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KG Berlin zur Störerhaftung bei Freifunk mit Zapp-Script und zur Privilegierung nach § 8 TMG

Das Kammergericht (KG) Berlin hat am 8.2.2017 in einem Verfahren eines Freifunkers gegen einen abmahnenden Rechteinhaber eine Entscheidung getroffen. Zu dem Verfahren hatte ich hier im Blog schon berichtet. Kläger war ein Freifunker, der eine Splash-Seite und das Zapp-Script (dazu hier) installiert hatte. Er war abgemahnt worden und hatte daraufhin negative Feststellungsklage mit dem Ziel erhoben, feststellen zu lassen, dass der beklagte Rechteinhaber die in der Abmahnung behaupteten Rechte gegen ihn nicht hat.

Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben (meine Bewertung dazu hier), dagegen hatte die Beklagte Berufung eingelegt. Während des Verfahrens hat die Beklagte dann auf die Ansprüche gegen den Kläger verzichtet. Daraufhin wurde das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt und das Kammergericht musste nur noch über die Kosten entscheiden.

Die Entscheidung im Volltext (meine Anmerkungen dazu unten):

KG Berlin, Beschl. v. 08.02.2017 – 24 U 117/15

Leitsätze (von mir):

  1. Auch nach Änderung des § 8 TMG werden Unterlassungsansprüche von der Privilegierung bei richtlinienkonformer Auslegung nicht erfasst.
  2. Sicherungsmaßnahme im Sinne der Rechtsprechung des EuGH kann nicht nur die Verschlüsselung des WLANs und die Identifizierung der Nutzer sein. Vielmehr können auch andere Maßnahmen, die Rechtsverletzungen der Nutzer erschweren, die Störerhaftung entfallen lassen.

Tenor:

I. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben der Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen (§ 91a ZPO).

II. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 16.000,- EUR festgesetzt.

GRÜNDE

A.

Nachdem die Parteien den eine negative Feststellungsklage betreffenden Rechtsstreit in der Hauptsache mit widerstreitenden Kostenanträgen für erledigt erlärt haben, war gemäß § 91a ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes über die Kosten zu entscheiden. Danach erschien dem Senat eine Kostenverteilung wie zu I. des Beschlusstenors quotiert angemessen.

Ohne die auf Seite 7 der Sitzungsniederschrift vom 8. Februar 2017 abgegebene Erklärung, dass die Beklagte gegen den Kläger keine Ansprüche aus einer angeblichen Urheberrechtsverletzung vom 15. März 2013 mehr herleitet, sondern auf diese verzichtet, und die daraufhin übereinstimmend erklärte Erledigung der Hauptsache wäre im Hinblick auf einen gegen den Kläger als Störer gerichteten Unterlassungsanspruch der Beklagten weiter Beweis zu erheben gewesen und war der Prozessausgang insoweit nicht gesichert, sprach insoweit allerdings mehr für ein Obsiegen des Klägers als für sein Unterliegen.

Die in Rede stehende IP-Adresse im fraglichen Zeitpunkt am 15. März 2013 ist dem Kläger zuzuordnen, ohne dass gegen die 1&1 Internet AG als Reseller ein gesonderter Beschluss betreffend die Zuordnung der zu einem bestimmten Zeitpunkt benutzten dynamischen IP-Adresse als bloßes Bestandsdatum erforderlich gewesen wäre (BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 – I ZR 121/08 – Rn. 20 zitiert nach juris – Sommer unseres Lebens). Dass zur fraglichen Zeit am 15. März 2013 über diese IP-Adresse eine Folge von The Walking Dead zum Herunterladen durch andere Nutzer im Wege des Filesharings angeboten worden ist, sieht der Senat ohne Verbleib vernünftiger Zweifel deshalb als zugrundezulegen an, weil unter einer ebenfalls dem Kläger zugeordneten IP-Adresse am 6. April 2013 dasselbe Werk angeboten worden ist. Unbeschadet der Einwände gegen die Erfassung von Rechtsverletzungen für die Beklagte durch die Guardeley Ltd. liegt es ausgesochen fern, dass es kurz nacheinander zu Fehlern bei der Erfassung und Zuordnung gekommen sein soll (vgl. auch OLG Kön, Urteil vom 16. Mai 2012 – I-6 U 239/11- Rn.4 zitiert nach juris).

Auch wenn eine täterschaftliche Begehung durch den Klägerin ausgeräumt ist, weil der Senat hierfür die durch Zeugenaussagen bewiesene und durch die eigenen Angaben des informatorischen angehörten Klägers untermauerte Freifunkereigenschaft des Klägers genügen lässt, stand eine Störerhaftung des Klägers für den auf §§ 97 Abs.1 S.1, 2,19a UrhG gestützten Unterlassungsanspruch weiterhin im Raum. Die schon in BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 – I ZR 121/08, Rrn. 22 ff. zitiert nach juris – Sommer unseres Lebens – angesprochene Prüfpflicht mit der Folge der Störerhaftung, wenn gebotene Sicherungsmaßnahmen unterbleiben, besteht nach Auffassung des Senats für „altruistische“ Freifunker auch nach der jüngsten Änderung des § 8 TMG bei richtlinienkonformer Auslegung im Lichte des Urteils des EuGH vom 15. September 2016 – C-484/14 „McFadden“ (GRUR 2016, 1097 ff.) fort. Es kam also bei Beweispflicht des Klägers darauf an, ob er bei Verzicht auf einen Passwortschutz die sonstigen Sicherungsmaßnahmen im Sinne des Beweisbeschlusses vom 19. Januar 2016 (Bd. II Bl. 10 d.A.) tatsächlich und Rechtsverletzungen zumindest hinreichend erschwerend ergriffen hatte. Dies lässt sich nach dem Erkenntnisstand des Senats im Zeitpunkt der Abgabe der Hauptsacheerledigungserklärungen nicht abschließend beantworten. Auch wenn nach dem schriftlichen Gutachten des Sachverständigen V…, der allerdings den Router des Klägers selbst in Nachhinein sinnvoll nicht mehr begutachten konnte, den Angaben der vom Kläger benannten Zeugen P… und R… und den eigenen Bekundungen des informatorisch befragten Klägers schon manches dafür spricht, dass dies der Fall gewesen sein könnte, waren noch etliche Restzweifel und Fragen offen. Anders als vom Kläger schriftsätzlich behauptet worden ist, hatte der Zeuge P… das Aufspielen der Firmware auf den Router des Klägers nicht selbst vorgenommen, der Zeuge R… ohne nicht nicht, so dass die Beweisführung mittelbarer bleiben musste, was die Beweisanforderungen im Übrigen mit prägen muss und ein weiteres Abarbeiten der ohnehin schriftsätzlich von der Beklagten zum schriftlichen Sachverständigengutachten bereits angekündigten Fragen unentbehrlich gemacht hätte. Zur Versionsnummer des verwendeten Zapp-Scripts und zum eingestellten Schwellwert ist selbst aus der Aussage des Zeugen P… wenig Honig zu saugen. Unwägbarkeit und weiteren Aufklärungsbedarf zum Schwellwert wirft auch die Angabe des Zeugen R…, der auch größere Datenmengen heruntergeladen hat, auf, im Jahre 2013 habe es bei Benutzen des klägerischen Freifunkanschlusses durch ihn zwar durchaus mal „geruckelt“, im Ergebnis habe er aber die gewünschte Datenmenge erlangt.

Der bei bloßer Störerhaftung nicht gegebene Schadensersatzanspruch fällt hier entsprechend § 92 Abs. 2 ZPO bei der nach § 91a ZPO zu treffenden Kostenentscheidung nicht ins Gewicht.

B.

Der Streitwert für das Berufungsverfahrens beträgt bis zu 16.000,00 EUR, §§ 3,4 ZPO. Dabei folgt der Senat den Erwägungen der Vorderrichter aus dem Beschluss vom 7. Juli 2015 zur Bewertung der Hauptansprüche, war aber § 4 ZPO zu den Nebenforderungen zu beachten.

 

ANMERKUNG

Mir liegt nur der Beschluss des Kammergerichts vom 8.2.2017 vor. Das KG macht dabei Ausführungen, die ich ohne Kenntnis der Akte und der mündlichen Verhandlungen, insbesondere der bisher schon durchgeführten Beweisaufnahme nicht abschließend bewerten kann. Der folgende Beitrag enthält daher einen gewissen Anteil „Kaffeesatzleserei“.

Weil die Konstellation der negativen Feststellungsklage nicht so häufig ist, spreche ich im Folgenden statt von „Kläger und Beklagte“ lieber von „Freifunker“ und „Rechteinhaber“. Dann sind die Rollen klarer.

Zunächst zur Einstimmung der prozessuale Hintergrund:

Die Parteien haben den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Für einen solchen Fall sieht § 91a ZPO ein besonderes Verfahren vor, in dem nur noch über die Kosten des Verfahrens entschieden werden soll. Es soll insbesondere nicht mehr Beweis erhoben werden und es soll auch nicht mehr mündlich verhandelt werden. Denn das, worum es eigentlich ging, ist ja von den Parteien schon beigelegt worden.

Das Gericht muss in solchen Fällen eine Entscheidung nach dem bisherigen Sachstand treffen. Kann das Gericht auf dieser Grundlage eine Entscheidung ohne Weiteres treffen, kann es auch eine relativ klare Kostenentscheidung fällen. Als Beispiel hier: Hätte das Kammergericht gesagt, dass der Rechteinhaber keinen Anspruch gegen den Freifunker hatte, hätte der Rechteinhaber die Kosten voll tragen müssen, oder eben anders herum.

Dies war hier aber nicht der Fall. Das KG hat deutlich gemacht, dass es nach dem bisherigen Stand nochmal hätte Beweis erheben müssen. In solchen Fällen ist es üblich, dass eine Kostenteilung (50/50) vorgenommen wird. Denn wie eine Beweisaufnahme ausgeht, kann (und soll) das Gericht nicht voraussehen.

Trotzdem hat das KG hier eine Kostenquote zu Gunsten des Freifunkers angesetzt. Nach dem oben Gesagten ist die Kostenverteilung 1/3 zu 2/3 eher ungewöhnlich, daher muss man sich die Gründe ganz genau ansehen.

Dabei möchte ich auf die folgenden Punkte näher eingehen: IP-Adressermittlung, Täterhaftung und Störerhaftung.

  1. IP-Adressermittlung

Zwischen den Parteien streitig war – wie in vielen Filesharing-Fällen –, ob die von der Beklagten festgestellte IP-Adresse überhaupt dem Anschluss des Freifunkers zuzuordnen war. Traurige Berühmtheit hat dabei die Firma Guardaley erlangt, das Problem ist aber grundsätzlicher Natur.

Generell ist die IP-Adressermittlung auch nach den vielen Entscheidungen des BGH (z.B. BGH, Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 19/14, GRUR 2016, 176 – Tauschbörse I) noch immer eine große Unbekannte. Hier hat sich das Kammergericht aber festgelegt und – wie auch viele andere Gerichte – die Auffassung vertreten, dass es für seine Überzeugungsbildung ausreicht, wenn der Film hier an zwei unterschiedlichen Tagen von der selben IP-Adresse heruntergeladen worden ist.

Die Frage mit dem Reseller ist derzeit in der Rechtsprechung umstritten (s. z.B. OLG Köln, Beschluss vom 27.11.2012 – 6 W 181/12, GRUR-RR 2013, 137; AG Koblenz, Beschluss vom 02.01.2015 – 153 C 3184/14, CR 2015, 190), darauf möchte ich hier aber nicht näher eingehen.

Ergebnis: Die Rechtsverletzung ist (aus Sicht des KG) vom Anschluss des Freifunkers und damit vom Freifunknetz ausgegangen. Dementsprechend muss ein Nutzer dieses Anschlusses den Film angeboten haben.

  1. Täterschaft des Freifunkers

Bei der Haftung für Filesharing muss man immer zwischen der Haftung als Täter und der Haftung als Störer unterscheiden. Täter ist in der Regel, wer die Tat selbst begeht. Täter haften dem Rechteinhaber unproblematisch auf Unterlassung und Schadensersatz. Anders ist es bei der Störerhaftung. Der Störer kann nur auf Unterlassung (und ggf. Ersatz von Abmahnkosten) in Anspruch genommen werden.

Das Kammergericht war sich hier sicher, dass der Freifunker selbst nicht Täter der Rechtsverletzung war. Dafür ist wohl Beweis erhoben worden und das reichte dem Kammergericht. Zur Beweisaufnahme selbst kann ich nichts sagen, aber dass der Freifunk-Betreiber Täter ist, ist in der Regel unwahrscheinlich.

Damit war der Schadensersatzanspruch des Rechteinhabers schon mal vom Tisch, wobei das für das Kammergericht in der Kostenentscheidung entsprechend § 92 Abs. 2 ZPO (geringfügiges Unterliegen) unbeachtlich war. Grund dafür ist, dass der Schadensersatzanspruch vom Streitwert des Gesamtverfahrens her in der Regel gering ist. Hier ging es um einen Streitwert von EUR 16.000,-, wobei der Schadensersatz vermutlich wenige hundert Euro ausmachte.

 

  1. Störerhaftung des Klägers

Jetzt kommt der spannende Teil und der hält sowohl Positives wie Negatives für Freifunker bereit.

a. Prüfpflichten

Das KG sagt im Wesentlichen, dass im Lichte der „McFadden“-Entscheidung des EuGH (EuGH EUZW 2016, 821 – McFadden; dazu eingehend hier und Mantz, EuZW 2016, 817) den Betreiber eines Freifunk-Netzwerks Prüfungspflichten treffen. Das ist die schlechte Nachricht, die ist aber nach dem EuGH-Urteil nicht mehr überraschend.

