Archiv der Kategorie: Gesetze, Gesetzesvorhaben

2. Anlauf: Oppositionsentwurf zur Reform von § 8 TMG: Haftungsfreistellung für Betreiber von WLANs

Die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE haben einen Gesetzesentwurf mit dem Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes – Störerhaftung“ in den Bundestag eingebracht, der auf eine Reform der Haftungssituation für Betreiber von öffentlichen WLANs abzielt (BT-Drs. 18/3047).

Der Gesetzestext beruht auf dem vom Digitale Gesellschaft e.V. erarbeiteten Entwurf, den die Fraktion DIE LINKE bereits Ende 2012 in den Bundestag eingebracht hatte (BT-Drs. 17/11137; dazu Schmidt-Bens, CR 2012, 828). Dieser war mit den Stimmen der Koalition abgelehnt worden. U.a. ließen sich CDU-Politiker so ein, dass es dieser Änderung nicht bedurfte.

Wohl auf Drängen der SPD nahm die Große Koalition aber das Versprechen einer Neuregelung in den Koalitionsvertrag auf (s. dazu hier). Für August 2014 wurde dann ein Gesetzesentwurf angekündigt, der aber noch immer auf sich warten lässt.

Nun haben GRÜNE und LINKE zusammen einen erneuten Versuch gestartet, das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen. Da die Regierungskoalition sich durch den Koalitionsvertrag und die Ankündigung eines Gesetzesentwurfs bereits stark verpflichtet hat, dürfte dies ein kluger Schachzug gewesen sein. Denn wenn die Regierungskoalition diesen Gesetzesentwurf ablehnen will, muss sie Farbe bekennen, wie ihr Gegenentwurf aussehen soll. Das könnte einiges an Begründungsaufwand erfordern. Einen leichten Ausgang aus dem Dilemma könnte jedoch ein „Abwarten“ der Regierungskoalition bedeuten. Denn das Landgericht München I hat vor kurzem Fragen zur Haftung bei Betrieb eines öffentlichen WLANs dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt (Volltext des Beschlusses; Analyse). Möglicherweise wird die Regierungskoalition hierauf warten wollen.

Folgende Änderungen soll der Gesetzesentwurf herbeiführen:

Dem § 8 des Telemediengesetzes vom 26. Februar 2007 (BGBl. I S. 179), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 31. Mai 2010 (BGBl. I S. 692) geändert worden ist, werden die folgenden Absätze 3 und 4 angefügt:

„(3) Der Ausschluss der Verantwortlichkeit (Absatz 1) umfasst auch gewerbliche und nichtgewerbliche Betreiber von Funknetzwerken, die sich an einen nicht im Voraus namentlich bestimmten Nutzerkreis richten (öffentliche Funknetzwerke).

(4) Der Ausschluss der Verantwortlichkeit (Absatz 1) umfasst auch Ansprüche auf Unterlassung.“

 

Der Gesetzestext ist wortlautidentisch mit dem in BT-Drs. 17/11137. Auch die Begründung ist in weiten Teilen identisch, insbesondere aber um neue Hinweise und Entwicklungen ergänzt.

Der Entwurf adressiert auch die Frage, ob Unterlassungsansprüche auch von der Privilegierung umfasst sind. Dies lehnt der BGH in ständiger Rechtsprechung ab, Urteile des EuGH konnten so interpretiert werden, dass diese Auffassung nicht haltbar ist. Allerdings hat der EuGH in der Entscheidung UPC Telekabel ./. Constantin (EuGH, Urteil vom 27.3.2014, Rs. C-314/12 – UPC Telekabel Wien GmbH I Constantin Film Verleih GmbH u,a., GRUR Int. 2014, 469) kürzlich Maßnahmen gegen Access Provider nicht völlig ausgeschlossen. Daraus könnte man folgern, dass (in die Zukunft gerichtete) Unterlassungsansprüche nicht privilegiert sind. Auf der anderen Seite hatte der EuGH aber eine Einzelfallprüfung mit besonderem Augenmerk auf die Verhältnismäßigkeit gefordert. Auf dieser Grundlage hatte das OLG Köln (Urt. v. 18.7.2014 – 6 U 192/11Volltext) Websperren gegen Access Provider als i.d.R. unverhältnismäßig angesehen. Auch diesbezüglich hat das LG München I den EuGH befragt. Möglicherweise wird also bald eine Klärung herbeigeführt.

Der Gesetzesentwurf von Grüne und Link jedenfalls könnte eine solche Rechtssicherheit bereits jetzt für Deutschland bringen.

WLAN-Gesetz zur Störerhaftung: „Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen“ – Eine Interpretation des aktuellen Standes

Konstantin v. Notz (@KonstantinNotz) von der Oppositionsfraktion Bündnis 90/Die GRÜNEN berichtet im Blog „gruen-digital.de“ über aktuelle Erkenntnisse zum Stand des angekündigten Gesetzesentwurfs zur Regelung der Störerhaftung beim Betrieb von WLANs (zum Hintergrund s. z.B. hier).

Ich hatte vor einigen Tagen – nachdem der August ohne Veröffentlichung eines Gesetzesentwurfs verstrichen war – die Frage in den Raum gestellt, ob die Beteiligten in der Regierungskoalition nach der herben Kritik an den bisherigen Äußerungen ihren bisherigen Entwurf nochmal überdenken wollen, wobei natürlich unklar ist, ob aus dem „Überdenken“ auch eine Änderung gegenüber den Ausführungen in der Digitalen Agenda resultieren wird. Darauf, dass sich zumindest noch Abstimmungsbedarf besteht, deutet nun auch die Antwort der Bundesregierung auf die Fragen von Konstantin v. Notz hin:

Konstantin v. Notz hatte die Bundesregierung gefragt:

1. Ist es zutreffend, dass die Bundesregierung plant, im Rahmen der Vorlage eines von ihr seit langem angekündigten Gesetzes zur WLAN-Störerhaftung nur kommerzielle/gewerblich handelnde Anbieter von WLANS von der Störerhaftung aus- zunehmen, nicht jedoch private Anbieter?

2. Wie wäre eine solche Differenzierung zwischen verschiedenen Gruppen von Access-Providern nach Ansicht der Bundesregierung mit der eigentlichen Intention des § 8 Absatz 1 des Telemediengesetzes (TMG), nämlich der einheitlichen Haftungsprivilegierung aller Access-Provider, der ja bislang explizit keine solche Unterscheidung vornimmt, sowie mit der dieser deutschen Norm zugrundeliegenden, europäischen e-Commerce-Richtlinie, die diese Differenzierung ebenfalls nicht kennt, vereinbar?

3. Welche Erwägungen, sollte eine in Frage 1 erwähnte Differenzierung tatsächlich angestrebt werden, rechtfertigen nach Meinung der Bundesregierung eine solche Ungleichbehandlung nicht kommerzieller/nicht gewerblicher handelnder Anbieter, insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Rechtsordnung für Private bislang durchgehend eine weniger strikte Haftung vorsieht als für gewerblich Handelnde?

Als kurze (und leider wenig prägnante/aussagekräftige) Antwort erhielt er (Hervorhebungen von mir):

Zur Umsetzung des Koalitionsvertrages soll im Wege einer Änderung des Telemediengesetzes (TMG) – für die Anbieter von WLAN-Netzen im öffentlichen Bereich vor allem Rechtssicherheit geschaffen werden. Hierzu wird das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie einen Gesetzentwurf vorlegen. Die Meinungsbildung über die inhaltliche Ausgestaltung dieser Regelung ist noch nicht abgeschlossen.

Die Schlussfolgerung von Konstantin v. Notz dazu lautet, dass der Entwurf zwar noch einmal abgestimmt, das Sigmar Gabriel unterstehende Wirtschaftsministerium aber vermutlich eine tatsächlich nur für gewerbliche Anbieter hilfreiche Regelung vorlegen werde.

