Schlagwort-Archive: OLG Köln

Lesetipp: Kaeding, Haftung für Hot Spot Netze, CR 2010, 164

Nadja Kaeding hat in der CR 2010, Heft 3, S. 164-171 einen Aufsatz mit dem Titel „Haftung für Hot Spot Netze“ veröffentlicht. In dem Aufsatz beschäftigt sie sich mit dem Modell FON und untersucht die Haftungsfolgen dieses Modells, wobei sie insbesondere das Urteil des OLG Köln (Urt. v. 5.6.2009 – 6 U 223/08, MMR 2009, 695; s. dazu auch schon hier, sowie Mantz, MMR 2009, 697; Poleacov, CR 2009, 579, dazu hier; sowie Entscheidung der Vorinstanz LG Köln, Urt. v. 11.11.2008 – 33 O 210/07). Kaeding bezeichnet hierbei FON als Betreiber, die FON-Nutzer als Zugangsinhaber und den Access Provider als Anbieter.

I. Zugangsanbieter

Zunächst betrachtet Kaeding die Zugangsinhabers (=Foneros) und hier zunächst die vertraglichen Beziehungen des jeweiligen Nutzers mit dem Access Provider und die Folgen für FON. Interessant ist, dass Kaeding hier direkt zu dem Ergebnis kommt, dass das Teilen des Internetzugangs mit Dritten vertragswidrig ist – und zwar auch, wenn der Internetzugangsanbieter dies in seinen AGB nicht ausdrücklich untersagt hat:

Schließt der Anbieter einen Vertrag über einen Internetzugang mit einer Privatperson, so geht er auch von einer privaten Nutzung aus. Das ist erkennbare Grundlage für die Kalkulation der Höhe der Flatrate. Die private Nutzung ist meist von geringerer Intensität als die gewerbliche. Das Mitglied teilt seinen Internetzugang und die ihm zur Verfügung stehende Bandbreite mit anderen und erzielt daraus Einnahmen. Das erfüllt das die Voraussetzungen unternehmerischen Handelns. Gestatten die Bedingungen des Anbieters nur die private Nutzung des Anschlusses, ist die Teilnahme am Betreibermodell vertragswidrig. … Die Flatrate ist das Ergebnis einer Mischkalkulation; ihr liegt eine Prognose über das erwartete Durchschnittsverhalten der Nutzer zugrunde. … Das Teilen des Internetzugangs rund um die Uhr mit beliebigen Dritten geht aber weit über eine vergütungsmodellbedingte Änderung des Nutzungsverhaltens hinaus. Das Mitglied erzielt mit seinem Hot Spot Vorteile, ohne an den damit verbundenen Kosten beteiligt zu sein.

Kaeding sieht dies sowohl für „Bill“ als auch für „Linus“ (in FON-Diktion) so, da auch „Linus“ einen geldwerten Vorteil durch Ersparnis eigener Aufwendungen bei Nutzung der Zugänge anderer hat. In dieser Bewertung zeigt sich eine Gefahr von FON, auf die ich regelmäßig hinweise: Wer Geld einnimmt, dürfte als kommerziell einzustufen sein – und die entsprechenden Folgen tragen müssen. Ob man dies auch für die „Linus“-Nutzer so sehen muss, halte ich nicht für zwingend. Vorher wäre es interessant zu wissen, wie viele der „Linus“ jemals schon einen FON-Anschluss eines anderen Nutzers genutzt haben, um herauszufinden, ob diese wirklich etwas ersparen. Die Erwägungen von Kaeding lassen sich auf Freifunk etc. jedenfalls nicht übertragen, da die Nutzung hier noch immer im privaten Bereich stattfindet und gerade kein Geld fließt. Ob die Autorin aus den Überlegungen zu den Pflichten gegenüber den Internetzugangsanbietern und ihrer Kalkulation dies für Freifunk etc. ebenso sieht, lässt sich dem Beitrag nicht entnehmen. II. Folge für den Betreiber (=FON) Im weiteren analysiert Kaeding die Folgen für FON. Dabei sieht sie eine wettbewerbsrechtlich relevante Verleitung zum Vertragsbruch als gegeben an, wenn FON nicht die Access Provider in sein Angebot integriert. Das OLG Köln hatte hier sogar nur gesagt, dass dies der Verleitung zum Vertragsbruch „nahe sei“.

Das Betreibermodell ist also unlauter, soweit der Betreiber die Anbieter in sein Modell nicht integriert und diese der Nutzung ihrer Internetzugänge im Rahmen der Gemeinschaft nicht zustimmen.

Auch sieht sie – ebenfalls mit dem OLG Köln – in dem Modell eine Behinderung von Wettbewerbern.

Wer stets und vielerorts Zugang zum Internet über die Betreiber-Gemeinschaft findet, benötigt ggf. kein eigenes WLAN und muss auch nicht in anderen kostenpflichtigen und stationären Einrichtungen wie Internetcafés den Internetzugang suchen. Der Betreiber, die Anbieter von DSL-Anschlüssen, gleich ob sie ein eigenes Netz unterhalten oder nicht und deren Kunden, wie Lokale, Internetcafés, die ihrerseits (drahtlose) Internetzugänge anbieten, sind daher Mitbewerber. …  Die durch das Betreibermodell begründete Mehrauslastung der bereitgestellten Bandbreite treffen allein die Anbieter, die die damit verbundenen Mehrkosten nicht weitergeben können. Das Betreibermodell nutzt die unternehmerische Entscheidung des Anbieters über sein Vergütungsmodell aus und wendet sich zugleich dagegen. Eine flächendeckende Ausbreitung des Hot Spot-Netzes würde bezahlbare Flatrates für private Haushalte unmöglich machen.

Weiter nimmt Kaeding an, dass das Betreibermodell das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt:

Die konsequente und anhaltende Mehrauslastung der bereitgestellten Bandbreite zwingt die Anbieter, die Vergütung zu erhöhen, zu einer nutzungsbezogenen Vergütung zurückzukehren oder verbietet es, die Flatrate zu senken. Sie verlieren die Freiheit, über die Gestaltung der Vergütung für ihre Leistungen zu entscheiden. Das geht über eine sozial übliche Behinderung hinaus und erfüllt die Voraussetzungen des betriebsbezogenen Eingriffs.

Leider belegt die Autorin diesen Teil ihrer Thesen nicht. Ebenso wie schon das OLG Köln übernimmt sie dabei im Grunde den Vortrag der dortigen Klägerin 1&1. Denn ob FON tatsächlich einen so großen Einfluss hat, wie ihn das OLG Köln und Kaeding ihm zuschreiben, darf bezweifelt werden. Es wäre interessant zu wissen, wie viel Traffic über FON-Hotspots tatsächlich abgewickelt wird. Bezeichnenderweise hatte das OLG Köln sein Ergebnis auf den Vergleich des Normalnutzers (wenig Traffic) mit einer vollen Auslastung der Leitung gestützt. Dies tut die Autorin hier nicht, geht aber dennoch von einer sehr starken Belastung aus. Wenn man bedenkt, dass die DSL-Anbieter in den letzten Jahren kontinuierlich ihre Preise gesenkt haben, dann scheinen sie in dieser Freiheit zumindest nicht allzu stark beeinträchtigt zu sein.

Anschließend wendet sich Kaeding der Frage zu, ob der Zugangsinhaber (=Fonero) selbst wettbewerbsrechtlich unlauter handelt. Ein täterschaftliches Handeln sieht die Autorin dabei nicht, allerdings sieht sie eine Teilnahme an der Handlung objektiv gegeben. Nur der (möglicherweise fehlende) Vorsatz im Einzelfall schützt den Fonero. Jedoch sieht Kaeding die Berichterstattung über das Urteil des OLG Köln belegt durch Blogs und Online-Berichte als Indiz für eine Bekanntheit und damit ein Verschließen vor der Wahrheit durch den jeweiligen Fonero. Hier greift Kaeding meines Erachtens zu kurz. Direkt aus der Berichterstattung in verschiedenen Blogs darauf zu schließen, dass Foneros vom Urteil gehört haben und dieses richtig einordnen, kann zwar im Einzelfall so sein, aber sicher nicht als generelle Regel dienen.

