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Die Stellungnahme des DAV zur Haftung der Anbieter von offenen WLANs in der Kurzanalyse

Der Deutsche Anwaltsverein hat vor kurzem eine Stellungnahme mit dem Titel „Offenes WLAN und Haftung der Anbieter“ (Nr. 13/2014, PDF) veröffentlicht.

1. Einleitung

Die Stellungnahme nimmt die Vereinbarung der Regierungskoalition im Koalitionsvertrag von CDU und SPD zu Problemen von WLANs zum Anlass und geht auf einzelne Punkte ein (zu den Regelungen im Koalitionsvertrag hier).

Die der Stellungnahme vorangestellte Zusammenfassung stellt nicht ganz den eigentlichen Inhalt der nachgehenden Stellungnahme dar. Die Zusammenfassung schließt mit der Forderung, vor dem Erlass von gesetzlichen Regelungen ein Gutachten einzuholen und anschließend den Betreibern von WLANs klare Vorgaben zu machen:

Der DAV rät, die technisch möglichen Vorsorgemaßnahmen, den erforderlichen Aufwand und die Intensität der Grundrechtseingriffe der denkbaren Maßnahmen zu diskutieren. Es wird angeregt, ein Gutachten einzuholen und eine entsprechende Expertenanhörung durchzuführen. … Vielmehr fehlt auch bzgl. der Handlungspflichten der Access-Provider eine klare Linie, für die der DAV auf eine klare gesetzliche Regelung wünscht. Die Regelung muss einerseits technisch mögliche, wirtschaftlich realisierbare und wirksame Maßnahmen vorschreiben, die Rechtsverletzungen zumindest begrenzen, andererseits darf die Nutzbarkeit öffentlicher WLANs nicht unverhältnismäßig eingeschränkt werden. Um eine Rechtsverletzung feststellen zu können, würde eine Verpflichtung, sich bei Benutzung eines öffentlichen WLANs zu identifizieren, allein nicht ausreichen. Die vorsorgliche Speicherung des inhaltsbezogenen Nutzungsverhaltens aller WLAN-Nutzer würde hingegen mit dem Fernmeldegeheimnis und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung kollidieren. Privatwirtschaftliche Access-Provider dazu zu verpflichten, Internetauftritte selbstständig inhaltlich auf Rechtmäßigkeit zu prüfen und ggf. zu sperren, würde diese in vielen Fällen überfordern. Für eine Sperrpflicht müsste das Gesetz klare Vorgaben machen, die das Verhältnismäßigkeitsgebot beachten.

2. Ausgangslage nach dem DAV

Der DAV stellt als Ausgangslage fest, dass es in Deutschland nur wenige WLAN-Angebote gebe, was – nach Ansicht des Koalitionsvertrages (s. dazu hier) – auch an rechtlichen Problemen liege. Höchstrichterliche Rechtsprechung liege bisher nur zur privaten Nutzung von Internetzugängen vor, zu nicht privat genutzten Anschlüssen gebe es „nur widersprüchliche Instanzentscheidungen“. Es sei zudem zweifelhaft, ob die in diesen Entscheidungen geforderten Maßnahmen auch wirksam seien, und ob sie nicht auch legale Nutzungen einschränken würden.

Welche Anforderungen die Rechtsprechung nach derzeitiger Rechtslage an die Anbieter öffentlicher WLANs stellt, ist daher unklar. Anbieter von WLANs gehen daher beim Anbieten solcher Dienstleistungen ein erhebliches Risiko ein. Dies kann solche Angebote verhindern.

Die Frage ist nur, um welche Maßnahmen es gehen kann. Für Access-Provider gibt es bislang solche Anforderungen nicht.

3. Konkrete Maßnahmen

Anschließend diskutiert der DAV zwei konkrete Maßnahmen: „Sperren“ (wohl gemeint sind Webfilter, die bestimmte Seiten sperren) und Identifizierung/Registrierung von Nutzern.

a. Websperren

Etwas auseinander gerissen stellt der DAV seine Sicht auf Websperren dar:

Sperren hält auch der Generalanwalt beim EuGH in seinen Schlussanträgen vom 26.11.2013 in der Rechtssache C-314/12 für möglich, allerdings nur in Einzelfällen und unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgebots. Außerdem ist zu beachten, dass der Verletzte in erster Linie nicht gegen den Vermittler, sondern gegen den Verletzer vorgehen müsse. In der deutschen obergerichtlichen Rechtsprechung werden solche Sperren abgelehnt …