Ich vermag das nicht zu widerlegen. Allerdings ist die Antwort der Bundesregierung formuliert auf „Anbieter von WLAN-Netzen im öffentlichen Bereich“, was man auch anders/besser interpretieren könnte. Die Frage ist, ob man an solche Äußerungen der Bundesregierung mit dem Hintergrund bisheriger gesetzlicher Regelungen herangehen kann, oder ob das der falsche Ansatz wäre. Wenn man sich trotzdem die gesetzlichen Grundlagen zum „öffentlichen Bereich“ ansieht, dann könnte ein „WLAN-Netz im öffentlichen Bereich“ im Sinne von § 3 Nr. 17a, 16a TKG zu verstehen sein:

„öffentlich zugängliche Telekommunikationsdienste“ [sind] der Öffentlichkeit zur Verfügung stehende Telekommunikationsdienste

„öffentliches Telekommunikationsnetz“ [ist] ein Telekommunikationsnetz, das ganz oder überwiegend der Bereitstellung öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste dient, die die Übertragung von Informationen zwischen Netzabschlusspunkten ermöglichen

Das wiederum würde nach allgemeiner Auffassung auch von Privaten betriebene, aber an die Öffentlichkeit gerichtete WLANs einschließen. Andererseits vertrüge sich dieser Ansatz aber nur schwerlich mit den bisherigen Äußerungen in der Digitalen Agenda, wonach „Rechtssicherheit für die Anbieter solcher WLANS im öffentlichen Bereich, beispielsweise Flughäfen, Hotels, Cafés“ geschaffen werden sollte.

Konstantin v. Notz weist übrigens völlig zu Recht darauf hin, dass eine so enge Formulierung wie in der digitalen Agenda möglicherweise mit Art. 15 der E-Commerce-Richtlinie unvereinbar sein könnte, der eine Unterscheidung zwischen „gewerblichen“ und „nicht-gewerblichen“ Anbietern gerade nicht kennt. Das ist aber kein wirklicher Trost für die „nicht-gewerblichen“ Anbieter eines WLANs, wie z.B. die Mitglieder der Freifunk-Initiativen. Denn bis die Frage der Vereinbarkeit mit der E-Commerce-Richtlinie gerichtlich geklärt wird, dürften einige Jahre ins Land gehen.

Es bleibt also – auch unter Berücksichtigung der Antwort der Bundesregierung – weiterhin bei Spekulationen. Andererseits scheint die heftige Kritik ja zumindest zu weiterem Abstimmungsbedarf geführt zu haben, was schon ein gutes Zeichen ist …

 

Abschließend verweise ich – für alle, die sich mit dem Thema beschäftigen und weitere Argumente auch mit Blick auf die Bundesregierung und den weiteren Entscheidungsprozess benötigen – noch einmal auf die Pläne der EU-Kommission in der Verordnung zur Vereinheitlichung des EU-Telekommunikationsbinnenmarktes (Single-Market-Verordnung, COM 2013 (627), PDF): Im aktuellen Entwurf der Verordnung will die EU-Kommission öffentliche WLANs fördern (zu den Regelungen rund um WLANs und deren Folgen siehe Mantz/Sassenberg, „Der Entwurf der Single Market-Verordnung und lokale Funknetze – Auswirkungen für Aufbau und Betrieb von WLAN-Hotspots“, CR 2014, S. 370 ff.). Und das umfasst eben nicht nur „gewerbliche“ WLANs, sondern ganz ausdrücklich auch WLANs von Privatpersonen und NGOs wie z.B. Freifunk! Ferner sollen auch kommunale WLANs gefördert werden. Vor diesem Hintergrund lässt sich eine Unterscheidung zwischen „gewerblichen“ und „nicht-gewerblichen“ Anbietern von WLANs ebenfalls kaum durchhalten.

 

(Bild: Wesley FryerCC BY 2.0)

Die „Digitale Agenda“ der Bundesregierung und die Haftung bei WLANs

Während wir alle noch auf den für August in Aussicht gestellten Gesetzesentwurf zur Regelung von WLANs warten, hat Netzpolitik.org heute den möglicherweise endgültigen Stand der Digitalen Agenda der Bundesregierung veröffentlicht.

Darin heißt es zum Thema WLAN:

Wir werden die Verbreitung und Verfügbarkeit von mobilem Internet über WLAN verbessern. Dabei werden wir darauf achten, dass die IT-Sicherheit gewahrt bleibt und keine neuen Einfallstore für anonyme Kriminalität entstehen. Wir werden Rechtssicherheit für die Anbieter solcher WLANS im öffentlichen Bereich, beispielsweise Flughäfen, Hotels, Cafés, schaffen. Diese sollen grundsätzlich nicht für Rechtsverletzungen ihrer Kunden haften. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf werden wir in Kürze vorlegen.

1. Einschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs?

Der Abschnitt bringt keine Klarheit darüber, für wen die geplante gesetzliche Regelung Rechtssicherheit schaffen soll. Ausdrücklich sind „WLANS im öffentlichen Bereich“ genannt. Nur (?) als Beispiel werden Flughäfen, Hotels und Cafés angeführt. Es bleibt also unklar, was mit dem Rest ist.

2. Anonyme Kriminalität?

Die nächste Frage ist, was mit dem Hinweis auf anonyme Kriminalität gemeint ist. Es steht zu befürchten, dass WLANs eine Registrierungspflicht auferlegt wird.

3. Vorläufiges Fazit

Ich wurde vor einigen Tagen gefragt, ob der angekündigte Gesetzesentwurf die bisherige Situation der Rechtsunsicherheit, die die Rechtsprechung mittlerweile zu lösen beginnt, insofern negativ beeinflussen könnte, dass WLANs praktisch kaum noch öffentlich angeboten werden können. Das kann leider passieren. Die Bundesregierung plant hier möglicherweise eine erheblich Verschlimmbesserung … Warten wir auf den Gesetzesentwurf, dann mehr hier im Blog …

Zur Sitzung des Bundestages vom 3.7.2014: Regelung der Störerhaftung bei WLANs

Am 3.7.2014 fand die 46. Sitzung des Bundestages statt. Was genau dort diskutiert/beschlossen wurde, ist mir nicht bekannt. Allerdings war TOP 5 die „Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Moderne Netze für ein modernes Land – Schnelles Internet für alle, Drucksache 18/1973„.

Hier sind die relevanten Passagen aus der BT-Drs. 18/1973 (PDF):

S. 11:

Es müssen alle Potenziale zum Ausbau der digitalen Infrastruktur akti- viert werden. Das bedeutet auch, dass die Potenziale von lokalen Funknetzen (WLAN) als Zugang zum Internet im öffentlichen Raum ausgeschöpft werden und Rechtssicherheit für die WLAN-Betreiber besteht. WLAN-Betreiber, die keine Accessbetreiber sind, beispielsweise kleine Gewerbetreibende, sehen sich mit unabsehbaren Forderungen aus potentiellen Rechtsverletzungen ihrer Nutzer im WLAN konfrontiert (Störerhaftung). Notwendig ist eine Klarstellung der Haftungsregelungen analog zu den Accessprovidern.

S. 15, 16:

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

9. schnell einen Gesetzentwurf vorzulegen, in dem die Haftungsregelungen für WLAN-Betreiber analog zu Accessprovidern klargestellt werden, um Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber zu schaffen;

Die Erläuterung ist eher generell. „Kleine Gewerbetreibende“ werden lediglich als Beispiel genannt. Ebenso die Aufforderung an die Bundesregierung. Ziel sollen „Haftungsregelungen für WLAN-Betreiber analog zu Accessprovidern“ sein.

Golem hatte über die Ankündigung eines Referentenentwurfs berichtet, der Digitale Gesellschaft e.V. hatte Kritik an möglichen Plänen erhoben, eine Regelung zu schaffen, die lediglich für WLANs in Cafés gilt … Wir müssen leider abwarten, was sich daraus nun entwickeln wird.

(via urheberrecht.org)

 

Das eco-Positionspapier zur Regelung der Haftung von Betreibern öffentlicher WLANs

Am 16.05.2014 hat der eco-Verband ein Positionspapier „Gesetzliche Bestrebungen im Hinblick auf die Haftung von Betreibern öffentlicher, lokaler Funknetze als Zugang zum Internet (WLAN)“ veröffentlicht und nimmt damit Stellung zu der weiterhin virulenten Frage, wie mit der Haftungsunsicherheit im Bereich von öffentlichen WLANs weiter politisch/rechtspolitisch vorgegangen werden soll.

Zunächst stellt das Positionspapier einleitend fest, dass die Bundesregierung im Koalitionsvertrag die Prüfung und ggf. Regelung der Problematik in Aussicht gestellt hat (dazu mit Analyse hier). Dies begrüßt der eco ausdrücklich.

Zur tatsächlichen Rolle der Betreiber hält der eco fest:

Die angekündigte Gesetzesinitiative zeigt, dass typische Kommunikationsdienste heute auch von Anbietern bereitgestellt werden können, die keine klassischen Netzbetreiber sind.

