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LG Köln: Nicht-kommerzielle Nutzung unter Creative Commons-Lizenz ist nur „rein private Nutzung“, Urt. v. 5.3.2014 – 28 O 232/13

LG Köln: Nicht-kommerzielle Nutzung unter Creative Commons-Lizenz, Urt. v. 5.3.2014 – 28 O 232/13

Leitsätze (des Verfassers):

  1. Der Begriff „nicht-kommerzielle Nutzung“ im Creative Commons-Lizenzvertrag ist als eine rein private Nutzung zu verstehen.
  2. Auch bei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist für die Auslegung des Begriffs „nicht-kommerzielle Nutzung“ nicht auf § 16a RStV nicht zurückzugreifen. Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten müssen sich i.R.d. Auslegung des Creative Commons-Lizenzvertrages wie private Rundfunkanstalten behandeln lassen.

Volltext:

Verkündet am 05.03.2014

Landgericht Köln

IM NAMEN DES V O L K E S

Urteil

In dem Rechtsstreit

hat die 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln

auf die mündliche Verhandlung vom 29.01.2014

durch … für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt,

a) an den Kläger 310 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6.2.2013 zu zahlen;

b) an den Kläger 507,50 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6.2.2013 zu zahlen;

2. Dem Antragsgegner wird es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft an ihrem Intendanten zu vollstrecken ist und insgesamt nicht 2 Jahre übersteigen darf,

v e r b o t e n ,

folgendes Lichtbildwerk:

wie aus Anlage K4 ersichtlich öffentlich zugänglich zu machen und/oder machen zu lassen, wenn dies ohne Einwilligung des Klägers geschieht.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich des Tenors zu 2) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000 EUR, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages,

Tatbestand

Der Kläger ist Fotograf.

Die Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, welche den Radiosender „Deutschlandradio“ betreibt. Die Körperschaft wird aus Mitteln des Rundfunkbeitrags gemäß den Bestimmungen des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages finanziert Unter der Internetadresse www.dradiowissen.de betreibt die Beklagte einen Telemediendienst. Das Internetangebot umfasst vor allen Dingen Sendungsbeiträge zum Nachhören und Nachlesen die unverändert in das Internetangebot übernommen werden, darunter unter anderem Sendungen von zeit- und kulturhistorischer Relevanz. Die Inhalte werden hierzu in eine internetgerechte Darstellungsform gebracht Dieses Telemedienangebot wird ebenfalls durch Rundfunkbeiträge finanziert. Werbung oder Sponsoring finden auf den Internetseiten nicht statt. Das Angebot wird unentgeltlich zur Verfügung gestellt Hinsichtlich der befristeten Abrufbarkeit und zur Einstellung der Beiträge in einem Archiv bestehen detaillierte Regelungen, die in einem Telemedienkonzept festgelegt sind.

Auf ihrer Webseite machte die Beklagte im Zusammenhang mit einem Artikel mit dem Titel „Was die GEMA nicht kennt…“ das streitgegenständliche Lichtbildwerk öffentlich zugänglich. Ob der Kläger der Urheber dieses Lichtbildwerkes ist, ist zwischen den Parteien streitig.

Der Kläger bietet das Lichtbildwerk unter der Internetadresse http://www.flickr.com unter der Bedingung der „Creative Commons Legal Code AttributionNonCommercial2.0″ an. Die Lizenzbedingungen werden dem Erwerber der Bilder durch Symbole auf dem Bildschirm verdeutlicht Unter einem Link im oberen Bildrand kann die Vollversion der Lizenzbedingungen eingesehen werden. Danach ist eine Nutzung des Lichtbildwerkes nur unter Nennung des Namens des Rechtsinhabers in der von ihm festgelegten Weise zulässig. Zudem sieht Ziffer 4 der „Creative Commons 2.0“ lediglich eine nicht kommerzielle Nutzung der angebotenen Lichtbildwerke vor. Bei dem Beitrag unter dem Titel „Was die GEMA nicht kennt…“ handelt es sich um ein Gespräch einer Moderatorin mit dem Autor des Beitrages in Form einer so genannten Webschau. In der schriftlichen Version wird der Inhalt des Gesprächs in Textform wiedergegeben Der Beitrag ist seit seiner Ausstrahlung am 29.8.2012 über die Webseite abrufbar. Der Beitrag wurde mit dem streitgegenständlichen Lichtbild versehen, unter Nennung des Namens des Klägers sowie der CC-Lizenz und einem Link zum Werk sowie zu den vereinbarten Nutzungsbedingungen. Der Beitrag wurde unter Annahme eines kulturhistorischen Inhaltes entsprechend dem Telemedienkonzept in die Kategorie 1 eingeordnet und eine Abrufbarkeit zunächst auf zwölf Monate befristet.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.1.2013 gab der Kläger der Beklagten unter Fristsetzung bis zum 30.1.2013 die Abgabe einer Unterlassungserklärung auf. Desweiteren forderte er die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 6.2.2013 auf, für die Nutzung des Lichtbildwerkes einen Schadensersatz in Höhe von 310 Euro zu zahlen sowie die Kosten der anwaltlichen Inanspruchnahme i.H.v. 809 EUR zu tragen. Die Beklagte wies jedoch die Anforderungen des Klägers mit Schreiben vom 29.1.2013 zurück Die Beklagte bat hierin um Vorlage der Vollmachtsurkunde im Original. Auch ein nochmaliges Aufforderungsschreiben des Klägers vom 6.2.2013 blieb erfolglos. Die Beklagte entfernte lediglich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht das streitgegenständliche Lichtbild und illustriert seitdem den Sendebeitrag mit einem anderen Lichtbild.

