und Anschluss mit Nichtwissen statthaft

Einen bemerkenswerten Beschluss hat am 14.11.2011 das OLG Düsseldorf gefällt (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.11.2011 – I-20 W 132/11, Volltext hier).

In dem Beschluss ging es um den Antrag auf Prozesskostenhilfe eines wegen Filesharings Abgemahnten, der auf Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch genommen worden war. Das OLG Düsseldorf hat die Prozesskostenhilfe zugestanden.

1. Sekundäre Darlegungslast und IP-Adresse

Spannend ist zunächst, dass die Beklagte die Zuordnung von IP-Adresse und Anschluss mit Nichtwissen bestreiten durfte. In falscher Auslegung des BGH-Urteils „Sommer unseres Lebens“ gehen einige Gerichte (fast) von einer Beweislastumkehr aus (s. nur zuletzt AG München, Urteil vom 23. November 2011 – 142 C 2564/11):

Die Beklagte ist nicht gehindert, die Aktivlegitimation der Klägerinnen, das Anbieten der streitgegenständlichen Musikdateien über die IP-Adresse … und die Zuordnung dieser IP-Adresse zu ihrem Anschluss mit Nichtwissen zu bestreiten. Die Beklagte hat keinen Einblick in den Geschäftsbetrieb der Klägerinnen, des „Onlineermittlers“ und des Internetproviders. Die weitere Substantiierung des Klägervortrags ist für die Zulässigkeit des Bestreitens mit Nichtwissen irrelevant.

2. Substantiierungslast des Abmahnenden

Der bei Filesharing Abmahnende muss nach zutreffender Ansicht des OLG Düsseldorf ganz konkret diejenigen Werke bezeichnen, für die er Rechte zu haben behauptet. Wenn er an

Wichtige Punkte im Urteil des OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.04.2010 – I-20 U 166/09 – rapidshare

Das OLG Düsseldorf hat sich in einem Urteil zum Dienst Rapidshare gegen die bisherigen Entscheidungen der OLGs Köln und Hamburg gewendet (s. den Volltext unten, Besprechung von damm-legal hier).

Dabei hat das OLG Düsseldorf zwei sehr relevante Punkte aufgegriffen, die auch die Literatur in der Diskussion um die Störerhaftung immer wieder aufwirft, die aber von den Gerichten nur teilweise in die Ueberlegungen einbezogen werden:

1. Zur Haftung als Teilnehmer: Überwiegende Legalität des Angebots

Zur nicht mit der Störerhaftung zu verwechselnden Haftung als Teilnehmer heißt es im Urteil des OLG Düsseldorf:

„Wie das OLG Köln (Urteil vom 21.09.2007, Az. 6 U 86/07) zu Recht feststellt, sind legale Nutzungsmöglichkeiten des Dienstes, für die ein beträchtliches technisches und wirtschaftliches Bedürfnis besteht, in großer Zahl vorhanden und üblich (anderer Ansicht ohne nähere Begründung OLG Hamburg, Urteil vom 02.07.2008, Az. 5 U 73/07, GRUR-RR 2009, 95; Urteil vom 30.09.2009, Az. 5 U 111/08, MMR 2010, 51 = WRP 2010, 155 mit der Redeweise von dem „von der Rechtsordnung nicht gebilligtem Geschäftsmodell”, da ihm die Gefahr innewohne, für eine (massenhafte) Begehung von Urheberrechtsverletzungen genutzt zu werden). In der Literatur wird daher nahezu einhellig betont, daß die Dienste der Antragsgegnerin in weiten Teilen legal sind und es sich insofern um ein von der Rechtsordnung durchaus gebilligtes Geschäftsmodell handelt (so etwa Rössel, ITRB 2008, 6, 7; Raitz von Frentz/Masch, ZUM 2007, 930, 931; Klinger, jurisPR-ITR 3/2008 Anm. 4; Breyer, MMR 2009, 14) Denn hierbei kommt der Schutz eines für sich betrachtet neutralen Angebots zum Tragen. Auch wenn die Weitergabe von Informationen zwangsläufig die abstrakte Möglichkeit von Urheberrechtsverletzungen enthält, so ist nicht festgestellt, zu welchem konkreten Anteil die Nutzung von Speicherdiensten illegal erfolgt. Es ist davon auszugehen, dass die weit überwiegende Zahl von Nutzern die Speicherdienste zu legalen Zwecken einsetzen und die Zahl der missbräuchlichen Nutzer in der absoluten Minderheit ist. Soweit das Angebot daher legal genutzt werden kann, genügt es nicht, dass der Anbieter mögliche Urheberrechtsverletzungen mit der Eröffnung seines Angebots allgemein in Kauf nimmt.“

Damit stellt das Gericht fest, dass vor einer Verurteilung auch zu untersuchen ist, ob der Dienst nicht auch legal genutzt werden kann und genutzt wird.