Der eco sieht in WLANs weiterhin ein enormes wirtschaftliches und gesellschaftliches Potential und spricht hierbei neben kommerziellen auch kostenlose und werbefinanzierte Angebote an. Auch innovative Geschäftsmodelle, bspw. location-based Services könnten über WLANs realisiert werden. Außerdem könnten hybride Modelle – also die Kombination von klassischen Mobilfunktechniken wie UMTS/LTE und WLANs – Vorteile bringen. Gesellschaftlich könnten WLANs zur Überbrückung des Digital Divide dienen.

Anschließend stellt der eco in drei Aspekten eine „gewisse Rechtsunsicherheit“ fest, nämlich im Hinblick auf den persönlichen (wer ist Betreiber?) und sachlichen (welche Ansprüche werden privilegiert?) Anwendungsbereich der Haftungsprivilegierung des § 8 TMG sowie die daraus resultierenden Handlungspflichten.

Beim persönlichen Anwendungsbereich sieht der eco wenig Handlungsbedarf. § 8 TMG umfasse bereits jetzt die Bereitstellung von Internetzugängen mittels WLAN-Funktechnologie. Hiervon seien auch nicht-kommerzielle WLAN-Hotspots z.B. in Hotels, Gaststätten, Büchereien oder öffentlichen Einrichtungen erfasst. Auch hier handele es sich nämlich um Access Providing. Dennoch könne der Gesetzgeber hier eine Klarstellung vornehmen, wenn er den Bedarf sehe.

Beim sachlichen Anwendungsbereich – namentlich der Erstreckung auf Unterlassungsansprüche und damit auf die Störerhaftung – sieht der eco hingegen möglicherweise Bedarf an einer Klarstellung. Denn insbesondere bei kleinen Gewerbetreibenden reiche häufig die Sorge vor den Kosten einer rechtlichen Auseinandersetzung. Im Übrigen begrüßt der eco die Neuregelungen im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Bekämpfung unseriöser Geschäftspraktiken.

Was die Handlungspflichten angeht, verweist der eco auf die Rechtsprechung. Zwar sei bisher durch die Rechtsprechung noch nicht geklärt, welche Handlungspflichten zumutbar seien. Es sei aber zu rechnen, dass praxis- und interessengerechte Lösungsansätze gefunden werden. Hierzu nimmt der eco auf das BGH-Urteil „Sommer unseres Lebens“ (BGH, Urt. v. 12.5.2010 – I ZR 121/08, MMR 2010, 565), die Hotel-Entscheidung des LG Frankfurt (LG Frankfurt, Urt. v. 18.8.2010 – 2-6 S 19/09, MMR 2011, 407) und die „Scarlet Extended“-Entscheidung des EuGH (Urt. v. 24.11.2011, Az. C-70/10, dazu hier) Bezug. Insbesondere müssten WLAN-Anbieter ihre WLANs durch technische Maßnahmen sichern, z.B. durch Verschlüsselung oder Separierung von Netzen. Allgemeine Überwachungspflichten bestünden ohnehin nicht, Fernmeldegeheimnis und Datenschutz müssten gewahrt werden.

Im Ergebnis ist der eco mit der aktuellen Lage relativ zufrieden und stellt es dem Gesetzgeber anheim, bei Bedarf gesetzliche Regelungen zu treffen.

Bewertung

Der eco hat nicht ganz Unrecht. Wird (/würde) die aktuelle Gesetzeslage konsequent angewandt, sollten kaum Rechtsunsicherheiten verbleiben. Angesichts der niedrigen Fallzahl wird die vom eco festgestellte, hinderliche Rechtsunsicherheit für die Betreiber aber noch eine Weile verbleiben. Außerdem besteht die Gefahr, dass einzelne Gerichte (zumindest in der ersten Instanz) entweder allgemein WLANs als „Gefahrenquelle“ ansehen (dazu ablehnend Mantz, JurPC, WebDok 95/2010 m.w.N. auf Breyer, Garcia etc.) und die (zwingende) Regelung des § 8 TMG ignorieren, oder aber Handlungspflichten aufstellen, die einen so starken Eingriff in den Geschäftsbetrieb darstellen, dass der jeweilige Anbieter den Betrieb einstellt. Denn zwar erkennt die Rechtsprechung bei „klassischen“ Access Providern, dass § 8 TMG Anwendung findet, und praktisch keine Pflichten bestehen (so zuletzt OLG Hamburg, Urt. v. 21.11.2013 – 5 U 68/10 – 3dl.am; Anmerkungen dazu hier), auf „nicht-klassische“ Access Provider wendet die Rechtsprechung diese Regeln aber bisher (noch) nicht an. Genau dadurch entsteht Rechtsunsicherheit, die durch eine gesetzliche Klarstellung vermieden werden könnte.

Eingehend werden die vom eco angesprochenen Problemebereiche übrigens behandelt im: Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht – Aufbau und Betrieb öffentlicher WLAN-Hotspots, Rn. 209 ff. und 223 ff.

Der DAV hatte vor kurzem ebenfalls eine Stellungnahme zu der Thematik abgegeben, s. hier.

(Bearbeiteter und ergänzter Crosspost von wlan-recht.de)

Versicherungstarife, Datenschutz, die persönliche Betroffenheit der Nutzer und gesetzliche Änderungen

Heute morgen ist Konstantin von Notz (netzpolitischer Sprecher der Grünen) im Deutschlandradio Kultur interviewt worden (Exakte Profile im Netz – Grünen-Politiker Konstantin von Notz kritisiert Selbstvermessung von Gesundheitsdaten – zum Nachhören als MP3 hier). Das Interview wird derzeit von anderen Radiosendern in den Hauptnachrichten aufgegriffen.

I. Versicherungen und Gesundheitsdaten

Dabei hat von Notz sich auch mit aktuellen Entwicklungen im Bereich des Versicherungswesens beschäftigt:

Notz: … Das Problem ist, dass Sie mit diesen Daten sehr exakte Profile über den körperlichen, aber auch über den psychischen Zustand einer Person erstellen können, und es gibt diverse Personen und Institutionen, die ein massives Interesse an solchen Daten haben: Krankenkassen, die Pharmaindustrie, Versicherungen, Arbeitgeber, Vermieter, Banken – alle wollen gerne wissen, wie wahrscheinlich es ist, dass ich krank werde oder eben nicht krank werde. Und man sollte ein Interesse daran haben, diese Daten zu schützen. …

Und wie gesagt, es ist diese Problematik: Der technische Fortschritt und die Rechenleistung, die Sie heute haben, ermöglichen eben eine Gesamterfassbarkeit und Auswertung unseres Lebens in einer Form, wie sie nie vorstellbar war. Und deswegen muss die Politik jetzt eben sozusagen Schranken schaffen, um den Datenschutz herzustellen, denn wenn sie ihn in der digitalen Welt verlieren, den Datenschutz, dann verlieren sie ihn im gesamten Leben, dann ist die Privatsphäre von vorgestern.

In den Radionachrichten wird von Notz ferner damit zitiert, dass Versicherungen bereits jetzt aktiv in sozialen Netzwerken nach Gesundheitsangaben suchen (hier lässt sich z.B. daran denken, dass jemand ein Foto mit Zigarette veröffentlicht, oder dass er darüber berichtet, dass er krank ist und nicht zur Arbeit gehen kann etc.).

II. Die Selbstbetroffenheit der Nutzer

Auf der anderen Seite haben die netzpolitisch engagierten Player im Jahr 2013 – dem Jahr der NSA-, GCHQ-, BND- etc. -Enthüllungen – die frustrierende Erkenntnis gewonnen, dass Überwachung nicht unmittelbar fühlbar ist. Der „Aufschrei“ über die flächendeckende Überwachung ist bisher weitgehend ausgeblieben. Als Schlussfolgerung haben Markus Beckedahl in seinem Talk mit dem Titel „Der Kampf der Netzneutralität“ und Constanze Kurz in einem Interview gestern (beide auf dem Chaos Communication Congress #30c3, Link für das Interview von Constanze Kurz habe ich leider nicht) wieder einmal hervorgehoben, dass es in der Zukunft wichtig sein wird, unseren Mitbürgern Beispiele der unmittelbaren persönlichen Betroffenheit zu präsentieren, um ihnen die Massivität der ungebremst fortgeführten Eingriffe zu verdeutlichen (s. z.B. hier).