S. dazu auch Mantz, K&R 2007, 566, 567 (Download hier):

Als tatsächliche Frage ist demnach bei einem Sicherheitsproblem jeweils zu entscheiden, ob dieses konkrete Sicherheitsproblem als allseits bekannt angesehen werden kann. Die Behandlung dieser Frage ist bisher noch ungeklärt. Man kann jedoch davon ausgehen, dass ein Problem erst weithin bekannt ist, wenn eine ausführliche und mehrfache Berichterstattung in Massenmedien erfolgt ist. Ist das Sicherheitsproblem lediglich in Fachzeitzeitschriften aufgegriffen worden, so kann gerade der weniger interessierte Nutzer,
und damit die für die Pflichtenbestimmung wesentliche Gruppe der Mehrheit der Nutzer, die Problematik kaum kennen. Auch wer IT-spezifische Informationskanäle nicht nutzt, muss zumindest die Möglichkeit gehabt haben, vom Sicherheitsproblem in seinen Grundzügen erfahren zu haben.

II. Missbrauch von Hotspots / Verkehrssicherungspflichten und Störerhaftung

Anschließend wendet sich Kaeding dem Missbrauch von Hotspots durch Dritte zu. Hierbei beschränkt sie die möglichen Rechtsverletzungen nicht nur auf die typischen Filesharing-Fälle, also Urheberrechtsverletzungen, sondern betrachtet auch den über einen Hotspot plazierten Boykottaufruf (Wettbewerbsrechtsverletzung) oder die Schädigung des Foneros selbst durch die Nutzung von Mehrwertdiensten.

1. Wettbewerbsrecht

Bezüglich der Haftung für Wettbewerbsrechtsverletzungen des Nutzers nimmt Kaeding eine Haftung des Hotspotinhabers an.

Ist es aber an den Einnahmen aus der Nutzung des Hot Spots beteiligt, so hat es ein konkretes Interesse an der Nutzung als solcher. Das ist vergleichbar mit der Situation von eBay in der BGH-Entscheidung „Jugendgefährdende Medien bei eBay”. Auch eBay hat kein konkretes Interesse am Verkauf jugendgefährdender Medien, sondern am Verkauf von Waren als solches. Dieses geschäftliche Eigeninteresse kann also den Marktbezug begründen.

Die Pflichten des Foneros zieht Kaeding sehr weit. Bei einer Abmahnung verlangt sie, dass der Fonero den Vorfall FON meldet und diesen auffordert, den rechtsverletzenden Nutzer zu sperren. Zudem sieht sie eine Pflicht, die Sicherheitsmaßnahmen von FON zu überprüfen, ggf. durch Nachfrage bei FON.

Die Rechtsprechung zum Missbrauch von WLANs ist vielfältig, hat aber vor allem das Ergreifen technischer Maßnahmen zum Gegenstand. Solche Maßnahmen, wie Verschlüsselung, Abschalten, Installation von VPN-Software sind dem Mitglied vertraglich verwehrt. Doch es verbleiben dem Mitglied nichttechnische und vertragskonforme Möglichkeiten, die Beeinträchtigung abzustellen: Es kann sich an den Betreiber wenden, der seinerseits die Möglichkeit hat, den unmittelbaren Verletzer ausfindig zu machen und ihm erneute Zugangsberechtigungen zu verwehren.

Das ist nach meiner Auffassung viel zu weit und damit unzumutbar. Zwar kann man verlangen, dass der Fonero den Vorfall meldet, aber weitere Möglichkeiten hat er praktisch kaum. Eine Sperrung des Nutzers geht deutlich über das Verhindern einer „kerngleichen“ Verletzung wie sie die Rechtsprechung verlangt hinaus, sondern verbietet jegliche Nutzung durch das Mitglied. Unklar ist zudem, ob FON hierzu vertraglich in der Lage wäre.

Foneros, die das Modell „Linus“ nutzen und deshalb nicht geschäftlich handeln, sieht Kaeding in der Störerhaftung und setzt für die entsprechenden Prüfungs- und Überwachungspflichten die gleichen Maßstäbe.

Die Haftung des Foneros ist nach Kaeding übrigens subsidiär, tritt also zurück, sofern der Verletzte gegen den Forenbetreiber vorgehen kann.

Interessant ist, das Kaeding bei Foneros ohne Probleme die Privilegierung des § 8 TMG anwendet, also die Haftung für Schadensersatzansprüche ausschließt. Dies ist konsequent, aber durch die Rechtsprechung (leider) immer noch nicht behandelt worden. Auch der BGH hat in der Entscheidung „Sommer unseres Lebens“ (BGH, Urt. v. 12.5.2010 – I ZR 121/08, s. dazu schon hier, hier, hier und hier) dazu keine Entscheidung getroffen.

Auch FON selbst sieht Kaeding dann in der Haftung.

2. Urheberrechtsverletzung

Bezüglich der Urheberrechtsverletzung durch den Nutzer nimmt Kaeding zunächst mit der wohl hM in der Literatur einen Gleichlauf zwischen Urheber- und Wettbewerbsrecht an. Diesen hat der BGH allerdings erst kürzlich abgelehnt (BGH, Urt. v. 12.5.2010 – I ZR 121/08: Sommer unseres Lebens).

Die Nutzung des Hot Spots ist unmittelbarer Teil der Rechtsverletzung, was Verkehrssicherungspflichten für den Betreiber und alle Mitglieder der Gemeinschaft begründet.

Allerdings dürfte nach Auffassung von Kaeding dann die Störerhaftung greifen. Das Pflichtenprogramm sieht sie ebenso wie bei der Wettbewerbsrechtsverletzung. Auf die Unterschiede zwischen der Begehungsform (Filesharing vs. Einstellen in einem Forum) und damit auch die Zumutbarkeit von Gegenmaßnahmen geht sie nicht weiter ein – was sie auch nicht muss, da sie eine Haftung bereits annimmt.

III. Fazit

Im Fazit glaubt Kaeding, dass sich die Probleme beheben lassen, weil FON mit allen Access Providern entsprechende Verträge schließen wird.

Die wettbewerbsrechtlichen und zivilrechtlichen Bedenken, die bei Hot Spot-Netzen derzeit generell bestehen, werden sich langfristig durch Einbinden der Anbieter in diese Netzmodelle überholen.

Insgesamt ist der Beitrag lesenswert und interessant. Leider betrachtet er eben nur das Modell FON und lässt die Auswirkungen auf andere Netzgemeinden wie Freifunk etc. völlig außer Betracht. Auch die zu Recht am Urteil des OLG Köln vorgebracht Kritik greift die Autorin nicht auf, sondern folgt dem OLG Köln vergleichsweise unkritisch in allen wesentlichen Punkten.

Die Folgen der Google-Thumbnails-Entscheidung

Nachdem der BGH in seiner Entscheidung zu Google-Thumbnails (BGH, Urt. v. 29.4.2010 – I ZR 69/08) von einer Einwilligung in die Nutzung von im Internet eingestellten öffentlich zugänglichen Werken ausgegangen ist, sofern nicht der Rechtsinhaber Vorkehrungen zum Schutz seiner Rechte trifft (wie beispielsweise das Anlegen einer robots.txt, die das Indizieren der Seite verhindert), gehen auf diesem Wege immer mehr Gerichte vor, um ähnliche Ansprüche ebenfalls abzuweisen.