Der Kläger ist der Ansicht, er habe der Beklagten kein Nutzungsrecht hinsichtlich des streitgegenständlichen Bildes eingeräumt, da die Beklagte gegen die Bedingungen der Lizenz verstoßen habe. Die Beklagte habe das Lichtbildwerk kommerziell genutzt. Dies ergebe sich aus der Legaldefinition in den §§ 16 a), 11 d) RStV. Diese Nutzung sei jedoch nicht vom öffentlich-rechtlichen Auftrag umfasst. Eine Nutzungsberechtigung sei jedenfalls spätestens mit Schreiben vom 24.1.2013 beendet worden.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger den Betrag i.H.v. 310 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6.2.2013 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger den Betrag i.H.v. 507,50 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6.2.2013 zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, folgendes Lichtbildwerk

wie aus Anlage K4 ersichtlich öffentlich zugänglich zu machen und/oder machen zu lassen, wenn dies ohne Einwilligung des Klägers geschieht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der Kläger sei bereits nicht aktivlegitimiert, da er keinen Beweis für seine Urheberschaft angeboten habe. Zudem sei ihr ein Nutzungsrecht eingeräumt worden, da ein wirksamer Lizenzvertrag abgeschlossen worden sei. Es liege keine kommerzielle Nutzung vor, da die Medien unentgeltlich abrufbar seien, keine Werbung geschaltet werde und zudem kein Sponsoring stattfinde. Ziel der Veröffentlichung des Lichtbildwerkes sei allein die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrages. Der zeitliche Rahmen der Veröffentlichung sei nach § 11 d Abs. 2 RStV eingehaltenworden.

Der Lizenzvertrag sei auch nicht wirksam durch den Kläger beendet worden. Weder liege ein Verstoß gegen die Regelung der Lizenz vor, noch sei der Lizenzvertrag durch Kündigung wirksam beendet worden, da der Kläger keine Original-Vollmachtsurkunde vorgelegt habe. Eine ordentliche Kündigung sei nicht möglich, da eine feste Laufzeit für den Lizenzvertrag vereinbart worden sei. Für eine außerordentliche Kündigung fehle es an einem wichtigen Grund.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Dem Kläger stehen die mit den Klageanträgen zu 1-3) geltend gemachten Ansprüche zu.

1. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung des streitgegenständlichen Lichtbildwerkes gemäß §§ 97 Abs. 1 S. 2, 15, 19a UrhG zu.

Die Beklagte hat ein nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht des Klägers widerrechtlich verletzt. Die Nutzung der Beklagten war vorliegend vom Zweck des Vertrages nicht gedeckt sodass es auf die Wirksamkeit einer eventuellen Kündigung nicht ankommt.

a) Der Kläger ist Inhaber des vorliegend geltend gemachten Urheberrechts und damit aktivlegitimiert Zwar ist dies zwischen den Parteien streitig. Nach dem Vortrag des Klägers ist dieser Fotograf und hat das Lichtbildwerk selbst erstellt. Die Beklagte bestreitet dies jedoch, obschon sie den Kläger auf ihrer Webseite unter dem streitgegenständlichen Lichtbildwerk als Rechtsinhaber angegeben hat. Das pauschale Bestreiten der Beklagten kann jedoch angesichts des Vortrags des Klägers nicht als ausreichend erachtet werden. So hat der Kläger zu seiner Rechtsinhaberschaft substantiiert vorgetragen und in der mündlichen Verhandlung durch seine Prozessbevollmächtigte der Kammer eine CD mit 89 Bilddateien überreicht, die teilweise in Augenschein genommen wurden. Inhalt der CD war eine Fotoserie, die unter anderem auch das streitgegenständliche Lichtbildwerk zeigt, sowie zahlreiche weitere Aufnahmen, die erkennbar vor sowie nach der streitgegenständlichen Aufnahme angefertigt wurden. Auf den jeweiligen Lichtbildwerken ist sowohl ein Copyright-Vermerk als auch der Name des Klägers zu erkennen.

b) Bei dem streitgegenständlichen Bild handelt es sich um ein Lichtbildwerk im Sinne des §§ 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG. Indem die Beklagte das Lichtbildwerk auf ihrer Webseite ins Internet stellte, hat sie dieses im Sinne der §§ 15 Abs. 2 Nr. 2, 19 a UrhG öffentlich zugänglich gemacht.

c) Hierdurch hat die Beklagte auch die Rechte des Klägers verletzt. Eine Erlaubnis zur Nutzung des Lichtbildwerkes bestand vorliegend nicht.

Hinsichtlich des wirksamen Erwerbs des Nutzungsrechts ist die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig. Die Beklagte hat jedoch vorliegend ein solches Nutzungsrecht vom Kläger nicht erlangt

Der Kläger hat das Lichtbildwerk unter der Bedingung der „Creative Commons Legal Code AttributionNonCommercial 2.0“ angeboten.

Eine Nutzung ist nach dieser Bedingung nur zulässig, sofern der Name des Rechtsinhabers genannt wird und eine nicht kommerzielle Nutzung erfolgt.

Die Beklagte bat den Kläger vorliegend zwar unstreitig unter dem Lichtbildwerk als Rechtsinhaber auf ihrer Webseite genannt. Es ist jedoch von einer kommerziellen Nutzung des Lichtbildwerkes durch die Beklagte auszugehen.

Der Begriff der kommerziellen Nutzung ist in der Lizenzvereinbarung selbst nicht definiert.