Ein solches Beispiel bietet auch das Interview mit von Notz im Deutschlandradio Kultur, in dem er einen Bogen zu aktuellen Tarifen von Versicherungen schlägt. So berichtet er davon, dass – ähnlich wie bei aktuellen Versicherungsmodellen für Autofahrer – derzeit Versicherungsnehmern, die über ihre gesundheitlich relevanten Gewohnheiten Auskunft geben, „bessere“ Tarife angeboten werden – und dementsprechend auf lange Sicht die übrigen Versicherungsnehmener, die ihre Daten nicht zur Verfügung stellen wollen, weil sie grundsätzlich dagegen sind, oder weil sie vielleicht besonders ungesund leben, nur schlechte bzw. teurere Tarife erhalten werden:

Argumentiert wird ja bei der Selbstvermessung immer mit der Freiwilligkeit. Es wird gesagt, ja, die Leute machen das ja freiwillig. Tatsächlich ist es aber so, dass natürlich, wenn Versicherungen erst mal auf den Trichter kommen, dass Leute das freiwillig machen, dann kriegen eben diejenigen, die dokumentieren, was sie tun, trinken, essen, rauchen, eben gute Tarife, und die anderen nicht – heißt, wenn Sie nicht dokumentieren, dass Sie nicht rauchen, dann rauchen Sie eben für die Versicherung, und dann bezahlen Sie einen dementsprechend höheren Tarif. …

Und gegen diese Geschäftspraktiken, die sich dort jetzt sehr konkret anbahnen und die unmittelbar vor der Tür stehen, muss jetzt gehandelt werden und eben nicht erst in vier Jahren oder fünf Jahren. Es ist eben kein Science-Fiction, worüber wir hier reden, sondern es sind ganz reale Fakten, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen.

Die Analyse von von Notz ist meines Erachtens nach richtig. Es ist ein klassisches Beispiel von persönlicher Betroffenheit – allerdings mit dem „Zuckerl“ der Freiwilligkeit. Von Notz sollte allerdings noch einen Schritt weiter denken und die Erfahrungen aus anderen Bereichen beachten: In Zeiten von Big Data müssen Versicherungen nur die ihnen vorliegenden, öffentlich bei Facebook etc. verfügbaren und von den Versicherungeneingekauften Daten miteinander kombinieren, um selbst über Leute, die selbst einen solchen „freiwilligen“ Tarif mit „freiwilliger“ Übermittlung von Daten (bewusst oder unbewusst) nicht gewählt haben, eine Menge zu erfahren.

Beispielsweise könnte bei einem Versicherungsnehmer [Beispiele ohne statistische Belege],

  • deren Freunde und Bekannte überwiegend rauchen, eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass diese Person auch raucht,
  • deren Freunde und Bekannte überwiegend wenig Sport treiben, eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass diese Person auch wenig Sport treibt,
  • deren Freunde und Bekannt überwiegend (gefährlichen) Wintersport treibt, eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass diese Person auch (gefährlichen) Wintersport treibt,
  • deren Freunde und Bekannte überwiegend einen rasanten Fahrstil pflegen, eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass diese Person ebenfalls rasant fährt oder sich im Fahrzeug mit den rasanten Fahrern befindet und dadurch zu Schaden kommt,
  • etc.

Die „Freiwilligkeit“ dürfte daher derzeit nur dazu dienen, ausreichend Daten zu sammeln, um später Vorhersagen über die Risiken auch bei Menschen machen zu können, über die (bisher) keine Daten vorliegen. Wer sich an Scoring erinnert fühlt, hat Recht.

III. Gesetzlicher Änderungsbedarf und Vorschläge

Von Notz spricht sich dafür aus, dass Versicherungen ein solches Vorgehen bereits jetzt (und nicht erst in der nächsten Legislaturperiode) untersagt wird. Es bleibt zu hoffen, dass die Grünen entsprechende Vorschläge in den Bundestag (und die Landtage – beispielsweise sind die Grünen in Badem-Württemberg und Hessen an der Landesregierung beteiligt, und es gibt umfassende Landesdatenschutzgesetze) einbringen werden.

1. Derzeitige gesetzliche Regelungen zu Gesundheitsdaten

Eine Möglichkeit wäre eine entsprechende Klarstellung von § 3 Abs. 9 BDSG (Regelung zu besonders sensitiven Daten), der derzeit noch lautet:

(9) Besondere Arten personenbezogener Daten sind Angaben über die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit oder Sexualleben.

Ergänzt wird § 3 Abs. 9 BDSG durch eine Regelung zur Einwilligung in § 4a Abs. 3 BDSG:

(3) Soweit besondere Arten personenbezogener Daten (§ 3 Abs. 9) erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, muss sich die Einwilligung darüber hinaus ausdrücklich auf diese Daten beziehen.

Und weiter durch Regelungen zur Erlaubnis der Nutzung von Gesundheitsdaten ohne Einwilligung in § 28 Abs. 6-9 BDSG, die hier nicht zitiert werden sollen (Gesetzestext hier), interessant ist aber insbesondere Abs. 8:

(8) Für einen anderen Zweck dürfen die besonderen Arten personenbezogener Daten (§ 3 Abs. 9) nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 6 Nr. 1 bis 4 oder des Absatzes 7 Satz 1 übermittelt oder genutzt werden. Eine Übermittlung oder Nutzung ist auch zulässig, wenn dies zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die staatliche und öffentliche Sicherheit sowie zur Verfolgung von Straftaten von erheblicher Bedeutung erforderlich ist.

2. Änderungsvorschläge

Einfach ins Unreine gedacht (!) – hier lassen sich sicherlich auch andere Formulierungen finden – könnte man folgende Ergänzungen in § 3 Abs. 9 BDSG, 4a BDSG und § 28 BDSG vornehmen:

§ 3 Abs. 9 BDSG: Besondere Arten personenbezogener Daten sind Angaben über die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit oder Sexualleben. Zu den Angaben über die Gesundheit gehören auch Angaben, die allein oder in ihrer Gesamtheit oder in Verbindung mit anderen Angaben Rückschlüsse auf Umstände erlauben, die mit der Gesundheit in Zusammenhang stehen.

§ 4a Abs. 3 BDSG: Soweit besondere Arten personenbezogener Daten (§ 3 Abs. 9) erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, muss sich die Einwilligung darüber hinaus ausdrücklich auf diese Daten beziehen. Die Einwilligung in die Nutzung von Daten Dritter, insbesondere nach § 3 Abs. 9 Satz 2 BDSG zur Bestimmung von Angaben über die Gesundheit des Betroffenen ist unzulässig.

In § 28 Abs. 8 BDSG könnte man einen Satz 3 ergänzen:

Die Verwendung von Daten Dritter, insbesondere nach § 3 Abs. 9 Satz 2 BDSG, zur Bestimmung von Angaben über die Gesundheit des Betroffenen ist unzulässig.

Ein weiterer Ansatz (nicht nur für dieses Problem) wäre, in § 3 BDSG zu definieren, wann Daten (wie in § 28 Abs. 6 Nr. 2 BDSG aufgegriffen) öffentlich gemacht sind. Man könnte eine neuen Absatz 12 anfügen:

§ 3 Abs. 12 BDSG: Daten werden durch den Betroffenen öffentlich gemacht, wenn er diese bewusst einem unbestimmten und unbestimmbaren Personenkreis zugänglich gemacht hat.

Möglicherweise könnte man das zusätzlich mit § 35 BDSG (Löschung) verzahnen, so dass der Betroffene die Möglichkeit hat, einmal öffentlich gemachte Daten auch wieder zu entfernen, und damit auch die Rechtsfolge des § 28 Abs. 6 Nr. 2 BDSG aufzuheben. Im Hinblick auf ein möglicherweise bald eingeführtes „Recht auf Vergessenwerden“ wäre dies ohnehin geboten.

Wir dürfen gespannt sein, welche Vorschläge von Notz und die Grünen demnächst präsentieren. Da SPD (ich denke z.B. an Lars Klingbeil) und CDU (ich denke z.B. an Dorothee Bär) sich auch mit dem Thema Datenschutz profilieren wollen (zumindest kleine Teile von SPD/CSU) könnte sogar ein parteiübergreifender Ansatz erfolgen …

IV. Weitere Beispiele für Selbstbetroffenheit?

Welche weiteren Beispiele für Selbstbetroffenheit fallen Euch ein? Ergänzungen und Vorschläge bitte in den Kommentaren.