2. Störerhaftung: Auswirkungen der Prüfungspflichten auf das Geschäftsmodell

Im Urteil des OLG Düsseldorf heisst es:

„Die Haftung der Antragsgegnerin hängt entscheidend davon ab, ob sie nach Kenntnis der Rechtsverletzungen das ihr Zumutbare zur Vermeidung ähnlich gelagerter Rechtsverletzungen vorgenommen hat. Dies setzt eine umfangreiche Prüfung der technischen Möglichkeiten zur Sperrung ähnlicher Fälle voraus. Insbesondere ist zu fragen, inwieweit tatsächlich effektive Möglichkeiten der Vorbeugung, Verhinderung und nachträglichen Beseitigung inklusive Verhinderung einer Wiederholung der Verbreitung von urheberrechtlich geschütztem Material bei „Rapidshare” bestehen. Soweit das Geschäftsmodell selbst nicht auf der Nutzung der Rechtswidrigkeit eingestellter Inhalte beruht, ist dem Provider nicht zuzumuten, auf Grund der Prüfpflichten sein gesamtes Geschäftsmodell in Frage zu stellen (Willmer, NJW 2008, 1845).“

Damit stellt das Gericht klar, dass bei der Beurteilung der Pflichten auch darauf zu achten ist, welche Folgen bestimmte Prüfungs- und Überwachungspflichten haben können. Wenn ein an sich legales Geschäftsmodell vollständig geändert werden muss, sind die Pflichten wohl nicht als zumutbar anzusehen.

Hier besteht eine Parallele zum Fall des offen betriebenen Netzwerks (soweit sich die Haftung des Host Providers auf den Access Provider übertragen lässt): Die Einstellung des Betriebs als (un)mittelbare Folge der Störerhaftung deutet auf ein zu weitgehendes Pflichtenprogramm hin.

Links:

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Das Urteil im Volltext:

Oberlandesgericht Düsseldorf

Urteil

In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung


gegen

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 22.03.2010 durch … für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird unter Abänderung des am 09.09.2009 verkündeten Urteils der 12. Zivilkammer des Land- gerichts Düsseldorf und unter Aufhebung des Beschlusses vom 09.06.2009 der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Gründe:

A.

1.
Hinsichtlich des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung [Der Verfasser: LG Düsseldorf, Urteil vom 09.09.2009, Az. 12 O 221/09] Bezug genommen. Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin die Unterlassung, die Filme „An American Crime”, „My name is Bruce”, „The Fall”, „Eagle vs. Shark”, „Unter der Sonne Australiens” und „Insomnia” zugänglich zu machen.

Die Antragsgegnerin ist eine in der Schweiz ansässige Aktiengesellschaft, welche Speicherplatz im Internet (Webspace) zur Verfügung stellt. Hierzu wählt der Nutzer aus seinem eigenen Dateibestand auf dem heimischen Computer die Datei aus, welche auf dem Speicherplatz im Internet abgelegt werden soll. Die entsprechende Datei wird dann mit einem einzigen Klick auf die Seite www.rapidshare.com hochgeladen. Die Antragsgegnerin übermittelt dem Nutzer daraufhin einen Download-Link, mit dem dieser die abgelegte Datei jederzeit über seinen Browser abrufen kann. Durch Weitergabe des entsprechenden Links hat der Nutzer die Möglichkeit, die hochgeladene Datei auch Dritten zugänglich zu machen. Da ein Erraten der Adresse ohne Kenntnis des Download-Links nahezu unmöglich ist, ist das Abrufen der Datei ohne Kenntnis des Links nicht realistisch. Im Übrigen fehlen beim Dienst der Antragsgegnerin entsprechende Inhaltsverzeichnisse über vorhandene Dateien ebenso wie Suchfunktionalitäten.

