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WLAN-Haftung: RefE zur (3.) Änderung des TMG in der Kurzanalyse

Das BMWi hat einen Referentenentwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes in die Verbändeanhörung geschickt (abrufbar bei Netzpolitik hier). Der Gesetzesentwurf soll (nun endlich) das Versprechen der Großen Koalition wahr machen, Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber herzustellen.

1. Der (geänderte Entwurfs-)Text

Zunächst einmal der (konsolidierte) geänderte Text von §§ 7 und 8 TMG:

§ 7 Allgemeine Grundsätze

(1) Diensteanbieter sind für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich.

(2) Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 sind nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.

(3) Verpflichtungen zur Entfernung von Informationen oder zur Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen aufgrund von gerichtlichen oder behördlichen Anordnungen bleiben auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 unberührt. Das Fernmeldegeheimnis nach § 88 des Telekommunikationsgesetzes ist zu wahren.

(4) Wurde ein Dienst der Informationsgesellschaft von einem Nutzer in Anspruch genommen, um das Recht am geistigen Eigentum eines anderen zu verletzen und besteht für den Inhaber dieses Rechts keine andere Möglichkeit der Verletzung seines Rechts abzuhelfen, so kann der Inhaber des Rechts von dem betroffenen Diensteanbieter nach § 8 insbesondere die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen, um die Wiederholung der Rechtsverletzung zu verhindern. Die Sperrung muss zumutbar und verhältnismäßig sein. Ein Anspruch gegen den Diensteanbieter auf Erstattung der vor- und außergerichtlichen Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung des Anspruchs nach Satz 1 besteht außer in den Fällen des § 8 Absatz 1 Satz 3 nicht.

§ 8  Durchleitung von Informationen

(1) Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie

  1. die Übermittlung nicht veranlasst,
  2. den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und
  3. die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben.

Sofern diese Diensteanbieter nicht verantwortlich sind, können sie insbesondere nicht wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers auf Schadensersatz oder Beseitigung oder Unterlassung einer Rechtsverletzung in Anspruch genommen werden; dasselbe gilt hinsichtlich aller Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung dieser Ansprüche.

Die Sätze 1 und 2 finden keine Anwendung, wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen.

(2) Die Übermittlung von Informationen nach Absatz 1 und die Vermittlung des Zugangs zu ihnen umfasst auch die automatische kurzzeitige Zwischenspeicherung dieser Informationen, soweit dies nur zur Durchführung der Übermittlung im Kommunikationsnetz geschieht und die Informationen nicht länger gespeichert werden, als für die Übermittlung üblicherweise erforderlich ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Diensteanbieter nach Absatz 1, die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen.

(4) Diensteanbieter nach § 8 Absatz 3 dürfen von einer Behörde nicht verpflichtet werden, vor Gewährung des Zugangs

  1. a) die persönlichen Daten von Nutzern zu erheben und zu speichern (Registrierung) oder b) die Eingabe eines Passworts zu verlangen oder
  2. das Anbieten des Dienstes einzustellen.

Davon unberührt bleiben Maßnahmen auf freiwilliger Basis.

2. Analyse

Der Gesetzesentwurf sieht Änderungen in §§ 7 und 8 TMG vor. Er ist systematisch nicht ganz einfach zu verstehen, auch bei den Formulierungen bleiben noch Fragen offen. Zu berücksichtigen sind insoweit auch die Vorgaben der europäischen Richtlinien, des EuGH (insbesondere in der Entscheidung „McFadden“), des BGH (insbesondere in der Entscheidung „Access Provider“) sowie der Umstand, dass die Regierungskoalition offenbar gewillt ist, nun endlich eine Lösung für die Störerhaftung herbeizuführen.

a. Störerhaftung

Zunächst einmal der wichtigste Punkt: Die Große Koalition hatte sich zum Ziel gesetzt, Rechtssicherheit für WLANs zu schaffen, indem die Störerhaftung ausgeschlossen wird. Am einfachsten wäre insoweit ein Ausschluss von Unterlassungsansprüchen gewesen. Den hatte der Gesetzgeber aber in seine letzte Änderung nicht hineingeschrieben (bzw. nur in die Gesetzesbegründung). Folgerichtig ignoriert z.B. das KG Berlin die letzte Gesetzesänderung.

Dieses Problem dürfte – mit einer Restunsicherheit, dazu unten – mit diesem Entwurf nun beseitigt sein.

Die Störerhaftung ist ein Rechtsinstitut, das aus § 1004 BGB abgeleitet wird und mittlerweile (für das Urheberrecht) in § 97 Abs. 1 UrhG kodifiziert ist. Der Anspruch ist – vereinfacht – gerichtet auf Unterlassung der Mitwirkung an einer Rechtsverletzung. Damit können insbesondere auch Intermediäre von der Störerhaftung betroffen sein. § 8 Abs. 1 S. 2 TMG-RefE schließt nun Unterlassungsansprüche ausdrücklich aus. Damit sollte die Störerhaftung für WLANs Geschichte sein. Denn der Rechteinhaber kann den Betreiber wegen § 8 TMG-RefE nicht mehr erfolgreich auf Unterlassung in Anspruch nehmen.

Warum bin ich mir nicht ganz sicher? Grund hierfür ist das Zusammenspiel zwischen § 7 Abs. 4 und § 8 Abs. 1 TMG-RefE: In § 7 Abs. 4 TMG-RefE wird ein vollständig neuer Anspruch geschaffen, nämlich einer auf Einrichtung von Websperren. Allerdings formuliert das BMWi hier offen:

[unter den Voraussetzungen in § 7 Abs. 4 S. 1 TMG-RefE …] kann der Inhaber des Rechts von dem betroffenen Diensteanbieter nach § 8 insbesondere die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen …

Das Problem ist hier das „insbesondere“. Dieses Signalwort deutet darauf hin, dass der Rechteinhaber nicht nur die Sperrung verlangen kann, sondern möglicherweise noch anderes – aber was? Auf der anderen Seite sieht § 8 Abs. 1 S. 2 TMG-RefE ausdrücklich einen Ausschluss von Unterlassungsansprüchen vor.

Der Gesetzgeber sollte also entweder erläutern, was er mit diesem „insbesondere“ meint, oder das Wort schlicht und einfach streichen. Mir fällt nämlich auch gar nicht ein, was für weitere Ziele des Anspruchs gemeint sein könnten. Es sollte mit dem neuen Gesetz klipp und klar sein, dass der Anspruch auf Unterlassung – und damit die Störerhaftung – ausgeschlossen ist, Hintertürchen sollten nicht offen bleiben.

 

Problematisch ist weiter, wie § 8 Abs. 4 TMG-RefE zu verstehen ist bzw. welche Folgen er hat. Nach § 8 Abs. 4 TMG-RefE sollen WLAN-Anbieter von einer Behörde nicht verpflichtet werden können, Nutzer zu registrieren, ein Passwort einzurichten oder das Anbieten des Dienstes einzustellen.

Mein erster Impuls war, dass das BMWi hier eigentlich meinte „von einer Behörde oder einem Gericht“, dass also auch Gerichte von WLAN-Anbietern die dort angeführten Maßnahmen nicht verlangen können. Dagegen spricht (teilweise) die Begründung. Auf S. 10 heißt es, dass nach dem neuen Absatz 4 WLAN-Betreiber nicht „behördlich“ verpflichtet werden dürfen. Andererseits steht im selben Absatz am Ende, dass verhindert werden soll, dass Betreiber aus Angst vor „Abmahnungen oder gerichtlichen Anordnungen“ ihren Dienst nicht anbieten.

Bisher sind (mir) gegenüber WLAN-Betreibern solche behördlichen Anordnungen nicht bekannt geworden. Problematisch waren bisher die gerichtlichen Verfahren und damit die gerichtlichen Anordnungen im Rahmen eines Unterlassungsanspruchs gestützt auf Störerhaftung.

Sinn ergibt die Regelung allerdings, wenn man das Zusammenspiel zwischen § 8 Abs. 3 und 4 TMG-RefE und § 7 Abs. 4 TMG-RefE beachtet. Der Gesetzesentwurf weist ausdrücklich mit Blick auf die EuGH-Entscheidung „McFadden“ darauf hin, dass der Entwurf eine Abwägung durchführt. Dem Rechteinhaber soll auf der einen Seite der Unterlassungsanspruch genommen werden, auf der anderen Seite wird ihm aber der Anspruch auf Einrichtung von Websperren nach § 7 Abs. 4 TMG-RefE eingeräumt. Dies stellt aus Sicht des BMWi den Ausgleich der betroffenen Interessen sicher. Die Gesetzesbegründung stützt diese Auslegung. Denn dort führt das BMWi aus, dass der EuGH gerichtliche Anordnungen zwar für zulässig erachtet habe, zwingend seien diese aber nicht (S. 8 des Entwurfs). Der Gesetzgeber entscheidet sich nun also für den Ausschluss gerichtlicher Anordnungen und im Gegenzug zur Einräumung eines Anspruchs auf Einrichtung von Websperren. Das ist gelebte praktische Konkordanz.

Wenn man dies im Hinterkopf hat, kann § 8 Abs. 1 S. 2 TMG-RefE nur so verstanden werden, dass Unterlassungsansprüche vollständig ausgeschlossen werden. Gerichte können in diesem Zusammenhang auch die in § 8 Abs. 4 TMG-RefE genannten Sicherungsmaßnahmen nicht anordnen. Gerichte können – bis auf die Einrichtung von Websperren – eigentlich keine Anordnungen mehr treffen, weshalb auch das „insbesondere“ in § 7 Abs. 4 TMG RefE zu streichen ist (siehe oben).

b. Websperren

In § 7 Abs. 4 TMG-RefE sieht der Entwurf wie gesagt eine neue Anspruchsgrundlage für Websperren vor. Mit dieser Neuregelung kodifiziert der Entwurf im Grunde die Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 26.11.2015 – I ZR 174/14, GRUR 2016, 268 – Access Provider, Analyse dazu hier).

aa. Voraussetzungen / Anwendungsbereich

Dem BGH folgend ordnet § 7 Abs. 4 TMG-RefE ausdrücklich eine Subsidiarität des Anspruchs an. Der Rechteinhaber muss daher zuvor vergeblich versucht haben, den Webseiteninhaber und den Host Provider zur Löschung zu bewegen. Erst dann kann er vom Access Provider die Einrichtung von Websperren verlangen.