So sieht das LG Hamburg keine Rechtsverletzung darin, dass die Personensuchmaschine 123people.de im Internet frei verfügbare Bilder verwendet (LG Hamburg, Urt. v. 16.6.2010 – 325 O 448/09).

Es führt dazu aus:

Dafür, dass dem Verhalten der Klägerin entnommen werden kann, sie habe in die Abbildung ihres Fotos in dem von der Beklagten betriebenen Internet-Angebot eingewilligt, spricht auch der Umstand, dass das Internet-Angebot von … ausdrücklich für Suchmaschinen optimiert wurde. Wenn die Klägerin es zulässt, dass ihr Foto auf einer solchen Homepage veröffentlicht wird, durfte die Beklagte dem Verhalten der Klägerin (auch ohne rechtsgeschäftliche Einwilligungserklärung) entnehmen, die Klägerin sei mit der Anzeige des Fotos auf dem Internet-Angebot der Beklagten einverstanden. Das Verhalten der Klägerin, ihr Foto auf der Internetseite … für den Zugriff durch Suchmaschinen zugänglich zu machen, ohne dass bei dieser Seite von den technischen Möglichkeiten Gebrauch gemacht wurde, ihr Foto von der Anzeige durch Personensuchmaschinen auszunehmen, konnte von der Beklagten als Betreiberin einer solchen Personensuchmaschine objektiv als Einverständnis damit verstanden werden, dass das Foto der Klägerin in dem bei der Bildersuche üblichen Umfang genutzt werden durfte. Ein Berechtigter, der Bilder im Internet ohne Einschränkungen frei zugänglich macht, muss mit den üblichen Nutzungshandlungen rechnen. Der Klägerin ist es auch ohne weiteres zuzumuten, hinreichende Sicherungsmaßnahmen gegen das Auffinden ihres Fotos durch die Personensuchmaschine der Beklagten vorzunehmen, wenn sie derartige Nutzungshandlungen verhindern will (vgl. BGH, a.a.O). Zwar trägt die Klägerin zutreffend vor, dass sie nicht Host-Provider sei. Allerdings hätte sie ihren Arbeitgeber auffordern können, Sicherheitsmaßnahmen hinsichtlich ihres Fotos einzubauen oder der Beklagten von vornherein eine Abbildung ihres Fotos untersagen können.

Das OLG Köln hatte schon vor der BGH-Entscheidung ähnlich geurteilt (OLG Köln, Urt. v. 9.2.2010 – 15 U 107/09):

(1.1.1) Das Landgericht ist zu Recht von einer Einwilligung des Klägers in den Zugriff durch andere Medien ausgegangen. Mit der Einstellung seines Bildnisses in die Plattform von G hat der Kläger seine Einwilligung in einen Zugriff durch Suchmaschinen wie die von der Beklagten zu 1) betriebene zumindest konkludent erklärt.

Diese Einwilligungskonstruktion ist für Suchmaschinen natürlich sehr begrüßenswert. Sie führt aber zu einer neuen Problematik im Bereich des Urhebervertragsrechts. Denn auf eine Einwilligung kann sich im Grunde nicht nur der Suchmaschinenbetreiber berufen.

Fraglich ist jetzt, was man z.B. mit offiziell von Rechtsinhabern eingestellten YouTube-Videos macht. Denn wenn man ketzerisch die Konstruktion des BGH und der Gerichte weitertreibt, stellen sich eine Reihe neuer Fragen:

  • Darf der Betreiber einer Webseite diese nun verwenden und dafür die „üblichen Vervielfältigungshandlungen“ vornehmen, mit anderen Worten nicht nur die Inhalte von Youtube auf der eigenen Seite einbetten, sondern gleich die Flash-Datei vorhalten?
  • Und ist das Abgreifen des Tons aus einer solchen Datei möglicherweise auch eine „übliche Vervielfältigungsmaßnahme?
  • Und noch einen Schritt weitergedacht, ist das Einstellen dieser Datei dann auch von der Einwilligung gedeckt?

Bis auf die erste Frage dürfte hier mit „Nein“ zu antworten sein, denn das Abgreifen des Tons dürfte ein neues Werk oder wenigstens eine Bearbeitung darstellen, die einer Einwilligung bedarf. Aber der BGH hatte bei der Google-Thumbnails-Entscheidung die Einwilligung ja sogar so weit reichen lassen, dass Google die Bilder verkleinern, also bearbeiten darf – und trotzdem diese Bearbeitungen vervielfältigen und zum öffentlichen Zugang anbieten darf.

Der BGH hatte diesbezüglich ausgeführt:

Da die Vorschaubilder der Bildersuchmaschine der Beklagten die Werke der Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts lediglich verkleinert, ansonsten aber ohne wesentliche Veränderungen identisch in ihren schöpferischen Zügen gut erkennbar wiedergeben, handelt es sich bei ihnen – unabhängig davon, ob sie als Bearbeitungen oder Umgestaltungen unter § 23 UrhG fallen – gleichfalls um Vervielfältigungen i.S. von § 16 Abs. 2 UrhG. Vom Vervielfältigungsrecht des Urhebers werden auch solche – sogar in einem weiteren Abstand vom Original liegende – Werkumgestaltungen erfasst, die über keine eigene schöpferische Ausdruckskraft verfügen und sich daher trotz einer vorgenommenen Umgestaltung noch im Schutzbereich des Originals befinden, weil dessen Eigenart in der Nachbildung erhalten bleibt und ein übereinstimmender Gesamteindruck besteht (BGH, Urt. v. 10.12.1987 – I ZR 198/85, GRUR 1988, 533, 535 – Vorentwurf II, m.w.N.). Nach den von der Revision nicht angegriffenen weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts erfolgt die den Vorschaubildern zugrunde liegende körperliche Festlegung jedoch auf in den USA gelegenen Speichermedien. Etwaige Verletzungshandlungen in den USA sind aber, wie dargelegt, nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Sonstige Vervielfältigungshandlungen der Beklagten oder ihr zurechenbare Vervielfältigungshandlungen Dritter, die im Inland begangen worden wären, sind nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Klägerin, soweit er auf die Untersagung von Vervielfältigungen gerichtet ist, schon deshalb mit Recht verneint.

Nun könnte man das Darstellen des vom Youtube-Video abgegriffenen Tons als solche „ohne wesentliche Veränderungen identisch in ihren schöpferischen Zügen gut erkennbar wiedergebene“ Kopie des Werks ansehen. Und wenn man die Vervielfältigungen in den USA fertigt, hat der Kläger das Problem.

Wie schon erwähnt, dies ist eine „ketzerische“ Auslegung des Urteils des BGH. Sie soll einfach nur aufzeigen, dass die Einwilligungs-Konstruktion des BGH durchaus nicht unproblematisch ist, so elegant sie auch auf den ersten Blick wirkt.

(Urteile via wbs-law)

Update: Besprechung zum Urteil des LG Hamburg auf Telemedicus

§ 97a Abs. 2 UrhG: Keine Anwendung bei Bestreiten = Bestrafung der Ausübung des Bestreitensrechts oder der Abgabe einer modifizierten Unterlassungserklärung?

Ein auf Telemedicus veröffentlichtes Urteil (LG Köln, Urteil v. 21.04.2010, Az. 28 O 596/09) wirft ein Schlaglicht auf die weitverbreitete einschränkende Auslegung von § 97 Abs. 2 UrhG. Diese soll hier kurz beleuchtet werden.