 

(Update am 02.01.2013: Kleine sprachliche Fehler)

Die (mögliche) Große Koalition und ihr Ansatz für Regelungen zu WLANs

Wie schon mehrfach angedeutet, will die (mögliche) Große Koalition zwischen CDU/CSU und SPD (#GroKo) das Thema WLAN und Rechtssicherheit angehen. Nach dem aktuellen 3. Entwurf vom 26.11.2013 (im Hinblick auf die hier zitierte Passage wortgleich mit dem 1. Entwurf 24.11.2013, PDF Download) haben sich die Parteien wohl auf folgendes geeinigt:

Die Potenziale von lokalen Funknetzen (WLAN) als Zugang zum Internet im öffentlichen Raum müssen ausgeschöpft werden. Wir wollen, dass in deutschen Städten mobiles Internet über WLAN für jeden verfügbar ist. Wir werden die gesetzlichen Grundlagen für die Nutzung dieser offenen Netze und deren Anbieter schaffen. Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber ist dringend geboten, etwa durch Klarstellung der Haftungsregelungen (Analog zu Accessprovidern). Dadurch haften WLAN-Anbieter nicht mehr für Rechtsvergehen von Usern, die den öffentlichen Zugang nutzen. Gleichzeitig werden wir die Verbraucherinnen und Verbraucher über die Gefahren solcher Netze für sensible Daten aufklären. Gleichzeitig werden wir die Verbraucherinnen und Verbraucher über die Gefahren solcher Netze für sensible Daten aufklären.

Neben der Klärung der rechtlichen Fragen möchten wir die Etablierung heterogener, frei vernetzter und lokaler Communities und ihrer Infrastrukturen forcieren. Durch die Förderung dieser sowie von Ad-hoc-Netzwerken im Rahmen der F&E-Strategie sollen lokale, dezentrale Netzwerke unterstützt werden, die eine komplementäre Infrastruktur für einen fest definierten Nutzerkreis umfassen. Damit verbessern wir die infrastrukturellen Rahmenbedingungen für den Zugang zu leistungsfähigem Internet für alle.

Die Absätze sind nicht als zwischen den möglichen Koalitionspartnern strittig markiert (anders als andere Punkte im Entwurf), daher lohnt es sich, sich die Passagen vorab anzusehen.

1. Rechtssicherheit

Die #GroKo möchte Rechtssicherheit schaffen. Spannend wird, wie die #GroKo diese Ziele umsetzen wird. Als hehres Ziel scheint über dem Vorhaben „mobiles WLAN in deutschen Städten“ zu stehen. Dafür sollen gesetzliche Grundlagen geschaffen werden. „Analog zu Accessprovidern“ sollen die Haftungsregelungen klargestellt werden.

a. § 8 TMG

Wir erinnern uns: § 8 Abs. 1 TMG, der die Haftung von Access Providern regelt, lautet:

Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie
1. die Übermittlung nicht veranlasst,
2. den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und
3. die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben.
Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen.

Wie schon mehrfach in diesem Blog berichtet, ist in der juristischen Literatur absolut unstreitig, dass der Anbieter eines WLANs ein Access Provider ist (Röhrborn/Katko, CR 2002, 882; Hoffmann in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2. Aufl. 2011, § 8 TMG Rn. 17; Spindler, CR 2010, 592 (595); Altenhain, in MünchKommStGB, 2. Aufl. 2010, vor § 7 TMG Rn. 43; Kaeding, CR 2010, 164 (168); Mantz, Rechtsfragen offener Netze, 2008, 48 m.w.N.). Dementsprechend findet § 8 TMG – eigentlich – auf WLANs Anwendung (dazu näher Mantz, GRUR-RR 2013, Heft 12 – erscheint demnächst).

Eine Klarstellung wäre daher – bei richtiger Rechtsanwendung – eigentlich nicht nötig. Tatsächlich wenden die Gerichte § 8 TMG aber gerade bei kleinen WLANs nicht an, sondern behandeln die Regelung als Privileg nur für „klassische“ Provider wie die Telekom etc. Dementsprechend besteht wohl doch Handlungsbedarf.

Ein zweites Problem war bisher, dass der BGH die Privilegierungen der §§ 7-10 TMG nicht auf Unterlassungsansprüche angewandt hatte. Allerdings ist hier derzeit eine Änderung der Rechtsprechung des BGH in Sicht bzw. in kleinen Schritten im Gange. Eine Klarstellung wäre hier aber trotzdem hilfreich.

Die #GroKo hat – wie bereits zuvor SPD, Grüne und LINKE – also nun erkannt, dass Handlungsbedarf besteht.

b. Gesetzesentwurf des Digitale Gesellschaft e.V. / DIE LINKE, Vorstöße der SPD und der Grünen

Wir erinnern uns weiter: Der Digitale Gesellschaft e.V. hatte 2012 einen Entwurf zur Klarstellung des § 8 TMG in den Bundestag eingebracht (BT-Drs. 17/11137, PDF). Auch die SPD hatte einen Entwurf – allerdings ohne konkrete Regelung – eingebracht, der aber nicht die notwendige Mehrheit fand. Die CDU/CSU äußerte dazu, dass eine Regelung

weder geeignet noch erforderlich

sei.

Der CDU/CSU-Abgeordnete Lämmel hatte laut Ausschuss-Protokoll (Plenar-Protokoll 17/201, PDF, S. 24495) gesagt:

Neben diesen rechtlichen Aspekten wird aber das Potenzial des offenen WLAN überschätzt. Die große Mehrheit der Nutzer nutzt UMTS, 3G, als mobile Datenverbindung. Hier könnten WLAN zwar potenziell die Mobilfunknetze entlasten. Allerdings bauen die Mobil- funkunternehmen gerade den nächsten Standard des Mobilfunks LTE,4G, aus. LTE kann – noch theoretisch – Bandbreiten erreichen, welche die Leistungen der DSL-Anschlüsse, die ja auch die Grundlage für WLAN-Router bieten, übertreffen. Zusätzlich entlastet ein auf den LTE-Standard aufgerüstetes Mobilfunknetz auch den bisherigen Standard UMTS und wird auch im UMTS- Netz die Leistungen verbessern. Vermutlich wird die Notwendigkeit von WLAN-Angeboten für den öffentl.chen Raum bald nachlassen.

Und Dr. Nüßlein, ebenfalls CDU/CSU (S. 24496):

Die Entscheidung, ob und in welchem rechtlichen Rahmen wir hier tätig werden müssen, sollte nicht übers Knie gebrochen werden. Gründ- lichkeit geht bei solchen Haftungsfragen klar vor Schnelligkeit. Ob und wie das im Telemediengesetz geregelt werden muss, prüfen wir in nächster Zeit ausführlich.

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass die Grünen ebenfalls einen Vorstoß angekündigt hatten, ein konkreter Entwurf ist hieraus aber nicht resultiert. Eine Übersicht zu all dem findet sich bei iRights.info. Die Piraten hatten im Landtag NRW ebenfalls einen Antrag vorgelegt (LT-Drs. 16/2284), zu dem eine Sachverständigenanhörung durchgeführt wurde (dazu eingehend hier).

Vor wenigen Tagen haben SPD, Grüne und Piraten im Landtag NRW einen weiteren Entwurf „Offene Zugänge zum Internet schaffen“ eingebracht (LT-Drs. 16/4427).

Nun kurz zum Entwurf des Digitale Gesellschaft e.V. / DIE LINKE: Nach dem Entwurf sollte § 8 TMG erweitert werden um folgende Absätze 3 und 4:

(3) Der Ausschluss der Verantwortlichkeit (Absatz 1) umfasst auch gewerbliche und nichtgewerbliche Betreiber von Funknetzwerken, die sich an einen nicht im Voraus namentlich bestimmten Nutzerkreis richten (öffentliche Funknetzwerke).
(4) Der Ausschluss der Verantwortlichkeit (Absatz 1) umfasst auch Ansprüche auf Unterlassung.

Dieser Entwurf enthielt folglich eine Klarstellung zu der Anwendbarkeit von § 8 TMG auf (1) WLANs und (2) Unterlassungsansprüche.

c. Stand heute

Nach dem, was im Entwurf des Koalitionsvertrages steht, will die CDU/CSU also jetzt eine Kehrtwende vollziehen. „Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber ist dringend geboten“, heißt es im Entwurf. Was also vor wenigen Monaten „weder geeignet noch erforderlich“ war, ist jetzt – überraschenderweise – dringend geboten. Dies ist sicher nicht allein auf den Umstand zurückzuführen, dass die FDP nun nicht mehr an der Regierung beteiligt sein wird. Wer optimistisch ist, mag daher von einem Erfolg der SPD in den Verhandlungen sprechen. (Es wäre spannend zu hören, wie es sich in den Verhandlungen tatsächlich zugetragen hat …).

d. Und nun: Wie sähe ein Gesetzesentwurf aus?