Der Anspruch hängt weiter davon ab, dass ein „Dienst der Informationsgesellschaft von einem Nutzer in Anspruch genommen [wurde], um das Recht am geistigen Eigentum eines anderen zu verletzen.“ § 7 Abs. 4 TMG-RefE ist also ausdrücklich auf Rechte des geistigen Eigentums beschränkt. Beispielsweise wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen kann der Anspruch daher nicht geltend gemacht werden (vgl. dazu Mantz, EuZW 2016, 817, 820 m.w.N.).

bb. Anspruchsgegner

Problematisch ist insoweit, dass „Dienst der Informationsgesellschaft“ grundsätzlich weiter ist als „Diensteanbieter nach § 8 TMG“, also z.B. auch Host Provider umfasst. Mit anderen Worten, der Anspruch kann schon bestehen, wenn ein Nutzer rechtlich geschützte Werke von einer Webseite herunterlädt, weil er dann einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ genutzt hat. Wenn man nur das liest, könnte der Rechteinhaber gegen *alle* Access Provider vorgehen, über die ein Zugriff auf die Webseite möglich erscheint.

Der Anspruch besteht aber ausdrücklich nur gegen den „betroffenen Diensteanbieter nach § 8 TMG“. Das ist enger und dürfte nur den Access Provider betreffen, den der Nutzer konkret für seine Rechtsverletzung in Anspruch genommen hat. Diese Auslegung wird durch die Gesetzesbegründung gestützt. In dieser heißt es: „Konkret schafft § 7 Abs. 4 TMG[-RefE] eine Anspruchsgrundlage … gegen Dienstanbieter nach § 8 TMG, dessen Zugang von einem Nutzer … benutzt wurde …“

Es würde sich daher aus meiner Sicht empfehlen, den Gesetzeswortlaut des § 7 Abs. 4 TMG-RefE durchgängig auf den „Diensteanbieter nach § 8 TMG“ zu beschränken, um Unklarheiten zu vermeiden. Außerdem ist § 7 Abs. 4 TMG-RefE in § 7 TMG falsch verortet (dazu unten).

cc. Anspruchsziel

Der Rechteinhaber soll vom Access Provider („insbesondere“) die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen können.

Unklar ist, was das genau umfassen soll. Klar ist – auch wenn man das BGH-Urteil „Access Provider“ liest –, dass der Zugriff auf bestimmte (rechtsverletzende) Webseiten gesperrt werden soll. So könnten z.B. einzelne Torrent-Seiten oder eDonkey-Linklisten gesperrt werden.

Auf der anderen Seite stellt sich das BMWi allerdings vor, dass der Anbieter Portsperren einrichtet. Dies zielt wohl auf Tauschbörsen ab. Das Problematische an Portsperren ist, dass sie völlig wirkungslos sind und deshalb bisher im Rahmen der Störerhaftung auch überwiegend abgelehnt wurden (vgl. Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, 2014, Rn. 229 m.w.N.). Es ist leicht, die Ports eines Tauschbörsenprogramms umzustellen, sehr viel leicht als die vom BGH in der Entscheidung „Access Provider“ behandelte Umstellung des vom System genutzten DNS-Server (BGH, Urt. v. 26.11.2015 – I ZR 174/14, GRUR 2016, 268 Rn. 29, 46 ff. – Access Provider, dazu hier). Außerdem ist – wenn man die Wirksamkeit unterstellt – bei Portsperren ein Overblocking nicht zu verhindern. Denn Ziel der Portsperren ist es, den Datenverkehr einer Tauschbörse generell zu verhindern. Tauschbörsen dienen aber nicht nur dem Austausch rechtsverletzenden Materials. Vielmehr werden z.B. Linux-Distributionen über Bittorrent verteilt. Auch Windows-Updates werden tauschbörsen-ähnlich verteilt.

Im Übrigen richtet sich § 7 Abs. 4 TMG-RefE ja auch nicht nur gegen WLAN-Anbieter, sondern gegen alle Access Provider, der Gesetzgeber dürfte insoweit aber nur an den WLAN-Anbieter gedacht haben. Man wird aber von der Telekom nicht verlangen können, Portsperren einzurichten und damit potentiell Millionen von Kunden (wie oben dargestellt wenig effektiv) generell von Tauschbörsen auszuschließen. Die Telekom würde sonst nur ein kastriertes Internet anbieten. Ggf. wäre auch daran zu denken, ob dadurch nicht Verletzungen der Netzneutralität vorliegen.

Der Gesetzgeber täte dementsprechend gut daran, Portsperren nicht zu verlangen und auch nicht als Beispiel in die Gesetzesbegründung zu schreiben.

Ähnlich Portsperren wäre übrigens auch die Einrichtung des sog. Zapp-Scripts (s. dazu hier KG Berlin).

dd. Abwägung

Die Sperrung muss nach dem Gesetzeswortlaut technisch möglich, wirtschaftlich zumutbar und verhältnismäßig sein. Dabei ist im Einzelfall eine Interessenabwägung vorzunehmen.

Insbesondere will das BMWi ein Overblocking verhindern. Wie oben dargestellt, ist dies bei Portsperren immer der Fall. Der BGH hat insoweit bezüglich einer Linkliste ein Overblocking verneint, wenn lediglich 4% der auf der Webseite verlinkten Inhalte legal sind (BGH, Urt. v. 26.11.2015 – I ZR 174/14, GRUR 2016, 268 Rn. 54-56 – Access Provider).

Problematisch ist das Sperren von Webseiten insbesondere bei kleinen WLAN-Anbietern. Cafés, Freifunker etc. nutzen für das WLAN häufig relativ günstige WLAN-Router, das ist auch ein Teil der Erfolgsgeschichte öffentlicher WLANs und offenkundig politisch gewollt. Diese Router weisen in der Regel nur sehr wenig Speicher auf. Dementsprechend ist zwangsläufig auch die Größe einer Blacklist durch den Speicher begrenzt. Dem WLAN-Betreiber könnte daher, wenn die Blacklist bereits voll ist, die Einrichtung weiterer Sperren wirtschaftlich unzumutbar sein, die Abwägung fiele zu Lasten des Rechteinhabers aus.

Überhaupt ist fraglich, wie sinnvoll die Einrichtung von Websperren gerade bei WLANs ist. Denn Nutzer können künftig einfach ein anderes WLAN nutzen.

ee. (Selbst-)Zensurgefahr

Ein generelles Argument gegen Websperren ist die Gefahr von Selbstzensur (untechnisch gesprochen). Droht dem Betreiber eines Dienstes wegen der Rechtsverletzungen seiner Nutzer die Gefahr, dass er selbst Kosten tragen muss oder anders in die Haftung genommen wird, wird er im Zweifel eher geneigt sein, Sperrforderungen von Rechteinhabern nachzukommen, selbst wenn die Forderung möglicherweise unbegründet oder zu weitgehend ist. Denn vom Rechteinhaber droht ihm in der Regel mehr Ungemach als vom (angeblich rechtsverletzenden) nutzer. Diese Problematik zeigt sich insbesondere bei Löschforderungen nach dem „Recht auf Vergessenwerden“ bei Suchmaschinen, aber auch in anderen Zusammenhängen. Gerade kleinere Anbieter werden das Risiko, bei einer Abwägungsentscheidung falsch zu liegen, tendenziell zu Lasten ihrer Nutzer nicht eingehen.

Dies gilt auch für die hier betroffenen Websperren. Zu beachten ist insoweit allerdings, dass der Entwurf das Risiko der Betreiber deutlich minimiert (siehe zu den Kosten unten). Die Situation ist daher für den Betreiber – endlich Rechtssicherheit vorausgesetzt – bei Weitem nicht so bedrohlich wie vorher, als der Betreiber einem Unterlassungsanspruch und einem erheblich höheren Kostenrisiko ausgesetzt war. Ob der Anspruch nach § 7 Abs. 4 TMG-RefE angesichts der Kostenverteilung überhaupt häufig in Anspruch genommen werden wird, muss sich auch noch zeigen.

ff. Systematik

Der Anspruch auf Einrichtung von Websperren ist in § 7 TMG-RefE verortet, der allgemeine Regeln für die §§ 8-10 TMG enthält, obwohl sich der Anspruch nur gegen den Access Provider nach § 8 TMG richtet. Für die Host und Cache Provider (§§ 9, 10 TMG) hat § 7 Abs. 4 TMG-RefE seinem Wortlaut nach keine Bedeutung. Systematisch ist § 7 Abs. 4 TMG-Ref daher nach meiner Einschätzung falsch verortet. Hieraus resultieren zum Teil auch die oben dargestellten Auslegungsschwierigkeiten. Es wäre daher empfehlenswert, den Anspruch in § 8 TMG (z.B. als Absatz 5) zu ziehen.

d. Kosten, Rechtsverfolgungskosten

Spannend sind die Ausführungen zur Kostenverteilung: Access Provider sind nach der neuen Fassung von § 8 TMG-RefE von (fast) allen Kosten freigestellt. Da Ansprüche auf Unterlasssung nach § 8 Abs. 3 TMG-RefE ausgeschlossen sind, kann der Rechteinhaber weder Abmahnkosten, noch Schadensersatz (wie schon zuvor) verlangen und muss der Betreiber auch Gerichtskosten nicht tragen.