In der Vergangenheit wurden von Nutzern des klägerischen Dienstes mehrfach Dateien mit urheberrechtlich geschütztem Material hochgeladen. Dabei handelt es sich unter anderem um digitalisierte Filme, bezüglich derer die Nutzungsrechte auf die Antragstellerin übertragen worden waren. Die Download-Links wurden im Internet an verschiedenen Stellen öffentlich bekannt gegeben. Auf so genannten Link-Resources finden sich umfangreiche Sammlungen von links, mit denen unter anderem auch unter „Rapid Share” gespeicherte Werke aufgefunden werden können.

Das Landgericht Düsseldorf hat unter weitgehender Bestätigung einer Beschlussverfügung vom 09.06.2009 die Antragsgegnerin mit Urteil vom 09.09.2009 verurteilt, es zu unterlassen, die Filme „An American Crime”, „My name is Bruce”, „The Fall”, „Eagle vs. Shark”, „Unter der Sonne Australiens” (Originaltitel „ Romulus, my Father”) und „Insomnia” im Internet, insbesondere über von der Antragsgegnerin betriebenen Server für das Internetangebot www.RapidShare.com vervielfältigen zu lassen oder öffentlich zugänglich zu machen oder diese Handlung durch Dritte vornehmen zu lassen, jedoch nur
a) soweit die Filmdateien mit einem Dateinamen, welche den Titel des Films enthält, auf den Servern der Antragsgegnerin gespeichert sind, oder
b) soweit bei Eingabe des Filmtitels in der Suchanfrage in den Linksammlungen www.raidrush.org, www.rapidlibary.com, www.rapidshare-searcher.com, alivedownload.com oder onmovie.tv Hyperlinks ausgeworfen werden, die auf die Filmdateien verweisen, welche auf den Servern der Antragsgegnerin gespeichert sind, oder
c) soweit bei Eingabe des Filmtitels in die Suchmaschine Google Hyperlinks ausgeworfen werden, die auf die Filmdateien verweisen, welche auf den Servern der Antragsgegnerin gespeichert sind.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Berufung der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unter Abänderung des am 09.09.2009 verkündeten Urteils des Landgerichts Düsseldorf  – Az. 12 O 221/09 – zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Prozeßbevollmächtigte der Antragstellerin erklärte in der mündlichen Verhandlung, dass im einleitenden Teil seines Antrags das Wort „insbesondere” hinter dem Wort „Server” erscheinen solle.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien zweiter Instanz wird auf die dort gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

B.

Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg, da es der Antragstellerin nicht gelungen ist, glaubhaft zu machen, dass ihr ein Unterlassungsanspruch gem. § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG in Verbindung mit § 19a UrhG gegen die Antragsgegnerin zusteht.

a)
Grundsätzlich trifft die Darlegungs- und Beweislast für alle anspruchsbegründenden Merkmale in § 97 Abs. 1 UrhG den Anspruchssteller (von Wolff, in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 2. Auf., § 97 Rn. 2), hier also die Antragstellerin. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin ihre Aktivlegitimation durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführer der Antragstellerin (Anlage Ast 19) glaubhaft gemacht hat. Die Antragstellerin hat auch eine Rechtsverletzung im Sinne des § 97 UrhG glaubhaft gemacht, da unstreitig über den Internetdienst der Antragsgegnerin illegal Kopien der streitgegenständlichen Filme zum Download angeboten werden. Dadurch, dass dies durch die Zur-Verfügung-Stellung der technischen Voraussetzungen für einen schnellen Internetzugang durch die Verfügungsbeklagte geschieht, ist sie jedenfalls an dieser Rechtsverletzung beteiligt.

b)
Wie schon das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 21.09.2007, Az. 6U 86/07, GRUR-RR 2008, 35 = MMR 2007, 786) zur Antragstellerin herausgearbeitet hat, ist die Antragsgegnerin nicht als Täterin oder Teilnehmerin der in Rede stehenden Urheberrechtsverletzungen anzusehen (anders Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 2.Juli 2008 – 5U 73/07, NJOZ 2008, 4927 = GRUR-RR 2009, 95; Urteil vom 30.09.2009 – 5 U 111/08, MMR 2010, 51). Indem sie die Nutzung ihres Dienstspeicherplatzes zum Hochladen beliebiger Dateien zur Verfügung stellt und den Hochladern durch Mitteilung des Download-Links die Möglichkeit gibt, auch anderen Nutzern Zugriff auf die gespeicherten Daten zu verschaffen, nimmt sie selbst keine Veröffentlichungen des Inhaltes vor, so dass ein täterschaftlicher Urheberrechtsverstoß ausscheidet.

