Schlagwort-Archive: Studie

Texte erstellen in Word schneller als in LaTeX? – Eine Studie aus PLOS One in der Kurzkritik

Kürzlich ist ein Paper von Knauff/Nejasmic im Open Access Journal PLOS One mit dem Titel „An Efficiency Comparison of Document Preparation Systems Used in Academic Research and Development“ erschienen, das die Effizienz bei der Verwendung von wissenschaftlichen Texten untersucht. Das Ergebnis vorweg: Wer mit Word schreibt, ist schneller als beim Schreiben mit LaTeX. Ich will hier gar nicht eine vollständige Kritik des Paper schreiben, sondern nur auf ein paar Punkte hinweisen (s. zum Erstellen von juristischen Doktorarbeiten mit LaTeX hier).

Das Abstract lautet:

The choice of an efficient document preparation system is an important decision for any academic researcher. To assist the research community, we report a software usability study in which 40 researchers across different disciplines prepared scholarly texts with either Microsoft Word or LaTeX. The probe texts included simple continuous text, text with tables and subheadings, and complex text with several mathematical equations. We show that LaTeX users were slower than Word users, wrote less text in the same amount of time, and produced more typesetting, orthographical, grammatical, and formatting errors. On most measures, expert LaTeX users performed even worse than novice Word users. LaTeX users, however, more often report enjoying using their respective software. We conclude that even experienced LaTeX users may suffer a loss in productivity when LaTeX is used, relative to other document preparation systems. Individuals, institutions, and journals should carefully consider the ramifications of this finding when choosing document preparation strategies, or requiring them of authors.

Das Ergebnis an sich ist erstmal etwas überraschend. Man würde erwarten, dass zumindest die erfahrenen LaTeX-Nutzer zumindest gleich schnell sind. Es lohnt sich aber, in das Paper hineinzusehen, um die Ergebnisse besser einordnen zu können (Hervorhebungen von mir):

The probe texts included three different text structures: (1) simple continuous text; (2) text with tables; and (3) mathematical text with several equations. The texts were selected based on a pilot study so that an expert could reproduce around 90% of the text in thirty minutes. …

The participants were instructed to reproduce the source text within thirty minutes. Each participant was given five minutes to familiarize themselves with the text. The performance of each participant was measured for each text sample by three variables: (1) the number of orthographic and grammatical mistakes; (2) the number of formatting errors and typos; and (3) the amount of written text (in symbols and words) produced within 30 minutes.

Es ging im Ergebnis also gar nicht darum, wissenschaftliche Texte zu schreiben, sondern wissenschaftliche Texte abzuschreiben (so auch die Kritik von @twig2nose und @neingeist). Im Ergebnis waren die Word-Nutzer insgesamt schneller und machten weniger Fehler als die LaTeX-Nutzer.

… For all other types of documents, our results suggest that LaTeX reduces the user’s productivity and results in more orthographical, grammatical, and formatting errors, more typos, and less written text than Microsoft Word over the same duration of time.

Als Ratschlag/Handlungsanweisung nehmen die Autoren daher mit:

… our study suggests that LaTeX should be used as a document preparation system only in cases in which a document is heavily loaded with mathematical equations. For all other types of documents, our results suggest that LaTeX reduces the user’s productivity and results in more orthographical, grammatical, and formatting errors, more typos, and less written text than Microsoft Word over the same duration of time.

Wie gesagt, will ich das Ergebnis gar nicht per se in Frage stellen. Das Erstellen von wissenschaftlichen Texten läuft aber (nach meiner Erfahrung) häufig anders ab als in der Studie untersucht. Die Autoren haben insbesondere nicht berücksichtigt, wie sich die Schnelligkeit beim Erstellen von Texten verändert, wenn bereits ein Text mit identischem Format erstellt worden ist. Es ist gerade im wissenschaftlichen Kontext häufig so, dass die Zeitschriften bestimmte Format-Vorgaben machen. Sind diese in einem Fall umgesetzt, kann der erstellte Text als Vorlage verwendet werden, was die Geschwindigkeit ganz erheblich erhöhen dürfte (sowohl in Word als auch in LaTeX).

Ich persönlich empfand es beim Erstellen meiner Doktorarbeit (in LaTeX) zunächst als sehr lästig, alle Formatierungen selbst einzustellen. Es hat auch einiges an Zeit gebraucht, mich in LaTeX einzufinden und einzuarbeiten. Als aber das „Drumherum“ endlich fertig war, habe ich es sehr genossen, mich praktisch nur auf den Text konzentrieren zu können. Formatfragen traten nach dieser Vorarbeit völlig in den Hintergrund. Auch die Erleichterung beim Zitieren und Erstellen der Bibliographie durch ein Einsatz von BibTex war deutlich spürbar (wofür es natürlich bei Word auch Lösungen in Form von EndNote oder Zotero gibt).Gerade in Fällen, in denen man mehr denken als schreiben sollte, stellt eine solche Vorgehensweies mit LaTeX daher eine erhebliche Entlastung dar.