1. Kein „einfach gelagerter Fall“ wegen Bestreitens der Rechtsverletzung?

Das LG Köln bleibt seiner Linie treu und zieht den Anwendungsbereich der Deckelung von Abmahnkosten nach § 97a Abs. 2 UrhG eng. Insbesondere ist es der Auffassung, dass kein einfach gelagerter Fall vorliegt, wenn der Abgemahnte seine Täterschaft bestreitet oder einen Dritten als Täter nennt. Dazu führt das Gericht aus:

„Hinzu kommt, dass es sich um einen einfach gelagerten Fall handeln müsste, was ebenfalls nicht der Fall ist. Einfach gelagert sind allein Fälle, die weder in tatsächlicher noch rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten aufweisen, bei denen also das Vorliegen einer Rechtsverletzung – ggf. auch für einen geschulten Nichtjuristen – quasi auf der Hand liegt, (Wandtke/Bullinger, UrhG, 3. Auflage 2009, § 97 RN 35). Vorliegend geht es um die Haftung von Personen im Internet, wobei die Person des Verletzers streitig ist bzw. vom Abgemahnten eine andere Person als Verletzer genannt wird und damit offensichtlich um eine komplexe Materie.“

Das hat der BGH in seinem Urteil vom 12.5.2010 (dazu hier, hier und hier) anders gesehen, denn auch dort hat der Beklagte bestritten, dass er der Täter war. Die Ansicht des LG Köln dürfte sich daher grundsätzlich erledigt haben.

Trotzdem verdient die Argumentation des LG Köln eine nähere Betrachtung:

Denn diese Auffassung findet zumindest keine Stütze im Gesetz oder in der Gesetzesbegründung. Der Gesetzgeber hat § 97a Abs. 2 UrhG ja gerade für Fälle geschaffen, in denen „Personen im Internet“ haften. Von einer Beschränkung der Verteidigungsrechte des Abgemahnten findet sich in der Begründung nichts.

Die Begründung des LG Köln mutet noch aus anderem Grunde seltsam an. Denn die Kosten für die Abmahnung entstehen in dem Zeitpunkt, in dem die Abmahnung verschickt wird (bzw. eigentlich schon bei Beauftragung des Anwalts). Wenn der Abgemahnte nachträglich bestreitet, dass er der Täter war, soll dies nach Auffassung des LG Köln zu seinen Lasten gehen. So kann § 97a Abs. 2 UrhG eigentlich nicht gemeint sein, denn § 97a Abs. 2 UrhG soll gerade nicht den Abgemahnten veranlassen, auf seine Rechte zu verzichten, um in den Genuss der Deckelung zu kommen. Diese Meinung des LG Köln lässt sich eigentlich nur so erklären, dass aus klägerischen Schriftsätzen die Ansicht ohne eingehende Überprüfung übernommen wurde.

Der „einfach gelagerte Fall“ bezieht sich auf die Abmahnung, nicht auf den Rechtsstreit. Daher sollte der Zeitpunkt für die Beurteilung dieses Merkmals der Zeitpunkt des Versandes der Abmahnung sein. Die Kosten für den folgenden Rechtsstreit fallen schließlich ohnehin unbegrenzt an. Wenn sich der Abgemahnte wehrt, muss er diese Kosten auch tragen. Es ist kein Grund ersichtlich, warum ihm in diesem Fall auch die vorprozessual entstandenen Kosten voll auferlegt werden sollen. Es ist zu hoffen, dass das Gericht hier beim nächsten Urteil nachbessert bzw. diesen Begründungsweg fallen lässt

2. Kein einfach gelagerter Fall bei Abgabe nur einer modifizierten Unterlassungserklärung

In die selbe Richtung geht die Auffassung der Kanzlei Kornmeier, von der RA Stadler berichtet:

„So schreibt mir Rechtsanwalt Dr. Kornmeier am 21.05.2010, dass eine Anwendung von § 97a Abs. 2 UrhG vorliegend schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil meine Mandantschaft nur eine modifizierte Unterlassungserklärung abgegebeben hat, was eine gesonderte anwaltliche Prüfung erfordert. Und aus diesem Grunde sei es eben auch kein einfach gelagerter Fall mehr gegeben.“

Dies ist aus dem oben genannten Grund ebenfalls falsch. Dabei sollte man sich zusätzlich vor Augen halten, dass die von Abmahnkanzleien verwendeten Unterlassungserklärungen zusätzlich häufig Schuldeingeständnisse oder Versprechen der Zahlung von Schadensersatz enthalten. Es gilt wie oben: Warum sollte die Abgabe einer modifizierten Unterlassenserklärung bewirken, dass der bisher einfach gelagerte Fall jetzt schwerer wird? Die Abmahnung zielt auf das Unterlassen des Abgemahnten ab. Dieses Ziel ist mit jeder wirksamen Unterlassungserklärung erreicht. Die Auffassung von Dr. Kornmeier verbietet es dem Abgemahnten im Ergebnis, die vorformulierte Unterlassenserklärung einer eigenen Prüfung zu unterziehen und im Endeffekt eine wirksame aber anders formulierte eigene Erklärung abzugeben. Die Unterlassungserklärung eines Interessenvertreters (wie der Abmahnkanzlei) ist aber kaum wie ein Formular einer Behörde zu betrachten, die zumindest eher gehalten ist, ihre Formulare objektiv zu gestalten und dem Ausfüllenden im Zweifel Hilfestellungen zu geben.

Letztlich kann der abmahnende Anwalt auch von seinem Mandanten gegenüber nicht mehr verlangen, weil der Abgemahnte nicht den Vordruck verwendet. denn das RVG berechnet den Aufwand pro Fall, nicht pro Prüfungsschritt. Und genau diesen Betrag deckelt § 97a Abs. 2 UrhG.

Update: S. auch die Besprechung von RAin Neubauer

——

Volltext des Urteils:

LANDGERICHT KÖLN

Im Namen des Volkes

Urteil

Aktenzeichen: 28 O 596/09

Verkündet am: 21.04.2010

Tenor:

Der Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,

die Musikaufnahmen „F“ und „P“ des Künstlers „’B“ auf einem Computer für den Abruf durch andere Teilnehmer von Filesharing-Systemen über das Internet bereitzustellen und damit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen oder machen zu lassen.

2. an die Klägerin 1.379,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.09.2009 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtstreits werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000,00 € betreffend den Tenor zu Ziffer 1) und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Unterlassung und Ersatz von außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren wegen Filesharings von Musik.

Die Klägerin ist eine große deutsche Tonträgerherstellerin. Der Beklagte ist Inhaber eines Internetanschlusses.

Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen unerlaubten Anbietens urheberrechtlich geschützter Werke, der Songs „F“ und „P“ des Künstlers „B“ im Internet auf Unterlassung sowie wegen Zahlung außergerichtlicher Anwaltsgebühren betreffend die Unterlassung des Zugänglichmachens des gesamten Albums „B“ des gleichnamigen Künstlers B in Anspruch.

Die Klägerin beauftragte die Antipiracy-Firma Y GmbH (im Folgenden Y) mit der Feststellung, Erfassung und Speicherung der IP-Adressen nebst Datum und sekundengenauer Zeit von Anbietern der streitgegenständlichen Musikstücke. Die Firma Y überwacht für die Klägerin alle einschlägigen Internettauschbörsen, bei welchen es sich um sogenannte Peer-to-Peer-Netzwerke handelt. Dabei sind die Teilnehmer über eine bestimmte Software miteinander verbunden. Die Installation der entsprechenden Software auf dem jeweiligen Computer des jeweiligen Nutzers ist zur Teilnahme an der Tauschbörse ebenso erforderlich, wie das eigene Anbieten von Dateien.

Am 20.04.2009 zwischen 20:17 und 20 Sekunden MEZ und 20:18 und 46 Sekunden MEZ erfasste die Software der Y einen Nutzer mit der IP-Adresse 87.189.202.247, welcher das Album des Künstlers „B“ nebst den beiden in Rede stehenden Songs im Rahmen des Netzwerkes unter Verwendung des Filesharingprogramms „Mainline 6.1.2“ öffentlich zugänglich machte. Der Vorgang wurde von der Mitarbeiterin T mitgehört und mit dem Paketfilterprogramm „Wireshark“ mitgeschnitten. Dieser Mitschnitt gelangte als Anlage K 3 (Bl. 22) zur Akte.