Über die Bekanntgabe des Download-Links und damit über das öffentliche Zugänglichmachen der Datei und ihres Inhaltes entscheidet nicht die Antragsgegnerin, sondern der Nutzer selbst. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die Antragsgegnerin selbst ein Verzeichnis mit Download-Links zu den auf ihren Servern gespeicherten Daten bereithalten würde.

Auch eine Haftung als Teilnehmerin an Urheberrechtsverletzungen der Nutzer kommt nicht in Betracht. Die Teilnehmerhaftung setzt zumindest einen bedingten Vorsatz in Bezug auf die jeweils konkrete Haupttat voraus, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einschließen muss (BGHZ 148, 13,17 = GRUR 2001, 1038 – Ambiente.de). Von einem solchen Vorsatz kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Es ist dem Geschäftskonzept der Antragsgegnerin inhärent, dass sie von dem Inhalt der gespeicherten Daten weder vorher noch zu einem späteren Zeitpunkt bis zu der vom Nutzer veranlassten Bekanntgabe der Download-Links an Dritte Kenntnis hat. Die Hinweise, dass die Antragsgegnerin es darauf anlege, die Raubkopierszene zur Nutzung ihres Dienstes einzuladen, entspricht einem Generalverdacht gegen Sharehoster-Dienste und ihre Nutzer, der so nicht zu rechtfertigen ist. Solange daher die illegalen Nutzungszwecke nicht überwiegen oder von der Antragsgegnerin beworben werden und sich besonders das Inkaufnehmen durch die Antragsgegnerin, wie hier, nicht nachweisen lässt, ist ein Gehilfenvorsatz nicht anzunehmen.

Wie das OLG Köln (Urteil vom 21.09.2007, Az. 6 U 86/07) zu Recht feststellt, sind legale Nutzungsmöglichkeiten des Dienstes, für die ein beträchtliches technisches und wirtschaftliches Bedürfnis besteht, in großer Zahl vorhanden und üblich (anderer Ansicht ohne nähere Begründung OLG Hamburg, Urteil vom 02.07.2008, Az. 5 U 73/07, GRUR-RR 2009, 95; Urteil vom 30.09.2009, Az. 5 U 111/08, MMR 2010, 51 = WRP 2010, 155 mit der Redeweise von dem „von der Rechtsordnung nicht gebilligtem Geschäftsmodell”, da ihm die Gefahr innewohne, für eine (massenhafte) Begehung von Urheberrechtsverletzungen genutzt zu werden). In der Literatur wird daher nahezu einhellig betont, daß die Dienste der Antragsgegnerin in weiten Teilen legal sind und es sich insofern um ein von der Rechtsordnung durchaus gebilligtes Geschäftsmodell handelt (so etwa Rössel, ITRB 2008, 6, 7; Raitz von Frentz/Masch, ZUM 2007, 930, 931; Klinger, jurisPR-ITR 3/2008 Anm. 4; Breyer, MMR 2009, 14) Denn hierbei kommt der Schutz eines für sich betrachtet neutralen Angebots zum Tragen. Auch wenn die Weitergabe von Informationen zwangsläufig die abstrakte Möglichkeit von Urheberrechtsverletzungen enthält, so ist nicht festgestellt, zu welchem konkreten Anteil die Nutzung von Speicherdiensten illegal erfolgt. Es ist davon auszugehen, dass die weit überwiegende Zahl von Nutzern die Speicherdienste zu legalen Zwecken einsetzen und die Zahl der missbräuchlichen Nutzer in der absoluten Minderheit ist. Soweit das Angebot daher legal genutzt werden kann, genügt es nicht, dass der Anbieter mögliche Urheberrechtsverletzungen mit der Eröffnung seines Angebots allgemein in Kauf nimmt.

Ebensowenig wird durch den Begriff „Rapidshare” die Rechtswidrigkeit dieses Dienstes indiziert, wie das Landgericht meint. Der Wortbestandteil „Share” verweist darauf, daß „Rapidshare” zu den sog. Sharehostern zählt. Mit diesem technischen Begriff werden Dienste bezeichnet, die zu einer Übertragung größerer Dateien an bestimmte Personen genutzt werden können. Auf diese Weise können vielfältige legale Funktionalitäten eingeführt werden, wie die Verbreitung von Softwareupdates an Kunden oder der Zugriff auf umfangreiche Kanzleidaten innerhalb einer Anwaltssozietät.

