Bundesrat will TMG-Gesetzesentwurf abändern: Privilegierung auch für WLANs ohne Wenn und Aber

Der Wirtschaftsausschuss des Bundesrats hat eine Stellungnahme zum Gesetzesentwurf (BR-Drs. 440/15) der Bundesregierung zur Änderung des TMG abgegeben (Stellungnahme hier, BR-Drs. 440/1/15). Darin werden insbesondere die bisherigen Voraussetzungen der Verschlüsselung und Einholung einer Erklärung gestrichen und durch ein Verbot des kollusiven Zusammenwirkens mit dem Rechtsverletzer ersetzt.

Der Gesetzestext soll nun lauten:

§ 8 Abs. 3: „Der Ausschluss der Verantwortlichkeit (Absatz 1) umfasst [auch] Diensteanbieter von drahtlosen Netzwerken und Funknetzwerken, die sich an einen nicht im Voraus namentlich bestimmten Nutzerkreis richten (öffentliche Funknetzwerke).

Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen.“

§ 8 Abs. 4: „Diensteanbieter nach Absatz 3 können wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers nicht auf Beseitigung oder Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen.“

Wie man sieht, ist insbesondere § 8 Abs. 4 TMG-E gestrichen worden.

Zur Begründung führt der Bundesrat erfreulicherweise folgendes an (Hervorhebungen hier):

„Der Regierungsentwurf normiert, dass eine Haftung als Störer von Dienste- anbietern nicht in Betracht kommt, wenn „der Diensteanbieter angemessene Sicherungsmaßnahmen“ ergriffen hat. Diese Regelungen in § 8 Absatz 4 Satz 2 des Regierungsentwurfs sind nicht geeignet, die verfolgten Ziele – die Verbreitung von WLAN im öffentlichen Raum zu stärken und diesbezügliche Rechtssicherheit zu schaffen – zu verwirklichen. Denn es werden unbestimmte Rechtsbegriffe, wie „zumutbare Maßnahmen“ und „angemessene Sicherungs- maßnahmen“, verwendet, welche nicht die angestrebte Rechtsklarheit schaffen, sondern weiterhin der Auslegung durch die Gerichte bedürfen. Dies führt im Ergebnis zu keiner Verbesserung im Vergleich zu der jetzigen Rechtslage, nach welcher zwar die Kriterien der Störerhaftung durch eine Vielzahl von Entscheidungen herausgebildet worden sind, letztendlich jedoch – auch bedingt durch die Vielzahl der unterschiedlichen Fallkonstellationen – keine „klaren Vorgaben“ für WLAN-Anbieter ersichtlich sind, an denen sie sich orientieren können, um die Störerhaftung wirksam auszuschließen. Das Ziel, die Verbreitung von WLAN im öffentlichen Raum zu stärken, kann nicht erreicht werden, wenn lediglich versucht wird, die jetzige durch Einzelfallrechtsprechung geschaffene Rechtslage in Gesetzesform zu gießen. Es sind vielmehr Regelungen erforderlich, die sich klar hiervon abgrenzen und klarstellen, dass die Grundsätze der Störerhaftung von WLAN-Anbietern künftig in Deutschland – wie auch derzeit bereits in zahlreichen anderen europäischen Ländern – nicht mehr gelten sollen. Dies leistet die hiermit verfolgte Änderung von Absatz 4.

Nur durch das Streichen von § 8 Absatz 4 Satz 2 im Regierungsentwurf ist das Ziel des Regierungsentwurfs zu erreichen. Wenn die Verbreitung öffentlicher WLAN-Hotspots erhöht werden soll, kann nicht zwischen unberechtigten und berechtigten Zugriffen unterschieden werden. Ein öffentlicher WLAN-Hotspot richtet sich an die nicht näher eingegrenzte Öffentlichkeit.

Von der Verbreitung öffentlicher WLAN-Hotspots sind keine nachteiligen Effekte auf die Strafverfolgung zu erwarten. Die Auflagen etwa zur Umsetzung von Überwachungsmaßnahmen und Erteilung von Auskünften nach § 110 Telekommunikationsgesetz und § 113 Telekommunikationsgesetz gelten nach den Vorgaben und kontrolliert von der Bundesnetzagentur auch für Betreiber von WLAN-Zugangsnetzen oberhalb der Marginaliengrenze. Zudem nutzen private Anbieter für die Internetanbindung ihrer WLAN-Zugangspunkte die Angebote kommerzieller Accessprovider, die den Rahmenbedingungen des Telekommunikationsgesetzes unterliegen.