Und einen weiteren Punkt möchte ich hervorheben: Durch die Arbeit mit LaTeX konnte ich zusätzlich eine Versionskontrolle einsetzen. Nach jedem Arbeitstag oder Abschluss eines größeren Abschnitts habe ich meine Text in Subversion eingecheckt. Dadurch war sichergestellt, dass ich bei Datenverlust oder Fehlbedienung praktisch jederzeit auf den (bzw. jeden) vorherigen Stand zurück konnte, was viel an Ruhe in die tägliche Arbeit hereingebracht hat. Ein ähnlich gutes System hat mir für Word bisher niemand zeigen können (natürlich kann man Word-Dateien als Blob einchecken, aber das halte ich für ziemlich witzlos).

Es wäre daher nach meiner Auffassung noch zu untersuchen, wie sich die Geschwindigkeit beim Erstellen von Texten über die Zeit verändert, wenn die Formatierung im Wesentlichen fest steht.

Nicht zu übersehen ist allerdings ein anderes Ergebnis der Studie: LaTeX-Nutzer machten mehr Fehler auch außerhalb der Formatierung. Dies ließe sich möglicherweise damit erklären, dass Word eine Rechtschreibkorrektur inklusive grammatikalischer Korrektur enthält, die (zumindest im deutschsprachigen Raum) durch die von LaTeX-Nutzern verwendeten Editoren nicht erreicht wird. Dies ist tatsächlich ein Argument für die Benutzung von Word, so lange ähnlich leistungsfähige Autokorrekturen nicht mit anderen Tools erreicht werden können.

Ein Ergebnis der Studie kann ich (wie man am obigen Text sieht), deutlich unterschreiben:

Word users rated their respective software as less efficient than LaTeX users (t (35.6) = −2.80, p<.01), but LaTeX users rated the learnability of their respective software as poorer than Word users (t (33.6) = 2.13, p<.05). However, LaTeX users assessed their work as less tiresome (t (35.38) = 2.16, p<.05) and less frustrating than Word users (t (38) = 2.27, p<.05). LaTeX users significantly more often reported to enjoy their work with their respective software than Word users (t (36.27) = −3.23, p<.01).

 

Die wirtschaftliche Bedeutung von kostenlosem WLAN (u.a. für Hotels) (Update)

Schon mehrfach ist in diesem Blog die Bedeutung von WLANs angesprochen worden. Eine neue Studie von HRS bietet Anlass, dies nochmal aufzugreifen …

1. Neue Studie: Kostenloses WLAN in Hotels gewünscht

Die Firma HRS (Hotel Reservierungs System) liefert nun neues Material: Nach einer Studie der HRS ist kostenloses (bzw. im Preis enthaltenes) WLAN mit Abstand die am meisten von Gästen gewünschte Zusatzleistung: Über 74% der Geschäftsreisenden erwarten WLAN im Hotel und immerhin 62% der übrigen Gäste. Betrachtet man lediglich jüngere Gäste, sind die Zahlen sogar noch höher: Fast 80% der unter 30-jährigen wünschen sich kostenloses WLAN im Hotel.

Auch wenn die Studie nach gewünschten Zusatzleistungen fragt, lässt sich ein Umkehrschluss wohl auch ziehen: Nach dem Motto „Hotels ohne WLAN buch‘ ich nicht“ dürfte das Angebot eines WLAN-Anschlusses zumindest bei Geschäftskunden, aber auch sonst, ein mittlerweile ein Ausschlusskriterium bei den Gästen sein. Wer also kein WLAN anbietet, verliert Gäste.

2. Stellungnahmen aus 2013

Darauf hat auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband DeHoGa (zusammen mit IHA) im Rahmen der Stellungnahme zur Anhörung im Landtag NRW am 3.7.2013 bereits hingewiesen (s. zur Anhörung hier und hier). Darin heißt es:

Ob drahtlos oder drahtgebunden, in der Lobby oder auf den Gästezimmern, gratis oder kostenpflichtig – ein Internetzugang im Hotel und Restaurant ist für den Gast inzwischen zum Standard geworden. Insbesondere von Geschäftsreisenden wird er erwartet und ist für den Kunden ein Auswahlkriterium. Dabei haben Gästebefragungen und aktuelle Studien (unter anderem von HRS) ergeben, dass ein kostenfreier W-LAN- Zugang für etwa 60% der Gäste wichtig ist. … Im internationalen Vergleich und insbesondere in den Nachbarländern ist es für den Gast selbstverständlich, dass ihm zumeist kostenfreies W-LAN zur Verfügung gestellt wird.

