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LG Köln: Nicht-kommerzielle Nutzung unter Creative Commons-Lizenz ist nur „rein private Nutzung“, Urt. v. 5.3.2014 – 28 O 232/13

LG Köln: Nicht-kommerzielle Nutzung unter Creative Commons-Lizenz, Urt. v. 5.3.2014 – 28 O 232/13

Leitsätze (des Verfassers):

  1. Der Begriff „nicht-kommerzielle Nutzung“ im Creative Commons-Lizenzvertrag ist als eine rein private Nutzung zu verstehen.
  2. Auch bei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist für die Auslegung des Begriffs „nicht-kommerzielle Nutzung“ nicht auf § 16a RStV nicht zurückzugreifen. Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten müssen sich i.R.d. Auslegung des Creative Commons-Lizenzvertrages wie private Rundfunkanstalten behandeln lassen.

Volltext:

Verkündet am 05.03.2014

Landgericht Köln

IM NAMEN DES V O L K E S

Urteil

In dem Rechtsstreit

hat die 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln

auf die mündliche Verhandlung vom 29.01.2014

durch … für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt,

a) an den Kläger 310 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6.2.2013 zu zahlen;

b) an den Kläger 507,50 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6.2.2013 zu zahlen;

2. Dem Antragsgegner wird es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft an ihrem Intendanten zu vollstrecken ist und insgesamt nicht 2 Jahre übersteigen darf,

v e r b o t e n ,

folgendes Lichtbildwerk:

wie aus Anlage K4 ersichtlich öffentlich zugänglich zu machen und/oder machen zu lassen, wenn dies ohne Einwilligung des Klägers geschieht.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich des Tenors zu 2) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000 EUR, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages,

Tatbestand

Der Kläger ist Fotograf.

Die Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, welche den Radiosender „Deutschlandradio“ betreibt. Die Körperschaft wird aus Mitteln des Rundfunkbeitrags gemäß den Bestimmungen des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages finanziert Unter der Internetadresse www.dradiowissen.de betreibt die Beklagte einen Telemediendienst. Das Internetangebot umfasst vor allen Dingen Sendungsbeiträge zum Nachhören und Nachlesen die unverändert in das Internetangebot übernommen werden, darunter unter anderem Sendungen von zeit- und kulturhistorischer Relevanz. Die Inhalte werden hierzu in eine internetgerechte Darstellungsform gebracht Dieses Telemedienangebot wird ebenfalls durch Rundfunkbeiträge finanziert. Werbung oder Sponsoring finden auf den Internetseiten nicht statt. Das Angebot wird unentgeltlich zur Verfügung gestellt Hinsichtlich der befristeten Abrufbarkeit und zur Einstellung der Beiträge in einem Archiv bestehen detaillierte Regelungen, die in einem Telemedienkonzept festgelegt sind.

Auf ihrer Webseite machte die Beklagte im Zusammenhang mit einem Artikel mit dem Titel „Was die GEMA nicht kennt…“ das streitgegenständliche Lichtbildwerk öffentlich zugänglich. Ob der Kläger der Urheber dieses Lichtbildwerkes ist, ist zwischen den Parteien streitig.

Der Kläger bietet das Lichtbildwerk unter der Internetadresse http://www.flickr.com unter der Bedingung der „Creative Commons Legal Code AttributionNonCommercial2.0″ an. Die Lizenzbedingungen werden dem Erwerber der Bilder durch Symbole auf dem Bildschirm verdeutlicht Unter einem Link im oberen Bildrand kann die Vollversion der Lizenzbedingungen eingesehen werden. Danach ist eine Nutzung des Lichtbildwerkes nur unter Nennung des Namens des Rechtsinhabers in der von ihm festgelegten Weise zulässig. Zudem sieht Ziffer 4 der „Creative Commons 2.0“ lediglich eine nicht kommerzielle Nutzung der angebotenen Lichtbildwerke vor. Bei dem Beitrag unter dem Titel „Was die GEMA nicht kennt…“ handelt es sich um ein Gespräch einer Moderatorin mit dem Autor des Beitrages in Form einer so genannten Webschau. In der schriftlichen Version wird der Inhalt des Gesprächs in Textform wiedergegeben Der Beitrag ist seit seiner Ausstrahlung am 29.8.2012 über die Webseite abrufbar. Der Beitrag wurde mit dem streitgegenständlichen Lichtbild versehen, unter Nennung des Namens des Klägers sowie der CC-Lizenz und einem Link zum Werk sowie zu den vereinbarten Nutzungsbedingungen. Der Beitrag wurde unter Annahme eines kulturhistorischen Inhaltes entsprechend dem Telemedienkonzept in die Kategorie 1 eingeordnet und eine Abrufbarkeit zunächst auf zwölf Monate befristet.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.1.2013 gab der Kläger der Beklagten unter Fristsetzung bis zum 30.1.2013 die Abgabe einer Unterlassungserklärung auf. Desweiteren forderte er die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 6.2.2013 auf, für die Nutzung des Lichtbildwerkes einen Schadensersatz in Höhe von 310 Euro zu zahlen sowie die Kosten der anwaltlichen Inanspruchnahme i.H.v. 809 EUR zu tragen. Die Beklagte wies jedoch die Anforderungen des Klägers mit Schreiben vom 29.1.2013 zurück Die Beklagte bat hierin um Vorlage der Vollmachtsurkunde im Original. Auch ein nochmaliges Aufforderungsschreiben des Klägers vom 6.2.2013 blieb erfolglos. Die Beklagte entfernte lediglich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht das streitgegenständliche Lichtbild und illustriert seitdem den Sendebeitrag mit einem anderen Lichtbild.

Der Kläger ist der Ansicht, er habe der Beklagten kein Nutzungsrecht hinsichtlich des streitgegenständlichen Bildes eingeräumt, da die Beklagte gegen die Bedingungen der Lizenz verstoßen habe. Die Beklagte habe das Lichtbildwerk kommerziell genutzt. Dies ergebe sich aus der Legaldefinition in den §§ 16 a), 11 d) RStV. Diese Nutzung sei jedoch nicht vom öffentlich-rechtlichen Auftrag umfasst. Eine Nutzungsberechtigung sei jedenfalls spätestens mit Schreiben vom 24.1.2013 beendet worden.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger den Betrag i.H.v. 310 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6.2.2013 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger den Betrag i.H.v. 507,50 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6.2.2013 zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, folgendes Lichtbildwerk

wie aus Anlage K4 ersichtlich öffentlich zugänglich zu machen und/oder machen zu lassen, wenn dies ohne Einwilligung des Klägers geschieht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der Kläger sei bereits nicht aktivlegitimiert, da er keinen Beweis für seine Urheberschaft angeboten habe. Zudem sei ihr ein Nutzungsrecht eingeräumt worden, da ein wirksamer Lizenzvertrag abgeschlossen worden sei. Es liege keine kommerzielle Nutzung vor, da die Medien unentgeltlich abrufbar seien, keine Werbung geschaltet werde und zudem kein Sponsoring stattfinde. Ziel der Veröffentlichung des Lichtbildwerkes sei allein die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrages. Der zeitliche Rahmen der Veröffentlichung sei nach § 11 d Abs. 2 RStV eingehaltenworden.

Der Lizenzvertrag sei auch nicht wirksam durch den Kläger beendet worden. Weder liege ein Verstoß gegen die Regelung der Lizenz vor, noch sei der Lizenzvertrag durch Kündigung wirksam beendet worden, da der Kläger keine Original-Vollmachtsurkunde vorgelegt habe. Eine ordentliche Kündigung sei nicht möglich, da eine feste Laufzeit für den Lizenzvertrag vereinbart worden sei. Für eine außerordentliche Kündigung fehle es an einem wichtigen Grund.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Dem Kläger stehen die mit den Klageanträgen zu 1-3) geltend gemachten Ansprüche zu.

1. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung des streitgegenständlichen Lichtbildwerkes gemäß §§ 97 Abs. 1 S. 2, 15, 19a UrhG zu.

Die Beklagte hat ein nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht des Klägers widerrechtlich verletzt. Die Nutzung der Beklagten war vorliegend vom Zweck des Vertrages nicht gedeckt sodass es auf die Wirksamkeit einer eventuellen Kündigung nicht ankommt.

a) Der Kläger ist Inhaber des vorliegend geltend gemachten Urheberrechts und damit aktivlegitimiert Zwar ist dies zwischen den Parteien streitig. Nach dem Vortrag des Klägers ist dieser Fotograf und hat das Lichtbildwerk selbst erstellt. Die Beklagte bestreitet dies jedoch, obschon sie den Kläger auf ihrer Webseite unter dem streitgegenständlichen Lichtbildwerk als Rechtsinhaber angegeben hat. Das pauschale Bestreiten der Beklagten kann jedoch angesichts des Vortrags des Klägers nicht als ausreichend erachtet werden. So hat der Kläger zu seiner Rechtsinhaberschaft substantiiert vorgetragen und in der mündlichen Verhandlung durch seine Prozessbevollmächtigte der Kammer eine CD mit 89 Bilddateien überreicht, die teilweise in Augenschein genommen wurden. Inhalt der CD war eine Fotoserie, die unter anderem auch das streitgegenständliche Lichtbildwerk zeigt, sowie zahlreiche weitere Aufnahmen, die erkennbar vor sowie nach der streitgegenständlichen Aufnahme angefertigt wurden. Auf den jeweiligen Lichtbildwerken ist sowohl ein Copyright-Vermerk als auch der Name des Klägers zu erkennen.

b) Bei dem streitgegenständlichen Bild handelt es sich um ein Lichtbildwerk im Sinne des §§ 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG. Indem die Beklagte das Lichtbildwerk auf ihrer Webseite ins Internet stellte, hat sie dieses im Sinne der §§ 15 Abs. 2 Nr. 2, 19 a UrhG öffentlich zugänglich gemacht.

c) Hierdurch hat die Beklagte auch die Rechte des Klägers verletzt. Eine Erlaubnis zur Nutzung des Lichtbildwerkes bestand vorliegend nicht.