Insofern kommt nur eine Inanspruchnahme der Antragsgegnerin als Störerin in Betracht. Der Bundesgerichtshof bejaht eine Störerhaftung bei Urheberrechtsverletzungen für diejenigen, die ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Gutes beitragen (BGHZ 148,13,17 – Ambiente.de; BGH WRP 2002, 532 = GRUR 2002,618, 619 – Meißner Dekor). Ist das Verhalten des vermeintlichen Störers in irgendeiner Weise mitursächlich für die Rechtsverletzung geworden, richtet sich die Beurteilung der Adäquanz danach, ob der Verursachungsbeitrag allgemein und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umstände geeignet ist, den konkreten Erfolg herbeizuführen. Werden im Internet fremde, die Rechte Dritter verletzende Inhalte durch einzelnde Anbieter auf vorhandenen Internetplattformen verbreitet oder zugänglich gemacht, so kann in der Zurverfügungstellung von Speicherplatz und eines bestimmten Rahmens, in dem die Inhalte präsentiert werden, ein adäquat-kausaler Beitrag des Betreibers dieser Internetplattform gesehen werden. Eine Störerhaftung ist dann grundsätzlich in Betracht zu ziehen (Ensthaler, WRP 2010, 309). Hinsichtlich der Einstufung der Antragsgegnerin als Mitstörerin ist seit der Entscheidung „Internetversteigerung I” und der Entscheidung „Internetversteigerung II” des Bundesgerichtshofs (BGHZ 158, 236 = GRUR 2004, 860 = CR 2004, 763 m. Anm. Volkmann = MMR 2004, 668 m. Anm. Hoeren; BGHZ 172, 119 = GRUR 2007, 708) davon auszugehen, dass die Haftungsprivilegierungen der §§ 710 TMG nicht auf den allgemeinen verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch anzuwenden sind. Vielmehr gilt für den Unterlassungsanspruch die allgemeine Störerhaftung (§§ 823, 1004 BGB analog).

Um die Störerhaftung nicht über Gebühr auszudehnen, setzt eine solche Verantwortlichkeit die Verletzung von Prüfungspflichten voraus, deren Umfang sich nach allgemeinen Zumutbarkeitsüberlegungen richtet. Eine erhöhte Prüfungspflicht besteht insbesondere dann, wenn der Störer vom Recht der Inhaber auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist. In einem solchen Fall muss er nicht nur den Zugang zu der konkreten Datei unverzüglich sperren, sondern darüber hinaus zumutbare Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Rechtsverletzungen kommt (siehe BGHZ 158, 26236, 251 f. – Internetversteigerung I; BGH GRUR 2007, 708, 712 – Internetversteigerung II).

c) Allerdings hat die Antragstellerin im Streitfall die Anspruchsvoraussetzungen der allgemeinen Störerhaftung nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Die Haftung der Antragsgegnerin hängt entscheidend davon ab, ob sie nach Kenntnis der Rechtsverletzungen das ihr Zumutbare zur Vermeidung ähnlich gelagerter Rechtsverletzungen vorgenommen hat. Dies setzt eine umfangreiche Prüfung der technischen Möglichkeiten zur Sperrung ähnlicher Fälle voraus. Insbesondere ist zu fragen, inwieweit tatsächlich effektive Möglichkeiten der Vorbeugung, Verhinderung und nachträglichen Beseitigung inklusive Verhinderung einer Wiederholung der Verbreitung von urheberrechtlich geschütztem Material bei „Rapidshare” bestehen. Soweit das Geschäftsmodell selbst nicht auf der Nutzung der Rechtswidrigkeit eingestellter Inhalte beruht, ist dem Provider nicht zuzumuten, auf Grund der Prüfpflichten sein gesamtes Geschäftsmodell in Frage zu stellen (Willmer, NJW 2008, 1845).