Nun stellt sich die Frage, welche konkreten Vorschläge die mögliche #GroKo nun unterbreiten wird. Die Zielvorgabe laut Entwurf ist:

Klarstellung der Haftungsregelungen (analog zu Accessprovidern). Dadurch haften WLAN-Anbieter nicht mehr für Rechtsvergehen von Usern, die den öffentlichen Zugang nutzen.

Wie oben dargestellt, ist die Haftungsprivilegierung in § 8 TMG geregelt. Eine Klarstellung der Haftungsregelungen dürfte sich am besten genau dort wiederfinden. Der Entwurf der Digitale Gesellschaft e.V. (s.o.) wäre also ein guter Ausgangspunkt. Es ist die Frage, ob das den Beteiligten der #GroKo schmeckt. Die CDU/CSU hatte den Entwurf in ihrer Stellungnahme ziemlich zerrissen. Außerdem könnte doch der Entwurf als „verbrannt“ angesehen werden, da er  damals von der LINKEN aufgegriffen worden war. Das wäre allerdings fatal. Denn der Entwurf mag von der LINKEN aufgegriffen worden sein, er ist aber nach meinem Kenntnisstand zuvor „wie Sauer Bier“ allen Parteien zugeleitet worden. Es hatten also alle die Chance, die LINKE hat sie genutzt – möglicherweise zum Nachteil des Entwurfs, was man aber der LINKEN kaum anlasten kann. Wir werden es abwarten müssen. Dabei ist nur zu hoffen, dass die Sachpolitik gewinnt – und da wäre eine Regelung in § 8 TMG die sinnvollste Alternative.

2. Communities

Spannend wird dann der zweite Teil des oben zitierten Abschnitts im Entwurf, der sich mit der „Etablierung heterogener, frei vernetzter und lokaler Communities und ihrer Infrastruktur“ beschäftigt.

a. Die Community – das unbekannte Wesen

Insbesondere wäre es interessant zu wissen, welches „Leitbild“ einer Community die beteiligten Verhandlungspartner der #GroKo vor Augen hatten, als sie die Formulierung in den Entwurf schrieben. Hier nur ein paar Gedanken dazu:

  • „Etablierung forcieren“ hört sich nach etwas Aktivem an, danach, dass etwas neu geschaffen werden soll. Ich vermute, dass das nicht (nur) gemeint ist, denn es gibt in Deutschland bereits solche Communities, nämlich die dezentral organisierten #Freifunk-Communities. Darauf deutet auch das „Forcieren“ hin. Ich verstehe dies im Sinne einer Förderung von Communities, worauf auch hindeutet, dass die Infrastrukturen der Communities gefördert werden sollen. Solche Förderungen gibt es bereits. Beispielsweise fördert die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) den Aufbau von Freifunk-Netzen (s. dazu Pressemitteilung der MABB v. 14.2.2013). Außerdem stellen manche Kommunen Freifunk Zugang zu ihren Gebäuden zur Verfügung.
  • „Heterogene“ Communities hört sich nach Vielfältigkeit an. Vielfältigkeit der eingebundenen Personen und evtl. auch der Vernetzung der Community in sich. Vielleicht hat ja auch einer der Verhandlungspartner sich tatsächlich mit #Freifunk auseinander gesetzt. Dann könnte er auf die Folien von Freifunk Augsburg vom Linux Info Tag 2007 gestoßen sein, wo Freifunk als heterogene Community bezeichnet wird.
  • „Frei vernetzt“ klingt für mich ebenfalls nach Freifunk, nach „Freien Netzen“ (s. dazu Medosch, Freie Netze, 2003, PDF).
  • „Lokal“ passt letztlich auch in dieses Schema, ebenso „dezentral“ (zweiter Abschnitt).

b. Das Netz, Entwicklung und Forschung

Nicht nur soll die Etablierung von Communities forciert werden, im nächsten Satz heißt es sogar ausdrücklich, dass sie gefördert werden. Und nicht nur die Communities, sondern zusätzlich auch deren Infrastrukturen. Und – darüber hinaus – „Ad-hoc-Netzwerke“ im Rahmen einer Forschung & Entwicklungs-Strategie…

Daraus ließe sich lesen, dass die #GroKo Forschungsvorhaben in Gang setzen oder fördern will, die sich mit Ad-hoc-Netzwerken auseinander setzen und deren Technik weiterbringen. Auch dies dürfte bei den Communities auf fruchtbaren Boden stoßen. Denn gerade die verschiedenen weltweiten Communities haben hier bereits erhebliche technische Fortschritte aufzuweisen. So wurde beispielsweise das Routingprotokoll B.A.T.M.A.N. (BETTER APPROACH TO MOBILE ADHOC NETWORKING) von der Freifunk-Community entwickelt. Und neben der ständigen Fortentwicklung trifft sich die Freifunk-Community einmal im Jahr beim Wireless Community Weekend, auf dem auch über aktuelle Entwicklungen und Forschungen berichtet und in Gruppen deren Weiterentwicklung vorangetrieben wird (s. z.B. für 2013 hier).

c. Die „komplementäre Infrastruktur“

So weit, so gut. Allerdings wird der Entwurf des Koalitionsvertrages danach leider nicht mehr so leicht verständlich. Im Rahmen der F&E-Strategie sollen nämlich nur lokale, dezentrale Netzwerke unterstützt werden, die

eine komplementäre Infrastruktur für einen fest definierten Nutzerkreis umfassen.

„Komplementär“ lässt sich u.a. mit „ergänzend“ erläutern. Gefördert werden soll also die Entwicklung für „ergänzende Infrastrukturen“. Dazu dürfte WLAN derzeit zählen, zumal die großen TelCos ihre Offloading-Strategien (zum Offloading s. hier) bereits ausrollen (s. zum „WLAN-to-GO“ der Deutschen Telekom und „Homespot“ von Kabel Deutschland hier). Vielleicht ist „komplementäre Infrastruktur“ in diesem Zusammenhang unnötig, vielleicht haben die Verhandlungspartner aber auch in die Zukunft gedacht.

Mal sehen, ob sich die deutschen TelCos in diesem Zusammenhang auch um die versprochene Förderung bemühen – allerdings dürften die übrigen Merkmale (insbesondere heterogen und frei vernetzt) fehlen.

d. Der „fest definierte Nutzerkreis“

Im Unklaren bleibt, warum die komplementäre Infrastruktur einen „fest definierten Nutzerkreis umfassen“ soll (dazu z.B. @roemerm: “ Das klingt, als ob echter Freifunk der #GroKo zu undurchschaubar ist. Sie wollen wohl lieber identifizierte Benutzer.“). Das Merkmal passt jedenfalls nicht zu den nur wenige Sätze davor angesprochenen heterogenen Communities. Vielleicht findet sich eine Lösung in dem ursprünglichen Antrag der SPD (BT-Drs. 17/11145). Dort heißt es zu gewerblichen Betreibern von WLANs:

Klare gesetzliche Vorgaben fehlen auch für die technischen Vorkehrungen gegen missbräuchliche Nutzung, die unter Einbeziehung von Zumutbarkeitskriterien von WLAN-Betreibern erfüllt werden müssen, um ein Haftungsrisiko zu begrenzen. Seit Langem steht die Forderung im Raum, dass entsprechende Regelungen für die Betreiber von WLANs geschaffen werden müssen, um letztlich den Ausbau der digitalen Infrastruktur und die Eröffnung von Zugängen zum Netz im öffentlichen Raum voranzutreiben.

Im konkreten Antrag (zu 3.) dann (Hervorhebungen durch Verfasser):

Ziel der Initiative ist es … dass die Bundesregierung prüfen möge, ob und wie durch Änderungen der bisherigen Gesetzeslage … die Schutzmaßnahmen, die die Betreiber von WLAN-Netzen zur Vermeidung ihrer Verantwortlichkeit für unbefugte Nutzung durch Dritte zu ergreifen haben, zwecks Erhöhung der Rechtssicherheit unter Einbeziehung von Zumutbarkeitskriterien so konkretisiert werden können, dass die Betreiber bei Erfüllung dieser Anforderungen ihre WLANs ohne Haftungs- und Abmahnungsrisiken betreiben können.