In diesem Urteil hatte der EuGH insbesondere eine „Sicherung des Netzwerks“ inklusive Identifizierung des Nutzers als zumutbar erachtet (dazu eingehend hier und Mantz, EuZW 2016, 817).

b. Unterlassung und der neue § 8 TMG

An diesem Punkt von Interesse: Das KG sieht Prüfpflichten „auch nach der jüngsten Änderung des § 8 TMG bei richtlinienkonformer Auslegung“ als zumutbar an. Wir erinnern uns: Die Große Koalition hatte vollmundig behauptet, dass die Störerhaftung bei WLANs mit ihrer Änderung in § 8 TMG abgeschafft würde. Das hatte sie aber nicht in den Gesetzestext reingeschrieben, sondern nur in die Entscheidungsgründe. Meine Prognose war, dass die Rechtsprechung dies nicht ausreichen lassen wird (s. hier und Mantz, EuZW 2016, 817). So ist es nun gekommen. Das KG hat sich damit nicht intensiv befasst (was bei Entscheidungen nach § 91a ZPO nicht ungewöhnlich ist), hat aber ausdrücklich trotz der Neuregelung einen Unterlassungsanspruch nicht ausgeschlossen.

c. Inhalt der Prüfpflichten

In der Folge wird es aber noch einmal richtig interessant: Das KG sagt nämlich trotz des EuGH-Urteils, dass der Freifunker nicht zwingend einen Passwortschutz einrichten musste oder dass eine Registrierung der Nutzer erforderlich wäre, wie das der EuGH ja nahe gelegt hat. Wenn es dies anders gesehen hätte, dann hätte der Kläger hier die Kosten voll tragen müssen, weil er – da er auf ein Passwort oder eine Identifizierung verzichtet hat – als Störer gehaftet hätte.

Nach meinem Kenntnisstand hatte der Freifunker das Zapp-Script installiert. Das ist ein kleines Script, das auf dem WLAN-Router läuft und – stark vereinfacht – im Grunde genommen die Anzahl der von einem Nutzer aufgebauten Verbindungen beobachtet. Nutzt jemand Filesharing, werden in kurzer Zeit viele Verbindungen aufgebaut. Wenn das Script das erkennt, wird der Nutzer wohl gesperrt oder ähnliches.

Das KG hat nun gesagt, dass es über die Frage, ob der Kläger „sonstige Sicherungsmaßnahmen“, die „Rechtsverletzungen zumindest hinreichend erschwert hätten“ (so hatte das der EuGH formuliert) Beweis erheben muss.

Damit positioniert sich das KG so, dass es es für möglich hält, dass das Zapp-Script als eine solche Maßnahme ausreichend sein kann, wobei dies vom eingestellten Schwellwert abhängen könnte.

Dass das KG auf diese Grundlage dem Kläger nur 1/3 der Kosten auferlegt hat, deutet zudem darauf hin, dass das KG es für wahrscheinlich gehalten haben könnte, dass die Beweisaufnahme eine solche hinreichende Erschwerung von Rechtsverletzungen durch das Zapp-Script erbracht hätte und deshalb der Rechteinhaber keinen Anspruch gegen den Freifunker gehabt hätte.

Mit anderen Worten: Ich verstehe das KG so, dass ein ordentlich eingerichtetes Zapp-Script, das Rechtsverletzungen durch Filesharing erschwert, die Störerhaftung des Freifunkers entfallen lassen kann. Das ist die positive Nachricht.

Eine „Unwägbarkeit“ im Hinblick auf die durchzuführende Beweisaufnahme und damit quasi eine Begründung dafür, warum der Freifunker überhaupt einen Teil der Kosten tragen muss, hat das KG darin gesehen, dass der Zeuge R auch „größere Datenmengen“ heruntergeladen hat. Ich weiß nicht, was das bedeutet, weil ich nicht weiß, was der Zeuge R gemacht und was er in der Beweisaufnahme ausgesagt hat. Wenn der Zeuge R im Freifunknetz des Klägers Filesharing ausprobiert hat und dieses durch das Zapp-Script hätte verhindert werden sollen, aber nicht wurde, dann hätte das KG vielleicht eine Störerhaftung des Klägers angenommen. Wenn der Zeuge R aber einfach nur irgendwo per http oder ftp „größere Datenmengen“ (mit „Ruckeln“) heruntergeladen haben sollte, dann hätte das Zapp-Script ja gar nicht anspringen können/müssen, deshalb kann ich diesen Punkt nicht so gut einschätzen.

Fazit

Die Entscheidung des KG ist zum einen für Freifunker (eher) positiv. Denn es macht deutlich, was von Freifunkern verlangt werden kann, um die Anforderungen des EuGH zu erfüllen, ohne dass gleich eine Verschlüsselung und Identifizierung der Nutzer erfolgen muss. Es wäre schön gewesen, wenn der EuGH zum Zapp-Script auch gleich Stellung hätte nehmen können, das war aber vor dem Landgericht München I (dazu hier und Mantz/Sassenberg, MMR 2015, 85) nicht Thema und deshalb war diese Frage an den EuGH auch nicht gerichtet worden. Problematisch ist an dem Ganzen natürlich, dass das Zapp-Script so eingestellt sein muss, dass es Rechtsverletzungen tatsächlich erschwert. Das ist für den Freifunker sicher nicht ganz einfach zu beantworten.

Die Entscheidung des KG stellt zum anderen meiner Meinung nach einen wichtigen Beitrag zur Auslegung der EuGH-Entscheidung dar. Denn sie macht klar, dass das „Verschlüsseln und Registrieren“-Mantra nicht zwingend ist.

Bedauerlich ist – unabhängig von der Entscheidung des KG -, dass die Änderung in § 8 TMG im Grunde keine Verbesserung gebracht hat. Hier müsste wohl auf europäischer Ebene nachgebessert werden.

Haftungsprivilegierungen im TMG und Strafrecht: Direkter Vorsatz bzw. positive Kenntnis erforderlich

Ich habe es in den letzten Jahren vermehrt erlebt, dass bei der Diskussion um die Haftungssituation bei WLANs unbegründete Ängste mitgespielt haben. Gerade aus dem Bereich der kommunalen Verwaltung oder Schulverwaltung waren dabei extreme Positionen zu hören:

So war in einer deutschen Kommune war über die Frage der Unterstützung von Freifunk diskutiert worden. Der Rechtsservice der Kommune warnte vor der Errichtung von WLAN-Hotspots, da im Falle der Begehung von Straftaten durch die Nutzer des WLANs die kommunalen Mitarbeiter strafrechtlich verantwortlich sein könnten.

Ein andermal war ich in einer Diskussionsrunde, an der auch ein Schulvertreter teilnahm. Und auch diese gingen davon aus, dass für die Lehrer ganz persönlich ein strafrechtliches Risiko bestehe, wenn ihre Schule WLANs in der Schule aufbaut.

Diesen Mythos sollte die Entscheidung des KG Berlin (ein für allemal) beseitigen.

Hier im Blog habe ich schon mehrfach erklärt, dass die „einzige“ Rechtsunsicherheit, die beim Betrieb von WLANs verbleibt, die der Störerhaftung ist. Und ein (mittelbarer) Störer ist nicht Täter, sondern kann nur auf Unterlassen in Anspruch genommen werden. Das könnte – wenn man überhaupt eine Störerhaftung annimmt! – zur Folge haben, dass man die Kosten einer Abmahnung bezahlen muss.

Nun hat das KG Berlin mit Beschluss vom 25.8.2014 (Az. 4 Ws 71/14) ganz deutlich festgestellt, welche Wirkungen die Privilegierungen in §§ 8-10 TMG für die strafrechtliche Verantwortlichkeit haben.

1. Der Fall

In dem Fall vor dem KG Berlin ging es um einen Host Provider, dessen Nutzer volksverhetzende Inhalte ins Internet stellte. Die Staatsanwaltschaft Berlin strengte ein Verfahren gegen den Serverbetreiber an:

Der in der rechten Szene in (…) an exponierter Stelle aktive Angeschuldigte habe um die politische und agitatorische Ausrichtung von www.nw(…) gewusst. Er habe auch gewusst, dass es „aufgrund dieser Ausrichtung typischerweise zu derartigen strafrechtlich relevanten Veröffentlichungen kommt“ und dies zumindest billigend in Kauf genommen.

Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft sei zwar anzunehmen, dass dem Angeschuldigten hinsichtlich der konkreten Inhalte auf www.nw(…) eine positive Kenntnis im Sinne des § 10 TMG, die „eine täterschaftliche Haftung als Host-Provider der Seite auslösen würde“, nicht nachzuweisen sei. Seine strafrechtliche Verantwortlichkeit als Gehilfe sei hierdurch aber nicht ausgeschlossen. Ihre Schlussfolgerung, der Angeschuldigte habe gewusst, dass auf www.nw(…) strafbare Inhalte eingestellt seien, stützt die Staatsanwaltschaft auf folgende Erwägungen:

Nach allem könne aus der Gesamtschau der dargelegten Gründe „sicher davon ausgegangen werden, dass der Angeschuldigte um die (…) strafrechtlich relevanten Inhalte wusste und es – über die für den Gehilfenvorsatz bereits ausreichende billigende Inkaufnahme hinausgehend – sogar in seiner Absicht lag, den Betreibern der Seite durch das Zurverfügungstellen seines Servers ein entscheidendes Tatmittel hierfür an die Hand zu geben“.

Das LG Berlin hat die Anklage jedoch nicht zugelassen. Es war der Auffassung, dass dem Serverbetreiber eine positive Kenntnis von den volksverhetzenden Inhalten nicht nachweisbar sein wird.

Abschließend hat die Strafkammer ausgeführt, es sei zwar aufgrund der Ausführungen in der Anklageschrift und nach Aktenlage nahe liegend, dass der Angeschuldigte etwaige rechtswidrige Handlungen auf der Internetseite www.nw(…) billigend in Kauf genommen habe, eine positive Kenntnis im Sinne des dolus directus 2. Grades lasse sich aber nicht nachweisen.

2. Der Beschluss des KG Berlin

Die Staatsanwaltschaft hat dagegen Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Das KG Berlin hat die Entscheidung der Vorinstanz aber bestätigt.

Dabei hat es sich – wie das LG Berlin – näher mit den Privilegierungen in §§ 7 ff. TMG befasst. Im vorliegenden Fall ging um die Bereitstellung von Infrastruktur für Inhalte, also Host Providing. Dies ist in § 10 TMG geregelt. Die Ausführungen des KG Berlin gelten aber ohne Weiteres auch für die übrigen Haftungsprivilegierungen – und damit auch nach § 8 TMG für Access Provider, was wiederum die Betreiber von WLANs einschließt. Zunächst stellt das KG Berlin fest, dass die §§ 7 ff. TMG auch im Bereich des Strafrechts gelten (s. auch Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, Rn. 213 m.w.N.).

§ 10 TMG beansprucht rechtsgebietsübergreifend Geltung und ist wegen der Einheit der Rechtsordnung auch im Strafrecht anwendbar.

Die Geltung der verantwortungsbeschränkenden Norm auch im Strafrecht ist vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt (vgl. BT-Drucks. 14/6098 S. 23; BT-Drucks. 16/3078 S. 15) und wird deshalb in Rechtsprechung und Literatur mit Recht ohne Weiteres angenommen …

Im Strafrecht führe dies dazu, dass der Betreiber positive Kenntnis von den rechtswidrigen Inhalten haben müssen (Hervorhebungen von mir):

Das Landgericht hat ferner mit Recht angenommen, dass das Haftungsprivileg des § 10 Satz 1 Nr. 1 TMG angesichts des eindeutigen Wortlauts der Norm und des ausdrücklich formulierten Willens des Gesetzgebers (vgl. BTDrucks. 14/6098 S. 25; BTDrucks. 16/3078 S. 15) nur bei positiver Kenntnis des Täters von den konkreten strafrechtlich relevanten Inhalten entfällt (vgl. OLG Frankfurt am Main; LG Frankfurt am Main; LG Stuttgart; AG München, jeweils aaO; ständige zivilrechtliche Rspr., vgl. etwa BGH MMR 2012, 815; OLG München NJW 2002, 2398; …

Dies gilt nicht nur für täterschaftliches Handeln, sondern auch für den auf die Haupttat bezogenen Gehilfenvorsatz. …

Als Ergebnis ist im Strafrecht sog. „direkter Vorsatz“ (oder „dolus directus 2. Grades“) erforderlich, der Täter muss also positiv wissen, dass es zu einer Rechtsverletzung kommt. Ein Eventualvorsatz (dolus eventualis), bei dem der Täter von der die Möglichkeit (!) einer Rechtsverletzung weiß und diese billigend in Kauf nimmt, reicht also nicht.

