Am 5.4.2014 habe ich wie angekündigt einen Vortrag mit dem Titel „Creative Commons „NonCommercial“- Ein Feld- und Erklärungsversuch zu Open Content-Lizenzen nach dem Urteil des LG Köln v. 5.3.2014 – 28 O 232/13“ gehalten. Der Vortrag steht nun als PDF (5 MB) auch online unter einer CC-BY 3.0 DE-Lizenz online. …
1. Einleitung
Aus dem Titel sollte sich ergeben (haben), dass es sich um einen eher interaktiv angelegten Vortrag handelte. „Interaktiv“ bedeutete in diesem Fall, dass ich die Rollen ein wenig umgedreht habe: Anstatt mir Fragen vom Fragen vom Publikum stellen zu lassen, habe primär ich dem Publikum Fragen gestellt (wie man auch an den Folien erkennt). Erst nach der ersten Fragerunde habe ich mit dem „eigentlichen“ Vortrag angefangen und erläutert, was Creative Commons-Lizenzen sind, was es mit dem Begriff „NonCommercial“ auf sich hat, und was das LG Köln dazu entschieden hat.
An verschiedenen Punkten meines Vortrags entstand rege Diskussion, die hoffentlich auch für die Teilnehmer nutzbringend und interessant war (s. auch hier). Für mich hat es jedenfalls eine Menge gebracht.
Wie auch schon im Vortrag angekündigt, stelle ich selbstverständlich die gesammelten Daten – allerdings in Prozentangaben – online (vielen Dank an Fritz Pieper (@fupieper) von Telemedicus.info für die Mitarbeit bei der Aufzeichnung der Ergebnisse!). Ich möchte den Vortrag hier nicht „wiederholen“, stattdessen kommentiere ich vereinzelt die Ergebnisse unten.
Ein Hinweis vorab: Ich habe jeweils nach „ist es kommerziell …“ gefragt. In der Vorbereitung des Vortrages war mir aufgefallen, dass es schwieriger ist nach „nicht-kommerziell“ zu fragen, weil durch eine möglicherweise doppelte Verneinung Unsicherheiten entstehen könnten. Ich nehme bei meinen Bewertungen im Folgenden an, dass alles, was nicht „kommerziell“ ist, als „nicht-kommerziell“ anzusehen ist.
2. Fragerunde 1
Begonnen habe ich mit einer „Einführungsrunde“, um das Publikum besser einschätzen zu können.
- Wer von Ihnen hat eine juristische Ausbildung genossen? 100%
- Wer hat schon mal mit offenen Lizenzen zu tun gehabt? 58%
- Wer hat sich über den Begriff „nicht-kommerziell“ schon mal Gedanken gemacht? 42%
- Wer kennt die Entscheidung des LG Köln v. 5.3.2014? 33%
Anschließend wollte ich in praktisch allen nachfolgenden Fragen vom Publikum wissen, wie es den Begriff „kommerziell“ (bzw. „nicht-kommerziell“) versteht. Dabei habe ich zunächst mit relativ einfachen Fragen angefangen:
- Ist „kommerziell“, wenn das Werk verkauft wird? 92%
- Ist „kommerziell“, wenn das Werk in einer kostenpflichtigen Zeitschrift abgedruckt ist? 100%
- Ist „kommerziell“, wenn das Werk auf einer Webseite abgebildet ist? 25%
- Ist „kommerziell“, wenn das Werk in einem Blog abgebildet ist? 17%
- Ist „kommerziell“, wenn das Werk auf der von einer Privatperson betriebenen Webseite abgebildet ist? 8%
Schwieriger wurde es dann beim Einsatz von Werbung …
- Ist „kommerziell“, wenn das Werk auf einer Webseite abgebildet ist, auf der Werbung geschaltet ist? 92%
- Ist „kommerziell“, wenn das Werk auf einer Webseite abgebildet ist, auf der Werbung geschaltet ist – bei Betrieb durch Privatperson? 92%
- Ist „kommerziell“, wenn das Werk auf einer Webseite abgebildet ist, auf der Werbung geschaltet ist – bei Betrieb durch Privatperson, die gleichzeitig in dem Bereich beruflich tätig ist (z.B. private Webseite von Berufsfotograf)? 92%
- Ist „kommerziell“, wenn das Werk auf einer Webseite abgebildet ist, auf der Werbung geschaltet ist – bei Betrieb durch durch vom Staat finanzierte Anstalt (z.B. Radiosender)? 75%
- Ist „kommerziell“, wenn das Werk auf einer Webseite abgebildet ist, auf der Werbung geschaltet ist – bei Betrieb durch gemeinnützigen Verein (z.B. Greenpeace)? 50%
- Was ist wenn die Werbung nur zur Kostendeckung dient? 83%
- Was ist, wenn die Werbung nicht mal die Kosten deckt? 83%
Dann bin ich darauf eingegangen, wie es zu bewerten ist, wenn auf der Webseite keine Werbung geschaltet ist:
- Ist „kommerziell“, wenn das Werk auf einer Webseite abgebildet ist, auf der keine Werbung geschaltet ist – bei Betrieb durch Privatperson? 0%
- Ist „kommerziell“, wenn das Werk auf einer Webseite abgebildet ist, auf der keine Werbung geschaltet ist – wenn die Privatperson in dem Bereich berufstätig ist? 17%
- Ist „kommerziell“, wenn das Werk auf einer Webseite abgebildet ist, auf der keine Werbung geschaltet ist – bei Betrieb durch vom Staat finanzierte Anstalt (Radiosender)? 50%
- Ist „kommerziell“, wenn das Werk auf einer Webseite abgebildet ist, auf der keine Werbung geschaltet ist – bei Betrieb durch gemeinnützigen Verein? 25%
3. Vortrag
Im Anschluss daran begann der typische Teil des Vortrags, in dem ich Creative Commons und das Urteil des LG Köln dargestellt habe. S. dazu die Folien.