Der Rundfunkstaatsvertrag enthält eine eigene Definition der kommerziellen Tätigkeit in § 16a Abs. 1 RStV. Hiernach sind kommerzielle Tätigkeiten Betätigung, bei denen Leistungen auch für Dritte im Wettbewerb angeboten werden, insbesondere Werbung und Sponsoring, Verwertungsaktivitäten, Merchandising, Produktion für Dritte und die Vermietung von Senderstandorten an Dritte. Zweck der Vorschrift des §§ 16a RStV ist es, EU-Beihilferegelungen (jetzt in Art. 106 ff. AEUV) auch im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durchzusetzen und ihre Einhaltung sicherzustellen. Die Sätze 3-6 des § 16a RStV bilden vor allem Sicherungen gegen eine Quersubventionierung aus der öffentlich finanzierten Auftragserfüllung in dem Bereich der kommerziellen Aktivitäten der Rundfunkanstalten (LG Hamburg, Urteil vom 16. Juli 2013 – 312 O 202/12 – Juris).

Die Nutzung der Beklagten erfüllt vorliegend zwar keine der in § 16a Abs. 1 RStV genannten Fallgruppen. Die auf der Webseite eingestellten Inhalte sind unentgeltlich abrufbar. Es wird weder eine Werbung geschaltet noch findet ein Sponsoring statt. Es soll auch kein Absatz von Waren oder Dienstleistungen gefördert werden. Es steht auch keine Erzielung einer geldwerten Vergütung im Raum. Vielmehr hat die Beklagte hier im Rahmen ihres öffentlichen Auftrags gehandelt.

Doch hierauf kommt es nicht an. Zur Bestimmung der Begrifflichkeit „kommerzielle Nutzung“ ist nicht auf die Definition des §§ 16 a Abs. 1 RStV abzustellen. Vielmehr sind vorliegend die Zweckübertragungslehre nach § 31 Abs. 5 UrhG sowie die allgemeinen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB heranzuziehen.

Bei der Auslegung sind vorrangig die Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes zu beachten, hier insbesondere die Zweckübertragungslehre nach § 31 Abs. 5 UrhG. Ergänzend zu den besonderen Vorschriften des Urheberrechts sind die allgemein privatrechtlichen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB heranzuziehen.

Die Zweckübertragungslehre ist auf den vorliegenden Fall auch anwendbar.

Die Zweckübertragungsregelung findet grundsätzlich nur dann Anwendung, wenn Unklarheiten hinsichtlich der Bezeichnung der Nutzungsart bestehen (Dreier/Schulze, 4. Auflage, § 31 Rn. 120). Sie findet hingegen keine Anwendung, wenn die Nutzungsbefugnisse unzweideutig erwähnt sind und es keiner Auslegung mehr bedarf.

Vorliegend ist die Nutzungsart zwar ausdrücklich bezeichnet (nicht kommerzielle Nutzung). Es ist jedoch nicht eindeutig, welche Nutzungsbefugnisse im konkreten Fall hierunter zu fassen sind. Insofern ist die vorliegende Bezeichnung zu unbestimmt, so dass der jeweilige Vertragszweck ähnlich wie bei einer pauschalen Nutzungseinräumung ermittelt werden muss. Allein die Bezeichnung „kommerzielle Nutzung“‚ kann hier nicht zur Unabwendbarkeit der Zweckübertragungslehre führen, da der Vertragszweck durch die jeweiligen Parteien nicht unzweideutig bestimmt werden kann.

Die Zweckübertragungslehre besagt, dass im Zweifel keine weitergehenden Rechte eingeräumt werden als dies der Zweck des Nutzungsvertrages erfordert (vgl. BGH, Urt.v. 13.6.19080 – I ZR 45/78, GRUR 1981, 196, 197 – Honorarvereinbarung, Urt. v. 13.5.1982 – I ZR 103/80, GRUR 1982, 727, 730 – Altverträge; Urt. v. 1.3.1984 – I ZR 217/81, GRUR 1984, 656, 657 – Vorentwurf). In dieser Auslegungsregel kommt zum Ausdruck, dass die urheberrechtlichen Befugnisse die Tendenz haben, soweit wie möglich bei dem Urheber zu verbleiben, damit dieser in angemessener Weise an den Erträgnissen seines Werkes beteiligt wird (vgl. BGH, Urt. v. 23.2.1979 – I ZR 27/77, GRUR 1979, 637, 638f. – White Christmas; Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl., S. 365; BGH, Urteil vom 27. September 1995 – I ZR 215/93 -, BGHZ 131, 8-14).

Sind in dem Vertrag schriftliche Formulierungen hinsichtlich der Nutzungsrechte enthalten, so ist zunächst auf den Wortlaut abzustellen und zwar dahingehend, was beide Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wollten. Lässt sich hiernach ein übereinstimmender Wille nicht ermitteln, so ist nicht auf den inneren Willen einer Vertragspartei abzustellen, sondern auf den objektiven Erklärungswert, wie ihn ein verständiger Dritter verstehen konnte (Dreier/Schulze, 4. Auflage § 31 Rn. 121). Stimmt eine pauschale Formulierung mit dem Gewollten nicht überein, so ist diese auf den realistischen Kern zu reduzieren. Darüber hinaus sind neben der Formulierung auch die außerhalb des Vertrages1 liegenden Begleitumstände heranzuziehen. Dabei ist dasjenige maßgeblich, was zumindest der Akzeptanz beider Parteien entspricht. Es ist maßgeblich, was üblicherweise in der jeweiligen Branche praktiziert wird. So kann als Indiz dasjenige herangezogen werden, was andere Parteien in vergleichbaren Fällen üblicherweise vereinbaren (Dreier/Schulze, 4. Auflage § 31 Rn. 125).

