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Die Haftung des Betreibers eines WLAN-Zugangs für die Handlungen seiner Nutzer, JurPC Web-Dok. 95/2010

In eigener Sache:

In der JurPC ist heute ein Aufsatz mit dem Titel „Die Haftung des Betreibers eines WLAN-Zugangs für die Handlungen seiner Nutzer“ (JurPC Web-Dok. 95/2010) erschienen.

Darin werden im Hinblick auf die anstehende Entscheidung des BGH noch einmal die Argumente zur Haftung des Inhabers eines WLAN-Zugangs behandelt.

Links:

Veranstaltungstipp: Freies WLAN für Berlin / Freifunk für Berlin!, 31.3.2010, 19h

[via Cven und Freifunk-Blog (rebroadcasted)]

Viele wollen es – viele reden darüber – wie kann’s gehen?

Der Gedanke eines stadtweiten, drahtlosen Internetzugangs wurde lange hoch gehandelt, haber bis heute nicht umgesetzt. Ungeachtet dessen haben sich im Freifunk-Projekt zahlreiche Menschen selber per Wireless-LAN WLAN) vernetzt.

Berlins freifunk.net und die Abgeordnetenhaus-Fraktion der Grünen laden ein, diese offene und freie Struktur kennenzulernen, bzw. Möglichkeiten und Handlungsoptionen für die digitale Zukunft Berlins zu diskutieren. Ziel der Veranstaltung ist die Debatte für ein „freies WLAN für Berlin“ zu qualifizieren.

Lange gewollt, aber vorerst gescheitert: Der politische Wille Berlin flächendeckend den drahtlosen Zugang zum Internet mittels WLAN zu ermöglichen fiel auf unfruchtbaren Boden. Drei Jahre versuchte der Senat vergebens ein Unternehmen zu gewinnen, ein solches Angebot umzusetzen.

Seit rund acht Jahren vernetzen sich in Berlin viele Bürgerinnen und Bürger selbst miteinander – unabhängig von politischer Förderung oder wirtschaftlichen Interessen. Das Projekt freifunk.net entwickelt technische Verbesserungen und ermöglicht den Netzzugang selbst in Internet-technisch sonst unerschlossenen Gegenden.

In mehreren Kurzvorträgen werden Freifunk, die dahinter steckenden Prinzipien und Techniken, wissenschaftliche und wirtschaftliche Seiten sowie der den rechtlichen Hintergrund erläutert. Im zweiten Teil soll die Frage wie wir einem „Freien WLAN“ in Berlin näher kommen können, im Mittelpunkt stehen.

Mittwoch, 31. März 2010, 19 – 21 Uhr
Radialsystem V GmbH – www.radialsystem.de
Holzmarktstraße 33 – S-Bhf. Ostbahnhof

und um das genug Schnittchen geordert werden können, bitten wir um eine kurze Mail an netzpolitik at buero-ziller.de – aber auch spontan ist jedeR herzlich eingeladen.

Links:

BGH: Verhandlung zur Haftung für offenes WLAN

Der BGH hat am 18.3.2010 in der Revisionssache zum Thema Haftung für ein offenes WLAN verhandelt (Vorinstanz: OLG Frankfurt a.M, Urteil vom 01.07.2008 – Az. 11 U 52/07, s. dazu hier).

In dem Fall hatte der Beklagte ein unverschlüsseltes WLAN betrieben. Während seines Urlaubs nutzte ein unbekannter Dritter seinen Zugang für Filesharing. Der Beklagte wurde daraufhin abgemahnt und anschließend auf Schadensersatz und Ersatz der Rechtsverfolgungskosten verklagt. Das LG Frankfurt hatte in der ersten Instanz der Klage stattgegeben, das OLG Frankfurt hatte die Klage abgewiesen.

Das Urteil des BGH wird auch deshalb mit großem Interesse erwartet, weil sich die oberinstanzlichen Gerichte in vergleichbaren Fällen widersprochen haben.

Bisher sind über die Verhandlung nur Presseberichte verfügbar. Aus diesem Grund lässt sich nur wenig über den Inhalt sagen. Allerdings weisen fast alle Berichte auf eine gewisse Grundtendenz des BGH hin: Der Berichterstatter hat wohl von der „Eröffnung einer Gefahrenquelle“ gesprochen. Zusätzlich deutet sich an, dass eine Haftung (auch für die Kosten einer Abmahnung) erst nach einem Hinweis entstehen könnte. Letzteres würde im Rahmen der Entwicklung der Rechtsprechung der letzten Jahre zu den Prüfungs- und Überwachungspflichten nicht verwundern und würde auf ein sogenanntes „Notice-and-Takedown“ hinauslaufen (s. dazu hier und hier).

