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Belgisches Gericht zur Wirksamkeit und Schadensersatz bei Verletzung von Creative Commons-Lizenzen

Till Jaeger berichtet auf IfrOSS.org über eine erstinstanzliche Entscheidung (nur auf französisch) des Tribunal de première instance de Nivelle mit Bezug zu Creative Commons-Lizenzen.

Sachverhalt

Eine Band, die nicht Mitglied in der zuständigen Verwertungsgesellschaft (der Sabam) war, hatte ihre Lieder unter einer Creative Commons Lizenz Attribution-NonCommercial-NoDerivs 2.5 Generic (CC-BY-NC-ND) auf einer entsprechenden Plattform (http://www.dogmazic.net) veröffentlicht. Die Beklagte wiederum hatte eines der Lieder in einer Radiowerbung verwendet. Die Klägerin sah darin eine Verletzung des Lizenzvertrages in dreifacher Hinsicht: Fehlende Namensnennung, kommerzielle Verwendung und Bearbeitung als Hintergrund-Musik. Die Band verlangte pro Nutzung 12,- EUR, insgesamt also rund 10.000,- EUR. Die Beklagte argumentiert, dass sie in gutem Glauben gehandelt habe, sie habe sich hinsichtlich der Lizenz getäuscht. Zum weiteren Sachverhalt siehe die Entscheidung (auf französisch).

Entscheidung

Das Gericht sieht zunächst den Lizenzvertrag als wirksam an, wobei es sich auf den Aufsatz von Phillippe Laurent („Premières réactions des juges face aux licences Creative Commons“) zu den verschiedenen internationalen Entscheidungen zu CC-Lizenzen bezieht und auch diese Entscheidungen anführt:

la validité est actuellement reconnue notamment par des tribunaux néerlandais, espagnols et même américains ( cfr. civ. Amsterdam (réf.) du 9.03.2006). …

Le tribunal se réfère notamment au commentaire de doctrine de Me Ph. Laurent et confirme que la licence Creative Commons est valide et applicable au cas d’espèce.

(S. zu den Entscheidungen auch Mantz, GRUR Int. 2008, 21, online verfügbar; zum weiteren Verlauf des amerikanischen Verfahrens hier).

Interessant ist die Schadensbemessung, die das Gericht anstellt. Das Gericht spricht der Klägerin nämlich implizit das Recht ab, konkreten Schadensersatz pro Verletzungshandlung (der noch über diejenigen der Sabam hinausgeht) zu verlangen, da es eine offene Lizenz gewählt hat. Dies Verlangen sieht es als widersprüchlich an. Der Billigkeit halber müsse die Klägerin zwischen einem „punktuellen Schadensersatz pro Verbreitungshandlung“und einem „globalen Schadensersatz pro verletzter Lizenzklausel“. Das Gericht sieht durch die Wahl der Creative Commons-Lizenz nur den globalen Schadensersatz als gerechtfertigt an und spricht der Klägerin 1500,- EUR pro verletzter Klausel (also insgesamt 4500,- EUR) zu:

Le tribunal considère qu’il existe un paradoxe dans l’attitude des demandeurs, à savoir prôner une éthique non commerciale et réclamer une indemnisation pécuniaire à un tarif commercial, tarif nettement supérieur à celui pratiqué par la Sabam et nettement supérieur à l’indemnisation de 1.500 euros proposée par la défenderesse. De manière raisonnable, il faut choisir entre une indemnisation ponctuelle à la diffusion ou une indemnisation globale pour chacune des conditions non respectées.

Dans le cas présent, il convient d’opter pour une indemnisation globale de 1.500 euros ex aequo et bono par condition non respectée, laquelle prend en considération la démarche particulière adoptée par les demandeurs pour protéger leur droit d’auteur, à savoir l’adoption d’une licence « certains droits réservés ».

Bewertung

Lässt man die Berechnungsmethode kurz beiseite, stellt das Gericht nach meiner Sicht drei relevante Feststellungen an:

  1. Creative Commons-Lizenzen sind grundsätzlich wirksam und durchsetzbar.
  2. Auch die NonCommercial-Option ist wirksam und kann durchgesetzt werden. Das ist von daher relevant, dass das Urheberrechtsgesetz (zumindest das deutsche) nicht zwischen kommerzieller und nicht-kommerzieller Nutzung auf dinglicher Ebene unterscheidet/unterscheiden kann. Die NonCommercial-Option bewegt sich daher vollständig im Rahmen des Vertragsrechts und kann nur auf dessen Grundlage verfolgt werden, wenn ein Lizenzvertrag zustande gekommen ist.
  3. Die Beklagte konnte sich nicht darauf berufen, dass sie nicht gewusst habe, dass die Nutzung nur unter einer Creative Commons-Lizenz mit den dargestellten Bedingungen gestattet ist. Hier muss der Nutzer von Werken eine gewisse (in diesem Bereich aber unabhängig von CC-Lizenzen vollkommen übliche) Sorgfalt walten lassen.