Hinsichtlich des wirksamen Erwerbs des Nutzungsrechts ist die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig. Die Beklagte hat jedoch vorliegend ein solches Nutzungsrecht vom Kläger nicht erlangt

Der Kläger hat das Lichtbildwerk unter der Bedingung der „Creative Commons Legal Code AttributionNonCommercial 2.0“ angeboten.

Eine Nutzung ist nach dieser Bedingung nur zulässig, sofern der Name des Rechtsinhabers genannt wird und eine nicht kommerzielle Nutzung erfolgt.

Die Beklagte bat den Kläger vorliegend zwar unstreitig unter dem Lichtbildwerk als Rechtsinhaber auf ihrer Webseite genannt. Es ist jedoch von einer kommerziellen Nutzung des Lichtbildwerkes durch die Beklagte auszugehen.

Der Begriff der kommerziellen Nutzung ist in der Lizenzvereinbarung selbst nicht definiert.

Der Rundfunkstaatsvertrag enthält eine eigene Definition der kommerziellen Tätigkeit in § 16a Abs. 1 RStV. Hiernach sind kommerzielle Tätigkeiten Betätigung, bei denen Leistungen auch für Dritte im Wettbewerb angeboten werden, insbesondere Werbung und Sponsoring, Verwertungsaktivitäten, Merchandising, Produktion für Dritte und die Vermietung von Senderstandorten an Dritte. Zweck der Vorschrift des §§ 16a RStV ist es, EU-Beihilferegelungen (jetzt in Art. 106 ff. AEUV) auch im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durchzusetzen und ihre Einhaltung sicherzustellen. Die Sätze 3-6 des § 16a RStV bilden vor allem Sicherungen gegen eine Quersubventionierung aus der öffentlich finanzierten Auftragserfüllung in dem Bereich der kommerziellen Aktivitäten der Rundfunkanstalten (LG Hamburg, Urteil vom 16. Juli 2013 – 312 O 202/12 – Juris).

Die Nutzung der Beklagten erfüllt vorliegend zwar keine der in § 16a Abs. 1 RStV genannten Fallgruppen. Die auf der Webseite eingestellten Inhalte sind unentgeltlich abrufbar. Es wird weder eine Werbung geschaltet noch findet ein Sponsoring statt. Es soll auch kein Absatz von Waren oder Dienstleistungen gefördert werden. Es steht auch keine Erzielung einer geldwerten Vergütung im Raum. Vielmehr hat die Beklagte hier im Rahmen ihres öffentlichen Auftrags gehandelt.

Doch hierauf kommt es nicht an. Zur Bestimmung der Begrifflichkeit „kommerzielle Nutzung“ ist nicht auf die Definition des §§ 16 a Abs. 1 RStV abzustellen. Vielmehr sind vorliegend die Zweckübertragungslehre nach § 31 Abs. 5 UrhG sowie die allgemeinen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB heranzuziehen.

Bei der Auslegung sind vorrangig die Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes zu beachten, hier insbesondere die Zweckübertragungslehre nach § 31 Abs. 5 UrhG. Ergänzend zu den besonderen Vorschriften des Urheberrechts sind die allgemein privatrechtlichen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB heranzuziehen.

Die Zweckübertragungslehre ist auf den vorliegenden Fall auch anwendbar.

Die Zweckübertragungsregelung findet grundsätzlich nur dann Anwendung, wenn Unklarheiten hinsichtlich der Bezeichnung der Nutzungsart bestehen (Dreier/Schulze, 4. Auflage, § 31 Rn. 120). Sie findet hingegen keine Anwendung, wenn die Nutzungsbefugnisse unzweideutig erwähnt sind und es keiner Auslegung mehr bedarf.

Vorliegend ist die Nutzungsart zwar ausdrücklich bezeichnet (nicht kommerzielle Nutzung). Es ist jedoch nicht eindeutig, welche Nutzungsbefugnisse im konkreten Fall hierunter zu fassen sind. Insofern ist die vorliegende Bezeichnung zu unbestimmt, so dass der jeweilige Vertragszweck ähnlich wie bei einer pauschalen Nutzungseinräumung ermittelt werden muss. Allein die Bezeichnung „kommerzielle Nutzung“‚ kann hier nicht zur Unabwendbarkeit der Zweckübertragungslehre führen, da der Vertragszweck durch die jeweiligen Parteien nicht unzweideutig bestimmt werden kann.

Die Zweckübertragungslehre besagt, dass im Zweifel keine weitergehenden Rechte eingeräumt werden als dies der Zweck des Nutzungsvertrages erfordert (vgl. BGH, Urt.v. 13.6.19080 – I ZR 45/78, GRUR 1981, 196, 197 – Honorarvereinbarung, Urt. v. 13.5.1982 – I ZR 103/80, GRUR 1982, 727, 730 – Altverträge; Urt. v. 1.3.1984 – I ZR 217/81, GRUR 1984, 656, 657 – Vorentwurf). In dieser Auslegungsregel kommt zum Ausdruck, dass die urheberrechtlichen Befugnisse die Tendenz haben, soweit wie möglich bei dem Urheber zu verbleiben, damit dieser in angemessener Weise an den Erträgnissen seines Werkes beteiligt wird (vgl. BGH, Urt. v. 23.2.1979 – I ZR 27/77, GRUR 1979, 637, 638f. – White Christmas; Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl., S. 365; BGH, Urteil vom 27. September 1995 – I ZR 215/93 -, BGHZ 131, 8-14).

Sind in dem Vertrag schriftliche Formulierungen hinsichtlich der Nutzungsrechte enthalten, so ist zunächst auf den Wortlaut abzustellen und zwar dahingehend, was beide Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wollten. Lässt sich hiernach ein übereinstimmender Wille nicht ermitteln, so ist nicht auf den inneren Willen einer Vertragspartei abzustellen, sondern auf den objektiven Erklärungswert, wie ihn ein verständiger Dritter verstehen konnte (Dreier/Schulze, 4. Auflage § 31 Rn. 121). Stimmt eine pauschale Formulierung mit dem Gewollten nicht überein, so ist diese auf den realistischen Kern zu reduzieren. Darüber hinaus sind neben der Formulierung auch die außerhalb des Vertrages1 liegenden Begleitumstände heranzuziehen. Dabei ist dasjenige maßgeblich, was zumindest der Akzeptanz beider Parteien entspricht. Es ist maßgeblich, was üblicherweise in der jeweiligen Branche praktiziert wird. So kann als Indiz dasjenige herangezogen werden, was andere Parteien in vergleichbaren Fällen üblicherweise vereinbaren (Dreier/Schulze, 4. Auflage § 31 Rn. 125).

Der Umfang des eingeräumten Nutzungsrechts umfasst im Zweifel jedoch nur dasjenige, was nach dem Vertragszweck zweifelsfrei festgestellt werden kann. Im Zweifelsfall verbleiben die Rechte beim Urheber (Dreier/Schulze, 4. Auflage § 31 Rn. 127).

Ergänzend zu den besonderen Vorschriften des Urheberrechts sind die allgemeinen Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB heranzuziehen. Die Vorschriften der §§ 133, 157 BGB sind auf Willenserklärungen jeglicher Art anwendbar, sofern diese auslegungsbedürftig sind. empfangsbedürftige Willenserklärungen so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Denn bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen ist der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen (BGH, Urteil vom 19. Januar 2000 – VIII ZR 275/98, NJW-RR 2000, 1002 Rn. 20 mwN; MünchKommBGB/Busche, 5. Aufl. 2012, § 133 Rn. 56) und demgemäß in erster Linie dieser und der ihm zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen. Bei der Willenserforschung sind aber auch der mit der Erklärung verfolgte Zweck, die Interessenlage der Parteien und die sonstigen Begleitumstände zu berücksichtigen, die den Sinngehalt der gewechselten Erklärungen verdeutlichen können (BGH, Urteil vom 16. November 2007 – V ZR 208/06, NJW-RR 2008, 683 Rn. 7 mwN; BGH, Urteil vom 16. Oktober 2012 – X ZR 37/12 -, BGHZ 195,126-134).

Ausgehend im Sinne der Lizenzbedingungen diesen Grundsätzen ist hier von einer kommerziellen Nutzung der Beklagten auszugehen. Nach dem objektiven Erklärungswert ist unter der Bezeichnung „nicht kommerzielle Nutzung“ eine rein private Nutzung zu verstehen.

Nach dem Wortlaut allein lässt sich ein übereinstimmender Wille der Parteien nicht ermitteln. Ausgehend von der Sicht des Klägers, wollte dieser sein Lichtbildwerk allein für eine private Nutzung unentgeltlich zur Verfügung stellen. Jeglicher nach dem allgemeinen Verständnis anzunehmender kommerzieller Zweck sollte ausgeschlossen werden. Die Nutzung der Beklagten unterscheidet sich jedoch deutlich von einer solch rein privaten Nutzung. Zwar kommt die Beklagte mit ihrem Handeln ihrem öffentlich-rechtlichen Auftrag nach. Durch das Einstellen des Lichtbildwerkes zusammen mit einem Bericht in ihrem Archiv handelt sie jedoch wie jeder andere private Radiosender, der hierbei jedoch unstreitig einen kommerziellen Zweck verfolgen wurde. Diese Betrachtung entspricht auch der Branchenübung sowie sowie der Verkehrssitte. Für einen privaten Radiosender ist es üblich, für die Nutzung eines Lichtbildwerkes eine entsprechende Vergütung zu zahlen. Für eine Differenzierung der Nutzungseinräumung zwischen privaten und öffentlichen Radiosendern besteht kein Anlass.