Auf der einen Seite gibt es ein großes öffentliches Interesse daran, öffentliche WLANs nutzen zu können. Diese Nutzungsmöglichkeit dient auch erkennbar der Meinungs- und Informationsfreiheit im Sinne von Art. 5 GG und damit auch dem öffentlichen Diskurs. Auf der anderen Seite ist das von Art. 14 GG geschützte Interesse von Urhebern am Schutz Ihrer Werke ebenso zu beachten wie der Schutz Einzelner gegen die Verletzung Ihrer in Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Persönlichkeitsrechte durch Beleidigungen, „Ausplaudern“ von Geheimnissen oder gar Mobbing im Internet. Alle hier geschilderten Interessen sind grundrechtlich geschützt. Der Ausgleich Ihrer Interessen ist Aufgabe des Gesetzgebers.

Hier sei der Gesetzgeber gefordert. Zwar könnten Sperren tatsächlich Rechtsverletzungen einschränken, eine gesetzliche Regelung sei jedoch praktisch unmöglich zu formulieren.

Denkbar ist weiter die Pflicht, den Zugang zu Internetauftritten zu verhindern, die rechtswidriges Handeln ermöglichen, weil sie z.B. das illegale Streamen oder Herunterladen von Filmen ermöglichen oder (in Deutschland verbotene) Nazi- Propaganda betreiben. Das hilft zwar kaum gegen File-Sharing-Handlungen, wohl aber gegen Internetauftritte wie kino.to. Es ist auch prinzipiell verfassungsrechtlich zulässig, wenn die Sperre öffentlich-rechtlich angeordnet wird (vgl. OVG Münster, Beschluss v. 19.3.2003 – 8 B 2567/02, NJW 2003, 2183). In diese Richtung gehen auch die überlegungen des Generalanwalts. Eine solche Prüfkompetenz auch Access-Providern wie den Betreibern öffentlicher WLANs zuzumuten, ist freilich fraglich, weil damit Privatunternehmen zugemutet wird, zunächst verbindlich zu prüfen, welche Internetseiten weltweit rechtswidrige Inhalte anbieten. Eine entsprechende gesetzliche Regelung zur Bekämpfung von Kinderpornographie durch das Zugangserschwerungsgesetz ist erst vor kurzem gescheitert. Wenn es um klar rechtswidrige Handlungen geht und der WLAN-Anbieter auf solche Auftritte hingewiesen wird, kann eine solche Pflicht aber nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Die Sperren helfen zwar nicht gegen technisch versierte Nutzer, können aber Rechtsverletzungen zumindest erschweren. Es muss aber um klare Rechtsverstöße gehen. Außerdem sollte eine solche Sperre nur möglich sein, wenn ein Vorgehen gegen den Inhaber des Internetauftritts nicht möglich oder unzumutbar erscheint. Allerdings kann man eine solche Sperrpflicht nur bei einer klaren gesetzlichen Vorgabe annehmen. Diese ist aber angesichts des zu wahrenden Verhältnismäßigkeitsgebots nicht zu formulieren. Es ist daher trotz des verständlichen Wunsches der Anbieter öffentlicher WLANs nach rechtlicher Klarheit derzeit von einer gesetzlichen Regelung abzuraten.

b. Identifizierung/Registrierung

Der DAV bezieht auch – mit begrüßenswerter Klarheit – Stellung zu einer Pflicht zur Identifizierung und Registrierung von Nutzern:

Denkbar ist zunächst die Pflicht für die Benutzer öffentlicher WLANs, sich bei der Benutzung identifizieren zu müssen. Dies kann mit der Pflicht der Anbieter kombiniert werden, die Tatsache der Benutzung des WLANs zu registrieren. … Schon diese Maßnahme schließt allerdings die Nutzung des WLAN durch nicht mobilfunkfähige Geräte wie Laptops ohne SIM-Karte aus. … Schon dies macht die Identifizierungspflicht problematisch. Eine bloße Identifizierung ohne Speicherung der Nutzer nützt darüber hinaus zur Vorsorge gegen Rechtsverletzungen nichts, weil nachträglich nicht festgestellt werden kann, wer das WLAN rechtsverletzend genutzt hat. Aber auch eine bloße Speicherung der Nutzer ohne Speicherung ihres Nutzungsverhaltens nützt nichts, weil auch dann ein evtl. Rechtsverletzer nicht festgestellt werden kann.

