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Bundesregierung will WLAN-Störerhaftung doch nicht abschaffen – oder?

Die Haftung bei WLANs ist nun seit vielen Jahren ein Dauerbrenner. Im letzten Jahr ist in das Thema sehr viel neuer Schwung gekommen, der nun kürzlich in der Meldung der Großen Koalition mit der Bezeichnung „Störerhaftung wird abgeschafft“ kulminierte. Die Tagesschau beispielsweise formulierte „Koalition will freies WLAN stärken – Abschied von der Störerhaftung„. Lars Klingbeil postete bei Twitter: „Koalition einig – Freies WLAN kommt – Done!„.

https://twitter.com/larsklingbeil/status/730295181757583362

Das hörte sich gut an, eindeutig und klar. Deshalb hatte ich hier im Blog auch geschrieben, dass nun eine Regelung „ohne Wenn und Aber“ kommen soll. Doch schon kurz darauf kamen mahnende Zeigefinger. Der Titel könnte doch nicht stimmen. Es sei noch unklar, was tatsächlich beschlossen worden sei. Ulf Buermeyer hat das Problem in seinem Podcast (mit Philip Banse) „Lage der Nation“ Nr. 10 sehr schön aufgearbeitet.

Und nun zeigt sich, dass der Kompromiss, den die Große Koalition da ausgehandelt hatte, wohl mit einer Abschaffung der Störerhaftung beim Betrieb öffentlich zugänglicher WLANs in ungefähr so viel miteinander zu tun hatte wie ein Paperflieger mit einem Airbus A380.

Denn offenbar war der Plan, dass in § 8 TMG – wie schon im bisherigen Entwurf – der Betreiber eines öffentlichen WLANs mit einem Access Provider wie z.B. der Deutschen Telekom rechtlich gleich gestellt werden sollte. Mit anderen Worten: § 8 TMG soll auch auf WLANs Anwendung finden. Das ist grundsätzlich schön – aber nur als Klarstellung. Denn das ist seit Jahren der Status Quo. Der Wortlaut von § 8 TMG ist da nämlich auch bisher schon eindeutig gewesen: WLAN ist Access Provider, eine Unterscheidung zwischen „klassischen“ und „nicht-klassischen“ Access Providern sieht das Gesetz nicht vor. In der juristischen Literatur war das längst klar. Auch die Gerichte erkannten das zunehmend, wenn sie sich denn ernsthaft damit beschäftigen mussten, was sehr selten der Fall war.

Was ein Teil der Großen Koalition nicht erkannt hatte: Damit ist das Problem der Störerhaftung nicht gelöst. Ganz im Gegenteil, das Problem ist noch nicht einmal berührt. Das ist so, als wenn man mit einem Bogen auf eine Zielscheibe schießt, aber vergisst, den Pfeil einzulegen. Und hinterher behauptet, man hätte ins Schwarze getroffen.

Denn nach der ständigen Rechtsprechung des BGH findet § 8 TMG auf Unterlassungsansprüche überhaupt keine Anwendung. Und – man ahnt es – Störerhaftung bedeutet, dass gegen einen Betreiber ein Unterlassungsanspruch besteht. Dann kann eine Erweiterung der Haftungsprivilegierung aber auch keinen Effekt haben … Die Große Koalition hat also großmundig behauptet, sie würde die Störerhaftung abschaffen, dafür aber in Wahrheit keinen Finger krumm getan.

Um es ganz klar zu sagen: Wenn für WLANs der Anwendungsbereich von § 8 TMG nicht auf Unterlassungsansprüche erweitert wird, bleibt es bei der bisher bestehenden, großen Rechtsunsicherheit!

Auf Freifunkstattangst schreibt der regelmäßig gut informierte Christian Heise:

„Die WLAN-Störerhaftung ist noch nicht vom Tisch. Erstens liegt noch immer kein finaler Entwurf vor, obwohl der Bundestag schon kommende Woche darüber abstimmen will. Zweitens vermuten wir, dass es diese überarbeiteten Entwurf zwar gibt, die Union diesen aber blockiert, weil sie Unterlassungsansprüche und Abmahnungen weiterhin möglich machen will.“

Damit haben sich die Befürchtungen wohl bewahrheitet, was die Einigung der Großen Koalition angeht (Papierflieger und A380), aber offenbar hat – sicher auch wegen des öffentlichen Aufschreis ob des oben dargestellten Sachverhalts – zumindest die SPD erkannt, dass sie auf ein Gesetz, das die Störerhaftung nicht berührt nicht „Störerhaftung wird abgeschafft“ draufschreiben kann. Und nun streiten die Koalitionsparteien also wieder. Man kann nur hoffen, dass das Gesetz doch keine Mogelpackung wird.

Christian Heise hat eine entsprechende Petition bei Change.org gestartet, die sich zu zeichnen lohnt.