Zwar ist nicht allein auf den inneren Willen einer Vertragspartei abzustellen. Jedoch war dieser Umstand für einen verständigen Dritten und damit auch für die Beklagte erkennbar. Sie durfte nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nicht davon ausgehen, dass dem Kläger eine Differenzierung zwischen privaten und öffentlichen Radiosendern bei Angabe der Lizenzbedingungen bewusst war. Vielmehr musste sie hier von dem ausgehen, was andere Parteien in vergleichbaren Fällen üblicherweise vereinbaren. Sie muss sich hinsichtlich der Nutzungsrechtseinräumung wie ein privater Radiosender behandeln lassen. Somit kann hier zweifelsfrei nur der Zweck einer privaten Nutzung festgestellt werden. Eine solche Nutzung liegt hier jedoch nicht vor, auch nicht unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beklagte im Rahmen ihres öffentlichen Auftrages gehandelt hat. Denn hierüber hat sich der Kläger im Zweifel bei Festlegung der Nutzungsbedingungen keine Gedanken gemacht.

d) Die Tatbestandsmäßigkeit der Verletzung indiziert die Rechtswidrigkeit.

e) Als Verletzende ist die Beklagte auch passivlegitimiert.

f) Die Wiederholungsgefahr ist durch die bereits begangene Rechtsverletzung indiziert. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung wurde nicht abgegeben.

2. Dem Kläger steht auch ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 310 EUR gemäß §§ 97 Abs. 2, 19a, 15 UrhG zu.

a) So ist gemäß § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG derjenige, der die Verletzungshandlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

b) Die Beklagte handelte vorliegend schuldhaft im Sinne einer zumindest leichten Fahrlässigkeit. Sie hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen. So hätte sie erkennen können, dass sich die Nutzungserlaubnis nicht unzweideutig aus der allgemeinen Formulierung ergibt. Die vorliegende Nutzung zur Einräumung war zu unbestimmt gefasst. Insofern hätte es einer näheren Erkundigung durch die Beklagte bedurft. Dieser Sorgfaltspflicht ist die Beklagte jedoch nicht nachgekommen.

c) Die Schadenshöhe selbst ist grundsätzlich durch den Verletzten darzulegen und zu beweisen. Ein konkreter Schaden lässt sich jedoch meist nur schwer ermitteln, da ein Nachweis konkret entstandener Umsatzeinbußen erforderlich ist. Daher kann die Schadensberechnung auch im Wege der Lizenzanalogie berechnet werden. Hiernach hat der Verletzte dasjenige zu zahlen, was vernünftige Parteien bei Abschluss eines Lizenzvertrages in Kenntnis der wahren Rechtslage und der Umstände des konkreten Einzelfalles als angemessene Lizenzgebühr vereinbart hätten. Unerheblich ist jedoch, ob der Verletzte zur Lizenzerteilung grundsätzlich bereit gewesen wäre und ob der Verletzer um eine solche Lizenz auch ohne Verletzung nachgesucht hätte (Dreier/Schulze, § 97 Rn. 61).

Der Kläger hat vorliegend substantiiert zur Anspruchshöhe vorgetragen. So weist er darauf hin, dass sich die angegebene Schadenshöhe aus dem Tarifwerk der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing ergibt. Veranschlagt wurde eine Nutzungsdauer von einem Jahr. Dies ist in Anbetracht der Umstände auch angemessen.

3. Ein Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten ergibt sich aus §§ 97 Abs. 2, 97a Abs. 1 S. 2, Abs. 2 UrhG. Bei den Anwaltskosten handelt es sich um erforderliche Aufwendungen, da die Abmahnung nach den oben gemachten Ausführungen berechtigt war.

Der Anspruch besteht auch in genannter Höhe, da der Kläger seine Berechnung einer 1,3 Geschäftsgebühr zugrundegelegt hat.

Der Zinsanspruch ergibt sich jeweils aus §§ 280 Abs. 2,286, 288 Abs. 1 BGB.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.

4. Streitwert: EUR 6.310,00

LG Köln: Creative Commons „NonCommercial“ umfasst nur rein private Nutzung

Wie Till Jaeger für das iFrOSS berichtet, hat das LG Köln mit Urteil v. 5.3.2014 (28 O 232/13) als wohl erstes deutsches Gericht zur Frage des Begriffs „NonCommercial“ bei Creative Commons-Lizenzen Stellung genommen. Dabei hat das LG Köln offenbar nicht auf die von der Community entwickelte Definition abgestellt (Studie dazu hier; s. auch Mo?ller, in: Lutterbeck/Ba?rwolff/Gehring, Open Source Jahrbuch 2006, 271), sondern formuliert:

Nach dem objektiven Erklärungswert  ist unter der Bezeichnung „nicht kommerzielle Nutzung“ eine rein private Nutzung zu verstehen.

Auch die von der Creative Commons-Community entwickelte Definition hat ihre Untiefen und Schwächen, aber eine solch enge Auslegung dürfte dem Begriff „NonCommercial“ dennoch kaum gerecht werden.

Der Volltext ist bisher noch nicht veröffentlicht worden. Till Jaeger hat aber eine interessante und informative Besprechung des Urteils verfasst.

Die Entwicklung ist jedenfalls spannend. Im Zusammenhang mit meiner Anmerkung zur Entscheidung des LG Hamburg zur GPLv2 (dazu hier) hatte ich (zur GPL) formuliert:

Offene Lizenzen schaffen dadurch Rechtssicherheit für Urheber und Nutzer, gerade in Zeiten eines stetigen Wandels der urheberrechtlichen Nutzungsgewohnheiten. Interessanterweise wird es trotz der diese Auffassung immer wieder bestätigenden Entscheidungen nicht still um offene Lizenzen. Es darf mit Spannung erwartet werden, welche Konstellation die Gerichte das nächste Mal beschäftigen wird.

Es zeigt sich, dass nicht mehr die „großen Fragen“ im Zusammenhang mit offenen Lizenzen, u.a. den Creative Commons-Lizenzen, sondern eben die Einzelheiten und Begrifflichkeiten noch ihrer (gerichtlichen) Klärung harren. In diesem Sinne kann auch das Urteil des LG Köln einen Beitrag leisten.

Wenn der Volltext verfügbar ist, werde ich hier berichten.

Update: Der Volltext ist (mit Leitsätzen von mir) jetzt verfügbar.

Schadensersatz für Verwendung von CC-lizenziertem Bild: 14.000,- EUR

Die Kanzlei Lampmann Haberkamm Rosenbaum (LHR) berichtet über einen Vergleich zwischen einem Fotografen und einem Unternehmen.

Der Fotograf hatte sein Lichtbild u.a. auf Wikipedia unter einer Creative Commons-BY-SA 3.0 Unported-Lizenz veröffentlicht. Ein nicht namentlich genannten Unternehmen nutzte dieses Bild in mehreren seiner Pressemitteilungen. Dabei unterließ es sowohl Hinweise (und Link) auf die Lizenz, den Titel des Werks und – für den Schadensersatzanspruch erheblich – auf den Urheber des Lichtbildes.

Der Fotograf verlangte hierfür Schadensersatz i.H.v. 20.000,- EUR, man verglich sich am Ende – außergerichtlich – auf die Zahlung von 14.000,- EUR. Dies ist der höchste bisher für ein unter Creative Commons-Lizenz stehendes Bild bekannt gewordene Betrag. Dazu LHR:

Da somit die Lizenzbedingungen zur Nutzung des Werks nicht eingehalten wurden, lag eine klare Urheberrechtsverletzung vor, gegen die der Mandant nicht zuletzt deswegen vorgehen wollte, da die Rechtsverletzung nicht etwa von einem Blogger oder Kleinunternehmer begangen wurde, sondern von einem namhaften Unternehmen. Weil das Lichtbildwerk gleich auf mehreren Seiten rechtswidrig verwendet wurde, erhöhte sich der zu zahlende Schadensersatz auf die Summe von fast 20.000,00 €. Nach Verhandlungen konnten wir uns mit dem Rechtsverletzer auf die Zahlung von pauschal 14.000,00 € einigen.

Im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung hätte das Unternehmen auch schlechte Karten gehabt, wenigstens dem Grunde nach. Denn in Deutschland ist die Wirksamkeit von Creative Commons-Lizenzen mittlerweile auch gerichtlich anerkannt (LG Berlin, Beschl. v. 8.10.2010 – 16 O 458/10, MMR 2011, 763 m. Anm. Mantz). In der juristischen Literatur war dies schon zuvor herrschende Meinung (Hoeren/Sieber- Paul, HdB MM-Recht, 27. EL 2011, Teil 7.4 Rn. 133; Mantz, GRURInt 2008, 20, 24; wohl auch Heidrich/Forgo/Feldmann-Feldmann, Heise Online-Recht, 2. EL 2010, B.II.71; zu Open Content-Lizenzen allgemein Plaß, GRUR 2002, 670, 678; Jaeger/Metzger, MMR 2003, 431; zu Open Source-Lizenzen (GPL) LG München I MMR 2004, 693; LG Frankfurt a.M. CR 2006, 729; LG Berlin CR 2006, 735; LG Mnchen I, Urt. v. 24.7.2007 – 7 O 5245/07; LG Berlin, Urt. v. 8. 11. 2011 – 16 O 255/10, GRUR-RR 2012, 107 m. Anm. Schreibauer/Mantz; zur Lesser GPL LG Bochum MMR 2011, 474), auch im Ausland waren bereits mehrere Urteile zu Creative Commons-Lizenzen ergangen (Mantz, GRURInt 2008, 20; Efroni, GRURInt 2011, 282; Liebenson, Meldung vom 21.1.2001).