Der Umfang des eingeräumten Nutzungsrechts umfasst im Zweifel jedoch nur dasjenige, was nach dem Vertragszweck zweifelsfrei festgestellt werden kann. Im Zweifelsfall verbleiben die Rechte beim Urheber (Dreier/Schulze, 4. Auflage § 31 Rn. 127).

Ergänzend zu den besonderen Vorschriften des Urheberrechts sind die allgemeinen Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB heranzuziehen. Die Vorschriften der §§ 133, 157 BGB sind auf Willenserklärungen jeglicher Art anwendbar, sofern diese auslegungsbedürftig sind. empfangsbedürftige Willenserklärungen so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Denn bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen ist der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen (BGH, Urteil vom 19. Januar 2000 – VIII ZR 275/98, NJW-RR 2000, 1002 Rn. 20 mwN; MünchKommBGB/Busche, 5. Aufl. 2012, § 133 Rn. 56) und demgemäß in erster Linie dieser und der ihm zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen. Bei der Willenserforschung sind aber auch der mit der Erklärung verfolgte Zweck, die Interessenlage der Parteien und die sonstigen Begleitumstände zu berücksichtigen, die den Sinngehalt der gewechselten Erklärungen verdeutlichen können (BGH, Urteil vom 16. November 2007 – V ZR 208/06, NJW-RR 2008, 683 Rn. 7 mwN; BGH, Urteil vom 16. Oktober 2012 – X ZR 37/12 -, BGHZ 195,126-134).

Ausgehend im Sinne der Lizenzbedingungen diesen Grundsätzen ist hier von einer kommerziellen Nutzung der Beklagten auszugehen. Nach dem objektiven Erklärungswert ist unter der Bezeichnung „nicht kommerzielle Nutzung“ eine rein private Nutzung zu verstehen.

Nach dem Wortlaut allein lässt sich ein übereinstimmender Wille der Parteien nicht ermitteln. Ausgehend von der Sicht des Klägers, wollte dieser sein Lichtbildwerk allein für eine private Nutzung unentgeltlich zur Verfügung stellen. Jeglicher nach dem allgemeinen Verständnis anzunehmender kommerzieller Zweck sollte ausgeschlossen werden. Die Nutzung der Beklagten unterscheidet sich jedoch deutlich von einer solch rein privaten Nutzung. Zwar kommt die Beklagte mit ihrem Handeln ihrem öffentlich-rechtlichen Auftrag nach. Durch das Einstellen des Lichtbildwerkes zusammen mit einem Bericht in ihrem Archiv handelt sie jedoch wie jeder andere private Radiosender, der hierbei jedoch unstreitig einen kommerziellen Zweck verfolgen wurde. Diese Betrachtung entspricht auch der Branchenübung sowie sowie der Verkehrssitte. Für einen privaten Radiosender ist es üblich, für die Nutzung eines Lichtbildwerkes eine entsprechende Vergütung zu zahlen. Für eine Differenzierung der Nutzungseinräumung zwischen privaten und öffentlichen Radiosendern besteht kein Anlass.

Zwar ist nicht allein auf den inneren Willen einer Vertragspartei abzustellen. Jedoch war dieser Umstand für einen verständigen Dritten und damit auch für die Beklagte erkennbar. Sie durfte nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nicht davon ausgehen, dass dem Kläger eine Differenzierung zwischen privaten und öffentlichen Radiosendern bei Angabe der Lizenzbedingungen bewusst war. Vielmehr musste sie hier von dem ausgehen, was andere Parteien in vergleichbaren Fällen üblicherweise vereinbaren. Sie muss sich hinsichtlich der Nutzungsrechtseinräumung wie ein privater Radiosender behandeln lassen. Somit kann hier zweifelsfrei nur der Zweck einer privaten Nutzung festgestellt werden. Eine solche Nutzung liegt hier jedoch nicht vor, auch nicht unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beklagte im Rahmen ihres öffentlichen Auftrages gehandelt hat. Denn hierüber hat sich der Kläger im Zweifel bei Festlegung der Nutzungsbedingungen keine Gedanken gemacht.

d) Die Tatbestandsmäßigkeit der Verletzung indiziert die Rechtswidrigkeit.

e) Als Verletzende ist die Beklagte auch passivlegitimiert.

f) Die Wiederholungsgefahr ist durch die bereits begangene Rechtsverletzung indiziert. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung wurde nicht abgegeben.

2. Dem Kläger steht auch ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 310 EUR gemäß §§ 97 Abs. 2, 19a, 15 UrhG zu.

a) So ist gemäß § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG derjenige, der die Verletzungshandlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

b) Die Beklagte handelte vorliegend schuldhaft im Sinne einer zumindest leichten Fahrlässigkeit. Sie hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen. So hätte sie erkennen können, dass sich die Nutzungserlaubnis nicht unzweideutig aus der allgemeinen Formulierung ergibt. Die vorliegende Nutzung zur Einräumung war zu unbestimmt gefasst. Insofern hätte es einer näheren Erkundigung durch die Beklagte bedurft. Dieser Sorgfaltspflicht ist die Beklagte jedoch nicht nachgekommen.

c) Die Schadenshöhe selbst ist grundsätzlich durch den Verletzten darzulegen und zu beweisen. Ein konkreter Schaden lässt sich jedoch meist nur schwer ermitteln, da ein Nachweis konkret entstandener Umsatzeinbußen erforderlich ist. Daher kann die Schadensberechnung auch im Wege der Lizenzanalogie berechnet werden. Hiernach hat der Verletzte dasjenige zu zahlen, was vernünftige Parteien bei Abschluss eines Lizenzvertrages in Kenntnis der wahren Rechtslage und der Umstände des konkreten Einzelfalles als angemessene Lizenzgebühr vereinbart hätten. Unerheblich ist jedoch, ob der Verletzte zur Lizenzerteilung grundsätzlich bereit gewesen wäre und ob der Verletzer um eine solche Lizenz auch ohne Verletzung nachgesucht hätte (Dreier/Schulze, § 97 Rn. 61).