(1)
In Bezug auf die zu untersagenden Benutzungshandlungen bestehen Unklarheiten. Die Antragsgegnerin selbst nimmt keine „Vervielfältigungen” von Filmen vor; dies macht der Nutzer. Dessen Beitrag wird im Antrag aber nicht fixiert. Die Antragsgegnerin selbst macht auch kein Filmmaterial öffentlich zugänglich. Ein öffentliches Zugänglichmachen liegt vor, wenn Internetdienste Daten zum Download anbieten, die nach ihrer Bestimmung öffentlich zugänglich sind (Wandtke/Bullinger, § 19a Rn. 23.). Zur Öffentlichkeit nach § 15 UrhG gehört danach jeder, „der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit anderen Personen, mit denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist” (Wandtke/Bullinger, § 15 Rn. 14.). Bedient man sich des Intranets zu einem Vergleich, so lässt sich feststellen, dass Daten eines Intranets (wie Firmenintranet), nur dann „öffentlich zugänglich” gemacht werden, wenn die Daten „Außenstehenden” bestimmungsgemäß zugänglich sind (Wandtke/Bullinger, § 19a Rn. 25.) Da die Antragsgegnerin ihrem Geschäftsmodell zufolge gerade auf die Vertraulichkeit der gespeicherten Daten setzt und nicht eine Verbreitung der Daten durch systematische Ermöglichung des Zugangs bewirbt, fehlt es am Merkmal der Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit (so allgemein zu Sharehostern auch Willmer, NJW 2008, 1845, 1847.). Vielmehr ist zu beachten, dass bei der besonderen Konstellation von „RapidShare” nur der Nutzer, der das Material in Wege des Upload auf den Rechner gebracht hat, einen nur ihm bekannten Link mit den Zugriffsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt bekommt. Eine Linksammlung auf der Seite von der Antragsgegnerin existiert nicht. Aus der Sicht der Antragsgegnerin besteht nur ein internes, vertragliches Verhältnis zum jeweiligen Nutzer, nicht aber zur Internetöffentlichkeit. Die Öffentlichkeit kommt nur dadurch ins Spiel, dass der Nutzer seinerseits die entsprechenden Linkreferenzen ins Netz stellt und öffentlich zugänglich macht. Diese Handlungen werden zwar vom dritten Tatbestand scheinbar umfasst („diese Handlung durch Dritte vornehmen zu lassen”). Die Antragsgegnerin „lässt” aber nicht – wie im Unterlassungsantrag geltend gemacht – Urheberrechtsverletzungen vornehmen (so auch Breyer, MMR 2009, 14, 18). Vielmehr ist es die eigene und von der Antragsgegnerin nicht gesteuerte Entscheidung jedes Nutzers, seine Linkreferenz ins Netz zu stellen. Es gibt keine Form der Mitteilung über die Inhalte der gespeicherten Daten durch den Provider an Dritte. Alleine der Kunde bestimmt, an wen er den Link zu den Dateien weiterleitet. Insofern kann von einer öffentlichen Wiedergabe durch den Provider nicht gesprochen werden, da diese im Verantwortungsbereich des Nutzers liegt, der sowohl über Dateiname, als auch über Dateiinhalte und Dateilinks exklusiv verfügt. Da bei Systemen wie dem der Antragsgegnerin keine Listing-Möglichkeiten angeboten werden, hängt es alleine von der Initiative der speichernden Kunden ab, ob und wie leicht Dritte auf den Servern der Provider gespeicherte Inhalte abrufen können. Welche Daten vom Kunden des Systems eingegeben werden, entzieht sich der Kenntnis des Anbieters, da vom Kunden keinerlei zutreffende Qualifikation der Dateien erfolgen muss. Denn es bleibt dem Nutzer überlassen, welchen Titel er seiner Datei gibt, in welchem Format sie gespeichert wird und wem er sie durch Weitergabe des Links wieder zugänglich macht. Die Antragsgegnerin selbst hat keinen freien Zugriff und keine generelle Einsichtnahmemöglichkeit in die bei ihm gespeicherten Dateien (Willmer, NJW 2008, 1845).

Das bloße „Zulassen” eines Verhaltens Dritter, dessen Merkmale im Antrag im übrigen nicht mehr bestimmt werden, kann der Antragsgegnerin nicht untersagt werden.

Im übrigen soll es – nach dem Unterlassungsantrag – verboten sein, Filmdateien mit einem Dateinamen, welcher den Titel des Films enthält, auf den Servern der Antragsgegnerin zu speichern. Der Kernvorwurf bei den hier streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzungen liegt aber nicht darin, dass Filmtitel als solche gespeichert werden. Der Titel des Films ist als solcher kein Gegenstand des Urheberrechts und damit auch als Name einer Datei rechtmäßig speicherbar. Ein Wortfilter funktioniert im übrigen nur bei Dateien, bei denen schon im Dateinamen Hinweise auf einen urheberrechtlich geschützten Inhalt existieren. Hier erweisen sich die streitgegenständlichen Filmtitel als im wesentlich zu banal und damit ungeeignet für eine Wortfilterung. „The Fall” ist der englische Ausdruck für den Herbst, für einen Wasserfall oder allgemein einen Sturz. Der Begriff entspricht dem englischen Titel einer Novelle von Albert Camus ebenso wie Titel zahlreicher Musikstücke, wie ein Blick in das Internet-Lexikon Wikipedia zeigt. „Insomnia” ist der englische Begriff für „Schlaflosigkeit”, der Titel zahlreicher Musikstücke und eines weiteres Remake-Films aus den USA. Ähnlich generisch sind Titel wie „Unter der Sonne Australiens” oder „An American Crime”.