Lediglich bei der Höhe des Schadensersatzes für die Verwendung solcher Bilder ist daher noch etwas Unsicherheit. Es ist allerdings nicht einzusehen, warum der Eingriff bei einem Werk, das unter bestimmten Bedingungen kostenlos verwendet werden darf, geringer sein soll, als bei einem Werk, dessen Lizenz solche Erleichterungen nicht vorsieht (so aber z.B. im Fall Curry ./. Audax vor einem Gericht in Amsterdam, s. dazu Mantz, GRURInt 2008, 20, 22; Rechtbank Amsterdam, Urt. v. 9.3.2006, 334492 / KG 06-176 SR;  dazu Hugenholtz, MR-Int 2006, 40; eine inoffizielle englische Übersetzung findet sich hier; außerdem das belgische Gericht in Nivelle, das Schadensersatz pro Nutzung abgelehnt hat und statt dessen (bei einem Song) 1.500,- EUR pro verletzter Creative Commons-Klausel zusprach).

Den Fall haben auch Dennis Tölle (rechtambild.de) und iRights.info schon kommentiert.

Im Übrigen kann man ergänzend den Hinweis der Kanzlei LHR nur unterstreichen:

Auch bei der Geltendmachung klarer Rechtspositionen gilt es, Augenmaß zu wahren. Man muss nicht gegen alles und jeden (z.B. private Blogger und kleine Händler) sofort die “Abmahnkeule herausholen”. Oft ist es die beste Werbung für einen Fotografen, wenn er sich gütlich mit ehemaligen Rechtsverletzern einigen kann. Es sollen schon Freundschaften aus einer zunächst eher feindseligen Begegnung entstanden sein.

Fehler im Referentenentwurf des BMJ zu Open Access (§ 38 UrhG); RefE und Creative Commons-Lizenzen

Mit Bearbeitungsstand vom 20.2.2013 ist der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums eines Gesetzes zur Nutzung verwaister Werke und zu weiteren Änderungen des Urheberrechtsgesetzes und des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes (im folgenden RefE-UrhG) veröffentlicht worden, Adrian Schneider berichtete auf Telemedicus.info, Kuhlen auf iuwis.de.

Adrian Schneider hat sich in seiner Analyse auch mit der Frage beschäftigt, ob der Wissenschaftler, der seinen Beitrag, der im Rahmen eines mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln finanzierten Lehr- und Forschungstätigkeit entstanden ist, in einer mindestens zweimal jährlich periodisch erscheinenden Sammlung (so die Voraussetzungen des neuen § 38 Abs. 4 RefE-UrhG) veröffentlicht hat, sein Werk nach Ablauf der Jahresfrist unter einer Creative Commons-Lizenz veröffentlichen kann. Da ich das für eine spannende Frage halte, habe ich sie mir vor dem Gesetzesentwurf noch einmal genau angesehen. Dabei sind mir zwei Dinge aufgefallen:

1. Fehler in Art. 1 RefE-UrhG bezüglich § 38 Abs. 1 UrhG

Die aktuelle Fassung von § 38 Abs. 1 UrhG lautet wie folgt (Hervorhebungen durch Verfasser):

§ 38 Beiträge zu Sammlungen

(1) 1Gestattet der Urheber die Aufnahme des Werkes in eine periodisch erscheinende Sammlung, so erwirbt der Verleger oder Herausgeber im Zweifel ein ausschließliches Nutzungsrecht zur Vervielfältigung und Verbreitung. 2Jedoch darf der Urheber das Werk nach Ablauf eines Jahres seit Erscheinen anderweit vervielfältigen und verbreiten, wenn nichts anderes vereinbart ist.

Ziffer 3 des Artikels 1 zur Änderung von § 38 Abs. 1 UrhG des RefE-UrhG lautet (u.a., Hervorhebung durch Verfasser):

3. § 38 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 Satz 1 werden die Wörter, „Vervielfältigung und Verbreitung“ durch die Wörter „Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Zugänglichmachung“  ersetzt.

Nach dem Referentenentwurf würde § 38 Abs. 1 also wie folgt gefasst werden (Hervorhebungen und Streichungen durch Verfasser):

(1) 1Gestattet der Urheber die Aufnahme des Werkes in eine periodisch erscheinende Sammlung, so erwirbt der Verleger oder Herausgeber im Zweifel ein ausschließliches Nutzungsrecht zur Vervielfältigung,und Verbreitung und öffentlichen Zugänglichmachung.2 Jedoch darf der Urheber das Werk nach Ablauf eines Jahres seit Erscheinen anderweit vervielfältigen und verbreiten, wenn nichts anderes vereinbart ist.

In der Begründung zum Entwurf findet sich aber der folgende Passus (Referentenentwurf, S. 15, Hervorhebungen durch Verfasser):

Zugleich wird § 38 Absatz 1 an die technische Entwicklung angepasst. Die vorgeschlagene Ergänzung erweitert die Auslegungsregel des § 38 Absatz 1 Satz 1 dahingehend, dass der Urheber dem Verleger oder Herausgeber im Zweifel nicht nur ein ausschließliches Nutzungsrecht zur Vervielfältigung und Verbreitung des Werkes einräumt, sondern auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung. Dieser Änderung folgend wird auch Satz 2, der eine Auslegungsregel zu Gunsten der Rechte des Urhebers enthält, dahingehend ergänzt, dass nach Ablauf eines Jahres der Urheber das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung hat, soweit nichts anderes vereinbart wurde.

Die Begründung des Gesetzesentwurfes geht also davon aus, dass – unabhängig von der öffentlichen Förderung – nach einem Jahr der Autor auch die Befugnis erhält, das Werk öffentlich zugänglich zu machen – unter der Bedingung, dass der zwischen dem Urheber und dem Verlag geschlossene Verlagsvertrag dies nicht verbietet (zu Open Access und Verlagsverträgen s. Mantz, in: Spindler (Hrsg.): Rechtliche Rahmenbedingungen von Open Access-Publikationen, Göttingen 2006, S. 55, 96 ff. (PDF)). Der Wortlaut des Gesetzes gibt das allerdings nicht her. Der BGH hat 2012 in seiner Entscheidung „Alles kann besser werden“ (BGH, Urt. v. 19.4.2012 – I ZB 80/11, K&R 2012, 664, Rn. 31, 32) erneut klargestellt, dass der Wille des Gesetzgebers sich im Wortlaut niederschlagen muss, ansonsten ist er unbeachtlich (unter Verweis auf BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 – X ZB 4/10, BGHZ 188, 200 Rn. 20 – S-Bahn-Verkehr Rhein/Ruhr I, mwN; BGH, Urteil vom 14. April 1983 – VII ZR 199/82, BGHZ 87, 191, 30 194 ff.; BGH, Beschluss vom 25. Juni 2008 – II ZB 39/07, BGHZ 177, 131 Rn. 17).

Mit anderen Worten: So lange der Gesetzgeber den Referentenentwurf nicht korrigiert, erhält der Urheber über § 38 Abs. 1 S. 2 UrhG allein die (körperlichen) Rechte der Vervielfältigung und Verbreitung, die öffentliche Zugänglichmachung im Internet ist/bleibt ihm verwehrt. Der bisherigen Mindermeinung, dass § 38 Abs. 1 S. 2 UrhG auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung erfasse, wäre damit wohl auch der Boden entzogen. Bei einem so offenkundigen Fehler wie hier (in S. 1 wird „öffentliche Zugänglichmachung“ hinzugefügt, in S. 2 offensichtlich vergessen, könnte man allerdings auch an eine entsprechende weite Auslegung des Satz 2 denken. Allerdings eröffnet die aktuelle Formulierung des § 38 Abs. 1 RefE-UrhG hier ein unnötiges Maß an Rechtsunsicherheit.

2. § 38 Abs. 1 , Abs. 4 RefE-UrhG und Creative Commons-Lizenzen

Adrian Schneider weist m.E. zu Recht darauf hin, dass – gestützt allein auf § 38 Abs. 4 RefE-UrhG die Verwendung von Creative Commons-Lizenzen (hier wohl eine CC-BY-NC-ND-Lizenz, also nicht-kommerziell und ohne Bearbeitung) nicht möglich sein dürfte. Denn der Urheber erhält nur das Recht, das Werk öffentlich zugänglich zu machen, während die Creative Commons-Lizenzen alle Offline- und Online-Rechte gewähren.

Allerdings hindert dies natürlich nicht daran, eine speziell auf § 38 Abs. 4 RefE-UrhG angepasste Version der Creative Commons-Lizenzen zu verwenden. Es ist davon auszugehen, dass solche Lizenzentwürfe nach Inkrafttreten des Gesetzes bald verfügbar sein werden. Allerdings müsste der Anwendungsbereich der Lizenz gegenüber dem Original stark eingeschränkt werden, was sicher nicht im Sinne der Erfinder der Creative Commons-Lizenzen ist. In diesem Zusammenhang ist die Kritik an § 38 Abs. 4 RefE-UrhG sicherlich berechtigt (s. z.B. Kuhlen auf iuwis.de ).