Es war deshalb zunächst ein Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG vor dem Landgericht Köln (9 OH 474/09) anhängig. Die dortige Antragsgegnerin, die X AG ordnete die IP-Adresse im Rahmen ihrer Auskunftserteilung dem Anschluss des Beklagten zu.

Daraufhin mahnten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 27.05.2009 ab und forderte zur Abgabe der Unterlassungserklärung auf. Diese wurde nicht abgeben. Im Verlaufe der Rechtstreitigkeit räumte der Beklagte ein, dass seine teils voll- und teils minderjährigen Söhne das in Rede stehende Filesharing veranlasst hätten.

Die Klägerin behauptet, sie sei Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte für das Gebiet Bundesrepublik Deutschland der in Rede stehenden Songs des Künstlers B. Dieser habe die Rechte mit Vertrag aus Oktober 2007 an die Z GbR (im Folgenden Z) zur umfassenden Verwertung, insbesondere auch betreffend die drahtlose Verwertung, übertragen. Die Z wiederum habe sämtliche Rechte aus jenem Vertrag im Rahmen eines Kooperationsvertrags vom 23.10.2007 an die N GmbH übertragen. Für den weiteren Inhalt dieser Verträge wird auf die Anlage K 10 (Bl. 92 ff d. A.) verwiesen.

Die Klägerin behauptet, die Y habe für die Feststellung, Erfassung und Speicherung der IP-Adressen nebst Datum und sekundengenauer Zeit eigens eine spezielle Software entwickelt, welche fehlerfrei und eindeutig die IP-Adresse, das Datum, die sekundengenaue Uhrzeit, die angebotene Datei sowie das hierfür verwendete Tauschbörsenprogramm erfasse und speichere. Die Software würde stets von mindestens einem Mitarbeiter überwacht, regelmäßig auf ihr fehlerfreies Funktionieren überprüft und alle 10 Minuten mit der Atomuhr der Universität Braunschweig in Abgleich gebracht.

Für das streitgegenständliche Filesharing habe die Y überprüft, dass die Musikstücke zum Herunterladen verfügbar gemacht wurden und zwar anhand der Aufzeichnungen durch das Paketfilterprogramm „Wireshark“ als auch durch die Wahrnehmungen ihrer Mitarbeiterin, Frau T, die den Überwachungsvorgang betreute.

Im Rahmen des Auskunftsanspruchs gegenüber der X würde immer nur ein bestimmter Zeitpunkt aus der Zeitspanne der Rechtsverletzung im Rahmen des Verbindungszeitraums abgefragt.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass, selbst wenn der Beklagte seine Kinder entsprechend belehrt hätte, das Internet nicht für illegales Filesharing zu nutzen, was bestritten würde, eine einweisende Belehrung die Störerhaftung nicht entfallen ließe.

Die Klägerin ist der Rechtsauffassung, der für die Abmahnung betreffend das gesamte Album von ihren Prozessbevollmächtigten angesetzte Gegenstandswert sei sachgerecht und entspräche demjenigen, was üblicherweise als Streitwert für die Unterlassung des öffentlichen Zugänglichmachens von ganzen Alben in der Rechtsprechung angesetzt würde. Eine rechtsmissbräuchliche Massenabmahnung läge nicht vor, weil es ihr als Geschädigte nicht zum Nachteil gereichen dürfe, dass es eine Vielzahl von einzelnen Verletzern gäbe.

Die Klägerin beantragt mit ihrer dem Beklagten am 29.09.2009 zugestellten Klage,

den Beklagten zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 €) zu unterlassen, die Musikaufnahmen

„F“
„P“

des Künstlers „B“ auf einem Computer für den Abruf durch andere Teilnehmer von Filesharing-Systemen über das Internet bereitzustellen und damit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen oder machen zu lassen.

2. an die Klägerin 1.780,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln, weil der Computer, von welchem die Rechtsverletzung angeblich begangen worden sei, in Dormagen stünde. Der fliegende Gerichtstand sei einzuschränken.

Er bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin, insbesondere den Kooperationsvertrag mit der Z mit Nichtwissen. Außerdem sei die Z bereits vor der in Rede stehenden Urheberverletzung am 01.04.2009 aufgelöst worden.

Der Beklagte behauptet, seine teils voll-, teils minderjährigen Kindern darüber belehrt zu haben, dass eine illegale Nutzung des Internetzugangs nicht erfolgen dürfe. Zu starre Regeln würden ihn aber auch unglaubwürdig bei seinen Kindern machen. In diesem Zusammenhang würde er rein vorsorglich mit Nichtwissen bestreiten, dass seinem Internetanschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung die genannte IP-Adresse zugewiesen worden sei. Die Auskunft der Telekom verhielte sich nur über die Zeit 20:18 Uhr, während die Klägerin eine Zeitspanne von 20:17:20 Uhr bis 20:18:46 Uhr für die Rechtsverletzung anführen würde.

Der Beklagte bestreitet zudem die ordnungsgemäße Funktionsweise der von der Firma Y verwendeten Software rein vorsorglich mit Nichtwissen. Manchmal würden Dateien auch nur in Segmenten hochgeladen. Möglicherweise seien auch die streitgegenständlichen Dateien nur als Segmente geladen worden, dies sei aber keine Urheberrechtsverletzung nach seiner Auffassung. Er bestreite daher mit Nichtwissen, dass die streitgegenständlichen Musikstücke bzw. Segmente hiervon öffentlich zugänglich gemacht wurden.

Der Beklagte ist ferner der Auffassung, der Beschluss des LG Köln vom 11.05.2009 (9 OH 474/09) sei rechtswidrig und deshalb dürften die dort gewonnen Erkenntnisse nicht im vorliegenden Verfahren verwertet werden.

Der Beklagte meint weiterhin, dass der Gegenstandswert für die Abmahnung zu hoch angesetzt sei. Als Massenabmahnung sei der Ersatz der Anwaltsgebühren ausgeschlossen. Die Zahlung der Anwaltsgebühren durch die Klägerin an deren Prozessbevollmächtigte bestreite er mit Nichtwissen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Urkunden Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist größtenteils begründet.

1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln gegeben. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt sich aus § 32 ZPO. Die Zulässigkeit des hier erhobenen Unterlassungsantrags wird nach dem Tatortprinzip bestimmt, damit ist die Zuständigkeit in jedem Gerichtsbezirk begründet, in dem eine unerlaubte Handlung begangen werden kann. Begehungsort ist jeder Ort, an dem die streitgegenständlichen Songs dritten Personen bestimmungsgemäß öffentlich zugänglich gemacht werden (allg. hierzu: Zöller/Vollkommer, ZPO, ZPO, 27. Auflage 2009, § 32 RN 17, m. w. N.). Vorliegend also auch im Bereich der Zuständigkeit des LG Köln, da die Verletzungshandlung planmäßig über das Internet auch in Köln und damit im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Köln stattfinden konnte.

2. Die Klage ist größtenteils begründet, da der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch vollumfänglich und der Zahlungsanspruch größtenteils zusteht.

a. Der Klägerin steht nach § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG ein Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten wegen der von seinem Telefonanschluss öffentlich zugänglich gemachten Liedern zu.