Mit diesen Andeutung ist allerdings noch nicht ausreichend viel bekannt, um über eine Entscheidung des BGH inhaltlich etwas auszusagen. Die Unkenrufe des Rückbaus von offenen Hotspots und offenen Netzen wie Freifunk sind allerdings zu vernehmen.

Dabei hat insbesondere Thomas Stadler in seinem Blog kurz vor der Verhandlung noch einmal sehr eindringlich deutlich gemacht, wo die Unterschiede liegen und warum der BGH sich mit der Problematik intensiver auseinander setzen müsste (s. hier).

Wenn man ein Notice-and-Takedown auf den Betreiber eines Hotspots überträgt, dann ist technisch die Schließung des Knotens allerdings auch die einzige sichere Lösung – was der BGH hoffentlich nicht verkennen wird.

Denn egal wie das Urteil ausfällt: Ob es überhaupt Auswirkungen auf Freifunk haben wird, ist noch nicht klar. Denn der verhandelte Fall liegt einfach anders. Freifunk ist ein Spezialfall, der hohe Grundrechtsrelevanz hat. Ob sich der BGH auch hierzu in seiner Entscheidung äußern wird, muss abgewartet werden.

Verkündungstermin ist am 12.5.2010.

Berichte zur Verhandlung:

Update: Laut Bericht von Thomas Stadler zum 1. LawCamp haben sich dort wohl einige, die bei der Verhandlung anwesend waren, nicht so negativ über die Verhandlung äußern wollen, wie dies in den Presseberichten durchscheint.

AG Zeven: Nutzung eines offenen WLAN strafbar

Wie heise-online berichtet, sieht das Amtsgericht Zeven die Nutzung eines offenen WLAN als strafbar nach §§ 89 und 148 TKG an.

Tatbestand (leicht gekürzt): Die Angeklagte nutzte das offene WLAN ihres Nachbarn, um über Scheinidentitäten bei StudiVZ der neuen Freundin ihres Ex-Freundes nachzustellen.

Nach Rückfrage von heise-online sah das AG Zeven die Nutzung als „unbefugtes Nutzen eines fremden Computernetzwerks durch regelmäßiges Herstellen einer Funkverbindung.“ Das Urteil selbst oder seine Gründe liegen noch nicht vor.

Anscheinend hat sich das AG Zeven der Ansicht des AG Wuppertal (Besprechung hier) und Teilen der Literatur angeschlossen

Urteilsgründe folgen.

Film: Wir sind das Netz – Geschichte, Philosophie und Praxis freier Netze

Der Film „Wir sind das Netz – Geschichte, Philosophie und Praxis freier Netze“ des Funkfeuer in Österreich steht zum Download unter einer CC-BY-NC-ND-Lizenz bereit.

Nähere Infos unter http://ischl.funkfeuer.at/content/wir-sind-das-netz-0.

Update: derStandard hat über Funkfeuer und den Film einen kurzen Bericht online.

Download/Flash:

LG Köln, Urt. v. 11.11.2008 – 33 O 210/07 – Geschäftsmodell von FON

Mittlerweile hat das NRW-Justizportal auch die erstinstanzliche Entscheidung zum Geschäftsmodell von FON (OLG Köln, Urt. v. 5.6.2009 – 6 U 223/08) online gestellt.

Der Volltext kann hier abgerufen werden.

Zur Begründung des LG, die das OLG Köln in weiten Teilen übernommen hat, bzw. der Kritik daran, siehe die kurze Besprechung hier, und im nächsten Heft der MMR.

OLG Köln, Urt. v. 5.6.2009 – 6 U 223/08: Geschäftsmodell von Fon + kurze Besprechung

Das OLG Köln hat am 5.6.2009 das Geschäftsmodell von FON (http://www.fon.com) als wettbewerblich unlauter beurteilt und der Klage von 1&1 auf Unterlassung und Feststellung der Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz stattgegeben (Volltext hier).

Über das Urteil wurde schon mehrfach berichtet, u.a.

