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Lesetipp: Mühlberger, Die Haftung des Internetanschlussinhabers bei Filesharing-Konstellationen nach den Grundsätzen der Störerhaftung, GRUR 2009, 1022

In der GRUR 2009, Heft 11, ist ein Aufsatz von Mühlberger mit dem Titel „Die Haftung des Internetanschlussinhabers bei Filesharing-Konstellationen nach den Grundsätzen der Störerhaftung“ erschienen.

Mühlberger stellt die Rechtsprechung zur Störerhaftung dar, wobei er ausgehend von der Möbelklassiker-Entscheidung des BGH (BGH GRUR 1999, 418) die unterschiedlichen Strömungen beschreibt und im Hinblick auf die Anforderungen der Prüfungs- und Überwachungspflichten bewertet.

Dabei unterscheidet Mühlberger zwei grundsätzliche Konstellationen: Das „ungesicherte WLAN“ sowie die „willentliche Bereitstellung des Anschlusses“. Ich stelle diese im Folgenden in umgekehrter Reihenfolge dar:

1. Die willentliche Bereitstellung des Anschlusses

Mühlberger stellt zunächst die bisher veröffentlichten Rechtsprechungsansichten dar, wobei er sie in die strenge Auffassung (LG Hamburg und LG Köln – Belehrung, Überwachung und Filesharing-Blocker zumutbar), vermittelnde Auffassung (OLG Düsseldorf, LG München I – Belehrungspflicht und Benutzerkonten zumutbar) sowie die Auffassung des OLG Frankfurt (geringe Überwachungspflichten) einteilt.

Unter Hinweis auf die Kopierläden-Entscheidung des BGH (BGH GRUR 1984, 54) lehnt er die Ergreifung von technischen Maßnahmen ab, ein Hinweis reiche aus:

„Damit wird deutlich, dass die angedachten technischen Maßnahmen auf eine vollständige Blockade von Filesharing abzielen. Dies begegnet bei näherer Betrachtung erheblichen Bedenken. […] Dabei scheint das LG Hamburg aber zu übersehen, dass gerade aus der „Kopierläden“-Entscheidung des BGH tragfähige Argumente gegen eine vollständige Blockade von Filesharing gewonnen werden können.

[…]

Unbestritten werden Filesharing-Programme häufig für urheberrechtsverletzende Vorgänge verwendet. Daneben gibt es jedoch auch eine große, ständig wachsende Anzahl legaler Anwendungsbereiche. Eine Pflicht, bereits im Vorfeld, ohne konkrete Anhaltspunkte für ein eingetretenes oder bevorstehendes Fehlverhalten die Tauschbörsenteilnahme von Familienangehörigen oder Dritten zu verhindern, kann es nach alldem nicht geben. Demnach ist eine Verpflichtung, Filesharing-Software zu blockieren, insbesondere im Hinblick auf sich legal verhaltende Nutzer unzumutbar.“

Auch die Überwachung des Nutzerverhaltens lehnt Mühlberger nachvollziehbar ab:

„Ist der Störungszustand für den Inanspruchgenommenen nicht ohne Weiteres oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erkennbar, so sind die in Betracht kommenden Prüfungspflichten unzumutbar. Eine dauerhafte Kontrolle des Nutzerverhaltens Dritter durch den Internetanschlussinhaber stellt nach alldem eine unzumutbare Überwachungspflicht dar.“

Sehr interessant sind die Ausführungen zur Instruierungspflicht des Anschlussinhabers gegenüber Dritten. Diesen gegenüber bestehe keine Instruierungspflicht. Als Grund führt Mühlberger an, dass zwischen dem Anschlussinhaber und dem Nutzer ein Schuldverhältnis (Vertrag oder Gefälligkeitsverhältnis mit Schutzpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB). Aus diesem Schuldverhältnis folge die Pflicht des Nutzers, den Anschlussinhaber nicht dem Risiko einer Abmahnung bzw. eines Prozesses auszusetzen und daher die Pflicht, Urheberrechte Dritter nicht zu verletzen. Auf diese Pflicht dürfe sich der Anschlussinhaber verlassen.