Anschließend arbeitet das KG Berlin heraus, dass es die Einschätzung des LG Berlin teile, dass dem Angeschuldigten eine solche positive Kenntnis nicht nachzuweisen sein wird:

b) Der Senat teilt die Bewertung der Strafkammer, dass es an ausreichenden Anhaltspunkten dafür fehlt, dass der Angeschuldigte positive Kenntnis von den in Rede stehenden und möglicherweise strafbewehrten Inhalten auf der Seite www.nw(…) hatte. Die zur älteren Rechtslage (§ 5 Abs. 2 TDG a.F.) noch vertretene Mindermeinung, wonach für die strafrechtliche Verantwortlichkeit bedingter Vorsatz genüge, ist jedenfalls durch die eindeutige Neuregelung, die der Gesetzgeber in Kenntnis des Meinungsstreits getroffen hat, überholt (a.A. wohl noch Köhler/Arndt/Fetzer, Recht des Internets 7. Aufl., Rn. 775 ff.). Eine Systemwidrigkeit liegt darin nicht; vielmehr ist der Ausschluss des dolus eventualis als Vorsatzform dem Strafrecht nicht fremd (s. etwa §§ 87 Abs. 1, 126 Abs. 2, 134, 145, 164, 187, 201a Abs. 3, 241 Abs. 2, 258, 278, 283c, 344 StGB; § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG; § 38 Nr. 2 PfandbG).

Auch Prüfungspflichten verneint das KG Berlin:

Schließlich ist die Annahme der Beschwerdeführerin, das Unterlassen inhaltlicher Kontrollen durch den Angeschuldigten beruhe bei ihm nicht auf technischer oder wirtschaftlicher Unzumutbarkeit, angesichts der Vielzahl von ihm gehosteter Seiten (nicht nur rechtsextremistischer Gruppen) und der üblicherweise raschen Veränderung der Inhalte fraglich. Soweit es der Staatsanwaltschaft in diesem Zusammenhang nunmehr um eine Unterlassungsstrafbarkeit des Angeschuldigten gehen sollte, ist darauf hinzuweisen, dass der Dienstanbieter eine Prüfungspflicht auch nicht in Fällen hat, in denen ein Verstoß gegen Strafgesetze nahe liegt (vgl. Hoeren aaO. S. 475). § 7 Abs. 2 TMG macht in Bezug auf proaktive Kontrollpflichten des Dienstanbieters keine Unterscheidung im Sinne der von der Staatsanwaltschaft vermutlich gewünschten Art.

3. Schlussfolgerungen

Wie oben schon dargestellt, lässt sich die Entscheidung des KG Berlin eins zu eins auf den Betreiber eines WLANs übertragen. Dieser fällt unter § 8 TMG. Hinzu kommt in tatsächlicher Hinsicht, dass Access Provider Daten nur durchleiten. Sie haben daher praktisch keine Möglichkeit, von den Inhalten, die über ihre Systeme übertragen werden, Kenntnis zu nehmen – und sie dürfen es nach Art. 10 GG, § 88 TKG (Fernmeldegeheimnis) auch gar nicht.

Positive Kenntnis von Inhalten hat der Access Provider daher praktisch nie, wenn er nicht gerade mit seinem Nutzer „kollusiv“ zusammenarbeitet. Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit scheidet daher von vornherein aus.

Dementsprechend ist davon auszugehen, dass die Staatsanwaltschaft Berlin gegen einen WLAN-Betreiber nicht einmal Anklage erhoben hätte.

Für die oben angeführten Beispiele der kommunalen Verwaltung und der Schule lässt sich daher sagen: Wenn ein Nutzer eines solchen WLANs über das WLAN Straftaten begeht, dann ist er dafür allein verantwortlich. Die Mitarbeiter der Kommunalverwaltung und die Lehrer haben nichts zu befürchten.

KG Berlin, Beschl. v. 25.8.2014 – 4 Ws 71/14: Haftungsprivilegierung § 10 TMG im Strafrecht: Positive Kenntnis erforderlich (Volltext)

KG Berlin, Beschluss vom 25.08.2014 – 4 Ws 71/14 – 141 AR 363/14

Leitsätze:
1. § 10 TMG beansprucht rechtsgebietsübergreifend Geltung und ist wegen der Einheit der Rechtsordnung auch im Strafrecht anwendbar.

2. Das Haftungsprivileg des § 10 S. 1 Nr. TMG  entfällt nur bei positiver Kenntnis des Täters von den konkreten strafrechtlich relevanten Inhalten.

Gründe:

I.

Die Staatsanwaltschaft Berlin legt dem Angeschuldigten mit ihrer Anklageschrift vom 22. März 2013 zur Last, in der Zeit von Oktober 2009 bis Dezember 2012 einem anderen – nämlich den (nicht ermittelten) Betreibern der Internetseite www.nw(…) vorsätzlich Hilfe zu deren Straftaten (der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten, Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, Volksverhetzung, Beleidigung und üblen Nachrede sowie mehrerer Vergehen gegen das Kunsturhebergesetz) geleistet zu haben.

1. Dem Angeklagten, der sich ausweislich des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen als selbstständiger Programmierer, Softwareberater und -entwickler bezeichnet, dessen Tätigkeit nach der Wertung der Staatsanwaltschaft aber lediglich im Betreiben eines Internetversandhandels und dem Web-Hosting besteht, wird zur Last gelegt, den Betreibern von www.nw(…) einen von ihm bei der Firma (…) in den USA angemieteten Webserver zur Verfügung gestellt zu haben, sodass diese die genannte Seite von diesem Server aus ins Internet stellen konnten.

Die in Rede stehenden, insgesamt elf Straftaten seien in der Zeit zwischen dem 5. Oktober 2009 und dem 26. Dezember 2011 durch die Veröffentlichung von Texten bzw. Bildern auf www.nw(…) begangen worden. Der Angeschuldigte habe schließlich im Dezember 2012, nachdem ihm mit am 21. Dezember 2012 zugegangener Verfügung der Staatsanwaltschaft in der vorliegenden Sache der Tatvorwurf eröffnet worden war, die Abschaltung dieser Seite veranlasst. Der in der rechten Szene in (…) an exponierter Stelle aktive Angeschuldigte habe um die politische und agitatorische Ausrichtung von www.nw(…) gewusst. Er habe auch gewusst, dass es „aufgrund dieser Ausrichtung typischerweise zu derartigen strafrechtlich relevanten Veröffentlichungen kommt“ und dies zumindest billigend in Kauf genommen.

Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft sei zwar anzunehmen, dass dem Angeschuldigten hinsichtlich der konkreten Inhalte auf www.nw(…) eine positive Kenntnis im Sinne des § 10 TMG, die „eine täterschaftliche Haftung als Host-Provider der Seite auslösen würde“, nicht nachzuweisen sei. Seine strafrechtliche Verantwortlichkeit als Gehilfe sei hierdurch aber nicht ausgeschlossen. Ihre Schlussfolgerung, der Angeschuldigte habe gewusst, dass auf www.nw(…) strafbare Inhalte eingestellt seien, stützt die Staatsanwaltschaft auf folgende Erwägungen:

Es sei bereits allgemein bekannt, dass die auf www.nw(…) veröffentlichten sog. „Feindeslisten“ (mit Bildern, Namen und Adressen politischer Gegner) zum „guten Ton“ vieler dem extremistischen Lager zuzuordnender Internetseiten gehörten.Dieser Umstand dürfe dem Angeschuldigten umso mehr bekannt gewesen sein, als er es sich zu einer seiner Hauptaufgaben gemacht habe, Web-Speicher für Internetauftritte der rechten Szene zur Verfügung zu stellen.

So habe er mehr als 70 Internetseiten lokaler rechtsextremistischer Gruppen, die überdies untereinander oder mit auf anderen Servern liegenden „gleichgesinnten“ Seiten verlinkt seien, gehostet. Diese Seiten zeigten zudem hinsichtlich des Layouts und der Inhalte deutliche Übereinstimmungen, und es könne davon ausgegangen werden, dass das Layout mehrerer vom Angeschuldigten gehosteter Seiten von denselben Personen gestaltet worden sei.

Einige der Seiten seien offenbar auch redaktionell miteinander verknüpft. In zumindest einem Fall sei es „im Zusammenhang mit Inhalten“ auch zur Verurteilung eines Seitenbetreibers gekommen. Es sei „nicht anzunehmen, dass der Angeschuldigte hierüber keine Kenntnis hatte“. Dies gelte umso mehr, als der Angeschuldigte Anfang 2010 im Zusammenhang mit seiner Internetseite www.re(…) verurteilt worden sei, weil dort ohne Einwilligung des Betroffenen dessen Abbildung eingestellt gewesen sei.

Nur knapp einen Monat später sei er wegen Veröffentlichung einer urheberrechtlich geschützten Abbildung erneut verurteilt worden. Die strafrechtliche Relevanz „bestimmter – typischerweise auf den Internetseiten politisch motivierter Gruppierungen enthaltener – Veröffentlichungen (sei) dem Angeschuldigten also durchaus bewusst“. Dies dürfe auch der Grund dafür sein, dass auf den Internetseiten www.wi(…) und www.in(…) – die die Staatsanwaltschaft dem Angeschuldigten ohne nähere Darlegung zurechnet – unter dem Slogan „Webhosting für Dissidenten“ mit den Worten „Server in den USA. Wir schützen eure Anonymität“ für anonymes Webhosting geworben werde.

Es verstehe sich von selbst, dass ein derartiges Angebot darauf abziele, den Seitenbetreibern die anonyme Verbreitung strafrechtlich relevanter Inhalte zu ermöglichen. Dass der Angeschuldigte als führendes Mitglied der inzwischen verbotenen Vereinigung „Nationaler Widerstand D.“ vor Rechtsverstößen nicht zurückschrecke, zeigten die für das Verbot dieser Vereinigung angeführten Gründe. Die Namensidentität von „Nationaler Widerstand D.“ und „Nationaler Widerstand B.“ erweise die ideologische und strategische Verbundenheit dieser Vereinigungen. Dass der Angeschuldigte den Gesinnungsgenossen in B. zur Verbreitung ihrer rechten Propaganda eine Internetplattform biete, lasse vor diesem Hintergrund allein den Schluss zu, dass er „um die Möglichkeit der vorliegenden strafrechtlich relevanten Inhalt wusste und dass er mit der Verbreitung – die auch in seinem Interesse lag – einverstanden war“.

Zwar habe sich nicht nachweisen lassen, dass (der Landesvorsitzende der B(…) NPD) S(…) S(…) Betreiber der Internetseite www.nw(…) sei; diesem sei aber bekannt, dass er in den Fokus staatsanwaltlicher Ermittlungen geraten sei und auch in einer breiten Öffentlichkeit als verantwortlich für diese Internetseite angesehen werde. Auch wisse S(…) – sowohl aus dem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren als auch aus der Berichterstattung in der Presse – um die konkreten Tatvorwürfe, die gegen ihn im Zusammenhang mit der Internetpräsenz www.nw(…) erhoben würden. Da der Angeschuldigte und S(…) sich gut kennen würden, sei es „gänzlich unwahrscheinlich“, dass S(…) den Angeschuldigten nicht über diese Vorwürfe in Kenntnis gesetzt hätte.

Nach allem könne aus der Gesamtschau der dargelegten Gründe „sicher davon ausgegangen werden, dass der Angeschuldigte um die (…) strafrechtlich relevanten Inhalte wusste und es – über die für den Gehilfenvorsatz bereits ausreichende billigende Inkaufnahme hinausgehend – sogar in seiner Absicht lag, den Betreibern der Seite durch das Zurverfügungstellen seines Servers ein entscheidendes Tatmittel hierfür an die Hand zu geben“.

Wegen der Einzelheiten der den Betreibern von www.nw(…) angelasteten Taten und des (weiteren) Ermittlungsergebnisses nimmt der Senat auf den Inhalt der am 17. April 2013 bei dem Landgericht Berlin eingegangenen Anklageschrift Bezug.

2. Durch den angefochtenen Beschluss vom 28. Mai 2014 hat die Strafkammer, die ergänzend auch eine Zuständigkeit des Landgerichts verneint hat, die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen abgelehnt.

Es könne offen bleiben, ob die fraglichen Inhalte jeweils einen Straftatbestand erfüllten, weil nach Aktenlage jedenfalls der erforderliche Gehilfenvorsatz des Angeschuldigten nicht mit der für eine Eröffnung des Hauptverfahrens erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne.

a) Zu ihrem rechtlichen Ausgangspunkt hat die Strafkammer ausgeführt, für einen Gehilfen sei zwar grundsätzlich ausreichend, dass er den Taterfolg zumindest billigend in Kauf nimmt, anders liege es aber, wenn spezialgesetzliche Normen strengere Voraussetzungen an den Vorsatz stellten.

So sei es hier nach § 10 Satz 1 TMG, wonach Dienstanbieter für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich sind, sofern sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben oder sie unverzüglich tätig geworden sind, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie diese Kenntnis erlangt haben. Diese Haftungsprivilegierung (sog. Providerprivileg) sei nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers des TDG und des TMG, der der unionsrechtlichen Intention einer umfassenden Privilegierung des Providers gemäß der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr habe nachkommen wollen, auf das Strafrecht zu übertragen.

Der Dienstanbieter könne somit für fremde Inhalte auf den von ihm gehosteten Internetseiten unter den in § 10 Satz 1 Nr. 1 und 2 TMG genannten Voraussetzungen strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden. Dies bedeute, dass für eine Strafbarkeit wegen Beihilfe in subjektiver Hinsicht das billigende Inkaufnehmen einer rechtswidrigen Haupttat nicht ausreiche, sondern die positive Kenntnis – im Sinne eines dolus directus 2. Grades – von einer rechtswidrigen Handlung auf der gehosteten Internetseite notwendig sei.