Zu beachten wäre – trotz des Fehlers in § 38 Abs. 1 RefE-UrhG, der hoffentlich noch berichtigt wird – das (mögliche) Zusammenspiel von § 38 Abs. 1 und Abs. 4 RefE-UrhG: Wenn der Verlagsvertrag keine von § 38 Abs. 1 S. 2 RefE-UrhG abweichende Regelung enthält, kann der Urheber nach § 38 Abs. 1 S. 2 UrhG (auch in der alten Fassung) nach einem Jahr die körperlichen Nutzungsrechte ausüben, nach § 38 Abs. 4 RefE-UrhG (unter dessen Voraussetzungen) zusätzlich das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung. In Summe ergibt sich hier also wieder der ganze Strauß an Nutzungsrechten, so dass ohne Weiteres eine nicht modifizierte CC-BY-NC-ND-Lizenz (wobei nur § 38 Abs. 1 UrhG nicht auf die Manuskriptversion beschränkt ist, dazu auch Schneider auf Telemedicus.info) genutzt werden kann.

Erste gerichtliche Entscheidung zu Creative Commons-Lizenzen (LG Berlin, Beschl. v. 8.10.2010 – 16 O 458/10)

Das LG Berlin hat als erstes Gericht in Deutschland eine Entscheidung zur Wirksamkeit der Creative Commons-Lizenz gefällt (LG Berlin, Beschl. v. 8.10.2010 – 16 O 458/10, Volltext bei ifross.org).

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren hatte der Antragsgegner ein Foto, das unter der Creative Commons-Lizenz „Attribution ShareAlike 3.0 Unported“ (Lizenztext hier) stand, ohne entsprechende Urhebernennung und Hinweis auf den Lizenztext auf einer Webseite verwendet.

Das Gericht befand dazu:

Da der Antragsgegner das Foto in seiner Internetseite unter Verletzung der genannten Lizenzbedingungen einstellte, handelte es sich um eine nicht von einer Genehmigung der Antragstellerin gedeckte und damit im Sinne des § 97 Abs. 1 UrhG widerrechtliche Verwendung.

Der Unterlassungstenor lautet dementsprechend:

… wird untersagt, die folgende Fotografie zu vervielfältigen und/oder öffentlich zugänglich zu machen, ohne dass entsprechend den Lizenzbedingungen der Creative Commons-Lizenz „Attribution ShareAlike 3.0 Unported“ eine Urhebernennung erfolgt und der Lizenztext oder dessen vollständige Internetadresse in Form des Unified-Resource-Identifiers beigefügt wird.

(Unterstreichung durch Verfasser)

Mit dem Beschluss liegt die erste gerichtliche Entscheidung für CC-Lizenzen in Deutschland vor. Ein vorheriges Verfahren vor dem AG Berlin war vergleichsweise beigelegt worden (dazu hier). Bisher lagen Urteile in Deutschland nur zu den teilweise sehr ähnlichen Klauseln der GPL vor (LG München I MMR 2004, 693; LG Frankfurt a.M. CR 2006, 729; LG Berlin CR 2006, 735; LG München I, Urt. v. 24.7.2007 – 7 O 5245/07). Im Ausland gab es schon eine Reihe Entscheidungen zur Wirksamkeit von Creative Commons-Lizenzen, s. dazu Mantz, Creative Commons-Lizenzen im Spiegel internationaler Gerichtsverfahren, GRUR Int. 2008, 20, außerdem hier.

Meines Erachtens sind drei Dinge an dem (ansonsten sehr kurzen) Beschluss beachtlich:

1. Das Gericht hat – sogar für ein Verfügungsverfahren eher untypisch – mit Ausnahme des oben zitierten Satzes praktisch keine rechtlichen Ausführungen gemacht. Für das Gericht stand daher ganz offensichtlich außer Frage, dass die Creative Commons-Lizenz wirksam vereinbart worden und für sich wirksam sind. Die Lizenzbedingungen sind dementsprechend einzuhalten.

2. Weiter hat sich das Gericht – ohne dies explizit zu betonen – offenbar der herrschenden Meinung zur GPL (s.o.) angeschlossen, dass die in der Lizenz vereinbarte auflösende Bedingung ebenfalls wirksam ist. Nach dieser Bedingung entfällt die Berechtigung zur Verwendung des Werks bei Verstoß gegen die Lizenzbedingungen. Da das Gericht eine Verletzung von § 97 UrhG angenommen hat, weist es den Anforderungen der Creative Commons-Lizenz daher nicht nur schuldrechtliche Wirkung zu.

3. Letztlich ist spannend, dass das Gericht über eine „unported“-Version der Lizenzbedingungen zu befinden hatte. Diese ist an die speziellen deutschen rechtlichen Anforderungen nicht angepasst. Dennoch sind auch diese Lizenzbedingungen offenbar wirksam.

 

Der Beschluss wird auch auf iFrOSS.org besprochen. Vielen Dank für den Hinweis zum Beschluss an Dr. Till Jaeger.

S. auch:

Belgisches Gericht zur Wirksamkeit und Schadensersatz bei Verletzung von Creative Commons-Lizenzen

Till Jaeger berichtet auf IfrOSS.org über eine erstinstanzliche Entscheidung (nur auf französisch) des Tribunal de première instance de Nivelle mit Bezug zu Creative Commons-Lizenzen.

Sachverhalt

Eine Band, die nicht Mitglied in der zuständigen Verwertungsgesellschaft (der Sabam) war, hatte ihre Lieder unter einer Creative Commons Lizenz Attribution-NonCommercial-NoDerivs 2.5 Generic (CC-BY-NC-ND) auf einer entsprechenden Plattform (http://www.dogmazic.net) veröffentlicht. Die Beklagte wiederum hatte eines der Lieder in einer Radiowerbung verwendet. Die Klägerin sah darin eine Verletzung des Lizenzvertrages in dreifacher Hinsicht: Fehlende Namensnennung, kommerzielle Verwendung und Bearbeitung als Hintergrund-Musik. Die Band verlangte pro Nutzung 12,- EUR, insgesamt also rund 10.000,- EUR. Die Beklagte argumentiert, dass sie in gutem Glauben gehandelt habe, sie habe sich hinsichtlich der Lizenz getäuscht. Zum weiteren Sachverhalt siehe die Entscheidung (auf französisch).

Entscheidung

Das Gericht sieht zunächst den Lizenzvertrag als wirksam an, wobei es sich auf den Aufsatz von Phillippe Laurent („Premières réactions des juges face aux licences Creative Commons“) zu den verschiedenen internationalen Entscheidungen zu CC-Lizenzen bezieht und auch diese Entscheidungen anführt:

la validité est actuellement reconnue notamment par des tribunaux néerlandais, espagnols et même américains ( cfr. civ. Amsterdam (réf.) du 9.03.2006). …

Le tribunal se réfère notamment au commentaire de doctrine de Me Ph. Laurent et confirme que la licence Creative Commons est valide et applicable au cas d’espèce.

(S. zu den Entscheidungen auch Mantz, GRUR Int. 2008, 21, online verfügbar; zum weiteren Verlauf des amerikanischen Verfahrens hier).

Interessant ist die Schadensbemessung, die das Gericht anstellt. Das Gericht spricht der Klägerin nämlich implizit das Recht ab, konkreten Schadensersatz pro Verletzungshandlung (der noch über diejenigen der Sabam hinausgeht) zu verlangen, da es eine offene Lizenz gewählt hat. Dies Verlangen sieht es als widersprüchlich an. Der Billigkeit halber müsse die Klägerin zwischen einem „punktuellen Schadensersatz pro Verbreitungshandlung“und einem „globalen Schadensersatz pro verletzter Lizenzklausel“. Das Gericht sieht durch die Wahl der Creative Commons-Lizenz nur den globalen Schadensersatz als gerechtfertigt an und spricht der Klägerin 1500,- EUR pro verletzter Klausel (also insgesamt 4500,- EUR) zu:

Le tribunal considère qu’il existe un paradoxe dans l’attitude des demandeurs, à savoir prôner une éthique non commerciale et réclamer une indemnisation pécuniaire à un tarif commercial, tarif nettement supérieur à celui pratiqué par la Sabam et nettement supérieur à l’indemnisation de 1.500 euros proposée par la défenderesse. De manière raisonnable, il faut choisir entre une indemnisation ponctuelle à la diffusion ou une indemnisation globale pour chacune des conditions non respectées.

Dans le cas présent, il convient d’opter pour une indemnisation globale de 1.500 euros ex aequo et bono par condition non respectée, laquelle prend en considération la démarche particulière adoptée par les demandeurs pour protéger leur droit d’auteur, à savoir l’adoption d’une licence « certains droits réservés ».

Bewertung

Lässt man die Berechnungsmethode kurz beiseite, stellt das Gericht nach meiner Sicht drei relevante Feststellungen an:

  1. Creative Commons-Lizenzen sind grundsätzlich wirksam und durchsetzbar.
  2. Auch die NonCommercial-Option ist wirksam und kann durchgesetzt werden. Das ist von daher relevant, dass das Urheberrechtsgesetz (zumindest das deutsche) nicht zwischen kommerzieller und nicht-kommerzieller Nutzung auf dinglicher Ebene unterscheidet/unterscheiden kann. Die NonCommercial-Option bewegt sich daher vollständig im Rahmen des Vertragsrechts und kann nur auf dessen Grundlage verfolgt werden, wenn ein Lizenzvertrag zustande gekommen ist.
  3. Die Beklagte konnte sich nicht darauf berufen, dass sie nicht gewusst habe, dass die Nutzung nur unter einer Creative Commons-Lizenz mit den dargestellten Bedingungen gestattet ist. Hier muss der Nutzer von Werken eine gewisse (in diesem Bereich aber unabhängig von CC-Lizenzen vollkommen übliche) Sorgfalt walten lassen.