Die Schlussfolgerungen des OLG Köln sind allerdings wenigstens fraglich. Gegen das Urteil hat FON Revision eingelegt.

Im Einzelnen:

I. Wettbewerbsverhältnis

Das OLG Köln hat angenommen, dass FON und 1&1 Wettbewerber sind. Allerdings vergleicht es hierfür das mobile Angebot von 1&1 und FON. Im Tatbestand beschreibt es aber hauptsächlich, dass 1&1 Festnetzanschlüsse verkauft, die die Nutzer über einen WLAN-Router im ganzen Haus nutzen können. Außerdem ist das mobile Angebot eines über GPRS oder UMTS. Dass hier Vergleichbarkeit vorliegt, ist also wenigstens nicht offensichtlich. Damit ist auch das Wettbewerbsverhältnis nicht ganz eindeutig. Aufgrund einer sehr weiten Auslegung des Wettbewerberbegriffs im UWG dürfte das OLG aber im Ergebnis recht haben.

II. Unlauterkeit

Weiter sei das Geschäftsmodell von FON „schmarotzerisch“ und unlauter, da es das Geschäftsmodell „Flatrate“ von 1&1 durcheinander bringe. Dabei stellen LG und OLG auf die Mischkalkulation Flatrate ab.

Leider geht das OLG hier von zwei vollständig unterschiedlichen Szenarien aus: Im Flatrate-Modell produziert der Nutzer nur vergleichsweise wenig Traffic. Andererseits nimmt das OLG an, dass die Kunden der Foneros den Anschluss des Foneros ständig zu 100% ausnutzen und deshalb die Flatrate-Kalkulation nicht mehr funktioniert. Das OLG geht auf der einen Seite also davon aus, dass der typsiche Nutzer wenig Traffic verursacht, dass aber andererseits der Fonero automatisch so viel Traffic verursacht, dass die Leitungen glühen.

Mit diesem Argument bekommt man eine Erheblichkeit im Sinne des Wettbewerbsrechts einigermaßen hin. Allerdings sind die Annahmen des OLG erstens falsch und zweitens überhaupt nicht belegt. Denn:

  • der einzelne Fonero dürfte nur wenige Kunden haben. FON ist derzeit noch kein Massengeschäft
  • die Anzahl der Foneros dürfte im Vergleich zu den Gesamtinternetnutzern gering sein
  • wenn die „Kunden“ der Foneros tatsächlich die Leitung voll auslasten würden, würde das den Fonero in kürzester Zeit so sehr stören, dass er den Knoten wieder abschalten würde.
  • Das FON-Angebot ist ein mobiles Angebot, das gerade nicht als Ersatz für einen echten (DSL-)Anschluss taugt. Der „Kunde“ des Foneros dürfte also darüber (wie im Internet-Cafe) seine Emails abrufen, ein wenig auf YouTube rumsurfen, aber keine Filesharing-Clients laufen lassen. Der Traffic ist also auch eher gering. Das Gegenteil hätte 1&1 in diesem Fall erstmal ordentlich vortragen müssen. Das Gericht nennt aber auch nicht mal eine Zahl. Es ist also davon auszugehen, dass 1&1 lediglich pauschale Behauptungen aufgestellt hat, ohne das ordentlich zu untermauern.
  • Selbst wenn man dem OLG für den konkreten Fall 1&1 (=Reseller) folgt: Die Kalkulation ist bei den Nicht-Resellern sicher eine ganz andere! Wenn ich aber einen Vergleich mit dem Gesamtmarkt mache, dann brauche ich Zahlen über die Kalkulation der anderen Wettbewerber, bevor ich auch nur anfangen kann, an eine Marktstörung oder Marktbehinderung zu denken.

LG und OLG müssen sich also fragen lassen, auf welcher Grundlage sie zu ihrem Ergebnis gekommen sind. Nach dem Urteil sieht es leider eher nach einer ergebnisorientierten Argumentation aus. Mal sehen, was der BGH damit anfängt.