Der Kläger hat vorliegend substantiiert zur Anspruchshöhe vorgetragen. So weist er darauf hin, dass sich die angegebene Schadenshöhe aus dem Tarifwerk der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing ergibt. Veranschlagt wurde eine Nutzungsdauer von einem Jahr. Dies ist in Anbetracht der Umstände auch angemessen.

3. Ein Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten ergibt sich aus §§ 97 Abs. 2, 97a Abs. 1 S. 2, Abs. 2 UrhG. Bei den Anwaltskosten handelt es sich um erforderliche Aufwendungen, da die Abmahnung nach den oben gemachten Ausführungen berechtigt war.

Der Anspruch besteht auch in genannter Höhe, da der Kläger seine Berechnung einer 1,3 Geschäftsgebühr zugrundegelegt hat.

Der Zinsanspruch ergibt sich jeweils aus §§ 280 Abs. 2,286, 288 Abs. 1 BGB.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.

4. Streitwert: EUR 6.310,00

Streit um LGPL vor dem LG Bochum endet mit Vergleich: LGPL wirksam

Wie heise.de berichtet, ist ein Verfahren um die Verletzung der GNU LGPL mit einem Vergleich beendet worden (s. dazu auch die Pressemitteilung der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Bahr).

1.
Zu Grunde lag dem, dass in der ZDF-Bürosoftware WISO Mein Büro 2009 das Open-Source-Programm FreeadhocUDF der adhoc dataservice GmbH implementiert worden, ohne dass hierauf (wie es die LGPL in Ziffern 3-5 verlangt) hingewiesen worden wäre. Da FreeadhocUDF unter der LGPL stand, hätte hierauf hingewiesen werden müssen. 

Dem Vergleich vorausgegangen war nach dem Bericht ein Urteil des LG Bochum vom 20.01.2011 – I-8 O 293/09 (Volltext). Das Urteil war das Ergebnis einer sogenannten Stufenklage nach § 254 ZPO, bei der der Kläger zunächst nur Auskunft verlangt, um später seinen Schadensersatzanspruch beziffern zu können. Das LG Bochum hatte im Jahr 2011 nur über diese erste „Stufe“ entschieden und den Auskunftsanspruch zuerkannt. Mit der Entscheidung über den Auskunftsanspruch hatte das LG Bochum aber bereits darüber entschieden, dass überhaupt eine Urheberrechtsverletzung vorliegt und damit klargestellt, dass die LGPL wirksam (und wirksam vereinbart worden) ist:

Eine Verletzung der der Klägerin insoweit zustehenden urheberrechtlichen Nutzungsrechte liegt allein deshalb vor, weil das Programm „G“ in die Software für das Programm „N“ implementiert ist, wie das Schreiben der für die Programmierung zuständigen Fa. E vom 27.03.2009 (Anlage K 15 a zum Schriftsatz der Klägerin vom 11.01.2010 ) zeigt. In diesem Schreiben gesteht die Fa. E zu, daß mit der Folge urheberzivilrechtlicher Ansprüche die streitgegenständliche Software in das Programm „N“ eingefügt und nicht wieder entfernt worden ist. Ob die streitgegenständliche Software innerhalb des Programms „N“ funktionslos ist, ist angesichts dessen unerheblich; die urheberrechtlich relevante Handlung stellt bereits das Einfügen dieser Software in das Programm „N“ dar. Ohnehin folgt die Funktionslosigkeit der von der Klägerin vertriebenen Software nicht allein daraus, daß das Programm der Beklagten auch ohne diese Software uneingeschränkt lauffähig sein soll. Die Bedingungen der Lesser General Public License hat die Beklagte unstreitig nicht eingehalten, so daß eine unberechtigte Nutzung vorliegt.

2.
Die Wirksamkeit von Open Source- (GPL, LGPL etc.) und Open Content-Lizenzen (Creative Commons, DPPL etc.) ist durch deutsche Gerichte immer wieder bestätigt worden (LG München I MMR 2004, 693; LG Frankfurt a.M. CR 2006, 729; LG Berlin CR 2006, 735; LG München I, Urt. v. 24.7.2007 – 7 O 5245/07LG Bochum MMR 2011, 474; LG Berlin GRUR-RR, 2012, 107; s. weiter Mantz, in: Open Source Jahrbuch 2007, S. 413 ff.) . Es liegen auch mehrere Urteile ausländischer Gerichte hierzu vor (s. nur Mantz, GRURInt 2008, 21; Efroni, GRURInt 2011, 282; Liebenson, Meldung vom 21.1.2001). 

3.
Zusätzlich hatte der Kläger im Verfahren vor dem LG Bochum Unterlassung und Zahlung einer Vertragsstrafe verlangt. Diese Ansprüche hatte das LG Bochum allerdings abgelehnt, da die Beklagte  eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben und gegen diese nach Auffassung des LG Bochum nicht verstoßen hatte.

4.
Das Verfahren hat – wohl nach Erteilung der Auskunft – nun mit einer Zahlung der Beklagten an den Urheber der LGPL-Software von 15.000,- EUR geendet. Dieser Ausgang zeigt, dass die Verletzung von Open Source-Lizenzen durchaus wirksam durchgesetzt werden kann und auch mit entsprechendem Schadensersatz bei Verletzung zu rechnen ist.