Im Hinblick auf den Anspruch auf Einrichtung von Websperren sieht der Entwurf vor, dass der Access Provider weder vorgerichtliche Kosten (für das Aufforderungsschreiben, Websperren einzurichten), noch die Anwaltskosten des Rechteinhabers im Gerichtsverfahren tragen muss. Wenn ein Anspruch nach § 7 Abs. 4 TMG-RefE geltend gemacht wird, beschränkt sich das Kostenrisiko des Betreibers daher auf die Gerichtskosten und die eigenen Anwaltskosten. Es bleibt abzuwarten, welche Streitwerte für den Anspruch nach § 7 Abs. 4 TMG-RefE angesetzt werden. Sie dürften aber (ggf. deutlich) unter dem Streitwert für einen Unterlassungsanspruch liegen.

Für den Rechteinhaber sinkt durch die Kostenregelung möglichersweise das Interesse an der Rechtsverfolgung. Denn er kann weder Abmahnkosten noch die Kosten seines Anwalts im Gerichtsverfahren aufgrund der Geltendmachung des Anspruchs nach § 7 Abs. 4 TMG-RefE verlangen. Wenn er diese Kosten nicht vom eigentlichen Täter ersetzt bekommt (worauf die Entwurfsbegründung ausdrücklich verweist), was eher unwahrscheinlich ist, bedeutet dies für ihn erhebliche Kosten.

Ob vor diesem Hintergrund vom Anspruch nach § 7 Abs. 4 TMG-RefE häufig Gebrauch gemacht werden wird, ist unklar.

3. Fazit

Der Gesetzesentwurf ist nicht ganz leicht zu verstehen. Wenn man ihn wie ich oben auslegt und ggf. noch etwas nachbessert, ist er aber schon geeignet, (endlich) Rechtssicherheit für WLANs herzustellen.

Der Anspruch auf Websperren (aber bitte nur auf konkrete Webseiten und nicht mit Portsperren) ist eine Kröte, die die (WLAN-)Anbieter dann möglicherweise schlucken müssen. Dabei ist zu beachten, dass der Gesetzesentwurf im Grunde nur umsetzt, was der BGH bisher im Rahmen der Störerhaftung ausgeurteilt hat – allerdings nun mit reduziertem Kostenrisiko für den Betreiber. Von daher sehe ich den Entwurf „vorsichtig positiv“.

Im Entwurf sind meiner Einschätzung nach jedenfalls folgende Änderungen vorzunehmen:

  • § 7 Abs. 4 TMG-RefE sollte in § 8 TMG gezogen werden.
  • Die Gesetzesbegründung sollte zur Klarstellung erwähnen, dass Unterlassungsansprüche vollständig ausgeschlossen sind und der Rechteinhaber (allein) auf den Sperranspruch nach § 7 Abs. 4 TMG-RefE verwiesen wird.
  • In § 7 Abs. 4 TMG sollte das „insbesondere“ gestrichen werden.
  • Portsperren sollten nicht als Beispiel genannt werden.

Links:

Die FAQ des BMWi zum WLAN-Gesetz

Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) hat auf seiner Webseite eine FAQ mit dem Titel „Mehr Rechtssicherheit bei WLAN – Potentiale der kabellosen Kommunikation nutzen“ eingestellt, die der Erläuterung des Referentenentwurfs zur Regelung der Haftung bei öffentlichen WLANs dienen soll. Im nachfolgenden Beitrag will ich kurz darauf eingehen (zum Referentenentwurf eingehend siehe schon hier und hier):

Über den Referentenentwurf zur WLAN-Haftung (im Folgenden RefE) ist schon einiges geschrieben worden, größtenteils – zu Recht – kritisch. Dabei war insbesondere kritisiert worden, dass der RefE zu weiterer Unsicherheit führt, insbesondere wegen des Begriffs der „Geschäftsmäßigkeit“ und den damit in Zusammenhang stehenden Änderungen des ersten Entwurfs vom 27.2.2015 zum RefE vom 11.3.2015.

Grundsätzlich halte ich es für begrüßenswert, dass das BMWi sich die Mühe macht, diese Kritik aufzugreifen und für Klarstellungen zu sorgen, obwohl dies eigentlich Aufgabe der Gesetzesbegründung im RefE gewesen wäre. Leider offenbaren aber auch die klarstellenden Erläuterungen ein Fehlverständnis von WLANs im Allgemeinen. Eine Änderung oder Verbessserungen enthält die FAQ jedenfalls nicht. Von daher bleibt es auch im Wesentlichen bei meinen bisherigen Einschätzungen.

1. Keine Vorratsdatenspeicherung und keine Registrierung (Nr. 1, 12)

Das BMWi stellt in Nr. 1 der FAQ klipp und klar, dass mit dem RefE eine Vorratsdatenspeicherung nicht einher geht.

Weiter stellt das BMWi klar, dass der Betreiber eines WLANs den Namen des Nutzers NICHT protokollieren, oder sogar nur registrieren müssen – und zwar ausdrücklich auch für Private!

Damit führt der RefE also keine Änderung zur bisherigen Rechtslage dar. Das LG München I hatte nämlich 2012 entschieden, dass ein WLAN-Anbieter nicht zur Registrierung seiner Nutzer verpflichtet werden darf (LG München I, Urt. v. 12.1.2012 – 7 HK O 1398/11, CR 2012, 605 m. Anm. Mantz; eingehend Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, Rn. 234).

Für Private antwortet das BMWi sogar nochmal explizit bei Frage Nr. 12:

Er muss – wie der geschäftsmäßige Betreiber – seinen Anschluss verschlüsseln und sich bestätigen lassen, dass der Nutzer keine Rechtsverletzungen begehen wird. Zusätzlich ist hier erforderlich, dass er den Nutzer, dem er sein WLAN überlassen will, namentlich kennt. Um es klar zu sagen: Er muss den Namen aber nicht protokollieren oder registrieren.

2. Verschlüsselung, IT-Sicherheit und Fernmeldegeheimnis (Nr. 3)

Nach dem RefE muss der Betreiber eines WLANs dieses zwingend verschlüsseln oder anders sichern. Das BMWi bleibt leider weiter schuldig, was „andere Maßnahmen“ sind. Es ist auch schwer vorstellbar, welche Maßnahmen einer Verschlüsselung gleichkommen sollte.

Beim Punkt Verschlüsselung offenbart sich nach meiner Auffassung der größte Pferdefuß des RefE: Wer sein WLAN verschlüsselt, schließt dadurch seine Nutzer aus. Das hat das BMWi leider – noch immer – nicht verstanden:

Die Verschlüsselung dient vor allem dem Interesse des WLAN-Betreibers selbst. Sie verhindert, dass Unbefugte über seinen Internet-Zugang surfen und auf seine Dateien zugreifen können. Darüber hinaus dient die Verschlüsselung dem Schutz des Kommunikationsgeheimnisses.

Ich kann es hier nur wiederholen: NEIN! Die Verschlüsselung dient NICHT dem Interesse des WLAN-Anbieters. Das BMWi verweist in Antwort Nr. 4 darauf, dass sie sich an der Rechtsprechung des BGH orientiert hätten. Nur leider hat der BGH sich bisher noch überhaupt nicht mit öffentlichen WLANs auseinander gesetzt, sondern allein rein private WLANs auf dem Tisch gehabt. Für ein öffentliches WLAN hätte er sicher keine Verschlüsselung gefordert, weil jedem, der mal eins genutzt hat, klar ist, dass er dann nicht mehr reinkommt.

Das BMWi vermischt hier zwei grundlegend verschiedene Dinge: IT-Sicherheit und die Frage der Haftung. Das eine hat mit dem anderen per se erst einmal nichts zu tun. Wer ein öffentliches WLAN betreibt, der kann sich selbst durch andere Maßnahmen schützen, was ich immer wieder schon dargestellt habe (hier und Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, Rn. 228). IT-Sicherheit kann also auch ohne Verschlüsselung hergestellt werden. Interessant wäre es allerdings, wenn man das BMWi beim Wort nähme: Man könnte nämlich vertreten, dass derjenige, der sein WLAN (ohne Verschlüsselung) durch unberechtigten Zugriff von außen sichert, „angemessene Maßnahmen“ i.S.v. § 8 Abs. 4 TMG-RefE ergriffen hätte. Leider verträgt sich das nicht mit dem Gesetzeswortlaut …

Das BMWi macht es in Frage Nr. 15 noch viel deutlicher:

Neben dem Anliegen der Freifunker hatte sie auch die Interessen von WLAN-Anbietern und -nutzern zu berücksichtigen, die einen Missbrauch ihrer Daten in freien Netzen befürchten.

Mir ist allerdings ein Missbrauch „meiner Daten“ in Freifunk-Netzen noch nicht bekannt geworden. Was öffentlich geworden ist, ist das Mithören von Datenverkehr in öffentlichen Hotspots. Und wenn man alle WLAN-Hotspots zumacht, kann natürlich auch keiner mehr mithören. Warum jetzt aber die Gefahr in Freifunk-Netzen besonders groß sein soll, erschließt sich mir nicht.

Ein anderer Punkt ist der des Schutzes des Fernmeldegeheimnis (eingehend zu Fernmeldegeheimnis und Datenschutz bei WLANs Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, Rn. 106 ff.). Es stimmt: Ein unverschlüsseltes WLAN führt dazu, dass Kommunikation durch andere mitgelesen werden kann. Es ist also zum Schutz des Fernmeldegeheimnis sinnvoll, das WLAN zu verschlüsseln. Das hat aber eben auch nichts mit der Haftung für die Rechtsverletzungen der Nutzer zu tun, denn die können das auch mit Verschlüsselung. Auch hier vermischt das BMWi verschiedene Dinge. Sicherheit der Kommunikation sollte vielmehr durch Endnutzerverschlüsselung hergestellt werden. Auch sollten WLAN-Anbieter darauf hinweisen, wenn der Datenverkehr ansonsten unverschlüsselt erfolgt.