Gerade geschütztes Material wird ferner oft unter „falschem” Namen eingestellt, um die Wortfilter zu umgehen (so ausführlich OLG Hamburg, Urteil vom 02.07.2008, Az. 5U 73/07 = GRUR-RR 2009, 95; Urteil vom 30.09.2009, Az. 5 U 111/08, MMR 2010, 51 = WRP 2010, 155). Dazu kommt, dass ein Textfilter auch mit ausreichend vielen Schlüsselwörtern versehen sein muss, damit möglichst viele geschützte Werke erkannt werden können. Eine fehlerhafte Erkennung kann übrigens auch dann stattfinden, wenn eine nicht-urheberrechtlich geschützte Datei ein oder mehrere Schlüsselworte des Filters enthält. Beispielsweise könnte die Datei „Mein_Office_2007_Erfahrungsbericht.txt” aufgrund der Schlüsselwörter „Office” und „2007? als geschütztes Material erkannt und gelöscht werden, obwohl nur ein persönlicher Erfahrungsbericht vorläge ( Breyer, MMR 2009, 14.) Daher schränkt die Sperrung ganzer Begriffe auch die Meinungsfreiheit unangemessen ein. Der Text-Filter für Dateinamen ist also für einen effektiven Ausschluss von geschütztem Material ungeeignet.

Eine Sperrung bestimmter Dateinamen erscheint ungeeignet. Denn Dateinamen sind jederzeit veränderbar. Aus diesem Grund scheidet auch eine Sperrung aller Dateinamen, die bestimmte Begriffe enthalten, aus. Im Übrigen sind die Nutzer selbst nicht auf den Dateinamen zum Auffinden der gesuchten Datei angewiesen, da sie die Datei über einen externen Link abrufen, welcher auf einer anderen Internetseite mit dem entsprechenden Begriff versehen und dadurch auffindbar ist.

Die Forderung nach einer menschlichen, gezielten Überprüfung von Inhalten, bei denen eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit für Rechtverletzungen besteht, lässt sich wegen des damit verbundenen Personalaufwands in der Praxis regelmäßig nicht realisieren. Sie führt lediglich dazu, dass die zu prüfenden Dateien oder Nutzerkonten ohne menschliche Überprüfung automatisiert gelöscht werden. Als Anknüpfungspunkt dienen nur bestimmte Schlüsselwörter im Dateinamen. Angesichts der Vielzahl der Dateien und der Mehrdeutigkeit der einzelnen Begriffe, sowie der leichten Umgehbarkeit steht eine manuelle Überprüfung nicht im Verhältnis zum Erfolg.

Eine Anknüpfung an IP-Adressen ist abzulehnen, da eine IP-Adresse regelmäßig von so vielen verschiedenen Personen genutzt wird, dass die Wahrscheinlichkeit, eine weitere Rechtsverletzung festzustellen, unverhältnismäßig gering ist. Aus diesem Grund ist auch eine Sperrung von IP-Adressen nicht wirkungsvoll.

Zu beachten ist, daß man im Internet einer Filmdatei nicht ansehen kann, daß sie eine Filmdatei ist. Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erläutert, daß für ihn die Verwendung einer Endkennung „.rar” ein wichtiges Indiz für eine Filmdatei sei. Dies ist unzutreffend. RAR ist ein allgemeines Dateiformat zur Datenkompression, um den Speicherbedarf von Dateien für die Archivierung und Übertragung zu verringern. Mit Filmdateien hat das unmittelbar nichts zu tun.