Fehler im Referentenentwurf des BMJ zu Open Access (§ 38 UrhG); RefE und Creative Commons-Lizenzen

Mit Bearbeitungsstand vom 20.2.2013 ist der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums eines Gesetzes zur Nutzung verwaister Werke und zu weiteren Änderungen des Urheberrechtsgesetzes und des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes (im folgenden RefE-UrhG) veröffentlicht worden, Adrian Schneider berichtete auf Telemedicus.info, Kuhlen auf iuwis.de.

Adrian Schneider hat sich in seiner Analyse auch mit der Frage beschäftigt, ob der Wissenschaftler, der seinen Beitrag, der im Rahmen eines mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln finanzierten Lehr- und Forschungstätigkeit entstanden ist, in einer mindestens zweimal jährlich periodisch erscheinenden Sammlung (so die Voraussetzungen des neuen § 38 Abs. 4 RefE-UrhG) veröffentlicht hat, sein Werk nach Ablauf der Jahresfrist unter einer Creative Commons-Lizenz veröffentlichen kann. Da ich das für eine spannende Frage halte, habe ich sie mir vor dem Gesetzesentwurf noch einmal genau angesehen. Dabei sind mir zwei Dinge aufgefallen:

1. Fehler in Art. 1 RefE-UrhG bezüglich § 38 Abs. 1 UrhG

Die aktuelle Fassung von § 38 Abs. 1 UrhG lautet wie folgt (Hervorhebungen durch Verfasser):

§ 38 Beiträge zu Sammlungen

(1) 1Gestattet der Urheber die Aufnahme des Werkes in eine periodisch erscheinende Sammlung, so erwirbt der Verleger oder Herausgeber im Zweifel ein ausschließliches Nutzungsrecht zur Vervielfältigung und Verbreitung. 2Jedoch darf der Urheber das Werk nach Ablauf eines Jahres seit Erscheinen anderweit vervielfältigen und verbreiten, wenn nichts anderes vereinbart ist.

Ziffer 3 des Artikels 1 zur Änderung von § 38 Abs. 1 UrhG des RefE-UrhG lautet (u.a., Hervorhebung durch Verfasser):

3. § 38 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 Satz 1 werden die Wörter, „Vervielfältigung und Verbreitung“ durch die Wörter „Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Zugänglichmachung“  ersetzt.

Nach dem Referentenentwurf würde § 38 Abs. 1 also wie folgt gefasst werden (Hervorhebungen und Streichungen durch Verfasser):

(1) 1Gestattet der Urheber die Aufnahme des Werkes in eine periodisch erscheinende Sammlung, so erwirbt der Verleger oder Herausgeber im Zweifel ein ausschließliches Nutzungsrecht zur Vervielfältigung,und Verbreitung und öffentlichen Zugänglichmachung.2 Jedoch darf der Urheber das Werk nach Ablauf eines Jahres seit Erscheinen anderweit vervielfältigen und verbreiten, wenn nichts anderes vereinbart ist.

In der Begründung zum Entwurf findet sich aber der folgende Passus (Referentenentwurf, S. 15, Hervorhebungen durch Verfasser):

Zugleich wird § 38 Absatz 1 an die technische Entwicklung angepasst. Die vorgeschlagene Ergänzung erweitert die Auslegungsregel des § 38 Absatz 1 Satz 1 dahingehend, dass der Urheber dem Verleger oder Herausgeber im Zweifel nicht nur ein ausschließliches Nutzungsrecht zur Vervielfältigung und Verbreitung des Werkes einräumt, sondern auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung. Dieser Änderung folgend wird auch Satz 2, der eine Auslegungsregel zu Gunsten der Rechte des Urhebers enthält, dahingehend ergänzt, dass nach Ablauf eines Jahres der Urheber das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung hat, soweit nichts anderes vereinbart wurde.

Die Begründung des Gesetzesentwurfes geht also davon aus, dass – unabhängig von der öffentlichen Förderung – nach einem Jahr der Autor auch die Befugnis erhält, das Werk öffentlich zugänglich zu machen – unter der Bedingung, dass der zwischen dem Urheber und dem Verlag geschlossene Verlagsvertrag dies nicht verbietet (zu Open Access und Verlagsverträgen s. Mantz, in: Spindler (Hrsg.): Rechtliche Rahmenbedingungen von Open Access-Publikationen, Göttingen 2006, S. 55, 96 ff. (PDF)). Der Wortlaut des Gesetzes gibt das allerdings nicht her. Der BGH hat 2012 in seiner Entscheidung „Alles kann besser werden“ (BGH, Urt. v. 19.4.2012 – I ZB 80/11, K&R 2012, 664, Rn. 31, 32) erneut klargestellt, dass der Wille des Gesetzgebers sich im Wortlaut niederschlagen muss, ansonsten ist er unbeachtlich (unter Verweis auf BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 – X ZB 4/10, BGHZ 188, 200 Rn. 20 – S-Bahn-Verkehr Rhein/Ruhr I, mwN; BGH, Urteil vom 14. April 1983 – VII ZR 199/82, BGHZ 87, 191, 30 194 ff.; BGH, Beschluss vom 25. Juni 2008 – II ZB 39/07, BGHZ 177, 131 Rn. 17).

Mit anderen Worten: So lange der Gesetzgeber den Referentenentwurf nicht korrigiert, erhält der Urheber über § 38 Abs. 1 S. 2 UrhG allein die (körperlichen) Rechte der Vervielfältigung und Verbreitung, die öffentliche Zugänglichmachung im Internet ist/bleibt ihm verwehrt. Der bisherigen Mindermeinung, dass § 38 Abs. 1 S. 2 UrhG auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung erfasse, wäre damit wohl auch der Boden entzogen. Bei einem so offenkundigen Fehler wie hier (in S. 1 wird „öffentliche Zugänglichmachung“ hinzugefügt, in S. 2 offensichtlich vergessen, könnte man allerdings auch an eine entsprechende weite Auslegung des Satz 2 denken. Allerdings eröffnet die aktuelle Formulierung des § 38 Abs. 1 RefE-UrhG hier ein unnötiges Maß an Rechtsunsicherheit.