III. Keine Übertragbarkeit auf Freifunk

Eines sollte für dieses Urteil aber gleich festgestellt werden: Es ist auf Freifunk und die Gemeinde offener und freier Netze nicht übertragbar. Denn Freifunk hat kein und verfolgt kein „Geschäftsmodell“. Freifunk handelt auch nicht geschäftlich i.S.v. § 2 Nr. 1 UWG, weder durch seine Mitglieder noch durch die Vereine. Geschäftshandlungen sind nämlich nur Handlungen von Gewerbetreibenden. Während FON als ein Unternehmen handelt, das die Leistungen der Foneros Dritten entgeltlich anbietet, sind die offenen Netzcommunities „nur“ die Gesamtheit von Einzelpersonen, die eine gemeinsame Idee verbindet. Von Gewerblichkeit kann hier also nicht die Rede sein. Auch die Definition des Mitbewerbers in § 2 Nr. 3 UWG – wesentliche Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs im vorliegenden Urteil – ist bei Freifunk nicht erfüllt, denn Mitbewerber kann ebenfalls nur ein Unternehmer sein (Hefermehl/Köhler/Bornkamm-Köhler, aaO, § 2 Rn. 93). Auch der Freifunk e.V. kann insofern nicht nach dem UWG in Anspruch genommen werden (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm-Köhler, aaO, § 2 Rn. 119).

Dies sieht auch Adrian Schneider von Telemedicus so. Dass teilweise getitelt wurde „OLG Köln verbietet Freifunknetz Fon“ ist eine Vermischung von Freifunk und FON, mehr nicht.

Die Gegenauffassung vertritt wohl Christoph Rempe im J!Cast 74 („auch unentgeltlliches privates Teilen ist rechtwidrig“), aber mit wenig überzeugender Begründung (ziemlich am Ende des J!Cast).

Interessant sind übrigens noch die Diskussionen im Beck-Blog. Auch auf der berlin-wireless-Liste wurde das Urteil diskutiert, allerdings war schnell klar, dass Auswirkungen auf Freifunk nicht zu befürchten sind.

Das Urteil erscheint im Volltext demnächst in der MMR mit einer ausführlichen Anmerkung.

Update: Urteil und Anmerkung sind jetzt erschienen in der MMR 2009, 695 (697)

Update: In der CR 2009, 579 ist eine Anmerkung zum Urteil von Poleacov erschienen.

Nachbereitung Wireless Community Weekend 2009 und Folien online

Und schon ist das Wireless Community Weekend (WCW) 2009 wieder vorbei. Von meiner Seite noch einmal vielen Dank an alle. Wieder eine Superatmosphäre, ein sehr spannendes und gleichzeitig sehr entspanntes Wochenende (ja, das geht). Es hat viel Spaß gemacht und bei so guten Vorzeichen werde ich nächstes Jahr sicher wieder dabei sein.
Wer nachlesen und/oder nachhören will, was auf dem WCW 2009 passiert ist, s. im Wiki hier, außerdem den Live-Radio-Beitrag von Radio Corax vom WCW hier (OGG, ca. 120min, ca 200 MB, das Interview mit mir findet sich auch hier).
Ich danke auch für die spannende Diskussion zum Thema „Update Recht“, die Folien mit dem Titel „Update Recht – Entwicklung des Rechts offener Netze 2008/2009“ dazu sind ebenfalls online (hier, die Folien wurden im Hinblick auf die Dateigröße (nur) im Design geändert). Wie gewohnt, ging der Vortrag natürlich nicht um 18h los, sondern ca. 19.45h, also quasi pünktlich. Aufgrund der intensiven Teilnahme und Diskussion ist außerdem aus einem geplanten 30-Minuten-Vortrag (plus reservierte 10 Minuten für Fragen) ein Vortrag von fast zwei Stunden geworden. In diesem Sinne können die Folien natürlich nur als grobe Leitlinie dienen.

Die Diskussion hat wieder einmal gezeigt, dass die Gesetzeslage und die technische Realität in vielen Punkten überhaupt nicht zusammenpassen. Dies zeigt sich ganz extrem an offenen Netzen, in denen ganz unterschiedliche technische Konstellation realisiert werden, die sich zudem schnell ändern können. Speziell Vorratsdatenspeicherung ist in offenen Netzen in aller Regel vollkommen sinnlos und trotzdem besteht hier sehr große Rechtsunsicherheit.

Keine Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung für unentgeltliche Dienste

Patrick Breyer vom AK-Vorratsdatenspeicherung hat sich über die Frage Gedanken gemacht, ob die Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung nach § 113a TKG auch denjenigen trifft, der seine Dienste unentgeltlich erbringt (hier) und ist zu dem Schluss gekommen, dass eine solche Pflicht nicht besteht.