Eine vorsorgliche Speicherung des Nutzungsverhaltens aller WLAN-Nutzer dürfte aber ohnehin nicht verfassungskonform sein – das Fernmeldegeheimnis bzw. das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dürfte dies verbieten. … Der Inhalt der Kommunikation wurde nicht gespeichert. Dies wäre bei den hier diskutierten Maßnahmen in einem WLAN anders. Da von außen nicht feststellbar ist, welcher der WLAN Nutzer unter welchem Zugangsdatum auf welche Internetseite zugreift, müsste zur Ermittlung von Rechtsbrechern zumindest gespeichert werden, wer wann welche Internetauftritte besuchte oder welche Dienstleistungen nutzte. Dies wäre ein sehr viel intensiverer Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als die Vorratsdatenspeicherung und daher wohl kaum grundrechtlich zulässig. Registrierungsmaßnahmen sind daher unwirksam, wirksame Maßnahmen verfassungswidrig.

4. (Kurz-)Analyse

Zunächst geht der DAV ganz selbstverständlich davon aus, dass WLAN-Anbieter als Access Provider anzusehen sind. Das ist auch absolut h.M. in Literatur und Rechtsprechung.

Richtig ist auch die Einschätzung, dass eine rechtliche Unsicherheit bestehe: Es gibt keinerlei obergerichtliche Rechtsprechung zu WLAN-Fällen. Am ehesten einschlägig sind noch die beiden Entscheidungen des LG Frankfurt aus den Jahren 2010 und 2013 (Urt. v. 18.8.2010 – 2-6 S 19/09, MMR 2011, 401 m. Anm. Mantz (PDF); sowie  LG Frankfurt, Urt. v. 28.6.2013 – 2-06 O 304/12 – Ferienwohnung, dazu Mantz, GRUR-RR 2013, 497). Dabei hatte das LG Frankfurt jeweils im Ergebnis eine Haftung des Betreibers des WLANs abgelehnt.

Überraschend ist zunächst, dass die der Stellungnahme vorangestellte Zusammenfassung den Eindruck vermittelt, dass der Gesetzgeber – wie es im Koalitionsvertrag als Plan von CDU/SPD anklingt – den Access Providern bestimmte Maßnahmen auferlegen müsste und so „Leitplanken“ für deren Verpflichtung zur Verhinderung von Rechtsverletzungen ziehen sollte. Anschließend werden im inhaltlichen Teil der Stellungnahme zwei Maßnahmen (Sperren und Identifizierung) diskutiert – und im Ergebnis aber zu Recht abgelehnt. Der DAV hätte dementsprechend auch formulieren können, dass ein gesetzgeberisches Handeln nicht erforderlich ist, sondern bereits nach dem Status Quo die Pflichten der Access Provider denkbar gering sein dürften. Es hätte insofern maximal einer Klarstellung bedurft, wie sie z.B. 2012/2013 im Gesetzesentwurf des Digitale Gesellschaft e.V. für § 8 TMG (BT-Drs. 17/11137, PDF) formuliert wurde.

In Bezug auf eine Pflicht, Websperren einzurichten, ist dem DAV beizupflichten, dass die deutsche obergerichtliche Rechtsprechung solche Sperren ablehnt. Nachdem der Generalanwalt beim EuGH diese Entscheidung den nationalen Gerichten zugewiesen hat, wäre dementsprechend – sofern der EuGH seinem Generalanwalt folgt – die Rechtslage für Deutschland im Wesentlichen als geklärt anzusehen. Im Übrigen spricht sich der DAV für klare Beschränkungen (Sperren nur bei „klaren Rechtsverstößen“) und eine Subsidiarität aus („Außerdem sollte eine solche Sperre nur mo?glich sein, wenn ein Vorgehen gegen den Inhaber des Internetauftritts nicht mo?glich oder unzumutbar erscheint.“), wobei nicht oft genug darauf hingewiesen werden kann, dass die Störerhaftung eine solche Subsidiarität nicht kennt.

Spannend sind auch die Ausführungen zur Identifizierung. Nach bisheriger Rechtslage ist eine Identifizierung gesetzlich nicht gefordert (zum  Urteil des LG München, Urt. v. 12.1.2012 – 17 HK O 1398/11; s. auch Mantz, CR 2012, 605). Sie kann sogar datenschutzrechtlich bedenklich sein. Auf die Störerhaftung lässt sie sich nicht gründen (Mantz, CR 2012, 605).