Im Anschluss daran (Folie 16) habe ich konkret in Bezug auf das Urteil des LG Köln nachgefragt:
- Ist Deutschlandradio „kommerziell“? 17% sagten „Ja“.
Ich rufe hier kurz die Definition von „nicht-kommerziell“ in Ziff. 4 lit. b) der CC-BY-NC 3.0 DE in Erinnerung (Hervorhebungen von mir):
Die Rechteeinräumung gemäß Abschnitt 3 gilt nur für Handlungen, die nicht vorrangig auf einen geschäftlichen Vorteil oder eine geldwerte Vergütung gerichtet sind („nicht-kommerzielle Nutzung“, „Non-commercial-Option“).
Diejenigen, die hier eine kommerzielle Nutzung gesehen haben, haben sich auf den in der Definition enthaltenen Teil „geschäftlicher Vorteil durch die Nutzung“ berufen. Dabei war das Argument, dass das Deutschlandradio gegenüber Wettbewerbern einen geschäftlichen Vorteil erlangt, weil es für Werke nicht bezahlen muss, für die die Wettbewerber zahlen müssten. Das ist wohl auch auf einer Linie mit der Entscheidung des LG Köln. Es hat für mich eine Weile gedauert, an dieses Argument heranzukommen. Ich halte es für ein grundsätzlich valides Argument.
Nach meiner Auffassung kann es aber hier nicht zum Tragen kommen. Vereinfacht formuliert lautet das Argument nämlich: „Weil Du etwas kostenlos bekommst, für das andere bezahlen müssen, hast Du einen geschäftlichen Vorteil. Deshalb ist Deine Handlung ‚kommerziell‘.“ Gegen diese Auslegung sprechen m.E. zwei Gründe:
- Das Argument nimmt das Ergebnis vorweg, denn die Auslegung beeinflusst das Ergebnis. Du handelst „kommerziell“, weil Du „nicht-kommerziell“ gehandelt hast. Denn wenn die Handlung schon vorher „kommerziell“ war, bekommt der Nutzer ja auch nichts kostenlos, sondern hätte von vornherein das Nutzungsrecht parallel zur CC-BY-NC erwerben müssen.
- Und – und das halte ich für das stärkere Gegenargument – kann man das oben genannte Argument auch auf die Privatperson anwenden: Die Privatperson erhält etwas kostenlos, wofür andere zahlen müssten. Insofern steht die Privatperson genauso in Konkurrenz mit anderen.
Weiter im Vortrag: Danach haben wir die Best Practice Guidelines der Creative Commons Foundation (und die Frage des Einflusses auf die Auslegung des Begriffs im Rahmen von §§ 133, 157 BGB) diskutiert und über die Frage gesprochen, ob es gesetzliche Normen gibt, die uns bei der Auslegung von „nicht-kommerziell“ helfen.
4. Fragerunde 2
Und dann kam der ganz spannende Teil, nämlich die Wiederholung von ein paar der Fragen von zuvor, um zu überprüfen, ob eine intensive Beschäftigung mit dem Begriff Einfluss auf die Auslegung hat:
- Ist unter „nicht-kommerziell“ nur die rein private Nutzung zu verstehen? Ja: 25%
- Ist „kommerziell“, wenn das Werk auf einer Webseite abgebildet ist, auf der keine Werbung geschaltet ist? 17%
- Ist „kommerziell“, wenn das Werk auf einer Webseite abgebildet ist, auf der keine Werbung geschaltet ist – bei Betrieb durch eine Privatperson? 0%
- Ist „kommerziell“, wenn das Werk auf einer Webseite abgebildet ist, auf der keine Werbung geschaltet ist – wenn die Privatperson in dem Bereich berufstätig ist? 58%
- Ist „kommerziell“, wenn das Werk auf einer Webseite abgebildet ist, auf der keine Werbung geschaltet ist – bei Betrieb durch vom Staat finanzierte Anstalt (Radiosender)? 75%
- Ist „kommerziell“, wenn das Werk auf einer Webseite abgebildet ist, auf der keine Werbung geschaltet ist – bei Betrieb durch gemeinnützigen Verein? 42%
Danach habe ich dann über ein paar Ergebnisse der Studie „Defining NonCommercial“ (PDF, 18 MB) berichtet, die die Creative Commons Foundation durchgeführt hat.