Ergebnisse der AG Wirtschaft (Große Koalitions-Verhandlungen) zum Thema Telekommunikation, Stand 5.11.2013 #groko

Wen es interessiert, was die AG Wirtschaft bei den Verhandlungen zur möglichen Bildung einer Großen Koalition von CDU/CSU und SPD (#groko) zum Thema Telekommunikation bisher verhandelt haben soll, hier ein Auszug (Stand 5.11.2013, Hervorhebung zu WLAN von mir):

Deutschland braucht eine moderne Telekommunikationsinfrastruktur. Der Zugang zu schnellem Internet ist eine zentrale Voraussetzung für Produktivitätsfortschritte, neue Geschäftsmodelle und Effizienzsteigerungen. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen in ländlichen und strukturschwachen Regionen sind auf diese Basisinfrastruktur angewiesen.

Für ein modernes Industrieland ist der flächendeckende Breitbandausbau eine Schlüsselaufgabe, um wirtschaftliche Entwicklungschancen zu fördern. Dazu werden wir die Breitbandstrategie weiterentwickeln. Es gilt, die digitale Spaltung zwischen den urbanen Ballungszentren und ländlichen Räumen zu überwinden. Dazu wollen wir die Kommunen in ländlichen Räumen beim Breitbandausbau unterstützen. Wir werden Investitionshemmnisse und Wirtschaftlichkeitslücken in den infrastrukturschwächeren Regionen abbauen. Hierbei setzen wir verstärkt auf Synergieeffekte und zusätzliche Investitionsanreize für Telekommunikationsunternehmen.

Beim Ausbau des schnellen Internets werden wir Technologieoffenheit sicherstellen. Dazu gehört auch eine bedarfsgerechte Bereitstellung von Funkfrequenzen für drahtlose Kommunikationsnetzwerke in allen Teilen Deutschlands.

Wir müssen die Rahmenbedingungen für Investitionen in leistungsfähige Infrastrukturen nachhaltig verbessern, damit der Beitrag der Informations- und Kommunikationstechnologie am wirtschaftlichen Wachstum weiter wächst. Es bedarf einer Vielzahl weiterer Maßnahmen, um hochleistungsfähige Breitbandnetze auszubauen. Dazu gehören etwa wettbewerbs- und investitionsfreundliche Rahmenbedingungen im Telekommunikationsgesetz, die verstärkte Kooperation von Unternehmen, bessere Fördermöglichkeiten sowie eine gute Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Kommunen.

Schnelle Internetverbindungen gehören für uns zur kommunikativen Daseinsvorsorge, deshalb wollen wir die noch verbliebenen Regionen, die nicht mindestens eine Geschwindigkeit von 2 Mbit/s haben, so schnell wie möglich erschließen. Bis zum Jahr 2018 soll es in Deutschland eine flächendeckende Grundversorgung mit mindestens 50 Mbit/s geben. Zur Umsetzung dieser Ziele wollen wir die dafür notwendigen privaten Investitionen für den Breitbandausbau um einen Förderbetrag des Bundes in Höhe von einer Milliarde Euro pro Jahr ergänzen. Der Breitbandausbau muss auch zukünftig in der EU förderfähig bleiben. Zudem muss es zu einer Vereinfachung der Förderung wie im Rahmen der Daseinsvorsorge im EU-Recht kommen.

Ein neues Sonderfinanzierungsprogramm „Premiumförderung Netzausbau“ bei der KfW-Bankengruppe soll bestehende Programme ergänzen. Wir wollen außerdem einen Breitband-Bürgerfonds einrichten. In diesen Fonds sollen Privatpersonen zu soliden Renditen investieren können.

Wir wollen, dass in deutschen Städten mobiles Internet über W-LAN für jeden verfügbar ist. Wir werden die gesetzlichen Grundlagen für die Nutzung dieser offenen Netze und deren Anbieter schaffen.

Wir wollen Netzneutralität sicherstellen: In Bezug auf die Nutzung des Internets wollen wir die Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen ermöglichen, Meinungsvielfalt und fairen Wettbewerb sichern sowie die wirtschaftlichen Potenziale steigern. Die Gewährleistung von Netzneutralität werden wir als eines der Regulierungsziele im Telekommunikationsgesetz verbindlich regeln und definieren. Die Bundesnetzagentur soll im Hinblick auf die Sicherung von Netzneutralität und Diskriminierungsfreiheit zusätzliche Kompetenzen erhalten.

Die Sicherheit von Kommunikationsinfrastrukturen muss erhöht werden. Dazu muss die Cyber-Sicherheits- und Datenschutzstrategie weiterentwickelt werden. Dafür initiieren wir ein Spitzencluster „IT-Sicherheit und kritische IT-Infrastruktur“ und setzen uns für einen branchenübergreifenden Rechtsrahmen für Mindestanforderungen in Deutschland und Europa ein. Gleichzeitig wollen wir eigene nationale Kompetenzen im Bereich Internet/IT/Digitale Wirtschaft ausbauen, um unsere Unabhängigkeit zu erhöhen.