Was die Berechnungsmethode angeht, mutet mich dies etwas seltsam an. Das Argument, dass das Verhalten der Klägerin widersprüchlich sei, verfängt meines Erachtens nach nicht. Denn die Klägerin hat im Lizenzvertrag genau festgelegt, welche Nutzungen sie gestatten will und welche nicht. Wer sich außerhalb des Lizenzvertrages bewegt, muss auch danach behandelt werden. Immerhin hat das Gericht nicht wie im niederländischen Fall Curry vs. Audax geäußert, dass überhaupt kein Schaden entstanden sein könne, da das Werk ja sonst kostenlos abgegeben wurde (s. dazu hier). Im deutschen Recht hätte die Klägerin hier die Wahl zwischen drei Schadensberechnungsmethoden (konkreter Schaden, Lizenzanalogie, Gewinnherausgabe) gehabt. Ob die Bewertung des Gerichts nach belgischem Recht korrekt ist, vermag ich nicht zu sagen. Till Jaeger hebt trotz Kritik aber richtigerweise hervor, dass es sich „durchaus vertreten (lasse), dass es für einen höheren Betrag als die entsprechende Vergütung der Verwertungsgesellschaft Sabam keinen Anlass gibt.“

Insgesamt stellt das Urteil im internationalen Umfeld „Fall Nr. 4“ dar – und alle sprechen der Creative Commons-Lizenz die Wirksamkeit zu. Ein klares Argument für die Verwender. Eine deutsche Entscheidung steht bisher weiter aus (s. u.a. hier).

Links:

Kein Urteil des AG Berlin zur Wirksamkeit der Creative Commons-Lizenz in Deutschland

Im September ist ein Verfahren vor dem AG Berlin bekannt geworden, bei dem eine Zeitschrift des Burda-Verlages neun Fotos der Bloggerin Mary abgedruckt hatte, die unter einer Creative Commons CC-BY-NC-ND-Lizenz standen (Link auf Lizenz) –  ohne um Erlaubnis zu fragen, Lizenzgebühren zu zahlen oder die Fotografin zu benennen. Die Fotografin Mary berichtete darüber in ihrem Blog unter http://pudri.blogspot.com/2009/09/internet-is-for-free.html. Auf Anforderung hatte Burda zwar den üblichen Satz gezahlt, verweigerte aber den darüber hinaus zu leistenden Aufschlag für die unterbliebene Benennung. Darum stritt Mary vor dem Amtsgericht Berlin.

Das Verfahren sorgte in der Creative Commons-Szene für Aufmerksamkeit (s. z.B. die Nachricht auf der CC-DE-Mailingliste und der CC-Community-Mailingliste). Denn es hätte das erste Urteil zur Wirksamkeit einer Creative Commons-Lizenz in Deutschland sein können.

Mary und der Burda-Verlag haben sich allerdings verglichen, wobei Burda den eingeklagten Betrag beglich und auch die Kosten übernahm.

In der mündlichen Verhandlung war das AG Berlin überhaupt nicht auf den Lizenzvertrag eingegangen. Da die Verletzung des Rechts der Fotografin  zwischen den Parteien unstrittig war und Burda sich nicht darauf berief, aus dem Lizenzvertrag irgendwelche Rechte ableiten zu können, musste sich das AG Berlin damit auch nicht unbedingt näher damit beschäftigen. Da das Gericht aber im Falle eines Urteils die Rechtslage insgesamt  hätte beurteilen müssen, hätte es auch ein paar Worte dazu verlieren können, so zumindest die Hoffnung.

Durch den Vergleich ist das nicht passiert. Dass Burda den Betrag gezahlt hat, deutet aber darauf hin, dass Burda die Verletzung in vollem Umfang anerkennt. Damit erkennt Burda wohl auch an, dass die Beschränkung auf nicht-kommerzielle Verwendungen in der CC-BY-NC-ND Creative-Commons-Lizenz wirksam ist, und dass die Fotografin trotz CC-Lizenz noch immer bestimmte Rechte wie das Namensnennungsrecht ausüben kann.

Daher bleibt die Rechtslage für Creative Commons in Deutschland wie sie vorher war: Bisher kein Urteil explizit zu Creative Commons, aber zu den teilweise sehr ähnlichen Klauseln der GPL (LG München I MMR 2004, 693; LG Frankfurt a.M. CR 2006, 729; LG Berlin CR 2006, 735; LG München I, Urt. v. 24.7.2007 – 7 O 5245/07.). Im Ausland sind bereits Urteile zu Creative Commons gefällt worden bzw. Verfahren geführt worden, nämlich in Spanien, Niederlande und den USA (dazu Mantz, Creative Commons-Lizenzen im Spiegel internationaler Gerichtsverfahren, GRUR Int. 2008, 20). Für Creative Commons Deutschland heißt es: weiter warten.

Falls jemand von weiteren (auch internationalen) Verfahren und/oder Urteilen erfährt, würde ich mich über einen Kommentar oder eine Nachricht freuen. Danke.