1. Die Klägerin ist aktivlegitimiert, da ihr die ausschließlichen Nutzungsrechte an den streitgegenständlichen Liedern zustehen. Die Aktivlegitimation reicht so weit, wie die räumlichen, sachlichen und zeitlichen ausschließlichen Nutzungsbefugnisse reichen. Bei Rechteketten ist derjenige aktivlegitimiert, der sich auf eine ununterbrochene Kette von Übertragungen berufen kann (Dreier/Schulze, UrhG, 3. Auflage 2008, § 07 RN 19). Die Klägerin hat dafür, dass ihr die ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem streitgegenständlichen Musikstücken zustehen, die Rechtekette dargelegt und die entsprechenden Verträge hierzu vorgelegt.

Der Beklagte hat sich auch nach Vorlage der Verträge darauf beschränkt mit Nichtwissen die Aktivlegitimation zu bestreiten und darauf hinzuweisen, dass die ursprüngliche Rechteinhaberin zwar nach Übertragung der Rechte durch die Z an die Klägerin im Jahre 2007 im Jahre 2009 aufgelöst wurde. Die Auflösung ist damit für das im Jahre 2007 geschlossene Vertragsverhältnis schon nach dem Vortrag des Beklagten ohne Belang. Damit ist das Bestreiten der Aktivlegitimation der Klägerin durch den Beklagten nicht ausreichend substantiiert, sondern erfolgt ins Blaue hinein, ohne dass Zweifel an den eingereichten Unterlagen hierdurch aufgeworfen werden. Eine derartige Rechtsverletzung kann aber nur erfolgreich sein, wenn Zweifel an der Rechteinhaberschaft der Klägerin durch das Bestreiten aufgeworfen werden (OLG Hamburg, GRUR-RR 2008, 282; LG Köln, 27.01.2010 – 28 O 241/09, K& R 2010, 280 ff). Insbesondere behauptet der Beklagte selbst nicht – und hat auch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen -, dass die Rechte einem dritten Rechteinhaber zustehen könnten (OLG Hamburg, a. a. O.). Jedenfalls dann, wenn die Klägerin – wie hier durch die Anlage K 10 (Bl. 92 ff d. A.) die von ihr vorgetragene Rechtekette belegt hat, kann sich der Beklagte nicht erfolgreich „ins Blaue hinein“ auf ein pauschales Bestreiten der Rechteinhaberschaft beschränken. Eine derartige Rechtsverteidigung kann nur erfolgreich sein, wenn der Beklagte einzelfallbezogen konkrete Anhaltspunkte vorgetragen hätte, die Zweifel an der Rechteinhaberschaft der Klägerinnen wecken könnten, was vorliegend, auch unter Berücksichtigung des Vortrags zur Auflösung der Z gerade nicht geschehen ist.

2. Der Beklagte ist als Anschlussinhaber passivlegitimiert, da er zumindest Störer ist. Zwar bestreitet der Beklagte pauschal, dass die Zuordnung der IP-Adresse zutreffend sei und die Y und die X diese technisch fehlerfrei ermittelt hätten. Dieses Bestreiten ist indes widersprüchlich und unbeachtlich, da der Beklagte zugleich eingeräumt hat, dass seine Söhne das in Rede stehende Filesharing von seinem Anschluss aus veranlasst hätten.

3. Über den Anschluss des Beklagten wurden die streitgegenständlichen Lieder als schutzfähige Werke öffentlich zugänglich gemacht. Das öffentlich Zugänglichmachen setzt voraus, dass Dritten der Zugriff auf das betreffende geschützte Werk oder einen geschützten Werkteil eröffnet wird (Dreier/Schulze, UrhG, 3. Auflage 2009, § 19a RN. 6). Der Beklagte bestreitet insoweit die ordnungsgemäße Funktionsweise der antipiracy software und damit die richtige Zuordnung der Rechtsverletzung zu seiner IP-Adresse. Dieses Bestreiten ist jedoch erneut widersprüchlich und unbeachtlich, da der Beklagte eingeräumt hat, dass die in Rede stehenden Lieder allesamt durch seine Söhne öffentlich zugänglich gemacht wurden.

Soweit der Beklagte insoweit die Auskunft der Telekom aufgrund des Beschlusses 9 OH 474/09 des Landgerichts Köln als aufgrund eines rechtswidrigen Beschlusses erlangt ansieht, führt er diese Auffassung nicht weiter aus. Gesichtspunkte für eine Rechtswidrigkeit des Beschlusses sind auch nicht ersichtlich. Der Beschluss findet seine Grundlage im Gesetz, § 101 Abs. 9 UrhG. Außerdem hat das Oberlandesgericht Köln (05.05.2009 – 6 W 39/09) zu dem Beschlussverfahren allgemein festgehalten, dass die Nichtbeteiligung des Anschlussinhabers nicht in dessen Grundrechte eingreife und die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweg nehme.

Auch ist nicht relevant, ob das „Verfügungbarmachen nebst Übertragung“ zum vollständigen Verfügbarmachen und zur vollständigen Übertragung der streitgegenständlichen Titel führte, weil schon der Zugriff auf Werkteile ausreichend für die Urheberrechtsverletzung ist. Insoweit kann an dieser Stelle dahinstehen, ob das Bestreiten des Beklagten mit Nichtwissen trotz Erhalt des Mitschnitts der Rechtsgutsverletzung (Anlage K 3) und der Vorlage von Screenshots ausreichend ist. Soweit der Beklagte das öffentliche Zugänglichmachen an sich mit Nichtwissen bestreitet, weil er nicht wisse, ob für die streitgegenständlichen Songs ein Filesharing stattgefunden habe, so ist dies nicht zulässig. Ein Bestreiten mit Nichtwissen ist nur zulässig, wenn der Erklärende tatsächlich keine Kenntnis hat (Zöller/Greger, 28. Auflage 2009, § 138 RN 13 m. w. N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Beklagte ist „Herr des Computers“ und seine Söhne haben nach seinen Angaben die Rechtsverletzung begangen. Damit ist es ihm möglich, weitere Indizien, soweit vorhanden, aus seiner Sphäre vorzutragen, warum gerade diese Titel nicht vom Übertragungsvorgang erfasst worden sein sollen.

4. Die Wiederholungsgefahr ist gegeben. Diese ist grundsätzlich durch eine bereits begangene Rechtsverletzung indiziert (Dreier/Schulze, a. a. O., § 97 RN 41, BGH GRUR 1955, 97). Wenn sich der Verletzer verpflichtet künftige Zuwiderhandlungen zu unterlassen, ohne diese Verpflichtung aber durch das Versprechen absichert, eine angemessen hohe Vertragsstrafe in jedem Fall der Zuwiderhandlung zu bezahlen, wird die Wiederholungsgefahr grundsätzlich nicht ausgeräumt (Schricker/Wild, a. a. O., § 97 RN 42). Die Wiederholungsgefahr kann somit nur durch eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung ausgeräumt werden (Dreier/Schulze, a. a. O., RN 42). Eine solche strafbewehrte Unterlassungserklärung hat der Beklagte, welcher nach seinem Vortrag jedenfalls als Anschlussinhaber Störer ist, nicht abgegeben.

b. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten nach § 97 a UrhG wegen des öffentlichen Zugänglichmachens des gesamten Albums des Künstlers „B“ zu, allerdings nur in Höhe von 1.379,80 €.

1. Es liegt keine rechtsmissbräuchliche Massenabmahnung vor. Beim Rechtsmissbrauch geht es typischerweise darum, dass die Ausübung eines individuellen Rechts als treuwidrig und unzulässig beanstandet wird (Palandt/Heinrichs, 68. Auflage 2009, § 242 RN 40). Der Rechtsmissbrauch begründet typischerweise eine rechtsvernichtende Einwendung (Palandt/Heinrichs, a. a. O.). Die Rechtsmissbräuchlichkeit hat nach allgemeinen Darlegungsgrundsätzen derjenige vorzutragen, welcher sich hierauf beruft. Der Vortrag des Beklagten beschränkt sich darauf, auf eine angebliche Massenabmahnung zu verweisen. Dieser pauschale Vortrag ist nicht geeignet, einen Rechtsmissbrauch darzulegen. Denn unstreitig ist die Klägerin Tonträgerunternehmen und gerichtsbekanntermaßen in großem Umfange am Markt aktiv. Sie hat lediglich die Unterlassung für Songs begehrt, an dem sie die ausschließlichen Nutzungsrechte hat. Hierin liegt kein Rechtsmissbrauch, sondern die erlaubte Ausübung des Rechts.