3. Anmeldung (Nr. 14)

Eng mit der Verschlüsselungsfrage hängt nach meiner Einschätzung die Anmeldungsfrage zusammen. In Frage Nr. 14 lässt sich erkennen, wo die Gedanken des BMWi herkommen:

Bereits heute gibt es internationale kollektive Netzwerke wie z. B. „eduroam“, den Internetzugang für reisende Wissenschaftler, bei dem Studenten sich mit einer Zugangsberechtigung ihrer Heimateinrichtung an allen angeschlossenen Unis einloggen können. Vorstellbar ist, dass sich z. B. auch die Einzelhändler in einer Fußgängerzone zusammenschließen und dem Nutzer ihren Hotspot überlassen.

Hier zeigt das BMWi eine Alternative zur WPA2-Verschlüsselung auf (vermutlich ohne es zu wissen): 801.1X bzw. Radius. Die Anmeldung beim WLAN könnte in Zukunft daher nutzerzentriert erfolgen. Dass dafür ein wahnsinniger Aufwand erforderlich ist, den Universitäten wie bei „eduroam“ noch stemmen können, andere aber nicht, macht sich das BMWi nicht klar. Es hat die Vorstellung, dass Einzelhändler sich in einer Fußgängerzone zusammenschließen und für teures Geld solche Lösungen einkaufen. Das war ja bisher theoretisch auch möglich – hat nur keiner gemacht. WLANs sind deshalb so bestechend, weil sie einfach und günstig einzurichten und zu betreiben sind. Mit Lösungen à la „eduroam“ wird Deutschland nicht zum WiFi-Land.

4. Geschäftsmäßigkeit (Nr. 2, 8, 9)

Wie ich hier im Blog schon dargestellt hatte, ist der Begriff der Geschäftsmäßigkeit eigentlich relativ klar und konnte auch bisher schon auf alle möglichen WLANs halbwegs rechtssicher angewandt werden. Das Durcheinander kam dadurch, dass der erste RefE vom 27.2.2015 nicht eindeutig war. Dies hat das BMWi im Entwurf vom 11.3.2015 und nun mit der FAQ klar gestellt: Geschäftsmäßig ist jede auf gewisse Dauer angelegte, nachhaltige Tätigkeit bezeichnet, ohne dass es auf die Gewinnabsicht ankommt:

Als „geschäftsmäßig“ wird jede nachhaltige Tätigkeit bezeichnet, die auf Wiederholung gerichtet und auf eine gewisse Dauer angelegt ist – diese Tätigkeit muss nicht auf die Gewinnerzielung ausgerichtet sein. Weder ist für geschäftsmäßiges Handeln erforderlich, dass der Hauptzweck der Geschäftstätigkeit in der Überlassung von WLAN-Netzen besteht, noch dass der Internetzugang gegen Entgelt gewährt wird. Nicht als „geschäftsmäßige Tätigkeit“ gilt die nur gelegentliche private Betätigung.

Die Frage ist also, ob dauerhaft der Öffentlichkeit ein öffentlicher WLAN-Zugang gewährt werden soll. Wenn ja, dann liegt Geschäftsmäßigkeit vor. Der Gesetzgeber will offenbar nur rein private WLANs ausnehmen, die er als „gelegentliches“ Angebot bezeichnet. Der Gedanke dahinter scheint zu sein, dass der Private „gelegentlich“ sein WLAN Freunden oder Bekannten zur Verfügung stellt, aber eben nicht dauerhaft und ständig.

5. Freifunk (Nr. 2, 10, 11, 15)

Begrüßenswert ist weiter, dass die Bundesregierung zur Kenntnis genommen hat, dass sie für Freifunk ein großes Problem geschaffen hat. Sie stellt ausdrücklich klar, dass Freifunker in der Regel als geschäftsmäßige Anbieter anzusehen sind (so schon hier und dort in den Kommentaren), da sie WLANs „nachhaltig“ anbieten. Nicht geschäftsmäßig sind also nur rein private WLANs!

Bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs war der Bundesregierung das Interesse vieler Nutzerinnen und Nutzer an einer freien Nutzung offener WLAN, wofür sich z. B. der Freifunk e. V. einsetzt, wohl bewusst. Die Bundesregierung setzt bei der Neuregelung auf einen fairen Interessenausgleich. Neben dem Anliegen der Freifunker hatte sie auch die Interessen von WLAN-Anbietern und -nutzern zu berücksichtigen, die einen Missbrauch ihrer Daten in freien Netzen befürchten.

Dass das BMWi hier aber mehrere Dinge vermischt, habe ich oben schon dargestellt.

6. Recht am geistigen Eigentum und Strafverfolgung (Nr. 10)

Das BMWi erläutert den Hintergrund des RefE bei Nr. 10 noch näher:

Das Recht am geistigen Eigentum hat einen hohen Wert in Europa. Deswegen wollen wir seine Durchsetzung sicherstellen. Die vollständige Abschaffung der Störerhaftung hieße, dass jeder über das WLAN eines anderen ins Internet gehen, auf dessen Daten zugreifen und Urheberrechtsverletzungen oder Straftaten begehen könnte. Unsere Lösung ist daher das Ergebnis einer verantwortungsvollen Interessenabwägung – zwischen den Interessen der möglichen Hotspot-Anbieter und der Nutzer einerseits und dem Interesse der Inhaber von Urheberrechten und des Staates an einer effektiven Strafverfolgung andererseits.

Das BMWi wollte also einen Ausgleich schaffen. Und es hat recht damit, dass in Europa das Recht am geistigen Eigentum einen hohen Stellenwert hat. Es bleibt aber unklar, wie denn mit den von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen das Interesse der Inhaber von Urheberrechten und der Strafverfolgung geschützt wird. Wie sollen denn mit den Maßnahmen Rechtsverletzungen verhindert oder verfolgt werden? Der RefE wird daher nur dazu führen, dass WLANs zugemacht werden und Deutschland weiterhin als WiFi-feindliches Land gilt.

7. Einwilligung (Nr. 3, 6)

Zweitens muss [der Anbieter] sich vom Nutzer zusichern lassen, dass dieser keine Rechtsverletzungen über den WLAN-Anschluss begehen wird. Hierfür reicht beispielsweise schon, dass der Nutzer auf einer vorgeschalteten Seite den Nutzungsbedingungen mit einem Klick zustimmt.

Wichtig ist uns, dass eine Einwilligung des Nutzers erfolgt. Wie diese erfolgt, bleibt dem WLAN-Anbieter überlassen. Damit wir mit der Verbreitung von Hotspots in Deutschland schnell vorankommen, sollte und kann das Verfahren so einfach wie möglich sein: Eine Möglichkeit ist, dass der WLAN-Betreiber eine Vorschaltseite einrichtet, auf welcher der Nutzer den Nutzungsbedingungen mit einem Klick zustimmt. Er könnte aber auch die Nutzungsbedingungen für den WLAN-Zugang in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) integrieren und ein Passwort z. B. in der Speisekarte abdrucken, wie dies heute schon häufig praktiziert wird.

Das BMWi will also eine Einwilligung, egal in welcher Form. Z.B. mit einer Splash-Page. Dass das BMWi sich damit von den Vorgaben des BGH entfernt, wird leider nicht thematisiert. Und was diese Einwilligung bringen soll, – sie ist ja nur ein Placebo – bleibt leider auch unklar.

Zudem verliert das BMWi kein Wort dazu, dass eine solche Einwilligung per Splash-Page die Nutzer häufig verschreckt. Denn wer keinen Browser nutzt, sondern nur mal mit dem E-Mail-Programm nach E-Mails gucken will, erhält nur eine Fehlermeldung, weil die Verbindung (üblicherweise mit brachialen Methoden) auf einen internen Server umgeleitet wird. Das BMWi sollte vielleicht beim nächsten Mal jemanden fragen, der sich damit auskennt.

8. Kosten (- keine – Nr.)

Leider erläutert die FAQ auch überhaupt nicht, wie es denn mit den Kosten für die Maßnahmen bestellt ist, die das BMWi gerne hätte. Denn fast alle bisher bestehenden öffentlichen WLAN-Hotspots müssen umgebaut werden – auch die der öffentlichen Hand. Mit „Keine Kosten“ wie es im Gesetzesentwurf steht ist es also nichts.

9. Fazit: Was will uns der Gesetzgeber sagen und wohin wird es führen?

Für mich persönlich verfestigt sich das Bild. Der Gesetzgeber möchte mehr WLANs, zielt aber eigentlich auf ein Weniger an WLAN-Nutzung ab, weil über WLANs Rechtsverletzungen begangen werden könnten.

Das WLAN soll verschlüsselt werden, um Nutzer vom WLAN abzuhalten. Der Private soll den Namen kennen, damit auf sozialer Ebene eine „Kontrolle“ stattfindet. Leider hat der Gesetzgeber bisher noch nicht verstanden, dass sich das mit dem Ziel der Verbreitung von WLANs vollständig beißt.

Das Gesetz wird zu einem WLAN-Sterben führen, wenn es nicht einfach ignoriert oder umgangen wird – was im Übrigen technisch nicht schwer ist. Darüber hinaus wird das Gesetz dazu führen, dass Anbieter wie die Deutsche Telekom oder Lancom mehr ihrer teuren Lösungen verkaufen können.

Das Ziel der Digitalen Agenda, die Verbreitung von WLANs zu fördern, wird das Gesetz jedenfalls deutlich verfehlen. Von daher bleibt es auch nach der FAQ dabei: Besser, wenn das Gesetz nicht kommt. Die Rechtsprechung hat da (endlich) viel bessere Lösungen parat.

Der WLAN-Gesetzesentwurf der Bundesregierung (§ 8 TMG) im Detail – ein zweiter Blick – oder doch lieber weggucken?

Lange wurde über den bevorstehenden Gesetzesentwurf zur Regelung der Haftung für den Betrieb eines öffentlichen WLAN-Knotens spekuliert – nun liegt der Referentenentwurf (RefE) (endlich) vor (bei Netzpolitik als PDF). Vorher hatte Spiegel Online ein paar Stellen aus dem RefE zitiert, die ich hier im Blog kurz dargestellt hatte.