Dabei geht der DAV auch darauf ein, dass eine Registrierungspflicht eine Einschränkung des Geschäftsmodells darstellt, weil – wenn man eine Identifizierung z.B. über das Mobiltelefon verlangt – Nutzer mit Laptops schon von der Nutzung des WLANs ausgeschlossen seien (vgl. auch zur Umfrage von Kabel Deutschland, wonach 19% der Nutzer sich von der Nutzung durch eine Registrierung abhalten ließen hier).

Viel interessanter ist aber der Ansatz des DAV, dass eine Identifizierung nur im Zusammenhang mit einer Vorratsdatenspeicherung Erfolg versprechen würde und deshalb unverhältnismäßig wäre. Denn die Nutzer des WLANs müssten praktisch vollständig überwacht werden (welche Seiten werden angesurft, welche Dienste werden genutzt, welche Daten werden übertragen), um anschließend die Rechtsverletzung einem bestimmten Nutzer zuordnen zu können. Dies sei nicht verfassungskonform zu gestalten, so dass auch eine solche Pflicht im Ergebnis ausgeschlossen ist.

Im Ergebnis ist der Beitrag des DAV zur Diskussion zu begrüßen. Die Zusammenfassung hätte prägnanter ausfallen können, und eigentlich bedarf es nach den Ausführungen des DAV auch des geforderten Gutachtens nicht mehr. Die Fortführung der Diskussion – auch auf Seiten des Gesetzgebers – dürfte aber hilfreich sein und weitere Klarheit bringen.

 

(Update: Umlaute in Zitaten korrigiert, danke an @Suicider für den Hinweis)

AG Celle, Urt. v. 30.1.2013 – 14 C 1662/12: Schadensersatzanspruch gegen den Provider bei falscher Auskunft zu Filesharing

AG Celle, Urt. vom 30.1.2013 – 14 C 1662/12

Leitsatz (des Verfassers):

Der Provider, der auf eine Auskunftsanfrage nach § 101 UrhG eine falsche Auskunft erteilt und dadurch die urheberrechtliche Abmahnung seines ehemaligen Kunden ermöglicht, verletzt seine vertraglichen Schutzpflichten aus §§?280 Abs.?1, 241 Abs.?2 BGB und führt eine unrichtige Verarbeitung von Daten i.S.d. §?7 BDSG aus. Er ist vielmehr vor Herausgabe zur sorgfältigen Prüfung der Daten auf ihre Aktualität verpflichtet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche in Form von Rechtsanwaltskosten und Schmerzensgeld. Der Kl. ist Bundeswehrsoldat und unterhielt bei der Bekl. einen Telefon- und Internetanschluss für seine Stube im Fliegerhorst F. Mit Wirkung zum 3.7.2009 wurde der Vertrag auf den Stubennachfolger des Kl. übertragen, da sich der Kl. zu Studienzwecken zunächst nach Berlin und ab August 2011 nach Wales begeben hatte.

Im Dezember 2011 erreichte den Kl. nach Weiterleitung durch die Kaserne, seine Eltern und seine Freundin ein Schreiben einer Hamburger Anwaltskanzlei, in dem ihm vorgeworfen wurde, er habe am 9.9.2011 unter Verstoß gegen das Urheberrecht das pornografische Filmwerk „Opa, was machst du bloß mit mir” zum Download angeboten. Weiterhin wurde dem Kl. ein Gerichtsverfahren angedroht und ihm angeboten, zur Erledigung sämtlicher Ansprüche eine Unterlassungserklärung abzugeben und eine Pauschale von €?1.298,– zu zahlen.

Der Kl. wandte sich daraufhin an seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten, um sich gegen die Inanspruchnahme zur Wehr zu setzen. Der Prozessbevollmächtigte stellte dem Kl. für seine Tätigkeit insgesamt €?1.023,16 in Rechnung. Die Rechnung wurde bisher nicht ausgeglichen. Der Kl. behauptet, bei seinen Eltern und seiner Freundin sei der Eindruck entstanden, er lade illegal Pornografie mit möglicherweise sogar strafrechtlich relevanten Inhalten aus dem Internet herunter, wodurch ihm ein Reputationsschaden entstanden sei. Die Höhe des Schadens beziffert er auf €?400,– .