2. Die Ausnahmevorschrift des § 97 Abs. 2 UrhG war nicht anzuwenden und die Höhe des Anspruchs daher jedenfalls nicht auf 100,00 € gedeckelt. Die Deckelung greift nur bei unerheblichen Rechtsverletzungen ein. Dabei ist ein geringes Ausmaß der Rechtsverletzung in qualitativer wie quantitativer Hinsicht nach dem Willen des Gesetzgebers nötig, also ein Bagatellverstoß (Dreier/Schulze, a. a. O., § 97 a Rn 17 mit Nachweis der amtl. Begründung) Durch das Filesharing eines ganzen Albums und nicht etwa nur eines Titels ist diese Bagatellgrenze jedenfalls überschritten (Dreier/Schulze, a. a. O.), zumal das Werk für alle an der Tauschbörse Teilnehmende abrufbar war.

Hinzu kommt, dass es sich um einen einfach gelagerten Fall handeln müsste, was ebenfalls nicht der Fall ist. Einfach gelagert sind allein Fälle, die weder in tatsächlicher noch rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten aufweisen, bei denen also das Vorliegen einer Rechtsverletzung – ggf. auch für einen geschulten Nichtjuristen – quasi auf der Hand liegt, (Wandtke/Bullinger, UrhG, 3. Auflage 2009, § 97 RN 35). Vorliegend geht es um die Haftung von Personen im Internet, wobei die Person des Verletzers streitig ist bzw. vom Abgemahnten eine andere Person als Verletzer genannt wird und damit offensichtlich um eine komplexe Materie.

3. Der Höhe nach konnten die Abmahnkosten nach der jüngsten Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Köln nur aus einem Gegenstandwert von 50.000,00 € für das gesamte Album verlangt werden. Dies jedenfalls, weil vorliegend nicht ersichtlich war, dass das Album zum Zeitpunkt des Filesharings noch besonders aktuell oder besonders erfolgreich gewesen wäre. Damit waren nur eine 1,3 Geschäftsgebühr von 1.359,80 €, zuzüglich der Auslagenpauschale von 20,00 €, also insgesamt 1.379,80 € zu ersetzen.

4. Der Anspruch besteht auch auf Zahlung und nicht auf Freistellung, weil der Beklagte bestreitet, dass die Anwaltsgebühren von der Klägerin bereits an ihre Prozessbevollmächtigten gezahlt worden seien. Nach § 257 BGB umfasst die Verpflichtung zum Aufwendungsersatz auch die Verpflichtung zur Freistellung hierfür eingegangener Verbindlichkeiten (BGH NJW-RR 2005, 887). Zwar geht nach § 250 Satz 2 BGB der Befreiungsanspruch nach § 257 BGB erst dann in einen Geldanspruch über, wenn der Geschädigte erfolglos eine Frist zur Herstellung (hier: Freistellung) mit Ablehnungsandrohung gesetzt hat. Einen Befreiungsanspruch hat die Klägerin bislang nicht geltend gemacht; sie verlangt vielmehr Zahlung. Allerdings wandelt sich der nach § 257 BGB bestehende Befreiungsanspruch auch dann in einen Zahlungsanspruch um, wenn der Schädiger jeden Schadensersatz ernsthaft und endgültig verweigert und der Geschädigte Geldersatz fordert (BGH NJW 2004, 1868 m. w. N.). Die ist der Fall, da der begründete Klageabweisungsantrag ein solches Verweigern darstellt (zum Filesharing: OLG Köln, 23.12.209 – 6 U 101/09; allg. BGH NJW-RR, 1987, 43; BGH NJW 1999, 1542)

Der Zinsanspruch hinsichtlich des Antrages 2) folgt aus §§ 288, 291 BGB, da die Klage am 28.09.2009 dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zugestellt wurde.

Die Nebenentscheidungen verhalten sich wie folgt: Sie beruhen für die Kosten auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Da die außergerichtlichen Anwaltsgebühren nicht nur für die zwei Lieder, für welche Unterlassung begehrt wurde, entstanden waren, sondern darüber hinaus gingen, waren sie zwar (teils) Hauptforderung und erhöhten den Streitwert, jedoch war die Zuvielforderung der Klägerin im Hinblick auf den Streitwert des gesamten Rechtstreits und ihr Obsiegen im Übrigen geringfügig. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1, wobei Kosten und denkbarer Vollstreckungsschaden berücksichtigt wurden (OLG München, 27.11.1979 – 25 U 1518/79, MDR 1980, 408-409), bzw. betreffend die Vollstreckung wegen Geldforderungen auf § 709 Satz 2 ZPO.

Streitwert:

Antrag zu 1) 20.000,00 €

Antrag zu 2) bis 2.000,00 €

Insgesamt: 22.000,00 €

OLG Köln: Urt. v. 23.12.2009 – Az. 6 U 101/09 – Haftung des Internet-Anschlussinhabers für Rechtsverletzungen Dritter

Das OLG Köln hat am 23.12.2009 zur Störerhaftung des Internetanschlussinhabers geurteilt und ist dabei u.a. von einer sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers ausgegangen, der also die Identität des jeweiligen Nutzers offenbaren soll (Az. 6 U 101/09).

Anmerkungen zu OLG Köln – FON; Poleacov, Anmerkung zu OLG Köln, Urteil vom 5.6.2009 – 6 U 223/08, CR 2009, 579

Mittlerweile ist die Anmerkung zum Urteil des OLG Köln zur Lauterbarkeit des Geschäftsmodells von FON in der MMR erschienen (OLG Köln Urteil vom 5.6.2009 – 6 U 223/08, MMR 2009, 695, Anmerkung MMR 2009, 697-700, s. dazu eingehend schon hier).

In Heft 9 der CR ist zu dem Urteil eine weitere Anmerkung von Peter Poleacov abgedruckt (CR 2009, 579). Auch Poleacov verweist darauf, dass der Traffic, der durch FON verursacht wird, kaum so groß sein dürfte, wie es das OLG Köln angenommen hat. Er verweist hierfür auch auf eine Studie von Middleton/Potter (Is it Good to Share? A Case Study of FON and Meraki – Approaches to Broadband Provision, http://www.cwirp.ca/files/CWIRP_FON_Meraki.pdf). Eine gezielte Behinderung von DSL-Providern durch FON sieht Poleacov entgegen der Ansicht des OLG Köln ebensowenig wie eine allgemeine Marktbehinderung. Auch ein Ausnutzen fremden Vertragsbruchs liege nicht vor – wie es auch das OLG Köln schon ausgeführt hat.

Die Anmerkung von Poleacov ist hier online abrufbar: http://www.hlfp.de/dl/articles/909_Beitrag%20Poleacov%20CR.pdf.

OLG Köln, Urt. v. 5.6.2009 – 6 U 223/08: Geschäftsmodell von Fon + kurze Besprechung

Das OLG Köln hat am 5.6.2009 das Geschäftsmodell von FON (http://www.fon.com) als wettbewerblich unlauter beurteilt und der Klage von 1&1 auf Unterlassung und Feststellung der Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz stattgegeben (Volltext hier).

Über das Urteil wurde schon mehrfach berichtet, u.a.

Die Schlussfolgerungen des OLG Köln sind allerdings wenigstens fraglich. Gegen das Urteil hat FON Revision eingelegt.