Die SPD war dementsprechend schon damals davon ausgegangen, dass die Betreiber etwas dafür tun müssen, dass sie von der Haftung befreit werden. Allerdings dürfte dieser Ansatz von der BGH-Rechtsprechung „Sommer unseres Lebens“ abgeleitet worden sein. Der BGH hatte sich aber mit dem privaten WLAN einer Privatperson befasst und gerade nicht mit einem öffentlichen und an viele Nutzer gerichteten WLAN! Die CDU/CSU hatte in ihrer Anhörung dann auch darauf hingewiesen, dass sie die anonyme Nutzung von WLANs als Problem ansieht (s. Ausschuss-Protokoll 17/201, PDF, S. 24495 f.). Das hört sich dementsprechend danach an, dass doch irgendeine Form von Identifizierung („fest definierter Nutzerkreis“) stattfinden müsse – allerdings passt das eben doch nicht zum ersten Absatz – und auch nicht zur aktuellen Rechts- und Gesetzeslage.

 

Diese Problematik des „fest definierten Nutzerkreises“ könnte etwas klarer sein, wenn man sich die Abschnitte des Vertragsentwurfs in ihrer Systematik ansieht: Im ersten Absatz geht es um die Klärung der Rechtslage: Die Haftungssituation soll verbessert werden! Im zweiten Absatz geht es um die Förderung von Communities und Forschung und Entwicklung. Beide Ziele sollen offenbar nebeneinander bestehen und verfolgt werden (ausdrücklich im zweiten Absatz: „Neben der Klärung der rechtlichen Fragen…“). Dementsprechend geht es nur bei der Förderung und Forschung um einen fest definierten Nutzerkreis, während die Haftungsprivilegierung davon unabhängig ist. Licht ins Dunkel bringt auch das nicht. Vermutlich ist das aber alles viel zu viel der Deutung in zwei kleine Absätze, die für die #GroKo sicher nicht im Zentrum standen.

3. Fazit

Was bleibt nach alldem? Der letzte Satz des Abschnitts zu WLANs lautet:

Damit verbessern wir die infrastrukturellen Rahmenbedingungen für den Zugang zu leistungsfähigem Internet für alle.

Wollen wir es hoffen. Auf den Gesetzesentwurf bin ich auf jeden Fall gespannt.

Ergebnisse der AG Wirtschaft (Große Koalitions-Verhandlungen) zum Thema Telekommunikation, Stand 5.11.2013 #groko

Wen es interessiert, was die AG Wirtschaft bei den Verhandlungen zur möglichen Bildung einer Großen Koalition von CDU/CSU und SPD (#groko) zum Thema Telekommunikation bisher verhandelt haben soll, hier ein Auszug (Stand 5.11.2013, Hervorhebung zu WLAN von mir):

Deutschland braucht eine moderne Telekommunikationsinfrastruktur. Der Zugang zu schnellem Internet ist eine zentrale Voraussetzung für Produktivitätsfortschritte, neue Geschäftsmodelle und Effizienzsteigerungen. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen in ländlichen und strukturschwachen Regionen sind auf diese Basisinfrastruktur angewiesen.

Für ein modernes Industrieland ist der flächendeckende Breitbandausbau eine Schlüsselaufgabe, um wirtschaftliche Entwicklungschancen zu fördern. Dazu werden wir die Breitbandstrategie weiterentwickeln. Es gilt, die digitale Spaltung zwischen den urbanen Ballungszentren und ländlichen Räumen zu überwinden. Dazu wollen wir die Kommunen in ländlichen Räumen beim Breitbandausbau unterstützen. Wir werden Investitionshemmnisse und Wirtschaftlichkeitslücken in den infrastrukturschwächeren Regionen abbauen. Hierbei setzen wir verstärkt auf Synergieeffekte und zusätzliche Investitionsanreize für Telekommunikationsunternehmen.

Beim Ausbau des schnellen Internets werden wir Technologieoffenheit sicherstellen. Dazu gehört auch eine bedarfsgerechte Bereitstellung von Funkfrequenzen für drahtlose Kommunikationsnetzwerke in allen Teilen Deutschlands.

Wir müssen die Rahmenbedingungen für Investitionen in leistungsfähige Infrastrukturen nachhaltig verbessern, damit der Beitrag der Informations- und Kommunikationstechnologie am wirtschaftlichen Wachstum weiter wächst. Es bedarf einer Vielzahl weiterer Maßnahmen, um hochleistungsfähige Breitbandnetze auszubauen. Dazu gehören etwa wettbewerbs- und investitionsfreundliche Rahmenbedingungen im Telekommunikationsgesetz, die verstärkte Kooperation von Unternehmen, bessere Fördermöglichkeiten sowie eine gute Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Kommunen.

Schnelle Internetverbindungen gehören für uns zur kommunikativen Daseinsvorsorge, deshalb wollen wir die noch verbliebenen Regionen, die nicht mindestens eine Geschwindigkeit von 2 Mbit/s haben, so schnell wie möglich erschließen. Bis zum Jahr 2018 soll es in Deutschland eine flächendeckende Grundversorgung mit mindestens 50 Mbit/s geben. Zur Umsetzung dieser Ziele wollen wir die dafür notwendigen privaten Investitionen für den Breitbandausbau um einen Förderbetrag des Bundes in Höhe von einer Milliarde Euro pro Jahr ergänzen. Der Breitbandausbau muss auch zukünftig in der EU förderfähig bleiben. Zudem muss es zu einer Vereinfachung der Förderung wie im Rahmen der Daseinsvorsorge im EU-Recht kommen.

Ein neues Sonderfinanzierungsprogramm „Premiumförderung Netzausbau“ bei der KfW-Bankengruppe soll bestehende Programme ergänzen. Wir wollen außerdem einen Breitband-Bürgerfonds einrichten. In diesen Fonds sollen Privatpersonen zu soliden Renditen investieren können.

Wir wollen, dass in deutschen Städten mobiles Internet über W-LAN für jeden verfügbar ist. Wir werden die gesetzlichen Grundlagen für die Nutzung dieser offenen Netze und deren Anbieter schaffen.

Wir wollen Netzneutralität sicherstellen: In Bezug auf die Nutzung des Internets wollen wir die Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen ermöglichen, Meinungsvielfalt und fairen Wettbewerb sichern sowie die wirtschaftlichen Potenziale steigern. Die Gewährleistung von Netzneutralität werden wir als eines der Regulierungsziele im Telekommunikationsgesetz verbindlich regeln und definieren. Die Bundesnetzagentur soll im Hinblick auf die Sicherung von Netzneutralität und Diskriminierungsfreiheit zusätzliche Kompetenzen erhalten.

Die Sicherheit von Kommunikationsinfrastrukturen muss erhöht werden. Dazu muss die Cyber-Sicherheits- und Datenschutzstrategie weiterentwickelt werden. Dafür initiieren wir ein Spitzencluster „IT-Sicherheit und kritische IT-Infrastruktur“ und setzen uns für einen branchenübergreifenden Rechtsrahmen für Mindestanforderungen in Deutschland und Europa ein. Gleichzeitig wollen wir eigene nationale Kompetenzen im Bereich Internet/IT/Digitale Wirtschaft ausbauen, um unsere Unabhängigkeit zu erhöhen.

SV-Anhörung im Landtag NRW zum Thema „Störerhaftung und WLAN“: Eine kurze Nachbetrachtung

Heute war (wie angekündigt) die Sachverständigenanhörung im Wirtschaftsausschuss des Landtages Nordrhein-Westfalen zum Antrag der Piratenpartei (Drs. 16/2284) „Abschaffung der Störerhaftung“. Es waren verschiedene Sachverständige bzw. Verbände geladen, nämlich der Chaos Computer Club e.V. (erschienen: Dr. Julius Mittenzwei, @mittenzwei), Ulf Buermeyer (@vieuxrenard), Dr. Frey von FREY Rechtsanwälte, die GEMA (hat eine Stellungnahme abgegeben, aber keinen Vertreter entsandt), der Verband freier Deutscher Künstler e.V. (nicht erschienen, keine Stellungnahme), die Verbraucherzentrale NRW (erschienen: Frau Husemann), der eco-Verband (erschienen: Prof. Rotert), die VG Wort (nicht erschienen, keine Stellungnahme) und meine Wenigkeit.

Insgesamt sind vor der Anhörung acht Stellungnahmen abgegeben worden, die alle online verfügbar sind.