Ich möchte nun ein wenig näher auf die Regelung des Gesetzesentwurfs zu § 8 TMG (im Folgenden: § 8 TMG-RefE) eingehen. Außerdem gibt es schon einige Stimmen und Berichte zu dem Gesetzesentwurf, die vielleicht bei der Einordnung helfen können.

1. Rückblick

Zunächst aber ein kurzer Rückblick: Die Frage der Haftung für Rechtsverletzungen der Nutzer eines WLANs ist seit 2006 ein Problem, als das Landgericht Hamburg (für einen durch eine Privatperson ohne Verschlüsselung betriebenes WLAN) entschied, dass der Betreiber als Störer hafte (LG Hamburg MMR 2006, 763 – PDF). Danach kam einiges an Rechtsprechung in die eine oder andere Richtung. Das OLG Frankfurt beispielsweise teilte in einem Urteil im Jahr 2008 die Auffassung des LG Hamburg nicht und wies eine auf die Störerhaftung gestützte Klage ab (OLG Frankfurt MMR 2008, 603 – PDF). Der BGH wiederum nahm eine Störerhaftung des privaten Betreibers eines WLANs in seiner Entscheidung „Sommer unseres Lebens“ im Jahr 2010 an, weil das WLAN nicht hinreichend verschlüsselt gewesen sei (BGH MMR 2010, 565 – Sommer unseres Lebens – PDF).

Diese Entscheidungen waren ausnahmslos zu Privatpersonen ergangen. Es stellte sich also insbesondere die Frage, die eigentlich die Haftungssituation bei WLANs ist, die ganz bewusst an die Öffentlichkeit gerichtet werden – also WLAN-Hotspots. Diese Unsicherheit hat den Aufbau von öffentlichen WLANs zunächst ganz erheblich behindert. Wer ein WLAN aufbauen wollte, sah sich zuerst mit der Frage konfrontiert, ob er denn nicht für alles haftet, was seine Nutzer über das WLAN tun. Ich habe diese Situationen sowohl in der (anwaltlichen) Beratung als auch bei meinen Vorträgen beim Freifunk immer wieder erlebt.

Verschärft wurde diese Situation dadurch, dass der BGH die Privilegierungen in §§ 8-10 Telemediengesetz (TMG) nicht auf Unterlassungsansprüche anwenden wollte, weshalb Ansprüche nach Störerhaftung nicht darunter fallen sollten.

a. Erster Entwurf: Digitale Gesellschaft e.V. / DIE LINKE

2012/2013 erreichte die Diskussion einen vorläufigen Höhepunkt, als der Digitale Gesellschaft e.V. einen Gesetzesentwurf zur Regelung der Haftung von WLAN-Betreibern vorlegte, den die Partei DIE LINKE in den Bundestag zur Abstimmung einbrachte (BT-Drs. 17/11137, PDF). Die SPD brachte ebenfalls ein Papier in den Bundestag ein, allerdings ohne konkrete Regelung, sondern nur als Prüfungsauftrag.

Der Entwurf des Digitale Gesellschaft e.V. sah vor, dass § 8 TMG (der die Haftungsprivilegierung für Access Provider enthält) um folgende Absätze 3 und 4 erweitert werden sollte:

(3) Der Ausschluss der Verantwortlichkeit (Absatz 1) umfasst auch gewerbliche und nichtgewerbliche Betreiber von Funknetzwerken, die sich an einen nicht im Voraus namentlich bestimmten Nutzerkreis richten (öffentliche Funknetzwerke).

(4) Der Ausschluss der Verantwortlichkeit (Absatz 1) umfasst auch Ansprüche auf Unterlassung.

Der Gesetzesentwurf wurde im Bundestag mit großer Mehrheit abgelehnt (näher zur Begründung und zum Hintergrund hier). Es dürfte nicht zu weit hergeholt sein, als Ursache zu vermuten, dass der Entwurf von der LINKEN in den Bundestag eingebracht worden war.

b. Koalitionsvertrag und Digitale Agenda

Nachdem der Gesetzesentwurf gescheitert war, wurde es zunächst etwas ruhiger um das Thema. Es kam aber nach der Bundestagswahl 2013 wieder aufs Tapet. Schon im Rahmen der Koalitionsverhandlungen von SPD und CDU/CSU wurde öffentlich diskutiert. Als Ergebnis fand sich die folgende Passage im Koalitionsvertrag:

Die Potenziale von lokalen Funknetzen (WLAN) als Zugang zum Internet im öffentlichen Raum müssen ausgeschöpft werden. Wir wollen, dass in deutschen Städten mobiles Internet über WLAN für jeden verfügbar ist. Wir werden die gesetzlichen Grundlagen für die Nutzung dieser offenen Netze und deren Anbieter schaffen. Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber ist dringend geboten, etwa durch Klarstellung der Haftungsregelungen (Analog zu Accessprovidern). Dadurch haften WLAN-Anbieter nicht mehr für Rechtsvergehen von Usern, die den öffentlichen Zugang nutzen. Gleichzeitig werden wir die Verbraucherinnen und Verbraucher über die Gefahren solcher Netze für sensible Daten aufklären. Gleichzeitig werden wir die Verbraucherinnen und Verbraucher über die Gefahren solcher Netze für sensible Daten aufklären.

Neben der Klärung der rechtlichen Fragen möchten wir die Etablierung heterogener, frei vernetzter und lokaler Communities und ihrer Infrastrukturen forcieren. Durch die Förderung dieser sowie von Ad-hoc-Netzwerken im Rahmen der F&E-Strategie sollen lokale, dezentrale Netzwerke unterstützt werden, die eine komplementäre Infrastruktur für einen fest definierten Nutzerkreis umfassen. Damit verbessern wir die infrastrukturellen Rahmenbedingungen für den Zugang zu leistungsfähigem Internet für alle.

Diese Äußerungen haben viel an Klarheit vermissen lassen (s. eingehend dazu hier), mein Fazit damals war (verkürzt): Lasst uns auf den Entwurf warten.

c. Ankündigung des Referentenentwurfs und Vorstellung der Digitalen Agenda – verfrühte Diskussionen?

Im Juli 2014 wurde dann endlich ein Gesetzesentwurf angekündigt. Sigmar Gabrel hatte gegenüber der Rheinischen Post ein paar Dinge zum geplanten Gesetzesentwurf fallen lassen (dazu die Süddeutsche). Die Süddeutsche nannte folgende Stichpunkte:

  • Gesetzentwurf will Störerhaftung lockern
  • Cafés und Hotels sollen ihre Wlan-Zugänge für Gäste öffnen können
  • Privatpersonen bleiben von dieser Regelung ausgeschlossen

Und damit ging die Diskussion los:

Netzpolitik fragte: „Luftnummer voraus? Bundesregierung will Störerhaftung wohl nur für kommerzielle WLANs abschaffen“.

Der Förderverein Freie Netze e.V. ging mit einer Stellungnahme „Auch Privatpersonen brauchen eine rechtlich zuverlässige Haftungsfreistellung!“ in die Offensive.

Als der Gesetzesentwurf dann angeblich im August fertig war, titelte z.B.

  • usw.

Im Rahmen der Vorstellung der Digitalen Agenda haben die drei „Internetminister“ nochmal für zusätzliche Verwirrung gesorgt. In der Digitalen Agenda heißt es zu der Thematik (mehr dazu hier):

Wir werden die Verbreitung und Verfügbarkeit von mobilem Internet über WLAN verbessern. Dabei werden wir darauf achten, dass die IT-Sicherheit gewahrt bleibt und keine neuen Einfallstore für anonyme Kriminalität entstehen. Wir werden Rechtssicherheit für die Anbieter solcher WLANS im öffentlichen Bereich, beispielsweise Flughäfen, Hotels, Cafés, schaffen. Diese sollen grundsätzlich nicht für Rechtsverletzungen ihrer Kunden haften. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf werden wir in Kürze vorlegen.

Der Digitale Gesellschaft e.V. hat diese Äußerungen scharf kritisiert und nochmal auf seinen Entwurf von 2012/2013 hingewiesen:

Vor diesem Hintergrund erscheint naheliegend, dass die “zumutbaren Pflichten” gerade die Identifizierung der Nutzerinnen und Nutzer und/oder eine permanente Überwachung der über einen offenen WLAN-Zugang laufenden Datenströme umfassen sollen. Solche Pflichten würden WLAN-Betreiber mit großer Wahrscheinlichkeit dazu veranlassen, ihr WLAN weiterhin zu verschlüsseln und für Dritte unzugänglich zu halten. Dem Ziel eines allgemein verfügbaren offenen Netzzugangs wäre damit ein Bärendienst erbracht.

Auch sonst ist der Entwurf auf breite Kritik gestoßen, eine Übersicht an Kommentaren und Kritik findet sich bei Netzpolitik.org.

Andererseits habe ich – allerdings vor der Vorstellung der Digitalen Agenda – immer wieder Stimmen gehört, dass die Regelung eben noch nicht fertig sei, dass noch nicht klar sei, was für die Haftung von Privatpersonen im Ergebnis gelten solle, etc.

d. Zweiter Anlauf: Digitale Gesellschaft e.V. / Die Grünen / Die LINKE

Im November 2014 haben dann die Grünen und die LINKE erneut den Gesetzesentwurf des Digitale Gesellschaft e.V. in den Gesetzgebungsprozess eingebracht (BT-Drs. 18/3047) – wieder ohne Erfolg.

Die CDU wiederum sprach sich auf ihrem Parteitag im Dezember 2014 wieder für eine Förderung öffentlicher WLANs und eine klar gesetzliche Regelung aus. Wie genau die Beschlüsse der CDU  auszulegen waren, darüber bestand (zumindest bei mir) Unsicherheit.

3. Der Gesetzesentwurf im Detail

Nun ist der Gesetzesentwurf also endlich da (bei Netzpolitik als PDF). Dabei muss vorweg angemerkt werden, dass es sich (1) um einen Referentenentwurf handelt, also noch nicht endabgestimmt ist, und (2) einzelne Passagen im Entwurf sogar ganz ausdrücklich noch diskutiert werden sollen, insbesondere § 8 Abs. 5 TMG-RefE. Es ist also noch nicht gesagt, dass der Gesetzesentwurf überhaupt und in dieser Form kommen wird.