Dafür wendet er insbesondere eine europarechtliche Auslegung des Merkmals „gewöhnlich gegen Entgelt“ an.

Alexander Alvaro von der FDP hat eine entsprechende Anfrage zur Auslegung an die EU-Kommission gestellt. Die EU-Kommission hat nun darauf geantwortet (hier, mit kurzer Besprechung bei daten-speicherung.de).

Volltext:

Parlamentarische Anfragen
16. April 2009
E-0969/2009
Antwort von Herrn Barrot im Namen der Kommission

Der Herr Abgeordnete fragt bei der Kommission an, ob unter den in Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 2006/24/EG verwendeten Begriff „Anbieter öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste“ (Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung) unentgeltliche Dienste fallen.

Gemäß Artikel 2 der Richtlinie über die Datenvorratsspeicherung finden u. a. die Begriffsbestimmungen der Rahmenrichtlinie 2002/21/EG Anwendung. In Artikel 2 Buchstabe c) der Rahmenrichtlinie wird der Begriff „elektronische Kommunikationsdienste“ definiert. Eine Komponente der Begriffsbestimmung besteht darin, dass der Dienst „gewöhnlich gegen Entgelt erbracht“ wird. Dies gibt den Wortlaut von Artikel 50 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft wieder, der den Begriff „Dienstleistungen“ im Zusammenhang mit der Freizügigkeit und dem freien Dienstleistungs- und Kapitalverkehr definiert. Diese Begriffsbestimmung ist für die Auslegung der Rahmenrichtlinie und der Richtlinie über die Datenvorratsspeicherung maßgeblich, da sich beide Richtlinien auf Artikel 95 EG-Vertrag stützen, der Maßnahmen für das Funktionieren des Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalbinnenmarktes zum Gegenstand hat.

Die Begriffsbestimmung der Dienstleistung laut EG-Vertrag verlangt nicht, dass die Gebühr von dem Dienstleistungsnutzer oder –teilnehmer erhoben wird, sondern sie deckt auch Sachverhalte ab, bei denen Dritte die Gebühr bezahlen(1). Unter die Begriffsbestimmung fallen insbesondere Dienstleistungen kommerzieller Art. Andererseits handelt es sich bei einer Tätigkeit, die nicht selbst wirtschaftlicher oder kommerzieller Art ist oder mit einer solchen Tätigkeit in Verbindung steht, nicht um eine Dienstleistung im Sinne des EG-Vertrags(2).

Nicht die Kommission ist für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts zuständig, sondern die Gerichte und in letzter Instanz der Europäische Gerichtshof. Um festzustellen, ob eine Tätigkeit eine Dienstleistung darstellt, muss jeder Fall einzeln geprüft werden.

(1)    Siehe Rechtssache C-352/85 Bond van Adverteerders/NL.
(2)    Siehe Rechtssache C-159/90 SPUC/Grogan.

Diese Antwort belegt, dass auch die EU-Kommission von dieser Auslegung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ausgeht, und dass ein Präjudiz dafür besteht, dass unentgeltliche Dienste nicht erfasst werden. Einen Haken enthält der letzte Satz, dass (richtigerweise) nur die Gerichte dies prüfen und die Auslegung vornehmen können.

Ob sich die Auffassung der Kommission zur EU-Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie 1:1 auf das deutsche Recht übertragen lässt, ist nicht ganz klar. Schließlich ist der deutsche Gesetzgeber in einigen Punkten über den Regelungsgehalt der Richtlinie hinaus gegangen (z.B. Anonymisierungs-Server). Es lässt sich aber eines festhalten: Wenn die Richtlinie unentgeltliche Dienste nicht erfasst, dann wäre eine Auslegung des deutschen Gesetzes dahingehend, dass unentgeltliche Dienste speichern müssen, ebenfalls eine darüber hinausgehende deutsche Regelung. Und die wäre dann in dem Rahmen, in dem sie über den europarechtlichen Rahmen hinausgeht, vom Bundesverfassungsgericht überprüfbar. Der Ausgang der bisherigen Verfassungsbeschwerden bleibt abzuwarten, aber der europäische Gesetzgeber ist an einigen Stellen in den Erwägungsgründen zur Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie selbst davon ausgegangen, dass er schon bis an die Grenzen des Möglichen gegangen ist. Wer noch weitergehend regelt, bewegt sich also auf unsicherem Terrain.