Der Kl. beantragt, die Bekl. zu verurteilen, an ihn €?1.423,16 nebst Zinsen zu bezahlen. Die Bekl. beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Bekl. ist der Ansicht, ein Schadensersatzanspruch des Kl. scheide aus, da ihr weder vorsätzliches noch grob fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen sei. Eine Rufschädigung sei nicht eingetreten, da der Kl. ggü. seinen Eltern und seiner Freundin den Sachverhalt habe richtigstellen könne

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche in Form von Rechtsanwaltskosten und Schmerzensgeld. Der Kl. ist Bundeswehrsoldat und unterhielt bei der Bekl. einen Telefon- und Internetanschluss für seine Stube im Fliegerhorst F. Mit Wirkung zum 3.7.2009 wurde der Vertrag auf den Stubennachfolger des Kl. übertragen, da sich der Kl. zu Studienzwecken zunächst nach Berlin und ab August 2011 nach Wales begeben hatte.

Im Dezember 2011 erreichte den Kl. nach Weiterleitung durch die Kaserne, seine Eltern und seine Freundin ein Schreiben einer Hamburger Anwaltskanzlei, in dem ihm vorgeworfen wurde, er habe am 9.9.2011 unter Verstoß gegen das Urheberrecht das pornografische Filmwerk „Opa, was machst du bloß mit mir” zum Download angeboten. Weiterhin wurde dem Kl. ein Gerichtsverfahren angedroht und ihm angeboten, zur Erledigung sämtlicher Ansprüche eine Unterlassungserklärung abzugeben und eine Pauschale von €?1.298,– zu zahlen.

Der Kl. wandte sich daraufhin an seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten, um sich gegen die Inanspruchnahme zur Wehr zu setzen. Der Prozessbevollmächtigte stellte dem Kl. für seine Tätigkeit insgesamt €?1.023,16 in Rechnung. Die Rechnung wurde bisher nicht ausgeglichen. Der Kl. behauptet, bei seinen Eltern und seiner Freundin sei der Eindruck entstanden, er lade illegal Pornografie mit möglicherweise sogar strafrechtlich relevanten Inhalten aus dem Internet herunter, wodurch ihm ein Reputationsschaden entstanden sei. Die Höhe des Schadens beziffert er auf €?400,– .

Der Kl. beantragt, die Bekl. zu verurteilen, an ihn €?1.423,16 nebst Zinsen zu bezahlen. Die Bekl. beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Bekl. ist der Ansicht, ein Schadensersatzanspruch des Kl. scheide aus, da ihr weder vorsätzliches noch grob fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen sei. Eine Rufschädigung sei nicht eingetreten, da der Kl. ggü. seinen Eltern und seiner Freundin den Sachverhalt habe richtigstellen können.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nur (teilweise)  … begründet. Dem Kl. steht dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gegen die Bekl. zu. Indem die Bekl. den Kl. ca. zwei Jahre nachdem der Telefon- und Internetvertrag auf einen Dritten übertragen worden war, in Zusammenhang mit einer Urheberrechtsverletzung als aktuellen Anschlussinhaber benannte, verletzte sie ihre nachvertraglichen Schutzpflichten aus §§?280 Abs.?1, 241 Abs.?2 BGB. Zudem liegt eine Schadensersatz begründende unrichtige Verarbeitung der persönlichen Daten des Kl. i.S.d. §?7 BDSG vor. Die Bekl. ist grds. zum sorgsamen Umgang mit den Daten aktueller und ehemaliger Kunden verpflichtet. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Bekl. wissen musste, dass der Inhaber des Anschlusses mit der betreffenden IP-Adresse wegen urheberrechtlicher Verstöße in Anspruch genommen werden sollte, hätte die Bekl. die Aktualität der gespeicherten Daten vor der Weitergabe sorgfältig prüfen müssen. Die Bekl. kann sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, sie habe allenfalls fahrlässig gehandelt. Ein Haftungsmilderungsgrund ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Der Kl. kann gem. §?249 Abs.?1 BGB Ersatz seiner zur Abwehr der unbegründeten Forderung erforderlichen Rechtsanwaltskosten verlangen. Erforderlich sind in diesem Zusammenhang allerdings nur die Rechtsanwaltskosten, die gem. des RVG in dieser Angelegenheit zu berechnen waren. Die Höhe der erforderlichen Rechtsanwaltskosten ist i.R.d. §?287 Abs.?1 ZPO zu schätzen und bemisst sich nach dem Streitwert, der bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung über den Unterlassungsanspruch und die Schadensersatzansprüche der Rechteinhaberin voraussichtlich angefallen wäre. Denn genau zur Vermeidung eines solchen Prozesses nahm der Kl. anwaltliche Hilfe in Anspruch. …