Ich möchte ein wenig näher auf den Gesetzesentwurf eingehen. Außerdem gibt es schon einige Stimmen und Berichte zu dem Gesetzesentwurf, die vielleicht bei der Einordnung helfen können.

a. Hintergrund

Deutschland hat ein WLAN-Problem. Die Verbreitung von Breitband ist in Deutschland unterentwickelt – trotz hoher Priorität seit vielen Jahren. Eine Lösung hierfür kann die flächendeckende oder wenigstens weitgehende Verbreitung von öffentlichen WLANs sein. Das erkennt die Bundesregierung, wie man der Gesetzesbegründung entnehmen kann:

In Hotels, aber zunehmend auch in Innenstädten, Cafés, Flughäfen und Wartebereichen im Allgemeinen wird die Verfügbarkeit des Internets über WLAN mittlerweile vorausgesetzt. In Deutschland ist dies weitaus weniger verbreitet als in vielen anderen Ländern. Eine Ursache hierfür liegt darin, dass potentielle Anbieter von WLAN-Internetzugängen aufgrund von Haftungsrisiken aufgrund der unklaren Rechtslage verunsichert sind.

Hier soll der RefE helfen:

Die Haftung der Anbieter von WLAN-Internetzugängen für Rechtsverletzungen ihrer Nutzer ist im Telemediengesetz zu präzisieren. Hierzu ist zum einen klarzustellen, dass solche Anbieter Zugangsanbieter im Sinne des TMG sind. Des Weiteren ist klarzustellen, dass für Anbieter von WLAN auch eine Haftung als Störer nicht in Betracht kommt, wenn diese bestimmte, im Gesetz zumindest beispielhaft aufzuführende, Sorgfaltspflichten erfüllt haben.

b. Klarstellung: WLANs unterfallen § 8 TMG

Das Gute des Entwurfs vorweg: Er stellt in § 8 Abs. 3 TMG-RefE klar, dass WLAN-Anbieter von der Privilegierung im TMG profitieren sollen. Das war in der juristischen Literatur wie hier mehrfach erwähnt einhellige Meinung (näher Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, 2014, Rn. 211 m.w.N.). Auch die deutschen Gerichte haben im Jahr 2014 angefangen, diese Auffassung zu übernehmen (vorher waren sie dem Problem vorher aus dem Weg gegangen), namentlich

Bis zu diesem Punkt entspricht der RefE weitgehend demjenigen des Digitale Gesellschaft e.V.

c. Sicherungsmaßnahmen: Von Verschlüsselung und anderen Ungereimtheiten, § 8 Abs. 4 TMG-RefE

Problematisch wird es aber in § 8 Abs. 4 TMG-RefE. Dieser soll lauten:

Diensteanbieter, die den Internetzugang nach Absatz 3 anlässlich einer geschäftsmäßigen Tätigkeit oder als öffentliche Einrichtung zur Verfügung stellen, haften nur dann nicht als Störer auf Unterlassen, wenn zumutbare Maßnahmen ergriffen wurden, um eine Rechtsverletzung durch Dritte zu verhindern. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Diensteanbieter

a) angemessene Sicherungsmaßnahmen, in der Regel durch Verschlüsselung oder vergleichbare Maßnahmen, gegen den unberechtigten Zugriff auf den Internetzugang mittels WLAN durch außenstehende Dritte vorgenommen hat und

b) Zugang zum Internet nur dem Nutzer gewährt wurde, der eingewilligt hat, im Rahmen der Nutzung keine Rechtsverletzungen zu begehen.

Der Absatz birgt nach meiner Auffassung einen bunten Strauß an Problemen, die teilweise mit der vorangegangenen Rechtsprechung des BGH und teilweise mit möglicherweise fehlendem Verständnis der Verantwortlichen von der Funktionsweise von WLANs zu tun haben dürfte.

aa) Verschlüsselung

Was mir in der Debatte um WLANs schon seit Jahren immer wieder negativ aufstößt, ist der nicht zu beseitigende Glaube, dass Verschlüsselung von WLANs ein Allheilmittel sei. Angefangen hat dies im Jahr 2006, als das LG Hamburg den Inhaber eines privaten WLANs in die Störerhaftung nahm, weil er sein WLAN nicht verschlüsselt hatte (LG Hamburg MMR 2006, 763). Und im Jahr 2010 griff der BGH dies auf und postulierte, dass der (wieder private) Betreiber eines WLANs doch ein Eigeninteresse daran hätte, das WLAN sicher zu verschlüsseln. In der Begründung des Gesetzesentwurfs liest sich das dann so:

Erste Voraussetzung für eine Befreiung von der Störerhaftung ist, dass der WLAN-Betreibersein Funknetz in angemessener Form technisch gegen die Nutzung durch Unberechtigte sichert. Einem Diensteanbieter, der mit dem WLAN einen Zugang zum Internet eröffnet, ist dies zumutbar, da er. andernfalls eine potentielle Gefahrenquelle zur Begehung rechtswidriger Taten schafft, ohne noch die Kontrolle darüber zu haben, wer sich über sein WLAN Zugang zum Internet verschafft hat. Diese Voraussetzung stellt sicher, dass niemand ohne Einverständnis des Anschlussinhabers dessen WLAN nutzen kann. Insbesondere vor dem Hintergrund zunehmender Cyberkriminalität dürfte sie auch dem ureigensten Interesse des Anschlussinhabers entsprechen. Denn so wird gewährleistet, dass seine Daten so weit wie möglich gegen den Zugriff durch Unbefugte gesichert werden. Der Diensteanbieter genügt dieser Verpflichtung in der Regel, wenn er seinen Anschluss verschlüsselt. Mit der Formulierung „oder vergleichbare Maßnahmen“ wird die gebotene Technologieneutralität sichergestellt.

Diese (irrige, s. sogleich) Auffassung hat leider auch in der juristischen Literatur einige überzeugt (so Eichelberger, in: Hoeren/Bensinger, Haftung im Internet, 2014, Kap. 4 Rn. 122).

Zunächst sollte man sich hier wieder vor Augen halten, was der Gesetzesentwurf bewirken soll: Die Verbreitung öffentlicher WLANs, damit Deutschland überall und jederzeit auf Internet-Verbindungen zugreifen können.

Verschlüsselung ist aber genau das Gegenteil von Öffentlichkeit. Verschlüsselung behindert Öffentlichkeit! Verschlüsselung verhindert Öffentlichkeit!

Nach meiner Auffassung zeugt die Ansicht, Verschlüsselung sei gut für WLAN-Betreiber davon, dass sich jemand noch überhaupt nicht in ein öffentliches WLAN eingebucht hat.

Hier nur zwei (fiktive, aber gleichwohl realistische) Beispiele, die jeder, der Verschlüsselung hier sinnvoll hält, durchdenken möge:

Beispiel 1: Die Bahn

Sagen wir, ein Fahrgast möchte mit der Deutschen Bahn fahren, z.B. von Berlin nach Hannover, mit dem ICE. Die Fahrt dauert rund 1:40h. Der Fahrgast steigt also in Berlin Hbf in den ICE ein, er sucht seinen Platz, macht es sich bequem. Der Zug fährt los. Er holt nach einigen Minuten seinen Laptop heraus, weil er nach E-Mails sehen oder (mittels VPN verschlüsselt!) arbeiten möchte. Er klickt auf das WLAN-Symbol und sieht das WLAN „T-Mobile_ICE“. „Super“, denkt er sich, „Die Bahn hält, was sie verspricht, es gibt ein WLAN.“ Er klickt auf „T-Mobile_ICE“ und erhält folgende Aufforderung:

             Bitte geben Sie das WPA2-Passwort für „T-Mobile_ICE“ ein.

Was tut der Fahrgast? Er rauft sich die Haare! Woher bitte soll er denn das WLAN-Passwort kennen?

Also wartet er ungeduldig auf den Schaffner. Das dauert eine Weile, der Zug hält in Stendal. Kurz darauf kommt der Schaffner. Auf die Frage sagt er: „Stimmt, das WLAN-Passwort. Ja, das habe ich mir vorgestern aufgeschrieben. Es lautet: ‚idsfj8843hnsdfks834n,,sdf872n4jm239sdfhj234988zsdfnlw‘. Hier, behalten Sie den Zettel.“ Und weg ist er.

Also gibt unser Fahrgast das Passwort ein. Ergebnis: Passwort falsch.

Kurz nach Wolfsburg erscheint der Schaffner erneut. Auf die Nachfrage nach dem richtigen Passwort sagt der: „Ach stimmt, wir ändern das Passwort ja alle paar Tage, sie wissen, das Telemediengesetz und so … Das aktuelle Passwort weiß ich jetzt auch nicht. Fragen Sie mal nach Hannover, da wechselt das Team …“

Beispiel 2: Der Tourist in Berlin

Noch ein Beispiel. Wir stellen uns einen ausländischen Besucher vor, idealerweise sogar von außerhalb der EU, nennen wir ihn Tourist X. Tourist X steht vorm Alex. Er macht ein Selfie und denkt sich: „Das muss ich gleich meinen Freunden auf Facebook zeigen!“ Er erkennt schräg über den Platz hinweg an einem Café ein Schild mit „Free WiFi“. „Super“, sagt er sich, und geht in die Nähe des Cafés. Er klickt auf das WLAN-Logo, findet dort „Free WiFi Café Y“ und klickt darauf – und wird nach dem Passwort gefragt. Vollkommen frustriert steckt er das Mobiltelefon wieder ein und hüpft in den nächsten Touristenbus. Er denkt sich: „Dann wohl doch die Dia-Schau, wenn ich wieder zu Hause bin. Diese Deutschen sind wirklich rückständig.“

 

Ich denke, dass diese beiden Beispiele vielleicht etwas überzeichnet sind, aber dennoch der Realität entsprechen. Es ist durch Umfragen belegt, dass Hürden bei WLANs einen Großteil der potenziellen Nutzer von der Nutzung abhalten. Das hat für die Betreiber von WLANs erhebliche Folgen, da sie vielleicht nicht ausreichend Nutzer generieren können, um wirtschaftlich arbeiten zu können, oder bei „Nebenbei-WLANs“ den eigentlichen Zweck zu erreichen, nämlich die Kunden im eigenen Geschäft zu halten.