2. Das „ungesicherte WLAN“

Mühlberger stellt anschließend die aktuelle Instanzrechtsprechung zum Fall des ungesicherten WLAN dar. Dabei ist zu beachten, dass die bisher betrachteten Fälle nur offene WLANs von Privaten betrafen, die kein offenes Netz im Sinne von Freifunk etc. betrieben. Er kommt hier zum Schluss, dass die Entscheidung des OLG Frankfurt (Download Volltext und Anmerkung aus der MMR 2008) eine nicht  zustimmungswürdige Einzelentscheidung sei, wobei er hauptsächlich kritisiert, dass das OLG Frankfurt von zu hohen Anforderungen ausgegangen sei („neueste technische Standards“), die es als zu weitgehend angesehen habe. Stattdessen seien Verschlüsselung und Passwortschutz zumutbar.

Leider übersieht Mühlberger (oder geht aus anderen Gründen nicht darauf ein), dass die Konstellation „offenes WLAN“ gleichzeitig auch eine willentliche Bereitstellung des Anschlusses darstellen kann – in offenen Netzen ist gerade das der Fall. Er stellt interessante Überlegungen zu den Pflichten bei der Bereitstellung des Anschlusses an Dritte an. Wenn man seine Ergebnisse zu dieser Konstellation unter Anwendung der BGH-Rechtsprechung aber überträgt, müsste sein Fazit eigentlich lauten, dass (1) Benutzerkonten, (2) Filesharing-Blocker und (3) Belehrung und Überwachung bei der willentlichen Bereitstellung via WLAN NICHT verlangt werden können.

Nicht zuletzt deshalb, weil zwischen dem Betreiber eines Netzknotens und dem Nutzer durchaus auch ein Schuldverhältnis entstehen kann (dazu eingehend Mantz, Rechtsfragen offener Netze, Karlsruhe 2008, S. 92 ff., 117 ff., Download hier), müsste er hier zum selben Ergebnis kommen.

3. Fazit

Der Aufsatz von Mühlberger stellt die ergangene Rechtsprechung übersichtlich dar und kommt in weiten Teilen zu nachvollziehbaren Ergebnissen. Die Konstellation offene Netze lässt er leider außer Betracht. Außerdem beschränkt Mühlberger seine Ausführungen fast ausschließlich auf die Rechtsprechung. Mit den veröffentlichten Literaturansätzen setzt er sich nur sporadisch auseinander bzw. bezieht diese kaum ein – was wohl auch dem Ansatz einer Rechtsprechungsdarstellung geschuldet.

Lesetipp: Ebke/Werner, Anmerkung zu LG Köln, Urt. v. 13.5.2009 – 28 O 889/08: Anwendungsbereich von § 97a Abs. 2 UrhG, CR 2009, 687

In der CR 2009, Heft 10, S. 687-689 haben Hans Ebke und Dennis Werner eine Anmerkung zum Urteil des LG Köln, Urt. v. 13.5.2009 – 28 O 889/08 (Volltext und sehr kurze Besprechung hier), veröffentlicht.

Ich nehme dies zum Anlass, neben der Anmerkung auch auf das Urteil selbst noch einmal etwas näher einzugehen:

1. Prüfungs- und Überwachungspflichten

Das LG Köln hatte in diesem Urteil zunächst zur Prüfungs- und Überwachungspflicht des Inhabers eines Internet-Anschlusses Stellung genommen. Dabei offenbart das LG Köln leider, dass es die Pflichten immer weiter und weiter zieht. Bei der Überlassung eines Internetzugangs an Dritte soll danach der Inhaber nicht zur Verwendung von Benutzerkonten sowie einer Firewall verpflichtet sein, um Downloads zu verhindern, sondern auch „weitere Maßnahmen“ ergreifen.

Daran zeigt sich leider, dass die Gerichte sich erst nach und nach einen gewissen Kenntnisstand erarbeiten – und diesen dann noch falsch einsetzen. Denn was die Benutzerkonten tatsächlich bringen sollen, erschließt sich nicht ohne weiteres. Und wenn der Anschlussinhaber diese einsetzt, dann muss es eben eine Firewall sein – die gegen Filesharing in aller Regel auch nichts bringt, da die Verbindungen bei Filesharing-Anwendungen in aller Regel gerade vom Rechner des Betroffenen ausgehen und dadurch an der Firewall ohnehin vorbeikommen dürften. Und wenn nicht, ist die Umgehung einer Personal Firewall kein echtes Kunststück.