Im Einzelnen:

I. Wettbewerbsverhältnis

Das OLG Köln hat angenommen, dass FON und 1&1 Wettbewerber sind. Allerdings vergleicht es hierfür das mobile Angebot von 1&1 und FON. Im Tatbestand beschreibt es aber hauptsächlich, dass 1&1 Festnetzanschlüsse verkauft, die die Nutzer über einen WLAN-Router im ganzen Haus nutzen können. Außerdem ist das mobile Angebot eines über GPRS oder UMTS. Dass hier Vergleichbarkeit vorliegt, ist also wenigstens nicht offensichtlich. Damit ist auch das Wettbewerbsverhältnis nicht ganz eindeutig. Aufgrund einer sehr weiten Auslegung des Wettbewerberbegriffs im UWG dürfte das OLG aber im Ergebnis recht haben.

II. Unlauterkeit

Weiter sei das Geschäftsmodell von FON „schmarotzerisch“ und unlauter, da es das Geschäftsmodell „Flatrate“ von 1&1 durcheinander bringe. Dabei stellen LG und OLG auf die Mischkalkulation Flatrate ab.

Leider geht das OLG hier von zwei vollständig unterschiedlichen Szenarien aus: Im Flatrate-Modell produziert der Nutzer nur vergleichsweise wenig Traffic. Andererseits nimmt das OLG an, dass die Kunden der Foneros den Anschluss des Foneros ständig zu 100% ausnutzen und deshalb die Flatrate-Kalkulation nicht mehr funktioniert. Das OLG geht auf der einen Seite also davon aus, dass der typsiche Nutzer wenig Traffic verursacht, dass aber andererseits der Fonero automatisch so viel Traffic verursacht, dass die Leitungen glühen.

Mit diesem Argument bekommt man eine Erheblichkeit im Sinne des Wettbewerbsrechts einigermaßen hin. Allerdings sind die Annahmen des OLG erstens falsch und zweitens überhaupt nicht belegt. Denn:

  • der einzelne Fonero dürfte nur wenige Kunden haben. FON ist derzeit noch kein Massengeschäft
  • die Anzahl der Foneros dürfte im Vergleich zu den Gesamtinternetnutzern gering sein
  • wenn die „Kunden“ der Foneros tatsächlich die Leitung voll auslasten würden, würde das den Fonero in kürzester Zeit so sehr stören, dass er den Knoten wieder abschalten würde.
  • Das FON-Angebot ist ein mobiles Angebot, das gerade nicht als Ersatz für einen echten (DSL-)Anschluss taugt. Der „Kunde“ des Foneros dürfte also darüber (wie im Internet-Cafe) seine Emails abrufen, ein wenig auf YouTube rumsurfen, aber keine Filesharing-Clients laufen lassen. Der Traffic ist also auch eher gering. Das Gegenteil hätte 1&1 in diesem Fall erstmal ordentlich vortragen müssen. Das Gericht nennt aber auch nicht mal eine Zahl. Es ist also davon auszugehen, dass 1&1 lediglich pauschale Behauptungen aufgestellt hat, ohne das ordentlich zu untermauern.
  • Selbst wenn man dem OLG für den konkreten Fall 1&1 (=Reseller) folgt: Die Kalkulation ist bei den Nicht-Resellern sicher eine ganz andere! Wenn ich aber einen Vergleich mit dem Gesamtmarkt mache, dann brauche ich Zahlen über die Kalkulation der anderen Wettbewerber, bevor ich auch nur anfangen kann, an eine Marktstörung oder Marktbehinderung zu denken.

LG und OLG müssen sich also fragen lassen, auf welcher Grundlage sie zu ihrem Ergebnis gekommen sind. Nach dem Urteil sieht es leider eher nach einer ergebnisorientierten Argumentation aus. Mal sehen, was der BGH damit anfängt.

III. Keine Übertragbarkeit auf Freifunk

Eines sollte für dieses Urteil aber gleich festgestellt werden: Es ist auf Freifunk und die Gemeinde offener und freier Netze nicht übertragbar. Denn Freifunk hat kein und verfolgt kein „Geschäftsmodell“. Freifunk handelt auch nicht geschäftlich i.S.v. § 2 Nr. 1 UWG, weder durch seine Mitglieder noch durch die Vereine. Geschäftshandlungen sind nämlich nur Handlungen von Gewerbetreibenden. Während FON als ein Unternehmen handelt, das die Leistungen der Foneros Dritten entgeltlich anbietet, sind die offenen Netzcommunities „nur“ die Gesamtheit von Einzelpersonen, die eine gemeinsame Idee verbindet. Von Gewerblichkeit kann hier also nicht die Rede sein. Auch die Definition des Mitbewerbers in § 2 Nr. 3 UWG – wesentliche Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs im vorliegenden Urteil – ist bei Freifunk nicht erfüllt, denn Mitbewerber kann ebenfalls nur ein Unternehmer sein (Hefermehl/Köhler/Bornkamm-Köhler, aaO, § 2 Rn. 93). Auch der Freifunk e.V. kann insofern nicht nach dem UWG in Anspruch genommen werden (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm-Köhler, aaO, § 2 Rn. 119).

Dies sieht auch Adrian Schneider von Telemedicus so. Dass teilweise getitelt wurde „OLG Köln verbietet Freifunknetz Fon“ ist eine Vermischung von Freifunk und FON, mehr nicht.

Die Gegenauffassung vertritt wohl Christoph Rempe im J!Cast 74 („auch unentgeltlliches privates Teilen ist rechtwidrig“), aber mit wenig überzeugender Begründung (ziemlich am Ende des J!Cast).

Interessant sind übrigens noch die Diskussionen im Beck-Blog. Auch auf der berlin-wireless-Liste wurde das Urteil diskutiert, allerdings war schnell klar, dass Auswirkungen auf Freifunk nicht zu befürchten sind.

Das Urteil erscheint im Volltext demnächst in der MMR mit einer ausführlichen Anmerkung.

Update: Urteil und Anmerkung sind jetzt erschienen in der MMR 2009, 695 (697)

Update: In der CR 2009, 579 ist eine Anmerkung zum Urteil von Poleacov erschienen.

OLG Köln: Keine Störerhaftung des Admin-C

Das OLG Köln hat in einem Urteil vom 15.08.2008 – 6 U 51/08 Stellung genommen zur Haftung des Admin-C (vgl. dazu auch Wimmers/Schulz, CR 2006, 754, 761; Hoeren/Eustergerling, MMR 2006, 132, 137).

Dem Admin-C einer Domain ist die (ständige) Kontrolle von, mit einer Domain verbundenen, Internetinhalten (Webseiten) nicht zuzumuten. Dies ergibt sich bereits aus der Mannigfaltigkeit denkbarer Rechtsverletzungen auf den über die Domain oder über Verlinkungen, Suchmaschineneinträgen o.ä. aufrufbaren Webseiten. Weiterhin kann der Admin-C entsprechend seinen Aufgaben und technischen Möglichkeiten grundsätzlich nicht auf den Inhalt von Webseiten zugreifen und diesen verändern. Er könnte allenfalls eine vollständige – im Einzelfall möglicherweise unverhältnismäßige – Löschung der Domain veranlassen. (Leitsatz 5, MIR 2008, Dok. 302)

Was folgt daraus für den Access Provider (und damit den Betreiber offener Netze)? Die Mannigfaltigkeit der Rechtsverletzungen ist noch deutlich größer und noch viel weniger kontrollierbar. Wenn also der Admin-C nach den Überlegungen des OLG Köln nicht haftet, dann erst recht nicht der Access Provider.

Das OLG Köln hat die Revision zum BGH zugelassen. Wie es aussieht, kommen einige Fälle der Störerhaftung auf den BGH zu (s. auch OLG Frankfurt: Haftung des WLAN-Betreibers).