Dies folge bereits aus dem Wortlaut des § 10 Satz 1 Nr. 1 Var. 1 TMG. Danach sei „Kenntnis“ von rechtswidrigen Handlungen erforderlich, womit keine abstrakte Kenntnis, sondern ein aktuelles menschliches Wissen im Sinne positiver Kenntnis gemeint sei.

Die richtlinienkonforme Auslegung ergebe nichts anderes, denn nach Art. 14 Abs. 1 der E-Commerce-Richtlinie müsse der Host-Provider „tatsächliche Kenntnis“ von rechtswidrigen Handlungen gehabt haben, mithin positive Kenntnis im Sinne eines dolus directus 2. Grades. Schließlich erfordere auch die teleologische Auslegung eine positive Kenntnis.

Die Privilegierungsregelung beruhe darauf, dass der Dienstanbieter bei der Speicherung großer Datenmengen wegen der automatisiert ablaufenden, technischen Vorgänge regelmäßig keine Kenntnis nehmen könne und ihm vorbeugende Kontrollen nicht zumutbar seien.

b) Der hiernach erforderliche dolus directus 2. Grades des Angeschuldigten sei nicht hinreichend wahrscheinlich. Diese Bewertung hat das Landgericht mit näheren Ausführungen, auf die der Senat wegen der Einzelheiten verweist, im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die gegenseitigen Verlinkungen verschiedener, dem rechtsradikalen Spektrum zugehöriger Internetseiten könnten ein positives Wissen des Angeschuldigten von Inhalten auf der Seite www.nw(…) nicht belegen.

Eine direkte Verbindung von Inhalten der Internetseiten zum Angeschuldigten sei nicht herstellbar. Den Kontoverbindungen des Angeschuldigten und seinen Geldüberweisungen an (…) ließen sich ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine Kenntnis über die jeweiligen Inhalte auf der gehosteten Seite entnehmen; für Letztere sei der Vertrag mit (…) über die Anmietung des Servers die plausible Grundlage.

Auch der ähnliche Aufbau der Internetseiten www.nw(…) und www.nw(…) könne einen Nachweis für ein positives Wissen beim Angeschuldigten nicht erbringen. Der Angeschuldigte sei zwar führendes Mitglied im „Nationalen Widerstand D.“. Die ähnliche Struktur der Homepages könne daher möglicherweise für eine positive Kenntnis sprechen.

Diese Annahme sei aber spekulativ. Zudem sei vollkommen offen, wann die jeweiligen Seiten strukturell erstellt worden und ob zu diesem Zeitpunkt bereits strafrechtlich relevante Inhalte auf www.nw(…) eingestellt gewesen seien. Die angezeigten Inhalte seien zudem nach und nach online gestellt worden. Ein im Rahmen der Telekommunikationsüberwachung erschlossenes Telefonat zwischen dem Angeschuldigten und dem gesondert Verfolgten S(…9 deute demgegenüber darauf hin, dass der Angeschuldigte keine positive Kenntnis von Inhalten der Homepage www.nw(…) gehabt habe.

In diesem Gespräch, in dem es (u.a.) um die vorliegende Anklageerhebung gegangen sei, habe der Angeschuldigte geäußert, dass die Anklage darauf beruhe, dass er Hoster der Homepage www.nw(…) sei, er sei jedoch „da noch nie drauf gewesen“.

Dass er bei einem heimlich abgehörten Telefonat mit dem gesondert Verfolgten bewusst unwahre Angaben gemacht habe, könne dem Angeschuldigten nicht unterstellt werden. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass der Angeschuldigte, nachdem er am 21. Dezember 2012 über die Tatvorwürfe in Kenntnis gesetzt worden war, die Seite www.nw(…) habe vom Netz nehmen lassen. Diese Reaktion entspreche den Anforderungen des § 10 Satz 1 Nr. 2 TMG, weshalb eine Privilegierung in Betracht kommen müsse.

Erst ab diesem Zeitpunkt habe der Angeschuldigte nachweislich positive Kenntnis von den rechtswidrigen Handlungen gehabt. Dementsprechend habe die Staatsanwaltschaft Berlin im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen zutreffend ausgeführt, dass sich eine Verantwortlichkeit des Angeschuldigten unter Bezugnahme auf § 10 Satz 1 Nr. 2 TMG nicht begründen lasse.

Abschließend hat die Strafkammer ausgeführt, es sei zwar aufgrund der Ausführungen in der Anklageschrift und nach Aktenlage nahe liegend, dass der Angeschuldigte etwaige rechtswidrige Handlungen auf der Internetseite www.nw(…) billigend in Kauf genommen habe, eine positive Kenntnis im Sinne des dolus directus 2. Grades lasse sich aber nicht nachweisen. Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeschuldigten nach § 7 Abs. 1 TMG komme ebenfalls nicht in Betracht, da ihm mit den zur Verfügung stehenden Beweismitteln nicht nachzuweisen sei, dass es sich bei den fraglichen Inhalten auf www.nw(…) um eigene Informationen im Sinne dieser Norm handele. Schließlich seien Dienstanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG auch nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen (§ 7 Abs. 2 Satz 1 TMG).

3. Mit ihrer hiergegen gerichteten, rechtzeitig erhobenen sofortigen Beschwerde erstrebt die Staatsanwaltschaft die Eröffnung des Hauptverfahrens (weiterhin) vor dem Landgericht Berlin.

Unter Wiederholung ihrer Bewertung des Ermittlungsergebnisses führt sie näher aus, dass die Äußerung des Angeschuldigten im Telefonat mit S(…) „offenkundig eine Schutzbehauptung“ sei, weil bekannt sei, dass „in dieser Szene (…) aufgrund nicht ganz unzutreffender Befürchtungen der Beteiligten am Telefon keine selbstbelastenden Informationen ausgetauscht“ würden.

Dass der Angeschuldigte entgegen der Auffassung des Landgerichts von den Inhalten auf www.nw(…) – wenn auch möglicherweise nicht im Einzelnen – positive Kenntnis gehabt habe, folge auch aus der direkten Verlinkung seiner eigenen rechtsideologischen Internetseite www.re(…) mit der Seite www.nw(…).

Im Übrigen ist die Beschwerdeführerin der Ansicht, dass § 10 TMG keine Anwendung finde, weil die Haftungsprivilegierung gegenüber der dem StGB zugrunde liegenden Vorsatzdogmatik als systemwidrig anzusehen sei, soweit der dolus eventualis als Vorsatzform gänzlich ausgeschlossen werde. Sie begründet dies zum einen mit den der E-Commerce-Richtlinie zugrunde liegenden Erwägungen und insbesondere deren zivil- und handelsrechtlicher Ausrichtung, die für den nicht kommerziell, sondern aus ideologischen Gründen tätigen Angeschuldigten nicht gälten.

Zum anderen meint die Staatsanwaltschaft, dass die europäische Richtlinienkompetenz nationales Recht nur so weit einschränken dürfe, wie dies für die Erreichung der auf die Vereinheitlichung des Binnenmarktes gerichteten Ziele zwingend erforderlich sei; die Anwendung der Richtlinie auf das Handeln des Angeschuldigten sei angesichts dessen rein ideologischen Tuns nicht unerlässlich und auch nicht im Sinne der Richtlinie. Soweit die Privilegierung damit begründet werde, dass einem Host-Provider inhaltliche Kontrollen angesichts der großen Datenmengen und automatisierten technischen Abläufe nicht zumutbar seien, gehe diese Erwägung bezogen auf den Angeschuldigten ins Leere: Das Unterlassen inhaltlicher Kontrollen beruhe bei ihm nicht auf einer technischen Unzumutbarkeit, sondern „vielmehr darauf, dass die auf den von ihm gehosteten Seiten eingestellte Hetzpropaganda seinen eigenen politischen Idealen entspricht und er mit deren Verbreitung in hohem Maße einverstanden ist“.

Dass § 10 TMG keine uneingeschränkte Geltung beanspruche, ergebe sich auch daraus, dass im zivilrechtlichen Bereich mehrfach (so BGH, Urteile vom 27. März 2007 – VI ZR 101/06 – und vom 19. April 2007 – I ZR 35/04 -) eine Haftungsprivilegierung abgelehnt worden sei.

Entscheidungsgründe
II.

Das zulässige Rechtsmittel (§ 210 Abs. 2 StPO) der Staatsanwaltschaft bleibt aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung ohne Erfolg.

1. Nach § 203 StPO beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn der Angeschuldigte nach dem gesamten Ergebnis der Ermittlungen der ihm zur Last gelegten Straftat(en) hinreichend verdächtig erscheint.

Gemessen an den für die Beurteilung des hinreichender Tatverdachts geltenden Grundsätzen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 19. Mai 2014 – 4 Ws 43/14 – mwN) hat das Landgericht mit Recht angenommen, dass es bei vorläufiger Bewertung nach praktischer Erfahrung nicht wahrscheinlich ist, dass dem Angeschuldigten in einer Hauptverhandlung mit den zur Verfügung stehenden Beweismitteln der erforderliche Gehilfenvorsatz nachgewiesen werden kann, womit es an der erforderlichen Verurteilungswahrscheinlichkeit fehlt.

2. a) Der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts trifft hierbei zu.

§ 10 TMG beansprucht rechtsgebietsübergreifend Geltung und ist wegen der Einheit der Rechtsordnung auch im Strafrecht anwendbar.

Die Geltung der verantwortungsbeschränkenden Norm auch im Strafrecht ist vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt (vgl. BT-Drucks. 14/6098 S. 23; BT-Drucks. 16/3078 S. 15) und wird deshalb in Rechtsprechung und Literatur mit Recht ohne Weiteres angenommen (vgl. nur OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 20. August 2013 – 2 Ws 104/12 – [juris]; OLG Stuttgart MMR 2006, 387 [OLG Stuttgart 24.04.2006 – 1 Ss 449/05]; LG Frankfurt am Main CR 2012, 478; LG Stuttgart NStZ-RR 2002, 241; AG München NStZ 1998, 518; Mitsch, Medienstrafrecht, S. 209 f.; Malek, Strafsachen im Internet, S. 40 f.; Fischer, StGB 61. Aufl., § 184 Rn. 31; Eisele in Schönke/Schröder, StGB 29. Aufl., § 184 Rn. 70 ff., 84 ff.; Wolters in SK-StGB, § 184 Rn. 16; Eschelbach in Matt/Renzikowski, StGB, § 184 Rn. 81; Ziethen/Ziemann in AnwK-StGB, § 184 Rn. 23; Hörnle in MüKo-StGB 2. Aufl., § 184 Rn. 52; Altenhain in MüKo-StGB, Erl. zu § 10 TMG; Hilgendorf in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB 2. Aufl., § 184 Rn. 28; Lackner/Kühl, StGB 28. Aufl., § 184 Rn. 7a f.; Fitzner GRUR Int 2012, 109; Nordemann/Conrad GRUR Int 2010, 953; Jandt in Roßnagel, Recht der Telemediendienste, § 10 TMG Rn. 10; Sieber/Höfinger, Handbuch Multimedia-Recht, Abschn. 18.1; Hoeren, Internetrecht [Skript mit Stand April 2014], S. 466; download unter http://www.uni-muenster.de/Jura.itm/hoeren/itm/wp-content/uploads/Skript-Internetrecht-April-2014.pdf).

Eine Beschränkung der Privilegierung auf Fälle wirtschaftlicher Tätigkeit des Dienstanbieters ist dem Gesetz nicht zu entnehmen (vgl. auch Eisele aaO Rn. 76).

Das Landgericht hat in seiner Stellungnahme zu der Beschwerdebegründung zutreffend ausgeführt, dass nach § 1 Abs. 1 TMG alle Informations- und Kommunikationsdienste unabhängig davon erfasst sind, ob für die Nutzung der Telemedien ein Entgelt erhoben wird oder nicht und ob es sich um private Anbieter oder eine öffentliche Stelle handelt. § 2 Nr. 5 TMG enthält für die kommerzielle Kommunikation eine besondere Begriffsbestimmung und § 6 TMG stellt für solche Dienste besondere Informationspflichten auf, was zeigt, dass das Gesetz die kommerzielle Kommunikation nur als einen von mehreren Unterfällen der in Betracht kommenden Dienste betrachtet.

Etwas anderes lässt sich auch nicht aus den von der Staatsanwaltschaft mitgeteilten Erwägungen des Richtliniengebers herleiten. Die Strafkammer hat mit Recht hervorgehoben, dass es vorliegend um die Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts und nicht der Richtlinie geht; sie hat die Richtlinie lediglich bei der Wortlautinterpretation des Merkmals „Kenntnis“ als Auslegungshilfe herangezogen. Soweit hier, wie das Landgericht angenommen hat, durch den deutschen Gesetzgeber eine überschießende Umsetzung, d.h. die Erstreckung des Regelungsgehalts der Richtlinie auf Sachverhalte außerhalb deren Anwendungsbereichs, erfolgt sein sollte, bestünde schon keine europarechtliche Pflicht zu richtlinienkonformer Auslegung.