Die Schlussfolgerung von daten-speicherung.de dürfte vor diesem Hintergrund richtig sein:

Bietet beispielsweise eine Privatperson oder ein Verein einen E-Mail-Dienst, einen öffentlichen WLAN-Internetzugang oder einen Tor-Server unentgeltlich an, den sie im Wesentlichen aus eigenen Mitteln und nicht aus Einnahmen der Nutzer oder von Werbekunden finanzieren, so gilt die Vorratsdatenspeicherungspflicht nicht.

Gute Nachrichten also für Freifunk und die anderen Initiativen.

Lesetipp: Bleich (+Heidrich), Privat-Provider, c’t 2/2009, 132-134

Schon etwas länger her: In der c’t, Heft 2/2009, S. 132-134 stellt Holger Bleich unter dem Titel „Privat-Provider – Warum WLAN-Sharing hierzulande nicht in Gang kommt“ Modelle des WLAN-Sharing (insb. FON) vor und beschreibt – wie der Titel vermuten lässt – warum in Deutschland das Modell nicht so richtig ankommt.

„Diese Zurückhaltung nur damit zu begründen, dass die deutschen DSL-Nutzer angeblich per se ungerne teilen, greift allerdings zu kurz. Vorbehalte gegenüber dem WLAN-Sharing rühren auch aus den Techniken zur Umsetzung. Jeder Anbieter hat seine eigene Methode, beim Kunden einen Hotspot zu realisieren. Gemeinsam ist ihnen, dass entweder die Router-Software manipuliert oder ein zweites Gerät angeschafft werden muss. Vor beidem schrecken viele Anschlussinhaber zurück. Fon-Hotspot-Betreiber etwa müssen für mindestens 20 Euro einen zweiten Router namens La Fonera beim Anbieter kaufen, der dann in einen Ethernet-Port des heimischen DSL-Routers gesteckt wird. La Fonera bietet gleichzeitig ein ungesichertes WLAN für den Hotspot und ein WPA-geschütztes für die private Nutzung an. Das Gerät hängt hinter der Firewall des eigentlichen DSL-Routers, also de facto als Fremdkörper im internen Netz. Da muss man also dem Anbieter einiges Vertrauen entgegenbringen, der die Geräte vorkonfiguriert.“

Im Anschluss daran stellt Joerg Heidrich die rechtliche Situation dar – in deutlicher Weise unter der Überschrift „Rechtliche Unwägbarkeiten“. Dabei spricht er die divergierende Rechtsprechung (dazu u.a. hier) im Bereich der Störerhaftung kurz an.

„Unter diesen Gesichtspunkten bestehen für Anbieter von WLAN-Sharing, die zur Sicherheit Surferdaten mitloggen, zumindest juristische Unwägbarkeiten. Dies gilt für den Betreiber dann, wenn er mit seiner IP-Adresse sichtbar nach außen auftritt und daher derjenige ist, der im Rahmen einer Rechtsverletzung als erster „Verdächtiger“ ermittelt wird. Im Bereich des Zivilrechts besteht zwar unter Umständen die Möglichkeit, sich entstandene Kosten bei dem tatsächlichen Schädiger zurückzuholen. Doch dieses Verfahren ist natürlich umständlich und zeitintensiv.“

Anschließend geht er auf die Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung ein. Auch hier sieht er richtigerweise Unsicherheiten darüber, ob der Betreiber eines offenen Netzes Daten nach § 113a TKG speichern muss (weitere Infos dazu hier).

„Dem Gesetzeswortlaut ist zu entnehmen, dass wohl insbesondere offene Projekte wie Freifunk, die auf eine Registrierung der teilnehmenden Nutzer verzichten, ab diesem Jahr in Konflikt mit der Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung geraten dürften. Andererseits ergibt technisch in diesen Fällen eine Speicherung wenig Sinn. Denn da für die einzelnen Surfer ja nur lokale IPs vergeben werden und keine Möglichkeit der Rückverfolgung besteht, würde die Speicherungspflicht leer laufen. Die Folge könnte sein, dass der Betrieb von derlei WLAN-Roaming-Netzwerken ab 2009 rechtswidrig ist.“

Hier wird/wurde der Artikel diskutiert: http://www.fonboard.de/viewtopic.php?f=2&t=4273