2. § 38 Abs. 1 , Abs. 4 RefE-UrhG und Creative Commons-Lizenzen

Adrian Schneider weist m.E. zu Recht darauf hin, dass – gestützt allein auf § 38 Abs. 4 RefE-UrhG die Verwendung von Creative Commons-Lizenzen (hier wohl eine CC-BY-NC-ND-Lizenz, also nicht-kommerziell und ohne Bearbeitung) nicht möglich sein dürfte. Denn der Urheber erhält nur das Recht, das Werk öffentlich zugänglich zu machen, während die Creative Commons-Lizenzen alle Offline- und Online-Rechte gewähren.

Allerdings hindert dies natürlich nicht daran, eine speziell auf § 38 Abs. 4 RefE-UrhG angepasste Version der Creative Commons-Lizenzen zu verwenden. Es ist davon auszugehen, dass solche Lizenzentwürfe nach Inkrafttreten des Gesetzes bald verfügbar sein werden. Allerdings müsste der Anwendungsbereich der Lizenz gegenüber dem Original stark eingeschränkt werden, was sicher nicht im Sinne der Erfinder der Creative Commons-Lizenzen ist. In diesem Zusammenhang ist die Kritik an § 38 Abs. 4 RefE-UrhG sicherlich berechtigt (s. z.B. Kuhlen auf iuwis.de ).

Zu beachten wäre – trotz des Fehlers in § 38 Abs. 1 RefE-UrhG, der hoffentlich noch berichtigt wird – das (mögliche) Zusammenspiel von § 38 Abs. 1 und Abs. 4 RefE-UrhG: Wenn der Verlagsvertrag keine von § 38 Abs. 1 S. 2 RefE-UrhG abweichende Regelung enthält, kann der Urheber nach § 38 Abs. 1 S. 2 UrhG (auch in der alten Fassung) nach einem Jahr die körperlichen Nutzungsrechte ausüben, nach § 38 Abs. 4 RefE-UrhG (unter dessen Voraussetzungen) zusätzlich das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung. In Summe ergibt sich hier also wieder der ganze Strauß an Nutzungsrechten, so dass ohne Weiteres eine nicht modifizierte CC-BY-NC-ND-Lizenz (wobei nur § 38 Abs. 1 UrhG nicht auf die Manuskriptversion beschränkt ist, dazu auch Schneider auf Telemedicus.info) genutzt werden kann.

Lesetipp: Graf, Urheberrechtsfibel – nicht nur für Piraten, PiratK-UrhG

Klaus Graf, bekannt insbesondere durch sein Blog „Archivalia“ und seine Kommentare und Beschreibungen rund um Open Access und Open Content, hat einen kritischen Urheberrechtskommentar veröffentlicht: „Urheberrechtsfibel – nicht nur für Piraten„, kurz Piratenkommentar-Urheberrecht.

Graf kommentiert in dem Werk gut verständlich und mit Beispielen das gesamte UrhG. Die Vorgehensweise der Kommentierung beschreibt er in der Einleitung:

„In den meisten Fällen wird ein Beispiel, das ich konstruiert habe oder das einem realen Fall entspricht, die Vorschrift veranschaulichen.

Nach einer knappen Erläuterung des Inhalts der Norm folgt die – bewusst pointierte oder sogar polemische – Kritik. In einem Nachwort fasse ich meine Änderungsvorschläge systematisierend zusammen. Ich möchte allerdings bereits jetzt dringend davor warnen, die Originalität meiner Vorschläge, auch wenn sie in Ich-Form als subjektive Sicht präsentiert werden, zu überschätzen. Viele meiner Kommentare nehmen kritische Anregungen des juristischen „Schrifttums“ auf, andere ergeben sich zwanglos aus der Befürwortung einer „digitalen Allmende“ oder etwa den oben angeführten Forderungen der Piratenpartei, ohne dass ich dies im einzelnen nachweisen kann. Hier wie auch sonst gilt die alte Wissenschaftsmetapher: Als Zwerge stehen wir auf den Schultern von Riesen.“

Graf geht jeweils kurz auf Sinn und Zweck sowie (im weitesten Sinne) netzpolitische Bedeutung jedes Paragraphen ein. Er stellt kurz anschauliche Urteile und/oder Literaturansichten dar, wobei er sich meist (verständlicherweise) auf die bekannten Urheberrechtskommentare beschränkt und auf Literaturübersichten oder die erschöpfende Behandlung der publizierten Ansichten verzichtet. Die Kommentierungen sind nicht vollständig, erheben diesen Anspruch aufgrund der Kürze aber auch nicht.

Der Kommentar greift aktuelle Rechtsprechung auf, z.B. die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt zu § 52b UrhG (2-06 O 172/09, dazu auch die Anmerkung von Graf hier; ferner von Jani, K&R 2009, 514, dazu Eintrag von Steinhauer) oder des LG Köln zu § 97a Abs. 2 UrhG vom 13.5.2009 (s. dazu hier).

Zur Störerhaftung und offenen WLANs schreibt Graf (§ 97, S. 197):

„Im obigen Fall geht es um die sogenannte Störer-Haftung. Nicht der wahre Täter (ein minderjähriges Kind) wird belangt, sondern ein Störer, also jemand, der in irgendeiner Weise kausal an der Urheberrechtsverletzung mitgewirkt hat. Er muss bestimmte Prüf- und Sorgfaltspflichten verletzt haben, sonst könnten ja beliebige Dritte zur Rechenschaft gezogen werden. Störer kann auch jemand sein, der durch ein nicht abgesichertes offenes WLAN einem Filesharer die Urheberrechtsverletzung unwissentlich ermöglicht hat.