Dies kann indessen dahin stehen, denn eine richtlinienkonforme Auslegung hinderte die vom Landgericht vorgenommene Auslegung des TMG nicht, weil keine Kollision mit dem Wortlaut oder den Zielen der Richtlinie feststellbar wäre. Die der Richtlinie zugrunde liegenden Erwägungen könnten hiernach nicht dazu führen, den Wortlaut des nationalen Gesetzes und die vom deutschen Gesetzgeber nach den eindeutigen Materialien ausdrücklich verfolgten Ziele zu missachten. Auch ein Ausschluss der Privilegierung schon bei bedingtem Vorsatz unter Berücksichtigung der – tatsächlichen oder vermeintlichen – Gesinnung des Dienstanbieters kommt nach dem Wortlaut der Vorschrift und den Motiven des nationalen Gesetzgebers nicht in Betracht. Ungeachtet der Problematik, dass die Anwendung oder Nichtanwendung der Norm damit auf einer vorab vorzunehmenden, mitunter hochschwierigen Bewertung beruhte, führte die Ansicht der Beschwerdeführerin letztlich zu der nicht tragbaren Konsequenz, dass (nur) bei im Einzelfall angenommener Billigung der Inhalte eben diese Billigung für die Bejahung der Strafbarkeit ausreichte.

Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, die von ihr zitierten zivilrechtlichen Urteile des BGH ließen erkennen, dass § 10 TMG keine uneingeschränkte Geltung beanspruche, haben sich diese Entscheidungen jeweils mit Unterlassungsansprüchen befasst, auf die die Norm nach Ansicht des Gerichtshofs nicht anwendbar sei, weil insofern die allgemeinen Grundsätze der Störerhaftung gälten.

Da der BGH in den zitierten Entscheidungen die von ihm beurteilten negatorischen Ansprüche ausdrücklich gegenüber Schadensersatzansprüchen und der strafrechtlichen Haftung abgegrenzt hat, für die § 10 TMG demgegenüber Geltung beanspruche (s. etwa BGH, Urteil vom 27. März 2007 – VI ZR 101/06 – [juris-Rn. 7 mwN]), lässt sich aus ihnen für die von der Staatsanwaltschaft vertretene Rechtsansicht nichts herleiten.

Das Landgericht hat ferner mit Recht angenommen, dass das Haftungsprivileg des § 10 Satz 1 Nr. 1 TMG angesichts des eindeutigen Wortlauts der Norm und des ausdrücklich formulierten Willens des Gesetzgebers (vgl. BTDrucks. 14/6098 S. 25; BTDrucks. 16/3078 S. 15) nur bei positiver Kenntnis des Täters von den konkreten strafrechtlich relevanten Inhalten entfällt (vgl. OLG Frankfurt am Main; LG Frankfurt am Main; LG Stuttgart; AG München, jeweils aaO; ständige zivilrechtliche Rspr., vgl. etwa BGH MMR 2012, 815; OLG München NJW 2002, 2398; Altenhain aaO, § 10 TMG Rn. 7 mit zahlr. weit. Nachw.; Mitsch aaO; Malek aaO S. 41.; Eisele aaO Rn. 85; Wolters aaO; Eschelbach aaO; Hörnle aaO; Hilgendorf aaO; Lackner/Kühl aaO. Rn. 7a; Fitzner aaO S. 113; Nordemann/Conrad aaO S. 954; Sieber/Höfinger aaO Rn. 83; Jandt aaO; Paal in Gersdorf/Paal, Informations- und Medienrecht, § 10 TMG Rn. 24; Heckmann, Internetrecht 4. Aufl., S. 1257 [mit dem zutreffenden Hinweis auf die aus der Gesetzeslage folgende Konsequenz, dass der gewissenhafte Dienstanbieter, der die Nutzerinhalte sorgfältig prüft, absurderweise Gefahr läuft, die Haftungsprivilegierung durch Erlangung von Kenntnis zu verlieren]).

Dies gilt nicht nur für täterschaftliches Handeln, sondern auch für den auf die Haupttat bezogenen Gehilfenvorsatz. Die zur älteren Rechtslage (§ 5 Abs. 2 TDG a.F.) noch vertretene Mindermeinung, wonach für die strafrechtliche Verantwortlichkeit bedingter Vorsatz genüge, ist jedenfalls durch die eindeutige Neuregelung, die der Gesetzgeber in Kenntnis des Meinungsstreits getroffen hat, überholt (a.A. wohl noch Köhler/Arndt/Fetzer, Recht des Internets 7. Aufl., Rn. 775 ff.). Eine Systemwidrigkeit liegt darin nicht; vielmehr ist der Ausschluss des dolus eventualis als Vorsatzform dem Strafrecht nicht fremd (s. etwa §§ 87 Abs. 1, 126 Abs. 2, 134, 145, 164, 187, 201a Abs. 3, 241 Abs. 2, 258, 278, 283c, 344 StGB; § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG; § 38 Nr. 2 PfandbG).

b) Der Senat teilt die Bewertung der Strafkammer, dass es an ausreichenden Anhaltspunkten dafür fehlt, dass der Angeschuldigte positive Kenntnis von den in Rede stehenden und möglicherweise strafbewehrten Inhalten auf der Seite www.nw(…) hatte.

Von Ermittlungen beispielsweise dazu, ob der Angeschuldigte diese Seite an einem seiner Computer jemals aufgerufen oder sogar Einträge kommentiert hat, oder ob er auf der Seite – etwa im Gegenzug für das kostenlose Zurverfügungstellen von Speicherplatz – für seinen Versandhandel (eventuell kostenlose) Werbung platziert hat, hat die Staatsanwaltschaft abgesehen. Auch eine zeugenschaftliche Vernehmung S.s über die ihm unterstellten Auskünfte gegenüber dem Angeschuldigten ist unterblieben. Insoweit hat sich die Strafkammer zu Recht nicht gehalten gesehen, solche Ermittlungen selbst durchzuführen. Zwar kann das Gericht gemäß § 202 StPO vor der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens zur besseren Aufklärung der Sache Beweiserhebungen anordnen.

Es muss sich dabei aber um einzelne Beweiserhebungen handeln, also um eine bloße Ergänzung eines von der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren bereits weitgehend aufgeklärten Sachverhalts. Ermittlungen grundlegender Art, die die Staatsanwaltschaft für entbehrlich erachtet, sind im Zwischenverfahren gesetzlich nicht vorgesehen (vgl. OLG Celle StV 2012, 456 mwN).

Ob die von der Beschwerdeführerin in der Anklageschrift angeführten Gesichtspunkte den Schluss zulassen, der Angeschuldigte habe strafbarkeitsbegründende Umstände (auch) auf der Seite www.nw(…) für möglich gehalten und diese gebilligt, braucht nicht entschieden zu werden, weil dies nicht ausreichte. Dass der Angeschuldigte, dessen Beitrag als Host-Provider zur Präsentation möglicherweise strafrechtlich relevanter Inhalte im dauerhaften Zurverfügungstellen von Speicherkapazität bestünde, von den jeweiligen Inhalten, die nach und nach eingestellt wurden und deren zeitlicher Verbleib auf der Seite zudem nicht näher dargelegt ist, jeweils Kenntnis hatte, kann ihm in einer Hauptverhandlung nach dem Ergebnis der Ermittlungen jedenfalls nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Das Landgericht hat zutreffend darauf erkannt, dass die von der Staatsanwaltschaft vorgenommenen Bewertungen und Schlussfolgerungen eine Verurteilung nicht tragen könnten, weil sie nicht mehr als einen Verdacht zu begründen geeignet sind, nicht aber in der erforderlichen Weise eine beweisrechtlich tragfähige Grundlage für einen Schuldspruch bieten würden.

Dies zeigen schon in der Anklageschrift verwendete Formulierungen („dürfte“ ihm bekannt sein; „kann davon ausgegangen werden“; „offenbar“; „nicht anzunehmen, dass … keine Kenntnis“; „gänzlich unwahrscheinlich, dass“). Dass dem Angeschuldigten die strafrechtliche Relevanz bestimmter Veröffentlichungen „durchaus bewusst“ sei, mag für sich genommen richtig sein, bietet aber keine Grundlage für einen Rückschluss auf seine Kenntnis der hier in Rede stehenden Inhalte. Soweit es wechselseitige Verlinkungen zwischen verschiedenen Seiten angeht, könnten diese nach Durchführung entsprechender Ermittlungen zwar grundsätzlich einen Ansatzpunkt für die Annahme hinreichenden Tatverdachts bieten. Indessen fehlt es an solchen Ermittlungen, etwa zur Zeit und konkreten Gestaltung der Verlinkung (vgl. dazu etwa Eisele aaO Rn. 82).

Im Übrigen hat die Staatsanwaltschaft dem Angeschuldigten einzelne Seiten ohne jede Erklärung ihrer Annahme „zugerechnet“. Solche Darlegungen wären erforderlich gewesen, weil es sich nicht von selbst versteht, dass der Angeschuldigte für von ihm gehostete Seiten in einer Weise verantwortlich war, dass aus einer Verlinkung generell ein Schluss auf seine Kenntnis von den Inhalten der Seiten gezogen werden könnte.

In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass es das LKA Berlin aufgrund der Vielzahl der vom Angeschuldigten gehosteten Seiten als unwahrscheinlich angesehen hat, dass er allein Verantwortlicher war.

Die von der Beschwerdeführerin vorgenommene Bewertung des vom Angeschuldigten mit S(…) geführten Telefonats vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Die Staatsanwaltschaft hat das Gespräch selbst als „in vertraulichem Ton geführt“ bezeichnet, was u.a. angesichts der Erkundigung des Angeschuldigten nach einem Rechtsanwalt wegen des Anklagevorwurfs nachvollziehbar erscheint. Dass der Angeschuldigte einerseits das längere Gespräch recht unbefangen geführt hat, andererseits aber die beiläufig eingestreute Aussage zu der Internetseite als bewusste taktische Maßnahme (in Gestalt einer listigen Selbstentlastung mit Blick auf das Abhören und die spätere Verwertung der Äußerung in einer Hauptverhandlung) gewählt haben sollte, ist bei Zugrundelegung einiger Verschlagenheit des Angeschuldigten zwar denkbar, aber nicht in einer Weise wahrscheinlich, dass der Äußerung hier keine Bedeutung zukäme.

Dies gilt umso mehr, als sich der Angeschuldigte selbst gar nicht auf diese Äußerung berufen hat, sondern zu seinem (ihm unterstellten) Plan auch noch seine Annahme gezählt werden müsste, dass jemandem – den Ermittlungsbehörden und/oder dem Gericht – in der umfangreichen Telekommunikationsüberwachung sein entlastender Hinweis auffallen und dieser auch in der von ihm gewünschten Weise gewürdigt werde. Vor dem Hintergrund fehlender Berufung des Angeschuldigten auf die fragliche Äußerung liegt es im Übrigen nicht nahe, von einer „Schutzbehauptung“ zu sprechen.

Soweit die Staatsanwaltschaft mit der Beschwerdebegründung vorbringt, dass es eine direkte Verlinkung der eigenen Seite des Angeschuldigten www.re(…) mit der Seite www.nw(…) gebe, ist dies – auch bei Zugrundelegung eines bloßen Irrtums hinsichtlich des Seitennamens – überraschend. In der Anklageschrift war hiervon keine Rede, obgleich darin das Thema Verlinkungen mit Beispielen behandelt worden ist und die nunmehr vorgebrachte Tatsache für die Beurteilung der subjektiven Tatseite von erheblicher Bedeutung sein könnte; zudem hatte die Staatsanwaltschaft den Fall einer Linksetzung im Rahmen rechtlicher Ausführungen als „ähnlich gelagert“ (und nicht etwa als hier einschlägig) bezeichnet. Ungeachtet dessen findet sich für die jetzt behauptete direkte Verlinkung, zu der die Beschwerdeführerin auch keinerlei Einzelheiten – etwa zum Datum der Linksetzung sowie deren Dauer und insbesondere zur konkreten Ausgestaltung des Links – nennt, in den dem Senat zur Verfügung stehenden Akten kein Anhaltspunkt.

Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft ist das hier angeklagte Host-Providing im Grundsatz nicht mit den Fällen vergleichbar, in denen der Verantwortliche einer Website einen sog. Hyperlink zu Internetseiten mit inkriminierten Inhalten setzt. Für die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Hyperlinks kommt – anders als hier – eine Einschränkung der Verantwortlichkeit aufgrund der §§ 7 ff. TMG nicht in Betracht.

Denn diese Vorschriften regeln die Vereinfachung des Zugriffs auf fremde Inhalte mittels interaktiver Verknüpfungen nicht, sondern dort verbleibt es bei der Verantwortlichkeit des Link-Providers nach allgemeinen Regeln (vgl. nur OLG Stuttgart MMR 2006, 387 = CR 2006, 542 [OLG Stuttgart 24.04.2006 – 1 Ss 449/05] mwN [ergangen im Nachgang zu der von der Staatsanwaltschaft zitierten Entscheidung des LG Stuttgart zu den inhaltsgleichen Vorgängernormen §§ 8 ff. TDG]; Eisele aaO Rn. 83; Lackner/Kühl aaO Rn. 7b). Insoweit wäre erforderlich, dass sich der Seitenbetreiber die fremden Informationen durch Setzen des Links unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände zu Eigen macht (vgl. nur BGH NJW 2007, 2558 [BGH 27.03.2007 – VI ZR 101/06]; Emde/Weber in Hoeren/Bensinger, Haftung im Internet, S. 511 mwN). Auch im Übrigen ist eine Haftung des Angeschuldigten für eigene Informationen nicht ersichtlich, weil ein sonstiges Zueigenmachen, etwa durch zustimmendes Kommentieren oder nachweisliches Identifizieren mit den Inhalten, oder eine aktive Rolle des Angeschuldigten, die eine Kontrolle über die Inhalte ermöglichte, nicht erkennbar sind.