Ich gehe auf die einzelnen Fragen hier nicht weiter ein, da vermutlich in kurzer Zeit ein Wortlaut-Protokoll auf der Seite des Landtages erscheinen wird, zumindest war eine Stenografin anwesend. Aus diesem Grunde hier nur ein kurzer Nachklapp von meiner Seite:

Der Ausschuss war nicht übermäßig besucht. Es waren zu Anfang Vertreter der Piraten, der SPD, der Grünen und der FDP anwesend. Ein Vertreter der CDU kam später hinzu. Ungewohnt war, dass in dem Saal die Vertreter der Parteien teilweise in unserem Rücken saßen.
Auf Eingangsstatements wurde, wie wohl im Wirtschaftsausschuss üblich, verzichtet. Stattdessen wurde unmittelbar mit einer Fragerunde begonnen, von denen es insgesamt drei gab. Die Fragen wurden teilweise konkret an Einzelne der Sachverständigen gerichtet, teilweise auch an alle. Die Fragen drehten sich wie zu erwarten war hauptsächlich um die wirtschaftlichen und rechtlichen Auswirkungen der derzeitigen Rechtsunsicherheit beim Betrieb von WLANs und wie dem begegnet werden könne. Einig waren sich alle Sachverständigen, dass das Institut der Störerhaftung nicht abgeschafft werden sollte. Der Antrag der Piraten sieht das im Ergebnis auch trotz des Titels nicht vor. Vielmehr ging es um eine Eingrenzung der Störerhaftung für den Betrieb von öffentlich zugänglichen WLANs. Auch hier waren sich im Grunde alle einig (wie schon zuvor in den Stellungnahmen): Der derzeitige Zustand ist untragbar und behindert den Aufbau und Betrieb von WLANs in erheblichem Maße. Ebenso meine ich, dass Einigkeit bestand, dass eine Änderung in § 8 TMG hier den richtigen Ansatz darstellen würde. Z.B. nach dem Entwurf des Digitale Gesellschaft e.V. sollten in § 8 TMG folgende Absätze 3 und 4 angefügt werden:

(3) Der Ausschluss der Verantwortlichkeit (Absatz 1) umfasst auch gewerbliche und nichtgewerbliche Betreiber von Funknetzwerken, die sich an einen nicht im Voraus namentlich bestimmten Nutzerkreis richten (o?ffentliche Funknetzwerke).
(4) Der Ausschluss der Verantwortlichkeit (Absatz 1) umfasst auch Anspru?che auf Unterlassung.

Es bestand bei den anwesenden Punkten auch im Übrigen weitestgehend Einigkeit, insbesondere bei der Frage, dass es sehr schade ist, dass die Bundesregierung es versäumt hat, die Rechtslage auf den Antrag der Partei Die LINKE (auf Basis des Entwurfs des Digitale Gesellschaft e.V.) hin zu verbessern.

Kurz vor der Anhörung war die Stellungnahme der GEMA eingereicht worden, die für etwas Dissens hätte sorgen können. Das 1,5-Seiten-Papier (1,5-zeilig) der GEMA sprach sich erwartungsgemäß gegen eine Änderung der gesetzlichen Regelung aus. Dies widerspreche der EU-Enforcement-Richtlinie 2004/48/EG. Eine Änderung sei auch nicht notwendig, da die Störerhaftung ja nur „zumutbare“ Maßnahmen fordere. Außerdem müsse der Gesetzgeber gleichzeitig die Definition der „zu eigen gemachten Inhalte“ im Sinne des TMG definieren. Wer einen wirtschaftlichen Nutzen aus der Zugänglichmachung von Inhalten Dritter ziehe, solle hierfür auch verantwortlich sein. Die Stellungnahme der GEMA ist im Wege von Fragen an die Sachverständigen zur Bewertung der Position eingeführt worden, wobei auch hier – soweit ich das übersehen konnte – Einigkeit darin bestand, dass die Stellungnahme der GEMA kaum ernst zu nehmen ist, vor allem, da sie inhaltlich an der Sache vorbeigeht – ich verweise hier vorläufig auf das bald erscheinende Wortlautprotokoll statt die Argumente alle widerzugeben.

Uneinigkeit bestand nach meinem Dafürhalten zwischen den Sachverständigen lediglich bei zwei Punkten: Die Vertreterin der Verbraucherzentrale fand eine Registrierungspflicht nicht so schlimm, was bei den übrigen Anwesenden auf Widerspruch stieß. Auch hier verweise ich im Einzelnen auf das Protokoll. Der zweite Punkt ist eine unterschiedliche rechtliche Bewertung der Rechtsfolgen einer Änderung des § 8 TMG. Dr. Frey vertrat die Auffassung, dass durch die Änderung Kleinstanbieter auch den Vorgaben des Telekommunikationsgesetzes (TKG), also Meldepflicht, Sicherheitskonzept, Fernmeldegeheimnis etc. unterfallen würden. Er sprach sich hier für eine Änderung auch im TKG im Sinne von de minimis-Regeln aus: Für kleine und Kleinstanbieter sollten Ausnahmen gelten, wie dies auch heute in Teilen schon der Fall ist (z.B. bei der TK-Überwachung)
Ich teile die Anregung von Dr. Frey, dass de minimis-Regeln eingeführt werden sollten. Allerdings sind nach meiner Auffassung diese Regelungen bereits heute dem Wortlaut der telekommunikationsrechtlichen Regelungen nach auf öffentlich zugängliche WLANs anwendbar. Eine Änderung in § 8 TMG würde hierauf keinen Einfluss haben. Die entsprechenden telekommunikationsrechtlichen Pflichten dürften im Übrigen auch relativ leicht zu erfüllen sein (s. dazu für Offene Netze wie z.B. Freifunk: Mantz, Rechtsfragen offener Netze, 2008, S. 63 ff., PDF, 14 MB).

Als Fazit der Anhörung ziehe ich für mich, dass offenbar die derzeitige Rechtslage praktisch übereinstimmend als unbefriedigend angesehen wird, und eine Neuregelung zwingend erfolgen sollte. Mir scheint das im Übrigen in weiten Teilen eigentlich auch bei den deutschen Parteien (auch auf Bundesebene) so zu sein. Schade ist, dass das Thema jetzt erstmal vom Tisch ist, nachdem die Bundesregierung die Chance nicht genutzt hat. Möglicherweise tut sich ja aber nach der Sommerpause und den Neuwahlen im September wieder etwas. Bis dahin besteht die Hoffnung, dass sich ein Umdenken in der Rechtsprechung zeigt.

Zu den Stellungnahmen für die SV-Anhörung „Störerhaftung und WLAN“, 3.7.2013, Landtag NRW

Mittlerweile sind für die Anhörung heute um 13h sieben Stellungnahmen online. Nach einer kurzen Durchsicht hat sich ergeben, dass sich im Grunde alle Sachverständigen einig sind, dass eine Änderung der Rechtslage (wenigstens zur Klarstellung) und damit eine Privilegierung auch von „nicht-klassischen“ oder „Nebenbei-“ Providern notwendig ist. Damit würden öffentlich zugängliche WLANs von der Haftung (auch bzgl. Unterlassungsansprüchen) ausgenommen. Allerdings sprechen sich alle Sachverständigen für eine Änderung in § 8 TMG aus.

Wie gesagt, sind sich alle Sachverständigen im Grunde einig. Insbesondere Filter- und Registrierungspflichten werden unisono abgelehnt.

Unterschiede ergeben sich – soweit meine kurze Durchsicht das gezeigt hat – im Hinblick auf die ggf. gesetzlich zu definierenden „Maßstäbe“, also diejenigen Maßnahmen, die Betreiber von WLANs ergreifen sollen. Dr. Frey von FREY Rechtsanwälte sieht hier z.B. eine Belehrung in Form einer vertraglichen Verpflichtung, sich an die Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes zu halten als sinnvoll an (Rn. 29).

Bisher sieht es also etwas anders aus als noch in der Anhörung des Bundestagsunterausschusses Neue Medien, wo auch kontroverse Standpunkte vertreten wurden. Allerdings haben sich noch nicht alle geladenen Sachverständigen bzw. Verbände positioniert und werden möglicherweise in der Anhörung heute ihre Position mündlich vertreten (oder die Stellungnahme nachreichen).

Der Landtag des Landes Nordrhein-Westfalen kann allerdings auf die vorgeschlagene Änderung in § 8 TMG nicht unmittelbar Einfluss nehmen. Die Bundesregierung hat eine Änderung erst kürzlich abgelehnt. Über eine weitere Bundesratsinitiative und/oder mittelbaren Einfluss auf die Gesetzgebung des Bundes, ggf. nach der Neuwahl im September kann die Initiative aber im Ergebnis doch Erfolg haben.

Ich bin gespannt auf die Fragen im Ausschuss.