Wer jetzt denkt, dass man das WLAN-Passwort doch beim Abschluss eines Vertrages „offline“ mitteilen könne, der irrt in mehrfacher Weise. Denn WLAN-Verträge sind gänzlich anders als Mobilfunkverträge. Sie sind lokal stark gebunden. Der Nutzer müsste also für jedes lokale WLAN (vorher!) einen separaten Vertrag schließen, in dessen Rahmen er Zugangsdaten erhält. Wenn es danach ginge, hätte ich mich schon bei rund 1.000 WLAN-Betreibern anmelden müssen …

Und wenn das WPA-Passwort sich ändert, z.B. weil alte Nutzer aus dem WLAN ausgeschlossen werden sollen? Nächster Schritt: Es gibt ja auch Lösungen mit Benutzername und Kennwort, wie z.B. RADIUS bzw. 802.1X. So könnte jeder Nutzer eine eindeutige Kennung erhalten. Aber auch das erfordert eine vorangegangene Anmeldung außerhalb des WLANs. Und Touristen, die mal eben in Berlin oder anderswo sind, sind damit komplett außen vor. Wollen wir das?

Alternative?: Splash

Was ich mit all den Ausführungen oben verdeutlichen wollte: Der geringste Teil aller öffentlichen WLANs ist verschlüsselt! Auch nicht das WLAN der Deutschen Bahn. Da ist das WLAN offen, aber wenn ich einmal im WLAN drin bin, kann ich mich anmelden.

Nur so funktionieren auch die derzeit weitverbreiteten Modelle, bei denen der Nutzer 30 Minuten bis 1 Stunde kostenlos surfen kann und erst anschließend zahlt. Mit Verschlüsselung könnte ich das so nicht realisieren.

Die Alternative ist daher ein unverschlüsseltes WLAN mit einem Splash zur Anmeldung – oder auch ohne.

(zum ganzen Komplex „Verschlüsselung“ s. auch Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, 2014, Rn. 228 m.w.N.)

bb) Sicherheit

Damit kommen wir direkt zum nächsten Punkt. Die Bundesregierung glaubt, dass ein unverschlüsseltes WLAN automatisch unsicher sei. Deshalb habe der Betreiber ein Eigeninteresse, sein WLAN zu verschlüsseln (so BGH MMR 2010, 565 – Sommer unseres Lebens). Das mag für den Plaste-Router von 2006 zu Hause richtig sein. Es ist aber technisch völlig problemlos möglich, ein öffentliches WLAN aufzuspannen und trotzdem seine Daten und den WLAN-Router völlig sicher zu halten. Fritzboxen (und andere WLAN-Router) bieten schon seit Jahren die Möglichkeit, zwei WLANs aufzuspannen: Eines für die Familie zu Hause. In diesem kommt man auch ins lokale Netz und auf den Heimmedienserver, kann den Fernseher und die Lampentechnik bedienen. Und ein zweites WLAN für den Gast. Und der kann nur ins Internet.

Auch der WLAN-Router selbst kann ohne Weiteres abgesichert werden. Dafür schaltet man einfach ein Admin-Passwort (nicht zu verwechseln mit Verschlüsselung) und lässt die Konfiguration des Routers nur über ein LAN-Kabel zu. Schwupp, ist der eigene WLAN-Router und sind die eigenen Daten im lokalen Netzwerk sicher.

Der einzige Fall, in dem die Verschlüsselung etwas bringt, ist das private WLAN, das – z.B. aufgrund Unwissenheit des Inhabers – nicht weiter gesichert ist und so den Zugang aller Nutzer ins lokale Netz erlaubt. Ich glaube nicht, dass die Bundesregierung ein Gesetz nur für die machen wollte. Denn diese WLAN-Inhaber wissen ohnehin nicht, dass sie verschlüsseln sollten oder müssten. Ein TMG-RefE ändert daran sicher nichts.

Mit anderen Worten: Verschlüsselung in öffentlichen WLANs braucht keiner. Sie ist kontraproduktiv! Sie hat mit Cybersicherheit nichts zu tun.

cc) Der „berechtigte Nutzer“

Der Gesetzesentwurf wirft aber auch rechtsmethodisch noch ein paar Probleme auf. Nach § 8 Abs. 4 lit. a) TMG-RefE soll der „unberechtigte Zugriff auf den Internetzugang mittels WLAN“ verhindert werden. Jetzt stellt sich die Frage, was das denn ist. Die Begründung verhält sich dazu – mit Ausnahme der obigen Sicherheitsaspekte – nicht dazu. Wenn ich aber ein öffentliches WLAN betreibe und möchte es allen potenziellen Nutzern öffnen, dann ist doch jeder, der dieses Angebot nutzt, ein „berechtigter“ Nutzer. Das ist so ähnlich wie bei Kaufhäusern, deren Türen den Kunden offen stehen.

Mit Verschlüsselung oder anderen Maßnahmen halte ich alle Kunden weg, nicht nur die unberechtigten.

dd) Geschäftsmäßig

Auch interessant ist die Einschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs von § 8 Abs. 4 TMG-RefE (gegenüber § 8 Abs. 5 TMG-RefE). Privilegiert werden nur diejenigen Betreiber, die „anlässlich einer geschäftsmäßigen Tätigkeit oder als öffentliche Einrichtung“ ihr WLAN zur Verfügung stellen.

Gemeint sein sollen also Anbieter, die entweder eine andere geschäftsmäßige Tätigkeit verfolgen, oder bei denen das WLAN selbst geschäftsmäßig angeboten wird (wenn man das anders sähe, würden Anbieter, die ausschließlich WLANs anbieten, aus dem Anwendungsbereich herausfallen, das ist sicher nicht gewollt).

Der Begriff „geschäftsmäßig“ taucht in § 2 Abs. 1 Nr. 2 TMG beim „niedergelassenen Diensteanbieter“ auf.

Sie wird definiert als das „nachhaltige, auf Dauer angelegte Angebot“ (Spindler/Schuster-Holznagel/Ricke, Recht der elektronischen Medien, 2. Aufl. 2011, § 2 TMG Rn. 5, § 5 TMG Rn. 8; vgl. auch zu § 3 Nr. 10 TKG BeckTKG-Schütz, 4. Aufl. 2013, § 3 Rn. 33; Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, 2014, Rn. 34 m.w.N.). Eine Gewinnerzielungsabsicht oder ähnliches ist damit nicht verbunden. Es geht nur darum, ob der Dienst „dauerhaft“ angeboten wird.

Geschäftsmäßig im Wortsinne wäre daher auch das von einer Privatperson dauerhaft angebotene WLAN. Das scheint der Gesetzgeber nicht zu wollen, wie man § 8 Abs. 5 TMG-RefE mit Phantasie entnehmen kann. Dann bleibt aber § 8 Abs. 4 TMG-RefE sinnentleert.

ee) Ein Placebo, sie zu knechten …

Last but not least sollen die Anbieter von WLANs noch eine Einwilligung ihrer Nutzer einholen, dass sie „im Rahmen der Nutzung keine Rechtsverletzungen“ begehen werden. Man fragt sich, inwiefern das irgendeinen Effekt haben soll. Der BGH geht in ständiger Rechtsprechung (jetzt auch zu privaten WLANs, s. BGH K&R 2014, 513 – BearShare) davon aus, dass Erwachsene selber wissen, was rechtmäßig und was rechtswidrig ist. Außerdem bleibt doch sehr fraglich, ob solche Lippenbekundungen tatsächlich einen positiven Effekt haben (ebenso OLG Hamburg NJOZ 2009, 1595, 1619 – Alphaload).

Wenn etwas aber keinen Effekt hat, dann ist es auch unnötig.

(eingehend zu Belehrungen Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, 2014, Rn. 235 m.w.N.)

ff) Erfüllungsaufwand und wirtschaftliche Auswirkungen – Von Anlagen und WLAN-Sterben

Damit kommen wir zu einem weiteren Punkt des Gesetzesentwurfs. Dort steht unter „E. Erfüllungsaufwand“ lapidar „Keiner“.

Das ist jedoch nachweislich falsch.

Wie oben dargestellt, ist der Großteil der derzeitig betriebenen öffentlichen WLANs nicht verschlüsselt. Ebenso werden viele von ihnen keine Placebo-„Einwilligung“ des Nutzers einholen. Betreiber von WLANs müssen also nach dem Gesetzesentwurf ihre WLANs neu konfigurieren. Gerade kleinere Betreiber haben derzeit auch gar nicht die Möglichkeit, die Einwilligung einzuholen. Sie müssten sich also neue Anlagen kaufen. Das ist ein erheblicher wirtschaftlicher Faktor, der möglicherweise sogar zum WLAN-Sterben führen könnte. Das gilt übrigens auch für WLANs der öffentlichen Hand. Auch hier dürfte sich das Gesetz als kontraproduktiv erweisen.

Noch schlimmer wird es übrigens, wenn die Anbieter von WLANs statt einer WPA-Verschlüsselung auf Nutzerauthentifizierung ausweichen müssten, z.B. mittels RADIUS bzw. 802.1X. Denn hierfür müssen aufwändige Server-Strukturen bereitgehalten werden. WLANs sind aber gerade deshalb so attraktiv, weil jeder Café-Betreiber sich für rund 30,- Euro einen WLAN-Router kaufen und ihn selbst ohne großen Aufwand anschließen kann. Das wäre in der Zukunft gerade nicht mehr möglich.

gg) Vom sinkenden Beratungsbedarf

Der Gesetzesentwurf geht in seiner Begründung von einem sinkenden Beratungsbedarf bei WLANs aus (unter F. Weitere Kosten). Schon der Umstand, dass sich so viel dazu schreiben lässt, zeigt, dass hier weiter erheblicher Beratungsbedarf bestehen wird.

d) Vereinbarkeit mit der E-Commerce-Richtlinie?