Schließlich ist die Annahme der Beschwerdeführerin, das Unterlassen inhaltlicher Kontrollen durch den Angeschuldigten beruhe bei ihm nicht auf technischer oder wirtschaftlicher Unzumutbarkeit, angesichts der Vielzahl von ihm gehosteter Seiten (nicht nur rechtsextremistischer Gruppen) und der üblicherweise raschen Veränderung der Inhalte fraglich. Soweit es der Staatsanwaltschaft in diesem Zusammenhang nunmehr um eine Unterlassungsstrafbarkeit des Angeschuldigten gehen sollte, ist darauf hinzuweisen, dass der Dienstanbieter eine Prüfungspflicht auch nicht in Fällen hat, in denen ein Verstoß gegen Strafgesetze nahe liegt (vgl. Hoeren aaO. S. 475). § 7 Abs. 2 TMG macht in Bezug auf proaktive Kontrollpflichten des Dienstanbieters keine Unterscheidung im Sinne der von der Staatsanwaltschaft vermutlich gewünschten Art.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StPO.

KG Berlin, Urt. v. 16.04.2013 – 5 U 63/12: § 10 TMG ist auf Unterlassungsansprüche anwendbar (Volltext)

Mittlerweile ist für das Urteil des KG Berlin v. 16.04.2013 – 5 U 63/12 der Volltext verfügbar. Eine kurze Besprechung des Urteils (anhand von Meldungen ohne Volltext) findet sich hier.

Leitsätze (des Verfassers):

1. Nach der Rechtsprechung des EuGH, der einzelne Senate des BGH zu folgen scheinen, finden die Privilegierungen in §§ 8-10 TMG (resp. Art. 12-15 E-Commerce-RL) auch auf Unterlassungsansprüche Anwendung.

2. Die Haftungsprivilegierung gilt auch für ausländische Unternehmen.

3. Der Einsatz von Wortfiltern zum Auffinden von Beleidigungen, Schmähkritik etc., einschließlich der Überprüfung der angezeigten Suchergebnisse durch Mitarbeiter der Beklagten, kann nicht dazu führen, dass die Beklagte das Haftungsprivileg verliert.

4. Die Grenze zumutbarer Überwachungspflichten im Hinblick auf einen Wortfilter ist jedenfalls dann erreicht, wenn keine Merkmale vorhanden sind, die sich zur Eingabe in ein Suchsystem eignen.

Volltext:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 16. Februar 2012 verkündete Urteil der Zivilkammer 52 des Landgerichts Berlin – 52 O 159/11 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

A.

Die Klägerin betreibt in Berlin in der Nähe des Ostbahnhofs ein Hostel.

Die Beklagte bietet unter verschiedenen Domains, unter anderem unter „… .de“, neben den Diensten eines Online-Reisebüros ein Bewertungsportal an, in das jedermann Berichte über Beherbergungsbetriebe etc. einstellen und die Betriebe hinsichtlich verschiedener Kriterien in eine Skala von einer bis sechs Sonnen einordnen kann.

Nach Abgabe der Bewertung wird die bei der Bewertung anzugebende E-Mail-Adresse überprüft. Der Inhaber der Adresse erhält eine E-Mail der Beklagten mit der Aufforderung, einen Link anzuklicken.

Zudem durchläuft jede Bewertung vor ihrer Veröffentlichung bei der Beklagten ein automatisiertes Prüfungsverfahren, das gegebenenfalls zu einer „manuellen Tiefenrecherche“ durch Mitarbeiter der Beklagten führt. Andernfalls wird die Bewertung automatisch freigeschaltet.

Mitte Juli 2010 entdeckte die Klägerin in dem Portal der Beklagten die durch die Anlage K 11 zur Klageschrift wiedergegebene Bewertung von „S. „ mit der Überschrift „Für 37,50€ pro Nacht u. Kopf im DZ gabs Bettwanzen“.

Mit Schreiben vom 14. Juli 2010 mahnte die Klägerin die Beklagte ab und forderte sie unter anderem zur Beseitigung der Bewertung von „S. „ auf.

Die Beklagte entfernte daraufhin die beanstandete Bewertung am 14. Juli 2010.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,

auf den von ihr betriebenen Internet-Hotel-Bewertungsportalen „…“ zu dem von der Beklagten betriebenen … Berlin Mitte im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs Folgendes zu behaupten und/oder die folgenden Behauptungen zu verbreiten:

a) die Matratze besteht aus ca. 4 cm Schaumstoff,

b) sauber war nur das Badezimmer,

c) die Zimmer bzw. Betten waren mit Bettwanzen befallen,

d) eine Mitarbeiterin der Antragstellerin habe behauptet, dass dies schon mal vorkomme,

e) die verseuchten Zimmer seien (erst) auf mehrmalige telefonische Nachfrage geschlossen worden,

f) das Zimmer sei mit einem Fernseher anno 91 ausgestattet gewesen,

g) das Fernsehgerät sei absichtlich schlecht befestigt, da bei Beschädigung 50,- € gezahlt werden müssten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit dem am 16. Februar 2012 verkündeten Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Es wird insoweit auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen, und zwar auch hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien.

Die Klägerin wendet sich mit der Berufung gegen dieses Urteil. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. Februar 2012 – 52 O 159/11 – zu ändern und die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,

auf den von ihr betriebenen Internet-Hotel-Bewertungsportalen „…“ zu dem von der Beklagten betriebenen … Berlin Mitte im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs Folgendes zu behaupten und/oder die folgenden Behauptungen zu verbreiten:

a) die Matratze besteht aus ca. 4 cm Schaumstoff,

b) sauber war nur das Badezimmer,

c) die Zimmer bzw. Betten waren mit Bettwanzen befallen,

d) eine Mitarbeiterin der Antragstellerin habe behauptet, dass dies schon mal vorkomme,

e) die verseuchten Zimmer seien (erst) auf mehrmalige telefonische Nachfrage geschlossen worden,

f) das Zimmer sei mit einem Fernseher anno 91 ausgestattet gewesen,

g) das Fernsehgerät sei absichtlich schlecht befestigt, da bei Beschädigung 50,- € gezahlt werden müssten.

hilfsweise,

das Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. Februar 2012 – 52 O 159/11 – zu ändern und die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,

auf den von ihr betriebenen Internet-Hotel-Bewertungsportalen „…“ zu dem von der Beklagten betriebenen … Berlin Mitte im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs Folgendes zu behaupten und/oder die folgenden Behauptungen zu verbreiten:

a) die Matratze besteht aus ca. 4 cm Schaumstoff,

b) sauber war nur das Badezimmer,

c) die Zimmer bzw. Betten waren mit Bettwanzen befallen,

d) eine Mitarbeiterin der Antragstellerin habe behauptet, dass dies schon mal vorkomme,

e) die verseuchten Zimmer seien (erst) auf mehrmalige telefonische Nachfrage geschlossen worden,

f) das Zimmer sei mit einem Fernseher anno 91 ausgestattet gewesen,

g) das Fernsehgerät sei absichtlich schlecht befestigt, da bei Beschädigung 50,- € gezahlt werden müssten,

soweit die Aussagen zu Ziffer a) bis g) nicht erweislich wahr sind.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat die Akten des vorangegangenen Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (Landgericht Berlin 52 O 229/10 = Kammergericht 5 U 193/10) beigezogen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

B.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

I.

Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt aus Art. 5 Nr. 3 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen geschlossen in Lugano am 16. September 1988 (Lugano-Übereinkommen).

II.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch darauf, dass diese es unterlässt, auf den von ihr betriebenen Internet-Hotel-Bewertungsportalen „…“ zu dem von der Beklagten betriebenen … Berlin Mitte im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs Folgendes zu behaupten und/oder die folgenden Behauptungen zu verbreiten:

a) die Matratze besteht aus ca. 4 cm Schaumstoff,

b) sauber war nur das Badezimmer,

c) die Zimmer bzw. Betten waren mit Bettwanzen befallen,

d) eine Mitarbeiterin der Antragstellerin habe behauptet, dass dies schon mal vorkomme,

e) die verseuchten Zimmer seien (erst) auf mehrmalige telefonische Nachfrage geschlossen worden,

f) das Zimmer sei mit einem Fernseher anno 91 ausgestattet gewesen,

g) das Fernsehgerät sei absichtlich schlecht befestigt, da bei Beschädigung 50,- € gezahlt werden müssten.

Dies gilt auch hinsichtlich der nunmehr als Hilfsantrag geltend gemachten Modifikation, die darauf gerichtet ist, der Beklagten untersagen zu lassen, auf den von ihr betriebenen Internet-Hotel-Bewertungsportalen „…“ zu dem von der Beklagten betriebenen … Berlin Mitte im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs Folgendes zu behaupten und/oder die folgenden Behauptungen zu verbreiten:

a) die Matratze besteht aus ca. 4 cm Schaumstoff,

b) sauber war nur das Badezimmer,

c) die Zimmer bzw. Betten waren mit Bettwanzen befallen,

d) eine Mitarbeiterin der Antragstellerin habe behauptet, dass dies schon mal vorkomme,

e) die verseuchten Zimmer seien (erst) auf mehrmalige telefonische Nachfrage geschlossen worden,

f) das Zimmer sei mit einem Fernseher anno 91 ausgestattet gewesen,

h) das Fernsehgerät sei absichtlich schlecht befestigt, da bei Beschädigung 50,- € gezahlt werden müssten,

soweit die Aussagen zu Ziffer a) bis g) nicht erweislich wahr sind.

1. Im vorliegenden Fall ist deutsches Wettbewerbsrecht anwendbar, obwohl der Sitz der Beklagten in der Schweiz ist.

Nach Art. 6 Abs. 1 Rom-II-Verordnung findet auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten das Recht des Staates Anwendung, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden.

Da das beanstandete Wettbewerbsverhalten aber ausschließlich die Interessen eines bestimmten Wettbewerbers, nämlich der Klägerin, beeinträchtigt, ist hier jedoch nach Art. 6 Abs. 2 Rom-II-Verordnung Art. 4 Rom-II-Verordnung einschlägig.

Gemäß Art. EWG_VO_864_2007 Artikel 4 Abs. EWG_VO_864_2007 Artikel 4 Absatz 1 Rom-II-VO ist auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind. Der nach der Darstellung der Klägerin durch das beanstandete Verhalten eingetretene Schaden, der Ansehensverlust des Unternehmens der Klägerin, tritt in Deutschland ein, da die Beklagte sich mit dem Internetauftritt unter www…. .de zumindest vornehmlich an den Verkehr in Deutschland richtet.

§ 3 TMG spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, da er keine Kollisionsregel enthält (vgl. BGH GRUR 2012, 850, Rn. 30).

2. Der Unterlassungsanspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 4 Nr. 8 UWG, auf den die Klägerin sich stützt.

a) Es bestehen keine Zweifel daran, dass das Vorhalten einer Bewertungsplattform für Beherbergungsbetriebe unter einer Domain, unter der auch die Dienstleistungen eines Reisebüros angeboten werden, eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist.

Der Betrieb des Portals der Beklagten ist nicht uneigennützig darauf gerichtet, Verbraucher zu informieren und ihnen ein Forum für Meinungsaustausch zu bieten. Er ist vielmehr darauf gerichtet, das Reisebürounternehmen der Beklagten in den interessierten Kreisen bekannt und attraktiv zu machen und damit den Absatz der Dienstleistungen zu fördern, mit denen die Beklagte Einkünfte erzielt.

b) Das Landgericht hat die Parteien zu Recht als Mitbewerber angesehen.

c) Die Beklagte hat im vorliegenden Fall den Tatbestand des § 4 Nr. 8 UWG nicht verwirklicht. Jedenfalls kann sie sich aber auf die Beschränkung der Haftung eines Host-Providers in § 10 Satz 1, § 7 Abs. 2 TMG berufen.

aa) Alle beanstandeten Äußerungen sind der „Hotelbewertung“ einer sich „S“ nennenden Internetnutzerin in dem von der Beklagten betriebenen Bewertungsportal „…“ entnommen. Es gibt auch im Vorbringen der Klägerin weiterhin keinen Anhaltspunkt für die Annahme, es könne sich um eigene Tatsachenbehauptungen der Beklagten handeln.

bb) Die Beklagte hat sich die Äußerungen von „S. „ auch nicht zu Eigen gemacht.

(1) Es reicht hierfür nicht aus, dass die Beklagte im Internet ein Bewertungssystem installiert hat, die eingehenden Bewertungen Privater zu einem Durchschnittswert und einer Weiterempfehlungsrate auswertet und dieses geschäftlich nutzt (so aber: Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 4, Rn. 8.9a).

Die Beklagte hätte sich die Bewertungen von „S. „ dann zu Eigen gemacht, wenn sie sich aus der objektiven Sicht des verständigen Durchschnittsnutzers auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller Umstände mit der fremden Äußerung so identifiziert hätte, dass sie als ihre eigenen Äußerungen erscheinen. (vgl. BGH GRUR 2009, 1093 – Rn. 19; BGH GRUR 2010, 616 – marions-kochbuch.de, Rn. 23; Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 8, Rn. 2.27).

Die Bewertung von „S. „ war seinerzeit eine von 46 Bewertungen des Hostels der Klägerin.