Was die Berechnungsmethode angeht, mutet mich dies etwas seltsam an. Das Argument, dass das Verhalten der Klägerin widersprüchlich sei, verfängt meines Erachtens nach nicht. Denn die Klägerin hat im Lizenzvertrag genau festgelegt, welche Nutzungen sie gestatten will und welche nicht. Wer sich außerhalb des Lizenzvertrages bewegt, muss auch danach behandelt werden. Immerhin hat das Gericht nicht wie im niederländischen Fall Curry vs. Audax geäußert, dass überhaupt kein Schaden entstanden sein könne, da das Werk ja sonst kostenlos abgegeben wurde (s. dazu hier). Im deutschen Recht hätte die Klägerin hier die Wahl zwischen drei Schadensberechnungsmethoden (konkreter Schaden, Lizenzanalogie, Gewinnherausgabe) gehabt. Ob die Bewertung des Gerichts nach belgischem Recht korrekt ist, vermag ich nicht zu sagen. Till Jaeger hebt trotz Kritik aber richtigerweise hervor, dass es sich „durchaus vertreten (lasse), dass es für einen höheren Betrag als die entsprechende Vergütung der Verwertungsgesellschaft Sabam keinen Anlass gibt.“

Insgesamt stellt das Urteil im internationalen Umfeld „Fall Nr. 4“ dar – und alle sprechen der Creative Commons-Lizenz die Wirksamkeit zu. Ein klares Argument für die Verwender. Eine deutsche Entscheidung steht bisher weiter aus (s. u.a. hier).

Links:

Creative Commons und die GEMA – oder: Kollision der Rechteeinräumung bei CC-Lizenzen

Derzeit wird im Netz wieder über das Verhältnis zwischen Rechtserteilungen nach Creative Commons-Lizenz und GEMA-Berechtigungsvertrag diskutiert (s. nur bei Phlow und bei Gulli).

I. Ausgangsfall

Dem liegt grundsätzlich folgende Konstellation zu Grunde:

Künstler K stellt seine Werke unter einer Creative Commons-Lizenz ins Netz. Später entscheidet er sich, doch GEMA-Mitglied zu werden und unterzeichnet den GEMA-Berechtigungsvertrag. Zu irgendeinem Zeitpunkt verwendet DJ X die Werke von Künstler K in seinem Podcast. Dabei überprüft DJ X vorher, ob die Werke unter einer CC-Lizenz stehen, denn er spielt bewusst nur solche Werke.

II. Rechtliche Konstruktion der Einräumung von Nutzungsrechten nach Creative Commons-Lizenz in Deutschland

Das Problem stellt die rechtliche Konstruktion dar, die offenen Lizenzen wie der Creative Commons-Lizenz in Deutschland zu Grunde liegt.

Nach der h.M. sieht die Rechtslage nämlich so aus: Gibt der Urheber sein Werk unter einer Creative Commons-Lizenz in die Öffentlichkeit, dann gibt er eine Willenserklärung „an einen unbekannten Personenkreis“ auf Abschluss eines Vertrages ab, nämlich der Erteilung eines Nutzungsrechts nach dem Creative Commons-Lizenzvertrages mit den entsprechenden Bedingungen. Diese Erklärung wird sozusagen in der Verbindung von Werk und Lizenzvertrag „gespeichert“ (vgl. John, AcP 184 (1984), 385, 391 ff.; zur Rechtsübertragung s. auch Mantz, in: Spindler, Rechtsfragen von Open Access, S. 55). In dem Zeitpunkt, in dem der Nutzer das Werk herunterlädt, gibt er eine entsprechende Annahmeerklärung dieses Vertrages ab und erwirbt so das ihm angebotene Nutzungsrecht. Die Rechtsbeziehung erfolgt übrigens immer mit dem Urheber. Es ist also nicht so, dass ein Nutzer, der selbst einen solchen Vertrag mit dem Urheber geschlossen hat, einem Dritten Rechte einräumen könnte. Das Vertragsangebot stammt immer vom Urheber und der Vertrag wird immer mit ihm geschlossen.

Diese Konstruktion ist vorteilhaft, denn sie erlaubt in Deutschland die Durchsetzung des Lizenzvertrages. Ein Verzicht auf die Rechte ist nach deutschem Urheberrechtsverständnis hingegen nicht möglich.

Dies sehen auch diejenigen Gerichte so, die sich mit der GPL beschäftigt haben, die insofern ähnlich ist (LG München I MMR 2004, 693; LG Frankfurt a.M. CR 2006, 729; LG Berlin CR 2006, 735; LG München I, Urt. v. 24.7.2007 – 7 O 5245/07).

III. Kollision mit dem GEMA-Berechtigungsvertrag

Nun kommt der GEMA-Berechtigungsvertrag ins Spiel. Durch den GEMA-Berechtigungsvertrag räumt Künstler K der GEMA weitgehende Wahrnehmungsbefugnisse ein. Ab dem Zeitpunkt der Unterzeichnung kann nur noch die GEMA diese Recht wahrnehmen. Der Künstler K kann keine weiteren Nutzungsrechte mehr einräumen. Dies hat der BGH in einem „klassischen“, aber ähnlichen Fall entschieden, in dem der Künstler GEMA-Mitglied war und hinterher ausschließliche Nutzungsrechte erteilen wollte (BGH, Urt. v. 4.12.2008 – I ZR 49/06 – Mambo No. 5, GRUR 2009, 939; vorgehend OLG München, Urt. v. 23.12.2006 – 6 U 1610/05, ZUM 2006, 473; s. zum Umfang der Rechteeinräumung auch Staudt, Die Rechteübertragungen im Berechtigungsvertrag der GEMA, 2006, S. 82).

IV. Auflösung der Kollision?

Nun besteht also das Problem, dass der Künstler K sein Werk unter CC-Lizenz hat UND es gleichzeitig bei er GEMA liegt. Der BGH hat wie gezeigt festgestellt, dass der Künstler NACH Abschluss des Vertrages keine Rechte mehr einräumen kann. Damit ist ab diesem Zeitpunkt die Creative Commons-Lizenz (für die Zukunft!) hinfällig. Jede zukünftige Rechtsübertragung scheitert. Das bedeutet, dass DJ X in der Zukunft keine Nutzungsrechte mehr erwerben kann.

Aber: Für die Vergangenheit bleiben einmal eingeräumte Rechte bestehen. Dies regelt § 33 UrhG. Danach werden Rechte, die der Urheber Dritten einmal eingeräumt hat, durch eine spätere Rechtsübertragung nicht beeinträchtigt (sog. Sukzessionsschutz, s. dazu eingehend Mantz, MMR 2006, 784 – Download hier).

Das bedeutet in der Praxis: Wenn Künstler K sein Werk im Jahr 2006 unter Creative Commons-Lizenz gestellt hat und erst am 1.1.2007 der GEMA beigetreten ist, dann sind alle Nutzungsrechte, die im Jahr 2006 erteilt wurden, auch gegenüber der GEMA voll wirksam. Wenn DJ X also das Werk des Künstlers K im Jahr 2006 heruntergeladen und seine Produktion im Jahr 2006 erstellt hat, dann kann er sich hierfür auf den Creative Commons-Vertrag und das dadurch erteilte Nutzungsrecht berufen. Die GEMA kann hieran nicht rütteln.

Dies gilt übrigens auch für die Zukunft: Wenn die Lizenz einmal erteilt wurde, dann kann der DJ das Werk auch online stellen, denn hierzu wurde ihm das Recht insb. nach § 19a UrhG eingeräumt. Nach meiner Auffassung müssen also z.B. Podcasts nicht entfernt werden.

Anders sieht es aber aus, wenn DJ X das Werk des Künstlers K nach dem 1.1.2007 heruntergeladen hat. Denn dann konnte Künstler K ihm keine Rechte mehr einräumen und der Creative Commons-Vertrag ging „ins Leere“. Die GEMA kann vom DJ X Gebühren verlangen.

V. Was ist zu tun?

Das nächste Problem ist der Beweis. Die GEMA kann sich auf die sogenannte „GEMA-Vermutung“ berufen, wonach Rechte im Zweifel durch die GEMA vertreten werden. Es obliegt also dem DJ zu belegen, dass er das Werk schon im Jahr 2006 heruntergeladen hat. Zuvor muss er bei der GEMA erfragen, ab wann denn Künstler K schon GEMA-Mitglied ist.

Das gelingt einfach, wenn die Produktion aus dem Jahre 2006 stammt, da der Künstler ja erst seit 2007 GEMA-Mitglied ist. Wenn dies nicht der Fall ist, müsste der DJ den Vorgang des Herunterladens irgendwie anders belegen, durch Screenshots von der Seite mit dem Werk von Künstler K aus dem Jahr 2006 z.B.