Ähnlich wie das Abmahnwesen ist auch die „kaugummiartige“ Störerhaftung von Übel und muss beseitigt werden. Wenn Rechteinhaber den wahren Verletzer nicht dingfest machen können oder von diesem nichts zu holen ist, greifen sie sich einen Dritten, der weder Täter noch Mittäter ist. Mit Gerechtigkeit hat die Störerhaftung für mich nichts zu tun, zumal die angesetzten Schadenshöhen vielfach rein fiktiv sind. Tauschbörsennutzer würden keine Lizenzen für die öffentliche Zugänglichmachung erwerben.

Es hilft wenig, dass im Bereich der sogenannten Forenhaftung die Pflicht einer Vorabkontrolle der von den Benutzern eingebrachten Inhalte überwiegend abgelehnt wird. Es ist immer möglich, dass ein Landgericht das im Einzelfall anders sieht.“

Seinen Abschluss findet der Kommentar in einer Abhandlung mit dem Titel „Abrüstung des Urheberrechts!“.

Man sollte bei der Lektüre im Hinterkopf behalten, dass Graf kein Jurist ist. Das hat den Vorteil, dass er die Normen für Nichtjuristen sicher besser erklären kann, als dies einem Juristen möglich wäre. Allerdings erklärt sich aus diesem Umstand auch, dass er häufig mit seiner Ansicht nicht der herrschenden Meinung in der juristischen Literatur und der Rechtsprechung entspricht – einem kritischen Urheberrechtskommentar angemessen.

Insgesamt wird der Kommentar dem Titel mehr als gerecht: Eine kritische Darstellung des Urheberrechts aus Sicht von Open Access, Open Content und neuen Medien auf runden 280 Seiten.

Der Kommentar kann unter http://ebooks.contumax.de/nb für 19,90 EUR in Buchform bestellt oder unter einer Creative Commons CC-BY-SA 3.0-Lizenz heruntergeladen werden.

Kein Urteil des AG Berlin zur Wirksamkeit der Creative Commons-Lizenz in Deutschland

Im September ist ein Verfahren vor dem AG Berlin bekannt geworden, bei dem eine Zeitschrift des Burda-Verlages neun Fotos der Bloggerin Mary abgedruckt hatte, die unter einer Creative Commons CC-BY-NC-ND-Lizenz standen (Link auf Lizenz) –  ohne um Erlaubnis zu fragen, Lizenzgebühren zu zahlen oder die Fotografin zu benennen. Die Fotografin Mary berichtete darüber in ihrem Blog unter http://pudri.blogspot.com/2009/09/internet-is-for-free.html. Auf Anforderung hatte Burda zwar den üblichen Satz gezahlt, verweigerte aber den darüber hinaus zu leistenden Aufschlag für die unterbliebene Benennung. Darum stritt Mary vor dem Amtsgericht Berlin.

Das Verfahren sorgte in der Creative Commons-Szene für Aufmerksamkeit (s. z.B. die Nachricht auf der CC-DE-Mailingliste und der CC-Community-Mailingliste). Denn es hätte das erste Urteil zur Wirksamkeit einer Creative Commons-Lizenz in Deutschland sein können.

Mary und der Burda-Verlag haben sich allerdings verglichen, wobei Burda den eingeklagten Betrag beglich und auch die Kosten übernahm.

In der mündlichen Verhandlung war das AG Berlin überhaupt nicht auf den Lizenzvertrag eingegangen. Da die Verletzung des Rechts der Fotografin  zwischen den Parteien unstrittig war und Burda sich nicht darauf berief, aus dem Lizenzvertrag irgendwelche Rechte ableiten zu können, musste sich das AG Berlin damit auch nicht unbedingt näher damit beschäftigen. Da das Gericht aber im Falle eines Urteils die Rechtslage insgesamt  hätte beurteilen müssen, hätte es auch ein paar Worte dazu verlieren können, so zumindest die Hoffnung.

Durch den Vergleich ist das nicht passiert. Dass Burda den Betrag gezahlt hat, deutet aber darauf hin, dass Burda die Verletzung in vollem Umfang anerkennt. Damit erkennt Burda wohl auch an, dass die Beschränkung auf nicht-kommerzielle Verwendungen in der CC-BY-NC-ND Creative-Commons-Lizenz wirksam ist, und dass die Fotografin trotz CC-Lizenz noch immer bestimmte Rechte wie das Namensnennungsrecht ausüben kann.

Daher bleibt die Rechtslage für Creative Commons in Deutschland wie sie vorher war: Bisher kein Urteil explizit zu Creative Commons, aber zu den teilweise sehr ähnlichen Klauseln der GPL (LG München I MMR 2004, 693; LG Frankfurt a.M. CR 2006, 729; LG Berlin CR 2006, 735; LG München I, Urt. v. 24.7.2007 – 7 O 5245/07.). Im Ausland sind bereits Urteile zu Creative Commons gefällt worden bzw. Verfahren geführt worden, nämlich in Spanien, Niederlande und den USA (dazu Mantz, Creative Commons-Lizenzen im Spiegel internationaler Gerichtsverfahren, GRUR Int. 2008, 20). Für Creative Commons Deutschland heißt es: weiter warten.

Falls jemand von weiteren (auch internationalen) Verfahren und/oder Urteilen erfährt, würde ich mich über einen Kommentar oder eine Nachricht freuen. Danke.