Neben den Bewertungen wurden im Portal der Beklagten schon in der Übersicht der Beiträge Informationen wie „Juni 11, Dennis, Alter 14-18, Freunde“ oder „Mai 11, Helena, Alter 19-25“ vorgehalten, in denen aus der objektiven Sicht des verständigen Durchschnittsnutzers Reisezeit, Vornamen, Alter und Reisebegleitung des Bewerters zu erkennen sind, so dass die Beiträge konkreten Personen zugeordnet werden, die durch diese Informationen individualisiert werden. Rief man die vollständigen Beiträge auf, wurden diese Informationen um weitere Details ergänzt.

Die vorgehaltenen Informationen mögen nicht genügen, um die Verfasser der einzelnen Beiträge zu identifizieren. Dem verständigen und durchschnittlich informierten Internetnutzer ist jedoch bekannt, dass Beiträge in Internetforen, Bewertungsportalen etc. in aller Regel nicht unter Klarnamen verfasst werden, zumindest nicht unter dem vollständigen Namen des Verfassers, sondern häufig unter Pseudonymen, sogenannten „nicks“.

Die Vorstellung, dass der Portalbetreiber im vorliegenden Fall durch die Berechnung einer Weiterempfehlungsquote von 80% und einer durchschnittlichen Bewertung mit dem Wert 3,9 nach außen sichtbar die inhaltliche Verantwortung für die einzelnen Beiträge übernehmen wollte, erscheint dem verständigen und durchschnittlich informierten Internetnutzer fernliegend.

Das statistische Auswerten der eingegangenen Bewertungen und das Errechnen dieser Durchschnittswerte hat die Beklagte erkennbar als Außenstehende vorgenommen. Indem sie diese Werte veröffentlicht hat, hat die Beklagte jedenfalls die Stellungnahmen in Frage gestellt, die extrem von den Mittelwerten abweichen, da die Mittelwerte dem Besucher des Portals deutlich zeigen, dass und in welchem Umfang die Meinungen und subjektiven Einschätzungen Einzelner von den Bewertungen der Mehrheit abweichen.

Zeigt die Beklagte dem Besucher der Seite auf, dass die eingegangenen Beiträge in ihrem System bislang durchschnittlich eine Bewertung des Beherbergungsbetriebs der Klägerin mit 3,5 von 6 „Sonnen“ ergeben haben, spricht nichts dafür, dass die Beklagte sich mit der von „S.“ vorgenommenen Bewertung des Betriebs mit einer „Sonne“ nebst den beanstandeten Äußerungen identifizieren und sie sich damit zu Eigen machen will.

(2) Die Erklärung „Nun durchläuft Ihre Bewertung ein aufwändiges TÜV-zertifiziertes Prüfungsverfahren.“ ist Bestandteil der E-Mail, die die Beklagte dem Einsender einer Bewertung zuschickt. Da derjenige, der nur die Bewertungen liest, von dieser Erklärung nichts erfährt, ist sie im Rahmen der hier durchzuführenden Gesamtbetrachtung nicht relevant.

cc) Allein indem die Beklagte Internetnutzern die Möglichkeit bietet, unter ihrem Vornamen oder Pseudonymen Bewertungen von Beherbergungsbetrieben auf ihrer Seite „… .de“ zu veröffentlichen, erfüllt die Beklagte die objektiven Voraussetzungen des Verbreitens von Tatsachenbehauptungen im Sinne des § UWG § 4 Nr. 8 UWG nicht.

Verbreiten im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass der Täter Dritten die Möglichkeit verschafft, vom Inhalt der Behauptung Kenntnis zu nehmen (vgl. BGH GRUR 1995, 427 – Schwarze Liste). Eine konkrete, der Beklagten zuzurechnende menschliche Handlung, die dieses Tatbestandsmerkmal ausfüllt und als geschäftliche Handlung im Sinne des § UWG § 2 Abs. UWG § 2 Absatz 1 Nr. 1 UWG qualifiziert werden könnte, ist jedenfalls für den Zeitraum nach dem Eingang der Hotelbewertung der sich „S.“ nennenden Nutzerin bei der Beklagten dann nicht zu erkennen, wenn der Beitrag automatisch freigeschaltet worden ist.

Nach dem Vorbringen der Beklagten geschieht dies, wenn in einem automatisierten Prüfungsverfahren, das alle Bewertungen durchlaufen, die bei der Beklagten eingehen, keine Auffälligkeiten festgestellt worden sind.

Entgegen der Auffassung der Klägerin genügt es auch nach dem Urteil des BGH GRUR 1995, 247 – Schwarze Liste, für ein Verbreiten der Tatsachenbehauptungen Dritter nicht, dass ein anderer auf welchem Wege auch immer von den beanstandeten Äußerungen Kenntnis erhält.

Der BGH führt dort aus:

„Verbreiten im Sinne des § 14 UWG ist die Weitergabe einer fremden Tatsachenbehauptung; diese muss sich die verbreitende Person nicht zu Eigen gemacht haben (Baumbach/Hefermehl a. a. O. § 14 Rdn. 16; GroßkommUWG/Messer, § 14 Rdn. 103). Es muss lediglich einem Dritten die Möglichkeit verschafft worden sein, von dem Inhalt der Behauptung Kenntnis zu nehmen. Diese Voraussetzungen sind auch nach dem Vortrag der Beklagten erfüllt. Der Beklagte zu 2 hat den Mitarbeiter der Firma S. nicht nur über die Existenz der Liste und die Tatsache informiert, dass darin Unternehmen namentlich aufgeführt sind, welche nicht kreditwürdig erscheinen, sondern es dem Mitarbeiter der Firma S. im Zusammenhang mit dieser Information weiter ermöglicht, auf welchem Wege auch immer, sich eine im Besitz der Beklagten befindliche Liste anzueignen. Diese vom Beklagten zu 2 zu verantwortende Möglichkeit der Kenntnisnahme von der sogenannten „Schwarzen Liste“ durch Dritte erfüllt das Tatbestandsmerkmal des Verbreitens im Sinne des § 14 UWG.“

Die Entscheidung BGH GRUR 1995, 247 – Schwarze Liste (= NJW 1995, 1965) wird in der Kommentarliteratur vielmehr als Beleg für folgende Definition des Verbreitens angeführt: „ein Verhalten, das bewusst die Möglichkeit der Kenntnisnahme von der anderweit aufgestellten Tatsachenbehauptung verschafft, ohne dass sich der Handelnde mit ihr identifiziert“ (Sprau in: Palandt, BGB, 72. Aufl., § 824, Rn. 5).

Wird eine Hotelbewertung am Ende eines automatisierten Prüfungsverfahrens in das Portal der Beklagten eingestellt, ist ein positives Tun, das der Beklagten zuzurechnen wäre und als von der Beklagten zu verantwortende Möglichkeit der Kenntnisnahme bezeichnet werden könnte, nicht zu erkennen. Darüber, ob eine Hotelbewertung ins Netz gestellt wird, entscheidet nicht die Beklagte, sondern allein der Verfasser der Bewertung.

Die technischen Vorgänge, die die Beklagte organisiert, stellen kein Verbreiten im Sinne des § 4 Nr. 8 UWG dar (vgl. auch Wagner in: Münchener Kommentar, BGB, 5. Aufl., § 824, Rn. 30).

dd) Die Beklagte hat zwar in diesem Rechtsstreit die Darstellung der Klägerin nicht bestritten, die von der Beklagten verwendete Filtersoftware habe dazu geführt, dass der Beitrag von „S. „ von einem Mitarbeiter der Beklagten geprüft und anschließend freigegeben worden ist. Auch in der Freigabe ist jedoch kein Verbreiten im Sinne des § 4 Nr. 8 UWG zu sehen (a.A. Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 4, Rn. 8.18).

Derjenige, der lediglich verschiedene Meinungen und Standpunkte zu einem bestimmten Thema zusammen- und gegenüberstellt, damit den Meinungsstand zu diesem Thema dokumentiert und gleichsam einen „Markt der Meinungen“ eröffnet, wird von der Haftung als Verbreiter grundsätzlich ausgenommen (vgl. BGH GRUR 1969, 624 – Hormoncreme; BGH NJW 1976, 1198; BGH NJW 1996, 1131; BVerfG NJW-RR 2010, 470).

Die Beklagte wahrt die erforderliche Distanz zu den veröffentlichten Bewertungen, wenn sie – wie bereits ausgeführt – als erkennbar Außenstehende die eingegangenen Bewertungen statistisch auswertet und mit der Darstellung der Durchschnittswerte jedenfalls die Stellungnahmen in Frage stellt, die extrem von den Mittelwerten abweichen.

Der Beklagten war eine Verletzung der Rechte der Klägerin jedenfalls vor der Anzeige der Klägerin auch nicht bekannt (vgl. hierzu: BGH NJW 2007, 2558). Die von der Beklagten verwendete Filtersoftware ist nur darauf ausgerichtet, Beleidigungen, Schmähkritik und Eigenbewertungen von Hotelbetreibern aufzufinden. Die Prüfung der durch die Software herausgefilterten Bewertungen, die Mitarbeiter der Beklagten vornehmen, erfasst die inhaltliche Richtigkeit der Bewertungen und Berichte nicht.

Im Übrigen wird auf die folgenden Ausführungen unter ee) (2) (b) verwiesen.

ee) Sieht man die Beklagte hingegen als Verbreiterin von Tatsachenbehauptungen im Sinne des § 4 Nr. 8 UWG, stellt sich weiter die Frage, ob die Beklagte sich auf die Haftungsbeschränkungen in § 10 Satz 1, § 7 Abs. 2 TMG berufen kann.

Die Frage ist hier zu bejahen.

Diensteanbieter sind nach den genannten Bestimmungen für fremde Informationen grundsätzlich nicht verantwortlich. Sie sind nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.

Das Landgericht hat zutreffend herausgearbeitet, dass die Beklagte als Betreiberin des Portals „h… .de“ Diensteanbieterin im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 TMG ist.

(1) Der I. Zivilsenat des BGH hat allerdings zumindest früher die Auffassung vertreten, dass dieses Haftungsprivileg auf Unterlassungsansprüche keine uneingeschränkte Anwendung findet (vgl. BGH GRUR 2011, 152 – Kinderhochstühle im Internet, Rn. 26, m. w. N.).

Dem steht die Rechtsprechung des EuGH gegenüber, der bei der Auslegung von Art. 14 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG, deren Umsetzung § 10 Satz 1 TMG § 7 Abs. 2 TMG dienen, gerade nicht zwischen der Haftung auf Schadensersatz und Unterlassung unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2010, GRUR Jahr 2010 Seite 445 – Google France und Google, Rn. 114 ff; EuGH GRUR 2011, GRUR Jahr 2011 Seite 1025 – L’Oréal/eBay, Rn. 107, 108, 139).

Nachdem der BGH (I. Zivilsenat) nunmehr ebenfalls die Haftungsprivilegierung gemäß Art. 14 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG im Rahmen von Unterlassungsansprüchen erörtert hat (vgl. BGH GRUR 2011, 1038 – Stiftparfum, Rn. 22; BGH, Urteil vom 12. Juli 2012, I ZR 18/11 – Alone in the Dark, Rn. 28), wird zum Teil davon ausgegangen, dass der BGH an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr festhalten will (so: Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 8, Rn 2.28; Lorenz jurisPR-itr 6/2012, Anm. 4; von Ungern-Sternberg GRUR 2012, 312, 327).

Dies erscheint einleuchtend.

Die Voraussetzungen für die Feststellung der Verantwortlichkeit eines Vermittlers von Diensten der Informationsgesellschaft sind dem nationalen Recht zu entnehmen. Art. 12 bis 15 der Richtlinie 2000/31/EG schränken die nach nationalem Recht bestehende Verantwortlichkeit ein. (vgl. EuGH GRUR 2010,  445 – Google France und Google, Rn. 107; EuGH GRUR 2011, 1025 – L’Oréal/eBay, Rn. 107).

Dementsprechend hat der BGH in den oben genannten Fällen nach der Feststellung bzw. der Erörterung der Verantwortlichkeit der jeweiligen Beklagten nach den Grundsätzen der Störerhaftung (vgl. BGH GRUR 2011, GRUR Jahr 2011 Seite 1038 – Stiftparfum, Rn. 20, BGH Urteil vom 12. Juli 2012, I ZR 18/11 – Alone in the Dark, Rn. 19) in einem zweiten Schritt überprüft, ob dieses Ergebnis mit den Maßstäben des EuGH in dessen Urteil vom 12. Juli 2011 (GRUR 2011, GRUR Jahr 2011 Seite 1025 – L’Oréal/eBay) in Einklang steht (vgl. BGH GRUR 2011, GRUR Jahr 2011 Seite 1038 – Stiftparfum, Rn. 22; BGH, Urteil vom 12. Juli 2012, I ZR 18/11 – Alone in the Dark, Rn. 19).

Der 6. Zivilsenat des BGH geht jedoch unzweifelhaft weiter davon aus, dass die Haftungsbeschränkung in § TMG § 10 Satz 1 TMG für Unterlassungsansprüche nicht gilt (vgl. BGH GRUR 2012, 311, Rn. 19; BGH GRUR 2012, 751, Rn. 9).

(2) Die Klägerin wirft zu Recht die Frage auf, ob die Beklagte sich angesichts der Verbindung des Bewertungsportals mit dem Betrieb eines Online-Reisebüros auf die Haftungsprivilegierung in § 10 Satz 1, § TMG § 7 Abs. 2 TMG berufen kann.