Für die Bestimmung des Streitwerts bei einer Unterlassungsklage wegen Verletzung des Urheberrechts durch das öffentliche Zugänglichmachen eines Films im Internet ist auf das Interesse an der wirkungsvollen Abwehr von Verstößen gegen die geistigen Schutzrechte und eine etwaige Beeinträchtigung von Vermögenspositionen abzustellen. Für den Unterlassungsanspruch ist daher der Streitwert nicht unter €?10.000,– anzusetzen (LG Köln, U. v. 2.3.2011 – 28 O 770/10).

Unter Zugrundelegung der vorgenannten Rspr. ist für den vorliegenden Rechtsstreit von einem Streitwert für das angekündigte Verfahren gegen den Kl. von bis zu €?13.000,– auszugehen. Bei diesem Gegenstandswert ergibt sich inkl. Post- und TK-Pauschale und Mehrwertsteuer ein Betrag von €?837,52.

Der Kl. kann jedoch hinsichtlich der erforderlichen Rechtsanwaltskosten lediglich Freistellung verlangen, da sein Schaden bisher nur in der Belastung mit einer Verbindlichkeit liegt, nachdem die Rechnung seines Prozessbevollmächtigten von ihm unstreitig noch nicht ausgeglichen wurde.

Ein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz gem. §?253 BGB wegen der Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte steht dem Kl. jedoch nicht zu, da vorliegend eine nachhaltige Rufschädigung des Kl. nicht eintreten konnte. Das anwaltliche Abmahnschreiben war nicht geeignet, den Kl. in seinem Persönlichkeitsrecht zu verletzen. Den Lesern des Schreibens musste sich nicht zwangsläufig der Eindruck aufdrängen, der Kl. lade Pornografie herunter, da in dem Schreiben zwar der Titel des Filmwerks auftaucht, sich jedoch allein hieraus nicht zwangsläufig der Inhalt des Films erschließt.

Ebenso wenig musste sich der Eindruck aufdrängen, der Kl. habe illegale Handlungen vorgenommen. Selbst unterstellt, die Eltern des Kl. und auch seine Freundin hätten vom Inhalt des Schreibens in vollem Umfang Kenntnis erlangt, so war jedoch gerade für den Kreis der dem Kl. nahestehenden Personen offensichtlich, dass der Kl. die ihm vorgeworfene Handlung bereits auf Grund des zeitlichen Zusammenhangs nicht begangen haben konnte. Der Kl. lebte, was seinen Eltern und auch seiner Freundin bekannt gewesen sein dürfte, zum Zeitpunkt der Urheberrechtsverletzung im September 2011 bereits seit längerem nicht mehr in F., sondern befand sich sogar seit August 2011 in Wales. Vor diesem Hintergrund bedurfte es nicht einmal einer Aufklärung und Widerlegung der Vorwürfe durch den Kl. ggü. diesen Personen.

Anmerkung LG Frankfurt, 4.10.2012 – 2-03 O 152/12: Auskunft des Providers; prozessuale Aufklärungspflicht bei Filesharing, MMR 2013, 56, erschienen

In eigener Sache:

In der Multimedia und Recht (MMR), Heft, 1/2013, S. 56-57 ist nun meine Anmerkung zum Beschluss des LG Frankfurt/M., 4.10.2012 – 2-03 O 152/12, erschienen (s. Volltext hier).

In dem Beschluss geht es um das Verhältnis von Netz- und Subprovidern bei der Auskunftserteilung (z.B.) nach § 101 UrhG. Dabei hat sich gezeigt, dass die beim Subprovider vorhandenen Daten ggf. aktueller sein können als beim Netzprovider. Dies kann Auswirkungen auf die Auskunft und die darauf basierende Beweisführung z.B. in Filesharing-Fällen haben.