5. „Auswertung“
Vergleicht man die Angaben hier mit den vor dem Vortrag gestellten Fragen, lässt sich erkennen, dass das Publikum auch ohne Werbung auf einer Webseite eher zu einer kommerziellen Nutzung tendiert. Einigkeit besteht – und das muss ganz deutlich hervorgehoben werden – darin, dass die Nutzung durch eine Privatperson auf einer Webseite, auf der keine Werbung geschaltet ist, unverändert zu 100% als „nicht-kommerziell“ eingestuft wurde. Auch die öffentlich verfügbare Webseite kann also „nicht-kommerziell“ sein. Wenn man mit dem LG Köln die Definition auf die „rein private Nutzung“ einengt, dürfte allerdings schon die Verwendung auf einer öffentlich-zugänglichen Webseite nicht mehr „nicht-kommerziell“ sein, da sich die Webseite ja an die Öffentlichkeit richtet.
Klar war der Zuwachs beim öffentlich-rechtlichen Radiosender: Waren anfangs noch 50% der Teilnehmer der Auffassung, dass es sich um eine „nicht-kommerzielle“ Nutzung handelte, waren es nach dem Vortrag nur noch 25%! Auch der gemeinnützige Verein verliert: Anfangs stuften 75% die Nutzung als „nicht-kommerziell“ ein, hinterher nur noch 58%. Und Privatpersonen, die gleichzeitig in dem Bereich beruftstätig sind (z.B. Fotograf) stürzten von 17% auf 42% ab.
Im Ergebnis kann man festhalten, dass die Auslegung des Begriffs „nicht-kommerziell“ von der Person des Nutzenden stark beeinflusst ist: Die Privatperson handelt i.d.R. nicht-kommerziell (solange sie keine Werbung schaltet oder Geld nimmt), gemeinnützige und öffentlich-rechtliche Organisationen befinden sich in einem Bereich, der nicht eindeutig zugeordnet werden kann.
6. Nachklapp: Berechnung des Schadensersatzes
Aufgrund der vorhergegangenen Diskussion mit einem Kollegen, habe ich eine weitere Frage ganz am Ende gestellt, die möglicherweise einen eigenen Vortrag hätte rechtfertigen können:
- Wie würden Sie die Höhe des Schadensersatzes, berechnet auf der Grundlage der Lizenzanalogie, bei Verstoß gegen eine Creative Commons-Lizenz beurteilen?
83% der Befragten waren der Auffassung, dass es keinen Unterschied machen kann, ob das Werk unter einer Creative Commons-Lizenz steht oder nicht – der Schadensersatz bei Verletzung des Lizenzvertrages müsse identisch sein. Lediglich 17% wollten einen niedrigeren Satz annehmen. Ich hatte die Frage auch im Hinblick auf eine Entscheidung der Rechtbank Amsterdam (Urt. v. 9.3.2006, 334492 / KG 06-176 SR, Übersetzung inoffiziell hier) gestellt, das – entgegen meiner Auffassung – mit den 17% der Befragten einen niedrigeren Satz angesetzt hatte (s. dazu mein Beitrag „Creative Commons-Lizenzen im Spiegel internationaler Gerichtsverfahren“ in der GRURInt 2008, S. 20 ff. – PDF, S. 22 ff.).
7. Fazit
Ich kann hier erst einmal nur ein kurzes Fazit ziehen: Mir hat der Vortrag viel Spaß gemacht und mir einiges gebracht. Vielen Dank für die Teilnehmer für die Bereitschaft, sich von mir ausfragen zu lassen – und für die konkreten und hilfreichen Anmerkungen und Fragen.
Auch nach dem Vortrag bleibt festzuhalten, dass der Begriff „nicht-kommerziell“ (selbst für Juristen unter Berücksichtigung der Definition) schwer zu fassen ist. Eindeutige Antworten gibt es praktisch nicht. Unsicherheit verbleibt. Auf dieser Basis dürfte das LG Köln mit der Anwendung des Zweckübertragungsgrundsatzes aus § 31 Abs. 5 UrhG Recht haben. Dennoch halte ich die Definition des LG Köln zu eng. Möglicherweise können vor diesem Hintergrund nur Privatpersonen „nicht-kommerziell“ handeln. Aber die Verbreitung über das Internet – quasi als Kernelement der typischen Nutzung unter einer Creative Commons-Lizenz – kann nach meiner Auffassung nicht per se „kommerziell“ sein, was nach der engen Definition des LG Köln aber der Fall sein dürfte …