Der Gesetzgeber hat ein weiteres Problem erkannt: Die Regelung könnte mit Art. 12 der E-Commerce-Richtlinie kollidieren. § 8 TMG dient der Umsetzung dieser Regelung, die europarechtlich die Privilegierung von Access Providern festschreibt.

Die Begründung enthält dazu folgenden Absatz:

Die Vorgaben der E-Commerce Richtlinie (Richtlinie 2000/31/EG) sind zu beachten. Die Bestimmungen präzisieren lediglich die bestehenden Regelungen des TMG und die von der Rechtsprechung entwickelte Störerhaftung und stehen damit im Einklang mit der E-Commerce-Richtlinie.

Hierzu muss man ein paar Punkte wissen: Zunächst handelt es sich bei der E-Commerce-Richtlinie (ECRL) um eine Vollharmonisierung, die Abweichungen in die eine oder andere Richtung nicht zulässt. Andererseits hat der EuGH zuletzt zu erkennen gegeben, dass er trotz Art. 12 ECRL es wohl als zulässig ansieht, Access Providern bestimmte Pflichten aufzuerlegen, wenn es um Unterlassungsansprüche geht (EuGH GRUR 2014, 468 – UPC Telekabel vs. Constantin). Von daher könnte es durchaus sein, dass § 8 Abs. 4 und 5 TMG-RefE als Konkretisierung ausdrücklich nur in Bezug auf die Unterlassungsansprüche mit der Richtlinie konform gehen könnten.

Andererseits hat das LG München I kürzlich dem EuGH eine Vielzahl an Fragen zu § 8 TMG vorgelegt, die genau dieses Problem beleuchten (LG Mu?nchen I MMR 2014, 772 = GRURInt 2014, 1166; dazu Mantz/Sassenberg, MMR 2015, 85). Das LG München I vertritt eine andere Auffassung als die Bundesregierung. Es geht davon aus, dass in § 8 TMG auch solche Regelungen wie sie die Bundesregierung vorschlägt, durch Art. 12 ECRL verboten sind.

Hier werden wir sehen müssen, wie sich der EuGH verhält. Möglicherweise würde die neue Regelung des § 8 TMG dann auch vor dem EuGH landen müssen, bevor tatsächlich Rechtssicherheit eintritt.

e) Private sollen den Namen ihrer Nutzer kennen, § 8 Abs. 5 TMG-RefE

Kommen wir nun zu dem Teil, der für weitere Unsicherheit sorgen wird: § 8 Abs. 5 TMG-RefE. Dieser lautet:

Alle anderen Diensteanbieter, die den Internetzugang nach Absatz 3 zur Verfügung stellen, haften nur dann nicht als Störer auf Unterlassen, wenn sie zumutbare Maßnahmen, insbesondere solche im Sinne der Absätze 4 a) und b), getroffen haben und den Namen des Nutzers kennen.

Mit anderen Worten: Wer „nicht geschäftsmäßig“ sein WLAN anbietet, soll (1) verschlüsseln, (2) die Nutzer einwilligen lassen und (3) die Nutzer beim Namen kennen.

Die Bundesregierung will damit wohl die vielen WLANs von Privatpersonen treffen. Wenn diese aber geschäftsmäßig, also dauerhaft öffentlich sind, stellt sich die Frage, ob sie überhaupt von § 8 Abs. 5 TMG-RefE betroffen sind.

Aber selbst wenn, ist die Kenntnis des Namens (wieder) nur ein Placebo. Denn was ist die Folge? Ich lasse nur noch Leute ins WLAN, die ich kenne – also muss ich mein WLAN im Ergebnis zu lassen. Der Verbreitung von WLANs ist das klar abträglich.

Darüber hinaus: Reicht es, wenn ich mir den Namen (z.B. per Web-Formular) mitteilen lasse? Nach dem klaren Wortlaut schon. Da ich den Namen „kennen“ muss, muss ich ihn wohl auch speichern.

Was aber, wenn ich das gar nicht darf? § 12 Abs. 1 TMG sieht vor, dass personenbezogene Daten (wie der Name!) nur erhoben werden dürfen, wenn dieses Gesetz es erlaubt. Es stellt sich aber die Frage, ob § 8 Abs. 5 TMG-RefE diesem Erfordernis gerecht wird. Denn danach muss eine Erhebung der Daten ausdrücklich gestattet sein. Die Bundesregierung formuliert aber selbst, dass es nur um die Konkretisierung bestehender Regelungen geht. Ob also nach § 8 Abs. 5 TMG-RefE neue Daten erhoben werden dürfen, bleibt unklar.

Auch wenn man auf § 95 Abs. 1 TKG abstellt, bleibt unklar, ob der Anbieter den Namen erheben darf. Nach §§ 95 Abs. 1, 3 Nr. 3 TKG sollen Bestandsdaten nur erhoben werden, wenn diese für die Vertragsabwicklung erforderlich sind. Hier soll die Erhebung von Daten aber nur dem Zweck dienen, in den Genuss einer Haftungsprivilegierung zu kommen. Das hat mit dem Vertragsverhältnis zwischen Anbieter und Nutzer nichts zu tun.

Auch bei dieser Regelung verbleibt daher eine gewisse Unsicherheit – die der Gesetzesentwurf ja gerade beseitigen soll.

f) Vorratsdatenspeicherung juchee

Ich habe oben schon erläutert, dass die Maßnahmen teilweise reines Placebo (und im Übrigen schädlich) sind. Man sollte sich hier klar machen, dass die Kenntnis des Namens oder die Einwilligung des Nutzers bei der späteren Verfolgung einer Rechtsverletzung völlig untauglich sind. Denn ohne eine minutiöse Aufzeichnung aller Handlungen des Nutzers lässt sich hinterher nicht mehr herausfinden, welcher der (ggf. namentlich bekannten) Nutzer denn eine Rechtsverletzung begangen hat.

Und dass die anlasslose Speicherung von Daten weder mit deutschem Datenschutzrecht, noch mit dem Fernmeldegeheimnis, noch mit Grundrechten vereinbar ist, hat der EuGH dem (europäischen) Gesetzgeber erst 2014 ins Stammbuch geschrieben.

g) Notifizierung und Pläne der EU

Der Gesetzesentwurf sieht ferner eine TRIS-Notifizierung vor:

Das Informationsverfahren nach der Richtlinie 98/48/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 zur Änderung der Richtlinie 98/34/EG über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (erweiterte Transparenzrichtlinie) wurde durchgeführt.

Zum Hintergrund: Die Mitgliedsstaaten der EU müssen der EU-Kommission bestimmte Gesetzesvorhaben melden. Die EU-Kommission kann dann Stellungnahmen abgeben und auf das Gesetzgebungsverfahren Einfluss nehmen. Bisher ist diese Notifizierung sicher noch nicht erfolgt, da das Gesetz noch der internen Abstimmung bedarf.

Wenn die EU-Kommission sich aber mit dem Gesetzesentwurf befasst, wird sie feststellen, dass sie ihren eigenen Plänen diametral zuwider läuft. Die EU-Kommission hat sich nämlich die Förderung von WLANs auf die Fahnen geschrieben („EU loves WiFi“). Sie hat in Art. 14 des Entwurfs zur Digital Single Market-Verordnung (COM (2013) 627) sogar ausdrücklich aufgenommen, dass private WLANs und WLANs von „nichtstaatlichen Initiativen“ nicht behindert, sondern gefördert werden sollen (eingehend dazu Mantz/Sassenberg, CR 2014, 370).

Es ist also zu erwarten, dass die EU-Kommission hier Einfluss nehmen wird.

4. Reaktionen

Interessant sind noch die Reaktionen auf den Gesetzesentwurf, von denen ich ein paar hier nur kurz darstellen möchte:

Es sei positiv zu bewerten, dass das Bundeswirtschaftsministerium einen entsprechenden Vorstoß unternommen habe. Allerdings dürfe eine neue Regelung nicht dazu führen, dass die WLAN-Nutzung für die Kunden in der Praxis zu kompliziert werde. So würden etwaige Anmelde- oder Registrierungspflichten viele Menschen davon abschrecken, sich einzuloggen.

 

Vielmehr sollten alle Betreiber von öffentlich zugänglichen Funknetzen als so genannte Accessprovider gleichgestellt werden mit großen Kommunikationsanbietern, die nicht für Rechtsverletzungen Dritter haftbar gemacht werden können. Klar lehnen wir es ab, die Haftungsbefreiung auf einen namentlich im Voraus bestimmten Nutzerkreis zu beschränken oder private WLAN-Netze verpflichtend zu registrieren.

 

Sie sind in sich auch nicht stimmig. Wenn die Bundesregierung tatsächlich offene und freie Internetzugänge fördern will, dann sollte sie keinen Gesetzesentwurf vorlegen, der exakt zum gegenteiligen Ergebnis führt. Es ist anchronistisch, freie Internetzugänge zu propagieren und gleichzeitig zu verlangen, Sicherungsmaßnahmen gegen den unberechtigten Zugriff durch außenstehende Dritte zu fordern. Was sollen in diesem Kontext außenstehende Dritte sein und wann ist ihr Zugriff unberechtigt?

5. Fazit

Insgesamt stellt sich der Gesetzesentwurf also in nicht ganz so positivem Licht dar. Wir könnten Herrn Jarzombek folgen und ihn als unnötig bezeichnen. Dann brauchen wir ihn aber auch nicht. Im Ergebnis hat sich bewahrheitet, was schon lange befürchtet wurde: Wenn ein Gesetzesentwurf kommt, macht er die Situation nicht besser …