Auch Prof. Rotert vom eco-Verband, der gleichzeitig Hotel-WLANs betreibt, hat während der Anhörung (Protokoll, S. 6) folgendes berichtet:

Zur wirtschaftlichen Bedeutung sagen mir die Hotels: Wenn sie heute kein kostenloses WLAN anbieten können – gerade die kleineren Häuser, weniger die Fünf-Sterne- Häuser –, brauchen sie erst gar nicht anzutreten, werden sie gemieden, insbesondere von den Geschäftsreisenden. Angesichts der Anzahl der Häuser kann man sich ausrechnen, welches Potenzial dahintersteht.

Selbst in der juristischen Literatur ist die Bedeutung von WLANs für Hotels und Gaststätten schon aufgegriffen worden. In der (MMR-aktuell 2013, 341464) schreiben Füglein/Lagardère:

Jeder professionelle Gastgeber muss (!) heute seinen Gästen Internet anbieten, weil gerade der geschäftlich residierende Gast darauf angewiesen ist oder dies zumindest, ungeachtet der Frage der tatsächlichen Nutzung einer solchen als „state of the art“ voraussetzt. Ein Unternehmen würde in der Praxis einem Hotel, das eine Internetnutzung nicht bereitstellt, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Zuschlag erteilen, sondern sich um eine Alternative bemühen.

Sicherlich nicht ganz so kritisch, aber durchaus noch bemerkbar dürfte dies auch für Gaststätten und Cafés sein. Gerade in Großstädten mit internationalem Tourismus sind die Zeichen „Wi-Fi“ oder „WLAN“ vermehrt zu sehen. Und für Gäste ein Grund, nicht nebenan den Kaffee zu trinken …

3. Rechtliche Bedeutung

Der Umstand, dass das Angebot eines WLANs zu einem echten Unterscheidungsmerkmal geworden ist, hat auch eine gewisse rechtliche Relevanz. Denn bei der Bewertung von eventuellen Prüfungs- und Überwachungspflichten im Rahmen der Störerhaftung sind die gegenseitigen Interessen zu berücksichtigen. Je wirtschaftlich bedeutsamer ein WLAN für den Anbieter ist, desto weniger sind ihm erhebliche Eingriffe in das WLAN zuzumuten, denn Einschränkungen können sich durch Verlust von Kundschaft unmittelbar wirtschaftlich auswirken.

Die rechtliche Situation in WLANs ist auch in der Rechtsprechung schon angesprochen worden: Das Landgericht Frankfurt hat im Jahr 2010 die Haftungssituation bei einem Hotel-WLAN bewertet (Urt. v. 18.8.2010 – 2-6 S 19/09 – Volltext mit Anmerkung hier) und eine Störerhaftung des Hotelinhabers abgelehnt.

Update: Die komplette Studie findet sich hier (PDF). Die Pressemeldung von HRS ist hier online.

Lesetipp: Borges/Schwenk/Stuckenberg/Wegener, BSI-Studie Identitätsdiebstahl und Identitätsmissbrauch im Internet – Rechtliche und technische Aspekte

Nur ein kurzer Hinweis auf die vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik in Auftrag gegebene Studie von Borges/Schwenk/Stuckenberg/Wegener mit dem Titel „Identitätsdiebstahl und Identitätsmissbrauch im Internet – Rechtliche und technische Aspekte“, die nunmehr auch in Buchform erschienen ist und hier heruntergeladen werden kann (PDF 4,8 MB). Aufgrund des Umfanges können hier nur wenige einzelne Aussagen aufgenommen werden.

Den rechtlichen Teil (Kap. 5) haben Prof. Borges und Prof. Stuckenberg übernommen. Ab S. 272 geht Borges dabei auf Verkehrspflichten ein, wobei die Diskussion sich hauptsächlich im Bereich der Störerhaftung abspielt. Diese sind auch für die Debatte rund um die Haftung für WLAN interessant.

Access-Provider kommen zwar auch Adressaten der Verkehrspflichten in Betracht. Eine Sperrung des Zugangs zu urheberrechtsverletzenden Inhalten wurde allerdings von den Gerichten aufgrund der Unzumutbarkeit bisher abgelehnt.

Interessant ist weiter, dass die Autoren erwägen, Hersteller von WLAN-Routern bereits über die Produzentenhaftung zur Einrichtung von vorinstallierter WLAN-Verschlüsselung zu bewegen (was derzeit tatsächlich Standard sein dürfte):

Die Entwicklung von Produktsicherheitsstandards durch den Markt zeigt Ergebnisse. Es ist festzustellen, dass Verbesserungen auch ohne konkrete rechtliche Pflicht erfolgen. Andererseits ist nicht festzustellen, dass ein Vertrauen auf den Markt ohne den Hintergrund rechtlicher Folgen (Haftung) bei unzureichender Sicherheit erfolgversprechend wäre, da eine Haftung nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht kommt. So lässt sich im konkreten Beispiel der WLAN-Verschlüsselung erwägen, dass eine rechtliche Verpflichtung der Hersteller zu dieser Maßnahme bereits nach allgemeinen Grundsätzen der Produzentenhaftung besteht.