Auch eine Zunahme von Urheberrechtsverletzungen ist nicht zu erwarten. Denn zum einen ist die Bandbreite von öffentlichen, also mit vielen Menschen geteilten, WLAN-Hotspots dafür typischerweise zu gering. Freifunk-Software zum Beispiel erlaubt es Anbietern außerdem, die insgesamt über WLAN zur Verfügung gestellte Bandbreite zu reduzieren. Zum anderen ist die Bedeutung des Filesharing bei Urheberrechtsverletzungen gesunken. Die überwiegende Zahl der Verletzungen wird heute mittels Streaming begangen – so zum Beispiel die bekannten Fälle wie Kinox.to. Beim Streaming sind aber WLAN- Zugangspunkte gänzlich ungeeignet für die Anbindung der Server, auf denen das gestreamte Material vorgehalten wird.

Es gibt auch keinen nachgewiesenen Bedarf für eine Anhebung des Schutzniveaus im Bereich von WLAN-Hotspots. Urheberrechtsverletzungen im Internet sind nicht dem Vorhandensein von WLAN-Hotspots geschuldet. Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg berichtet dazu: „Im Rahmen unseres seit 2012 laufenden Projekts mit Kabel Deutschland wurden die Public-Wifi- Hotspots nicht für Urheberrechtsverletzungen genutzt. Es gab bei Kabel Deutschland in dieser Zeit keine IP-Adressabfragen wegen Urheber- rechtsverletzungen (letzter Stand: 9. Februar 2015).“ Auch aus anderen Staaten mit mehr öffentlichen WLAN-Zugangspunkten und ohne Störerhaftung wie zum Beispiel den Niederlanden ist nicht bekannt, dass öffentliche WLAN- Hotspots ein gravierendes Problem bei Urheberrechtsverletzungen darstellen.

Der neu vorgeschlagene Satz 2 trägt den Interessen der durch rechtswidrige Handlungen Geschädigten Rechnung. Hier wird das Privileg eingeschränkt: Wer ein öffentliches Funknetzwerk einrichtet und mit den Nutzern zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen etwa bei Urheberrechtsverletzungen zu begehen, genießt es ausdrücklich nicht.

Von den im Regierungsentwurf aufgeführten „angemessenen Sicherungsmaßnahmen“ ist keine substanzielle Auswirkung für Strafverfolgung und das Themengebiet Urheberrechtsverletzungen zu erwarten. Jedoch sind gravierende negative Auswirkungen dieser Normierung für die Verbreitung öffentlicher WLAN-Zugangspunkte zu erwarten: Rechtsunsicherheit hat zu der niedrigen Verbreitung solcher Angebote in Deutschland geführt, neue Rechtsunsicherheit wird denselben Effekt haben.“

Die Stellungnahme des Bundesratswirtschaftsausschusses ist durchweg zu begrüßen. Sie greift die Kritik am Gesetzesentwurf auf (eingehend Mantz/Sassenberg, CR 2015, 298 ff.; Übersicht meiner Beiträge zum TMG-Änderungsgesetz hier)  und folgt ihr mit einer Streichung von § 8 Abs. 4 S. 2 TMG-E. Man sollte es vielleicht nicht so laut sagen, aber im Grunde entspricht der Vorschlag des Bundesrats damit demjenigen des Digitale Gesellschaft e.V. (dazu hier).

Die jeweilige Ergänzung zum kollusiven Zusammenwirken, die der Bundesrat jetzt vorschlägt, wäre dabei eigentlich nicht erforderlich. Denn § 8 Abs. 1 S. 2 TMG, der durch den Entwurf in § 8 Abs. 4 S. 1 TMG in Bezug genommen wird, sieht genau dies schon vor: Ein Anbieter, der kollusiv mit dem Rechtsverletzer zusammenarbeitet, ist nicht privilegiert. Wäre also doppelt, dient aber nach der Gesetzesbegründung der Beruhigung von Ängsten.

 

Im Übrigen lehnt der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates in seiner Stellungnahme auch den Vorschlag der Bundesregierung zu § 10 TMG ab:

„Die vorgeschlagene Haftungsverschärfung ist im Hinblick auf ihre zu erwartenden negativen Auswirkungen auf Medienvielfalt und Meinungsfreiheit abzulehnen.“

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