Weiter beschäftigt sich der Beschluss mit der Frage, ob der Anschlussinhaber im Rahmen eines Prozesses nach § 138 Abs. 1 ZPO verpflichtet ist, Diskrepanzen bei der erteilten Auskunft aufzuklären (was das LG Frankfurt richtigerweise verneint).

Siehe auch:

LG Hamburg: Störerhaftung des Webhosters

LG Hamburg, Urteil v. 31.07.2009, Az. 325 O 85/09

Das LG Hamburg hat wieder einmal seine strikte Linie bei der Störerhaftung unter Beweis gestellt (s. dazu schon hier). Mit Urteil vom 31.7.2009 – Az. 325 O 85/09 hat es zur Störerhaftung des Webhosting Providers Stellung genommen und ihn im Grunde verpflichtet, bei jeder Mitteilung einer Rechtsverletzung durch (tatsächliche oder behauptete) Rechtsinhaber für eine Sperrung zu sorgen.

Das Urteil geht viel zu weit. Denn das LG Hamburg hat u.a. festgestellt:

„Ohne größeren technischen Aufwand lässt sich durch eine Firewall oder einen Proxyserver, Einrichtungen, die die Server der Beklagten vor unerlaubten Zugriffen von außen schützen, der Abruf bestimmter Internet-Seiten verhindern. So lässt sich auch der Zugriff auf die Seite verhindern, die das streitgegenständliche Urteil des Amtsgerichts Kassel enthält bzw. enthielt. Hierzu wäre anhand einer einzurichtenden technischen Regel (z. B. in einer access list) der Abruf der das streitgegenständliche Urteil enthaltenden Internet-Seite zu verhindern, indem — technisch ausgedrückt — der http-request, mit dem die Seite aufgerufen wird, nicht zu dem die Seite bereit haltenden Server durchgelassen, sondern etwa mit einer Fehlermeldung beantwortet wird.“

Mit anderen Worten ist nach Ansicht des LG Hamburg neuerdings jeder Provider verpflichtet, ALLE Maßnahmen zu ergreifen, um eine Störung zu verhindern. Das LG Hamburg erlegt also dem mittelbaren Störer die gleichen Pflichten auf wie dem unmittelbaren Störer. Das widerspricht aber der Rechtsprechung des BGH (s. insb. BGH Internetversteigerung I-III), der nur ZUMUTBARE Maßnahmen – in Form von Prüfungs- und Überwachungspflichten – verlangt.

Vorliegend wäre es wohl ausreichend gewesen, dass der Webhoster seinem Kunden die Abmahnung des Klägers weitergeleitet und ihn zur Beachtung aufgefordert hätte. Denn dem Kläger wäre es ohne weiteres möglich gewesen, den unmittelbaren Störer auf Entfernung der beanstandeten Inhalte (hier eines gerichtlichen Urteils mit dem Namen des Klägers im Klartext) in Anspruch zu nehmen. Das geht bei Gericht über eine einstweilige Verfügung (bei entsprechender Rechtslage) innerhalb 1-3 Tagen.

Das LG Hamburg sorgt mit dieser Rechtsprechung dafür, dass zum einen die rechtliche Prüfung, die ansonsten den Gerichten obliegt, voll und ganz auf den Provider übergeht und dieser zum anderen – schon aufgrund des Haftungsrisikos und ökonomischer Zwänge (s. dazu bei Telemedicus) immer die Inhalte entfernen wird – unabhängig von der tatsächlichen Rechtslage.

Damit zwingt das LG Hamburg den Provider aber, sich zu entscheiden: Sperrt er die Inhalte, ohne dass dafür ein rechtlicher Grund besteht, verhält er sich gegenüber seinem Kunden vertragswidrig und macht sich schadensersatzpflichtig. Sperrt er nicht, riskiert er eine kostenpflichtige Abmahnung. Da sich der Schadensersatzanspruch des Kunden in aller Regel auf nur geringe Beträge beziffern dürfte (falls er überhaupt nachweisbar ist), und im konkreten Fall selbst eine Jahresgebühr für das Webhosting deutlich unter den drohenden Anwaltskosten für die Abmahnung liegen dürften, wird sich der Provider immer gegen seinen Kunden entscheiden, auch wenn er damit dessen Kündigung riskiert.

Damit zwingt das LG Hamburg den Provider mit dieser Rechtsprechung in den Vertragsbruch – das kann nicht gewollt sein.

Weitere Besprechungen:

Volltext mit Leitsätzen bei JurPC und Telemedicus.