Update: Eine gute Idee dürfte auch sein, was „Artesia“ bei Gulli vorschlägt:

Wenn ich Fonts, die unter CC-Lizenz stehen oder als Free bezeichnet sind, downloade, nutze ich immer die E-Mail-Adresse des Urhebers, die meistens in der readme-Datei steht, um mich bei ihm zu bedanken. Die Danke-Mail formuliere ich dann immer so, dass aus dem Text ersichtlich ist, dass ich mich für einen Werk mit einer konkreten nichtkomerziellen Lizenz bedanke. Wenn der Urheber keine Antwort oder eine Antwort, in der er meinem Text nicht widerspricht, schickt, werte ich es als Zustimmung. Die E-Mails archiviere ich natürlich. Ich denke, solche Korespondenz kann in Zweifesfall durchaus als Beweis dienen.

VI. Schadensersatz beim Künstler?

Den nächsten Schritt kann man gehen, wenn das Werk im Netz unter einer CC-Lizenz stand, aber der Künstler sich später entschieden hat, GEMA-Mitglied zu werden. Denn dann hat er ein Angebot auf Abschluss des Lizenzvertrages abgegeben, das der DJ X durch Download angenommen hat. Künstler K konnte den Vertrag aber nicht mehr erfüllen, also keine Nutzungsrechte mehr einräumen. DJ X hat geglaubt, er dürfe das Werk verwenden, musste aber dann doch GEMA-Gebühren zahlen.

Die müsste er vom Künstler K zurückverlangen können nach §§ 280 ff. BGB i.V.m. dem Lizenzvertrag. Denn Künstler K hätte sein Angebot zurücknehmen müssen – was zugegebenermaßen sehr schwer ist. Man könnte dies darauf einschränken, dass der Urheber an der Ursprungsquelle sein Werk entfernen muss, außerdem einen Hinweis auf die nicht mehr vorhandene CC-Lizenz anbringen muss und alle Seiten, die sein Werk zu diesem Zeitpunkt anbieten, wenigstens einmal darauf hinweisen muss. Aber das ist alles noch ungeklärt.

VII. Fazit

Am Ende liegt das Problem leider beim DJ X. Er hat die Scherereien mit der GEMA. Wer aber von vornherein darauf achtet, dass er für jedes Werk den Zeitpunkt des Rechteerwerbs belegt, dürfte weitgehend auf der sicheren Seite sein.

VIII. Weiterführend

  • S. zum Thema Rechteerwerb nach Creative Commons-Lizenz und Sukzessionsschutz eingehend Mantz, Open Content-Lizenzen und Verlagsverträge – Die Reichweite des § 33 UrhG, MMR 2006, 784 (Download hier). In dem Aufsatz wird auch über eine Analogie zu § 33 UrhG für Open Content-Lizenzen diskutiert und entsprechende Argumente werden angeführt. Im Ergebnis halte ich dies allerdings nicht für möglich.
  • Michael Weller, GEMA-Tantiemen für CC-Musik? – LAWgical

Flattr und andere Zahlungsdienste in Blogs – Rechtliche Implikationen?

Derzeit verwenden einige Blogs Micropayment-Systeme, wie z.B. flattr. Mein erster Eindruck – ohne es selbst zu verwenden – ist, dass eine gute Idee ist, um eine (freiwillige) Bezahlung fuer Bloginhalte zu etablieren.

Die Entscheidung, ein solches Bezahlsystem zu nutzen, muss jeder Blogger selber treffen. Dabei ist es sicher gerade fuer den privaten Blogger gut, wenn er fuer seine Muehe eine Art Anerkennung erhaelt, so gering sie auch sein mag. Durch Flattr & Co. wird zu der „Anerkennung“ durch wiederkehrende Besucher oder steigende Besucherzahlen etc. ein zusaetzliches Element geschaffen.

Dabei sollte man allerdings nicht aus dem Auge verlieren, dass solche Zahlsysteme auch Konsequenzen fuer das eigene Blog haben koennen, die ich hier kurz aufgreifen moechte, wobei dies sicher keine vollstaendige Aufzaehlung darstellt. Allerdings sollte dieser Beitrag nicht als Votum „gegen“ Flattr & Co verstanden werden. Er soll lediglich fuer einige moegliche rechtliche Implikationen sensibilisieren.

1. Nutzung von Creative Commons-Inhalten und kommerzielle Nutzung

Wer immer mal wieder fremde Inhalte ins eigene Blog uebernimmt, ohne sich auf Schranken wie z.B. das Zitatrecht berufen zu koennen, sollte auf Creative Commons-Lizenzen achten, die die Verwendung zur kommerziellen Nutzung untersagen (non-commercial, „NC“). Denn der Einsatz von Flattr & Co und damit die Generierung von Einnahmen koennte das eigene Blog zu einem „kommerziellen“ Angebot in der Terminologie der Creative Commons-Lizenz machen.

In der CC-BY-NC (deutsch), Ziff. 4 b) lautet die Formulierung:

„You may not exercise any of the rights granted to You in Section 3 above in any manner that is primarily intended for or directed toward commercial advantage or private monetary compensation.“

bzw.

„Die Rechteeinräumung gemäß Abschnitt 3 gilt nur für Handlungen, die nicht vorrangig auf einen geschäftlichen Vorteil oder eine geldwerte Vergütung gerichtet sind („nicht-kommerzielle Nutzung“, „Non-commercial-Option“).“

Durch die Formulierung soll die an eine Gegenleistung geknüpfte vertragliche, also rechtlich qualifizierte Verpflichtung, die durch die Ausübung der erteilten Nutzungsrechte erfüllt wird, verhindert werden. Damit ist im Grunde jedes Ansinnen des Nutzers, das Werk in irgendeiner Form kommerziell zu nutzen, untersagt (Mantz, in: Spindler, Leitfaden Open Access, S. 55, 61 f.; Möller, in: Lutterbeck/Bärwolff/Gehring (Hrsg), Open Source Jahrbuch 2006, 271, 276).

Nun ist der Begriff „nicht-kommerziell“ schwammig und wird unterschiedlich verstanden. Die Creative Commons Foundation hat hierzu sogenannte Guidelines entwickelt und anschließend eine Studie zum Verständnis von „non-commercial durchgeführt (s. hier).

In der Studie heißt es u.a. (S. 72 ff.):

„A commercial use is defined by 7 in 10 of all respondents as a use that makes money. … More than a three-quarter majority of both groups agrees that it is  “definitely” a commercial use if money is made from the use of a work in some way, including  directly from the sale of a copy of a work, or from online advertising around or in connection with the work, where the user makes money from the ads. Further, 6  in 10 of all respondents evaluate uses in connection with online advertising as “definitely” commercial, even if only enough money would be made to cover the cost of website hosting. More than 6 in 10 creators and users also consider use by a not-for-profit organization “definitely” commercial.“

Dem folgend ist es zumindest nicht ausgeschlossen, wenn nicht sogar wahrscheinlich, dass die Verwendung von Flattr & Co als „commercial“ eingestuft werden würde, auch wenn es sich um Einkünfte handelt, die eher mit Spenden vergleichbar sind.Der Fakt, dass Geld fließt, ist hier ein starkes Indiz.

Dementsprechend ist bei Verwendung von Flattr & Co anzuraten, eher keine Inhalte mehr zu verwenden, die unter einer CC-NC-Lizenz stehen oder aber das Einverständnis des Urhebers einzuholen.

2. Pflichten eines kommerziellen Angebotsbetreibers

Weiter können allgemeine Pflichten für Betreiber eingreifen. Von Bedeutung ist beispielsweise die Impressumspflicht nach § 5 TMG. Darin heisst es:

„Diensteanbieter haben für geschäftsmäßige, in der Regel gegen Entgelt angebotene Telemedien folgende Informationen … verfügbar zu halten …“

a. Geschäftsmäßigkeit

Geschäftsmäßig handelt ein Diensteanbieter, wenn er Telemedien auf Grund einer nachhaltigen Tätigkeit mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht erbringt (OLG Düsseldorf MMR 2008, 682). Nachhaltig ist eine Tätigkeit, wenn sie auf einen längeren Zeitraum ausgerichtet ist und sich nicht auf einen Einzelfall beschränkt (Spindler/Schuster-Micklitz, § 5 TMG Rn. 8).

Ein Blog ist ein Telemediendienst. Dieses duerfte auch ueber einen laengeren Zeitraum angeboten werden, also nachhaltig. Damit ist der Betrieb eines Blogs in der Regel als geschaeftsmaessig anzusehen.

b. In der Regel gegen Entgelt

Die Impressumspflicht des § 5 TMG greift allerdings nur, wenn das Angebot „in der Regel gegen Entgelt“ erbracht wird. Bei einem privat betriebenen Blog ohne Werbung duerfte dies unproblematisch sein.

Allerdings koennte sich dies durch den Einsatz von Flattr etc. aendern.

Zum Merkmal der Entgeltlichkeit schreibt Waldenberger in Spindler/Schuster, Presserecht, Rn. 35:

„Das Merkmal der Entgeltlichkeit setzt eine wirtschaftliche Gegenleistung voraus. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass Informationsangebote, die keinen wirtschaftlichen Hintergrund haben wie z. B. ausschließlich private Hompages, Blogs, Web-Tagebücher etc., nicht den wirtschaftsbezogenen Informationspflichten des TMG unterliegen.“

Fraglich ist, ob Zahlungen über flattr & Co eine solche Gegenleistung iSd TMG darstellen. So schreibt Ott, MMR 2007, 354, 355 zur Erzielung von Einnahmen durch Werbung:

„Jeder Verdienst über Werbung auf der eigenen Website führt zur Entgeltlichkeit und damit zur Anwendbarkeit von § 5 TMG .“

Werbeeinnahmen und Flattr-Einnahmen sind zwar nicht zwingend vergleichbar, aber in der Tendenz laesst sich jedenfalls nicht ausschliessen, dass Entgeltlichkeit iSd TMG vorliegt. Gegen eine Vergleichbarkeit spricht, dass es sich eher um Spenden, denn um ein Entgelt handelt. Die Einrichtung einer Spendeninfrastruktur ohne gemeinnützigen Verwendungszweck wie sie Flattr & Co darstellen deutet hingegen auf Entgeltlichkeit hin (vgl. zum Beispiel Waldenberger, in: Möhring/Nicolini, UrhG, § 52 Rn. 13).