Wie Gerhard Schneider aus technischer Sicht beschrieben hat (Schneider: Sperren und Filtern im Internet, MMR 2004, 18 ff.), kann selbst der Betreiber eines Rechners (z.B. ein Content-Provider) nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, welche Information sich hinter einer Bitfolge verbirgt, die ein Benutzer auf diesem Rechner abgelegt hat. Dies gilt selbst dann, wenn man filmspezifische Suffixe verwendet (wie zB .mov, .avi, .mpeg, .divx). So kann in Microsoft-Betriebssystemen problemlos durch den Benutzer eingestellt werden, dass .jpg-Dateien mit dem ASCII-Editor, .txt-Dateien jedoch mit einer Bildbetrachtungssoftware zu öffnen sind. Es besteht für den Nutzer folglich kein Zwang, überhaupt ein Suffix zu benutzen, oder sich an diese Bequemlichkeitsstandards zu halten.

Ferner ist auch eine inhaltliche Kontrolle der auf den Servern der Antragsgegnerin gespeicherten Daten in der Regel ausgeschlossen. Urheberrechtlich geschützte Inhalte werden von Nutzern vor dem Upload meist
verschlüsselt, so dass der Inhalt für den Serverbetreiber ohne den Schlüssel nicht mehr erkennbar ist. Wie in der Literatur beschrieben, sind Daten, die mit modernen Verschlüsselungsprogramme verschlüsselt wurden, mit heutigen Entschlüsselungstechniken nicht zu „knacken” (Gercke: Die Bekämpfung der Internetkriminalität als Herausforderung für die Strafverfolgungsbehörden, MMR 2008, 291 ff,).

(2) Über die Einschränkung des Antragsteils b) verliert der Unterlassungsantrag weiter an Zumutbarkeit. Auch die Variante b) des Unterlassungsantrags ist zu unbestimmt. Hiernach soll unterbunden werden, dass die Antragsgegnerin eine Suchanfrage in verschiedenen Linksammlungen ermögliche. Diese Linksammlungen haben aber nichts mit der Antragsgegnerin zu tun, sondern sind externe, auch sachlich selbständig organisierte Dienstleistungen. Insofern ist es der Antragsgegnerin unmöglich, die externen Linksammlungen und deren Konfiguration zu beeinflussen. Pflichten eines Sharehosters fremde Inhalte auf Rechtsverletzungen zu überprüfen, Inhalte zu durchsuchen oder sonst vorsätzliche Rechtsverletzungen Dritter, von denen der Anbieter keine positive Kenntnis hat, scheiden aus (Breyer, MMR 2009, 14, 19.) Die Links zu den von der Antragstellerin genannten Filmdateien auf den Servern der Antragsgegnerin werden in der Regel über sogenannte Linksammlungen oder Link-Resourcen verbreitet. Ohne eine Geschäftsbeziehung zwischen Sharehoster und den Linkservern , bei denen der Sharehoster an den Erfolgen Letzterer beteiligt ist, kann eine manuelle Suche nicht verlangt werden (Willmer, NJW 2008, 1845). Das OLG Köln stellte aber bereits fest (Urteil vom 21.09.2007 – MMR 2007, 786), dass die regelmäßige Kontrolle einer dreistelligen Zahl von Link-Resourcen im Internet die einem Dienstanbieter zumutbaren Überprüfungsmöglichkeiten übersteigt. Lediglich für eine kleine Anzahl einschlägiger Link-Resourcen sei es zumutbar, eine Überprüfung bezüglich genannter Werke durchzuführen.

(3) Ähnliches gilt für den Antragsteil c), wo es um den Verantwortlichkeitsbereich im Hinblick auf die Eingabe des Filmtitels in die Suchmaschine Google geht. Letztlich kann der Antragsgegnerin nur verboten werden, dass Nutzer des Dienstes der Antragsgegnerin das streitgegenständliche Filmmaterial auf deren Servern speichern. Allerdings kommt man dann in weitere Schwierigkeiten, da das Abspeichern von Filmmaterial durch die Nutzer der streitgegenständlichen Dienste durchaus den Bereich der Privatkopierfreiheit berühren kann. Nach § 53 Absatz 1 Urheberrechtsgesetz ist es niemandem verwehrt, einer rechtmäßig erworbenen Filmkopie auf externen Servern zu privaten Zwecken zu speichern. Er darf dann aber seinerseits nicht den entsprechenden „Standort” in der Öffentlichkeit preisgeben. Diese Entscheidung wird aber seinerseits nicht von der Antragsgegnerin beeinflusst oder gesteuert.

Die Kosten des Verfahrensstreits sind der Antragstellerin gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO aufzuerlegen. Gegen Berufungsurteile im einstweiligen Rechtsschutz findet gemäß 542 Abs. 2 ZPO eine Revision nicht statt. Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist mithin nicht veranlasst.