Nachdem es also in den Urteilen zunächst hieß, dass diese Maßnahmen erforderlich und ausreichend seien, um einer Haftung zu entgehen, verlangt das LG Köln nun noch mehr. Der Maßstab wird also von Urteil zu Urteil immer weiter verschärft, eine Grenze ist nicht zu erkennen, die Haftung wird ins Uferlose ausgeweitet. Mit einer nachvollziehbaren Bestimmung der Prüfungs- und Überwachungspflichten hat das nichts mehr zu tun (s. zu den Anforderungen näher Mantz, Rechtsfragen offener Netze, S. 254 ff., Download hier).

2. Anwendungsbereich von § 97a Abs. 2 UrhG

Das LG Köln hat sich weiter mit § 97a Abs. 2 UrhG auseinander gesetzt, zu diesem Teil haben Ebke und Werner sehr aufschlussreich Stellung genommen – und die Entscheidung des LG Köln in Teilen kritisiert.

a. Altfälle

Bisher wurde meist vertreten, dass § 97a Abs. 2 UrhG nicht auf Fälle vor Inkrafttreten des Gesetzes Anwendung findet, so auch das LG Köln hier.

Anderer Auffassung war das OLG Brandenburg, Urt. v. 3.2.2009 – 6 U 58/08, CR 2009, 251). Ebke und Werner schließen sich dieser Auffassung mit sehr guten Argumenten an. Sie verweisen auf die Gesetzesmaterialien zu § 97a Abs. 2 UrhG sowie darauf, dass der von § 97a UrhG betroffene Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 683, 670 BGB nicht mit der Rechtsverletzung, sondern hauptsächlich mit der Zahlung des Verletzten an den Bevollmächtigen (den Rechtsanwalt) entsteht. Lag also die Rechtsverletzung vor dem 1.9.2008, die Zahlung aber danach, fände die Deckelung Anwendung.

Nach dieser Argumentation müsste der verteidigende Rechtsanwalt auf jeden Fall den Nachweis der Zahlung des Rechtsinhabers für den konkret vorliegenden Fall verlangen. Erst dann könnte das Gericht entscheiden, ob ein Altfall vorliegt oder nicht. Es wird sich zeigen müssen, ob die Gerichte diese Argumentation in Zukunft aufgreifen werden.

b. Einfach gelagerter Fall

Leider hat das LG Köln generell im Bereich des Urheberrechts angenommen, dass kein einfach gelagerter Fall vorliege. Diese Ansicht ist abzulehnen (s. schon Hoeren, CR 2009, 378, dazu näher hier), Ebke und Werner gehen hier wieder mit guten Argumenten auf die Gesetzesbegründung ein.

c. Geschäftlicher Verkehr und Gewerblichkeit.

Weiter beschäftigen sich Ebke und Werner mit den Merkmalen „im geschäftlichen Vekehr“ und der unerheblichen Rechtsverletzung ein, wobei im vorliegenden Fall mit 964 Audiodateien wohl keine unerhebliche Rechtsverletzung vorlag…

Insgesamt ist die Anmerkung von Ebke und Werner sehr interessant und wirft interessante neue Fragen und Argumente für die Diskussion auf.

  • Zu § 97a UrhG s. auch Hoeren, CR 2009, 378 (näher dazu hier)
  • Zum Urteil des LG Köln und Volltext s. hier

LG Köln, Urt. v. 11.11.2008 – 33 O 210/07 – Geschäftsmodell von FON

Mittlerweile hat das NRW-Justizportal auch die erstinstanzliche Entscheidung zum Geschäftsmodell von FON (OLG Köln, Urt. v. 5.6.2009 – 6 U 223/08) online gestellt.

Der Volltext kann hier abgerufen werden.

Zur Begründung des LG, die das OLG Köln in weiten Teilen übernommen hat, bzw. der Kritik daran, siehe die kurze Besprechung hier, und im nächsten Heft der MMR.