Es ist daher dem Blogger, der Flattr & Co nutzt, anzuraten, in Zukunft ein Impressum auf seiner Seite vorzuhalten – und dieses mit den noetigen Mindestangaben zu fuellen.

3. Steuern

Ohne hier weiter auf Steuerrecht einzugehen, duerften Einnahmen ueber Flattr steuerpflichtig sein. Die Praxis mancher Blogger, das per Flattr eingenommene Geld direkt wieder „weiterzuverteilen“, indem man es auf den eigenen Flattr-Account aufbucht, aendert hieran nichts, da das „flattrn“ fuer Beitraege in aller Regel dem Privatbereich zuzuordnen sein duerfte.

Was wurde eigentlich aus …? Creative Commons-Klage: Chang vs. Virgin Mobile

Im Jahr 2007 hatte Susan Chang Virgin Mobile in Texas, USA, auf Unterlassung und Schadensersatz verklagt, da Virgin Mobile unstreitig in Australien ein Foto von Chang von Flickr, das unter einer Creative Commons-Lizenz stand, für eine Werbekampagne genutzt hatte (s. dazu Mantz, GRURInt. 2008, 20; Klageschrift; erweiterte Klageschrift; Stellungnahme von Creative Commons; Einschätzung von Lawrence Lessig):

„… Fall hatte der Schülerberater Wong ein Bild von einer Schülerin erstellt und es bei www.flickr.com eingestellt. Dafür verwendete er eine Creative Commons-Lizenz, die alle Nutzungen gestattet und lediglich die Namensnennung des Autors verlangt (CC-BY). Dieses Bild verwendete Virgin Mobile (Virgin) für eine Werbekampagne, wobei es weder den Fotografen als Urheber nannte, noch die abgebildete Schülerin um Erlaubnis bat. Kläger sind die Mutter der Schülerin sowie der Schülerberater. Die Klage ist beim District Court Dallas, Texas, eingereicht worden, eine Entscheidung des Gerichts steht noch aus.25 Die Klägerin verlangt von Virgin Schadensersatz und Herausgabe der Gewinne aufgrund einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts der minderjährigen abgebildeten Schülerin. Der klagende Schülerberater verlangt aufgrund Vertragsbruchs und der daraus folgenden unberechtigten Nutzung seines Bildes Schadensersatz. Darüber hinaus verklagt er die Creative Commons Corporation auf Schadensersatz, weil sie es unterlassen habe, ihn ausreichend über die Rechtsfolgen des Einsatzes der Creative Commons-Lizenz belehrt zu haben.“

Den Fall hat das angerufene texanische Gericht bereits im Januar 2009 entschieden (Chang v. Virgin Mobile USA, LLC, 2009 WL 111570 (N.D.Tex. January 16, 2009); s. dazu hier). Allerdings hat es den Fall gar nicht erst zum Jury-Verfahren zugelassen, da es bereits den texanischen Gerichtsstand nicht als gegeben angesehen hat. Das Gericht sah es schon als nicht erwiesen an, dass das Foto tatsächlich auf einem texanischen Server gespeichert war, da Flickr Server in der ganzen Welt betreibt. Dass auch Server in Texas betrieben werden, reichte dem Gericht nicht. Auch der über die Creative Commons-Lizenz geschlossene Vertrag CC-BY 2.0 begründe keinen Gerichtsstand in Texas, zumal Virgin das Foto auch nur in Australien genutzt habe (zur übrigen Begründung s. hier).

Damit ist das Urteil leider keine Hilfe für die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit von Creative Commons-Lizenzen in den USA. Dafür müssen wir wohl auf den nächsten Fall warten. Anders ist dies übrigens in Spanien und den Niederlanden und wohl auch in Deutschland, wo die Urteile zur GPL wohl auf die Creative Commons-Lizenzen übertragen werden können, s. Mantz, GRURInt. 2008, 20).

Lesetipp: Graf, Urheberrechtsfibel – nicht nur für Piraten, PiratK-UrhG

Klaus Graf, bekannt insbesondere durch sein Blog „Archivalia“ und seine Kommentare und Beschreibungen rund um Open Access und Open Content, hat einen kritischen Urheberrechtskommentar veröffentlicht: „Urheberrechtsfibel – nicht nur für Piraten„, kurz Piratenkommentar-Urheberrecht.

Graf kommentiert in dem Werk gut verständlich und mit Beispielen das gesamte UrhG. Die Vorgehensweise der Kommentierung beschreibt er in der Einleitung:

„In den meisten Fällen wird ein Beispiel, das ich konstruiert habe oder das einem realen Fall entspricht, die Vorschrift veranschaulichen.

Nach einer knappen Erläuterung des Inhalts der Norm folgt die – bewusst pointierte oder sogar polemische – Kritik. In einem Nachwort fasse ich meine Änderungsvorschläge systematisierend zusammen. Ich möchte allerdings bereits jetzt dringend davor warnen, die Originalität meiner Vorschläge, auch wenn sie in Ich-Form als subjektive Sicht präsentiert werden, zu überschätzen. Viele meiner Kommentare nehmen kritische Anregungen des juristischen „Schrifttums“ auf, andere ergeben sich zwanglos aus der Befürwortung einer „digitalen Allmende“ oder etwa den oben angeführten Forderungen der Piratenpartei, ohne dass ich dies im einzelnen nachweisen kann. Hier wie auch sonst gilt die alte Wissenschaftsmetapher: Als Zwerge stehen wir auf den Schultern von Riesen.“

Graf geht jeweils kurz auf Sinn und Zweck sowie (im weitesten Sinne) netzpolitische Bedeutung jedes Paragraphen ein. Er stellt kurz anschauliche Urteile und/oder Literaturansichten dar, wobei er sich meist (verständlicherweise) auf die bekannten Urheberrechtskommentare beschränkt und auf Literaturübersichten oder die erschöpfende Behandlung der publizierten Ansichten verzichtet. Die Kommentierungen sind nicht vollständig, erheben diesen Anspruch aufgrund der Kürze aber auch nicht.

Der Kommentar greift aktuelle Rechtsprechung auf, z.B. die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt zu § 52b UrhG (2-06 O 172/09, dazu auch die Anmerkung von Graf hier; ferner von Jani, K&R 2009, 514, dazu Eintrag von Steinhauer) oder des LG Köln zu § 97a Abs. 2 UrhG vom 13.5.2009 (s. dazu hier).

Zur Störerhaftung und offenen WLANs schreibt Graf (§ 97, S. 197):

„Im obigen Fall geht es um die sogenannte Störer-Haftung. Nicht der wahre Täter (ein minderjähriges Kind) wird belangt, sondern ein Störer, also jemand, der in irgendeiner Weise kausal an der Urheberrechtsverletzung mitgewirkt hat. Er muss bestimmte Prüf- und Sorgfaltspflichten verletzt haben, sonst könnten ja beliebige Dritte zur Rechenschaft gezogen werden. Störer kann auch jemand sein, der durch ein nicht abgesichertes offenes WLAN einem Filesharer die Urheberrechtsverletzung unwissentlich ermöglicht hat.

Ähnlich wie das Abmahnwesen ist auch die „kaugummiartige“ Störerhaftung von Übel und muss beseitigt werden. Wenn Rechteinhaber den wahren Verletzer nicht dingfest machen können oder von diesem nichts zu holen ist, greifen sie sich einen Dritten, der weder Täter noch Mittäter ist. Mit Gerechtigkeit hat die Störerhaftung für mich nichts zu tun, zumal die angesetzten Schadenshöhen vielfach rein fiktiv sind. Tauschbörsennutzer würden keine Lizenzen für die öffentliche Zugänglichmachung erwerben.

Es hilft wenig, dass im Bereich der sogenannten Forenhaftung die Pflicht einer Vorabkontrolle der von den Benutzern eingebrachten Inhalte überwiegend abgelehnt wird. Es ist immer möglich, dass ein Landgericht das im Einzelfall anders sieht.“

Seinen Abschluss findet der Kommentar in einer Abhandlung mit dem Titel „Abrüstung des Urheberrechts!“.

Man sollte bei der Lektüre im Hinterkopf behalten, dass Graf kein Jurist ist. Das hat den Vorteil, dass er die Normen für Nichtjuristen sicher besser erklären kann, als dies einem Juristen möglich wäre. Allerdings erklärt sich aus diesem Umstand auch, dass er häufig mit seiner Ansicht nicht der herrschenden Meinung in der juristischen Literatur und der Rechtsprechung entspricht – einem kritischen Urheberrechtskommentar angemessen.

Insgesamt wird der Kommentar dem Titel mehr als gerecht: Eine kritische Darstellung des Urheberrechts aus Sicht von Open Access, Open Content und neuen Medien auf runden 280 Seiten.

Der Kommentar kann unter http://ebooks.contumax.de/nb für 19,90 EUR in Buchform bestellt oder unter einer Creative Commons CC-BY-SA 3.0-Lizenz heruntergeladen werden.