Der Umstand, dass die vom Betreiber eines mit einem Internetreisebüro verbundenen Hotelbewertungsportals erbrachte Dienstleistung die Speicherung von Informationen umfasst, die ihm von Dritten übermittelt werden, reicht nicht aus, um darauf zu schließen, dass diese Dienstleistung unter allen Umständen in den Anwendungsbereich von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG fällt. Diese Bestimmung ist nämlich nicht nur im Hinblick auf ihren Wortlaut, sondern auch unter Berücksichtigung ihres Zusammenhangs und der Ziele auszulegen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. EuGH GRUR 2011, 1025 – L’Oréal/eBay, Rn. 111).

Wesentliche Voraussetzung dafür, dass der Anbieter eines Internetdienstes vom Anwendungsbereich des Art. 14 der Richtlinie 2000/31/EG erfasst werden kann, besteht darin, dass er „Vermittler“ in dem vom Gesetzgeber im Rahmen von Kapitel II Abschnitt 4 dieser Richtlinie gewollten Sinne ist (vgl. EuGH GRUR 2010, 445 – Google France und Google, Rn. 114; EuGH GRUR 2011, 1025 – L’Oréal/eBay, Rn. 112).

(a) Dies ist nicht der Fall, wenn der Anbieter des Dienstes, anstatt sich darauf zu beschränken, diesen mittels rein technischer und automatischer Verarbeitung der von seinen Kunden eingegebenen Daten neutral zu erbringen, eine aktive Rolle spielt, die ihm eine Kenntnis dieser Daten oder eine Kontrolle über sie verschaffen konnte (EuGH GRUR 2010, 445 – Google France und Google, Rn. 114 und 120; EuGH GRUR 2011, 1025 – L’Oréal/eBay, Rn. 113).

Mit den Tatsachen, dass der Betreiber eines Online-Marktplatzes die Verkaufsangebote auf seinem Server speichert, die Modalitäten für seinen Dienst festlegt, für diesen eine Vergütung erhält und seinen Kunden Auskünfte allgemeiner Art erteilt, lässt sich jedenfalls nicht begründen, dass die in der Richtlinie 2000/31/EG hinsichtlich der Verantwortlichkeit festgelegten Ausnahmen auf ihn keine Anwendung finden (vgl. EuGH GRUR 2011, 1025 – L’Oréal/eBay, Rn. 115).

Auch die Beklagte leistet denjenigen, die sich in ihrem Portal äußern wollen, jedenfalls keine Hilfestellung, die der Unterstützung der als Verkäufer auftretenden Kunden eines Online-Marktplatzes bei der Präsentation ihrer Angebote oder ihrer Werbung vergleichbar ist und dazu führen könnte, dass sie im Verhältnis zwischen den Verfassern der Beiträge auf ihrem Portal und deren Lesern eine neutrale Stellung verlässt, und sich daher nicht mehr auf die in Art. EWG_RL_2000_31 Artikel 14 der Richtlinie 2000/31/EG genannte Ausnahme im Bereich der Verantwortlichkeit berufen kann. (vgl. EuGH GRUR 2011, 1025 – L’Oréal/eBay, Rn. 116)

Allein mit dem Betrieb eines Internetreisebüros lässt sich nach den oben wiedergegebenen Grundsätzen des EuGH entgegen der Auffassung der Klägerin nicht begründen, dass die Beklagte die Rolle einer neutralen Vermittlerin verlassen habe. Wie bereits ausgeführt, wahrt die Beklagte als Portalbetreiberin eine erkennbar distanzierte Position zu den abgegeben Bewertungen, insbesondere zu solchen, die sich als „Ausreißer“ darstellen.

(b) Der Einsatz von Wortfiltern zum Auffinden von Beleidigungen, Schmähkritik etc., einschließlich der Überprüfung der angezeigten Suchergebnisse durch Mitarbeiter der Beklagten, kann nicht dazu führen, dass die Beklagte das Haftungsprivileg verliert.

Die Richtlinie 2000/31/EG lässt die Möglichkeit unberührt, dass die Mitgliedstaaten von Diensteanbietern, die von Nutzern ihres Dienstes bereitgestellte Informationen speichern, verlangen, die nach vernünftigem Ermessen von ihnen zu erwartende und in innerstaatlichen Rechtsvorschriften niedergelegte Sorgfaltspflicht anzuwenden, um bestimmte Arten rechtswidriger Tätigkeiten aufzudecken und zu verhindern (vgl. Erwägungsgrund 48 der Richtlinie).

Geht man davon aus, dass die Beklagte aufgrund nationaler zivil- und strafrechtlicher Vorschriften, die etwa dem Schutz der Persönlichkeitsrechte Dritter dienen, zumindest verpflichtet war, den eingesetzten Wortfilter zu installieren und gegebenenfalls weitere Überprüfungen durch ihre Mitarbeiter ausführen zu lassen, kann die Erfüllung dieser Verpflichtung nicht automatisch zum Verlust des Haftungsprivilegs führen. Die Folgen der Freigabe eines Beitrages nach der Anzeige eines auf eine Beleidigung oder einer Schmähkritik hindeutenden Wortes müssen auf den geschuldeten Prüfungsumfang beschränkt sein. Die Freigabe eines Beitrags, der z. B. das Wort „Fußmarsch“ enthält und der infolge der letzten fünf Buchstaben dieses Wortes in einem auf das entsprechende Schmähwort ausgerichteten Wortfilter hängen geblieben ist, kann nicht dazu führen, dass der Portalbetreiber dafür einzustehen hat, dass alle in diesem Beitrag aufgeführten Tatsachen erweislich wahr sind. Andernfalls wird das von der Richtlinie 2000/31/EG gewollte Haftungsprivileg durch die nach Erwägungsgrund 48 der Richtlinie möglichen nationalen Vorschriften vollständig ausgehöhlt.

Das Landgericht führt zu Recht aus, es sei widersinnig, das Haftungsprivileg nur demjenigen zugute kommen zu lassen, der keinerlei Schutzmaßnahmen vorsehe, nicht aber demjenigen, der durch den Einsatz von Wortfiltern Vorkehrungen gegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen Dritter treffe.

Die obigen Ausführungen gelten entsprechend, soweit die Beklagte Wortfilter einsetzt, die dazu dienen sollen, sogenannte „Fake-Bewertungen“ auszuschließen, insbesondere Eigenbewertungen von Hotelbetreibern und Bewertungen von Konkurrenten, da diese Maßnahmen nicht nur dazu dienen, Authentizität und Attraktivität des Portals zu sichern, sondern auch, um Wettbewerbsverstöße (§ 4 Nr. 7 und 8, § 5 UWG) zu verhindern.

(c) Es ist nicht davon auszugehen, dass der nationale Gesetzgeber – wie aber die Klägerin meint – mit § 4 Nr. 8 UWG von der ihm nach der Richtlinie 2000/31/EG offen gebliebenen Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, für spezifische Fälle Überwachungspflichten einzuführen.

Nach Erwägungsgrund 47 der Richtlinie sind die Mitgliedstaaten nur gehindert, den Diensteanbietern Überwachungspflichten aufzuerlegen, wenn diese Pflichten allgemeiner Art sind. Den allgemeinen Überwachungspflichten werden dort Überwachungspflichten in spezifischen Fällen gegenüber gestellt, die von dem Verbot nicht erfasst sind und für die beispielhaft Anordnungen genannt werden, die von einzelstaatlichen Behörden nach innerstaatlichem Recht getroffen werden.

Überwachungspflichten in spezifischen Fällen sind danach etwa die Maßnahmen, die der Diensteanbieter auszuführen hat, wenn gegen ihn nach dem konkreten Hinweis auf einen Wettbewerbsverstoß, den er nicht abgestellt hat, ein Unterlassungsurteil ergangen ist, um künftig identische und kerngleiche Verstöße zu verhindern. Den allgemeinen Überwachungspflichten stellt Erwägungsgrund 47 der Richtlinie 2000/31/EG mithin anlassbezogene Überwachungspflichten gegenüber. (vgl. Nieland NJW 2010, 1494, 1497).

Die von der Klägerin gewünschte Überwachungspflicht, die darauf gerichtet ist, bei jeder einzelnen Bewertung zu erfassen, ob es sich um im Hinblick auf § 4 Nr. 8 UWG unbedenkliche positive Bewertungen, Meinungsäußerungen oder um unternehmensbezogene, zur Schädigung geeignete Tatsachendarstellungen handelt, legt dem Diensteanbieter eine allgemeine Überwachungspflicht auf. Der Diensteanbieter müsste nach den Vorstellungen der Klägerin jede einzelne Bewertung darauf überprüfen, ob sie – unterstellt sie sei nicht erweislich war – im Sinne des § 4 Nr. 8 UWG unlauterer Wettbewerb wäre.

Ungeachtet der mehr als zweifelhaften Frage, ob sich eine derartige Prüfung mit dem Einsatz eines Wortfilters überhaupt bewerkstelligen lässt, ist dem entgegen zu halten, dass von einem Host-Provider wie der Beklagten bereits ein präventives System der Filterung der von den Nutzern ihrer Dienste auf ihrem Server gespeicherten Informationen, das unterschiedslos auf alle diese Nutzer anwendbar ist, grundsätzlich nicht verlangt werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Februar 2012, C-360/10 – Sabam).

Die hier vertretene Auffassung stellt Hotelbetreiber wie die Klägerin auch nicht rechtlos.

Um eine Beschränkung der Verantwortlichkeit in Anspruch nehmen zu können, muss der Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der in der Speicherung von Information besteht, unverzüglich tätig werden, sobald ihm rechtswidrige Tätigkeiten bekannt werden, um die betreffende Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 2 TMG, Art. 14 Abs. 1 lit. b) der Richtlinie 2000/31/EG, Erwägungsgrund 46 dieser Richtlinie).

(d) Der Auffassung der Klägerin, die Beklagte sei nicht Diensteanbieter im Sinne von § 10 Satz 1, § 7 Abs. 2 TMG, weil sie fremde Informationen nicht nur vorübergehend speichere, ist nicht zu folgen.

Die Legaldefinition des Diensteanbieters findet sich in § 2 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. TMG. Diensteanbieter ist danach jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt. Weder hier noch in § 10 Satz 1, § 7 Abs. 2 TMG findet sich eine Differenzierung nach der Dauer der Speicherung (fremder) Informationen (vgl. auch § 9 TMG).

Auch aus der Legaldefinition des Dienstes der Informationsgesellschaft in Art. 2 lit. a) der Richtlinie 2000/31/EG oder Art. 14 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG ergibt sich eine derartige Differenzierung nicht.

Die Klägerin stützt ihre Auffassung auf den Erwägungsgrund 42 der Richtlinie 2000/31/EG:

„Die in dieser Richtlinie hinsichtlich der Verantwortlichkeit festgelegten Ausnahmen decken nur Fälle ab, in denen die Tätigkeit des Anbieters von Diensten der Informationsgesellschaft auf den technischen Vorgang beschränkt ist, ein Kommunikationsnetz zu betreiben und den Zugang zu diesem zu vermitteln, über das von Dritten zur Verfügung gestellte Informationen übermittelt oder zum alleinigen Zweck vorübergehend gespeichert werden, die Übermittlung effizienter zu gestalten. Diese Tätigkeit ist rein technischer, automatischer und passiver Art, was bedeutet, dass der Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft weder Kenntnis noch Kontrolle über die weitergeleitete oder gespeicherte Information besitzt.“.

Die Klägerin verkürzt die dort genannten Ausnahmen, wenn sie ausschließlich darauf abstellt, ob „die Tätigkeit des Anbieters von Diensten der Informationsgesellschaft auf den technischen Vorgang beschränkt ist, von Dritten zur Verfügung gestellte Informationen zum alleinigen Zweck vorübergehend zu speichern, die Übermittlung effizienter zu gestalten“.

Die zweite Alternative im ersten Satz des Erwägungsgrundes 42 „Fälle …, in denen die Tätigkeit des Anbieters von Diensten der Informationsgesellschaft auf den technischen Vorgang beschränkt ist, ein Kommunikationsnetz zu betreiben … oder zum alleinigen Zweck vorübergehend gespeichert werden, die Übermittlung effizienter zu gestalten, betrifft nur das in Art. 13 der Richtlinie 2000/31/EG geregelte Caching (vgl. auch § 9 TMG).

Das Betreiben eines Hotelbewertungsportals gehört hingegen zu den Fällen, „in denen die Tätigkeit des Anbieters von Diensten der Informationsgesellschaft auf den technischen Vorgang beschränkt ist, ein Kommunikationsnetz zu betreiben und den Zugang zu diesem zu vermitteln, über das von Dritten zur Verfügung gestellte Informationen übermittelt … werden.“

(e) Die von der Klägerin aufgeworfene Frage nach der Anwendbarkeit der Richtlinie 2000/31/EG auf ein in der Schweiz ansässiges Unternehmen wie die Beklagte stellt sich nicht.

Diese Richtlinie hat der nationale Gesetzgeber mit dem TMG umgesetzt, ohne hinsichtlich der Haftungsprivilegierung zwischen Diensteanbietern aus Mitgliedstaaten und Drittstaaten zu unterscheiden.

Anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 3 der Richtlinie 2000/31/EG oder § 3 TMG.

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG ist ein Korrektiv auf materiell-rechtlicher Ebene, durch die die sachlich-rechtlichen Ergebnisse des nach den nationalen Kollisionsnormen für anwendbar erklärten Rechts inhaltlich modifiziert und auf die Anforderungen des Herkunftslandes reduziert werden (EuGH NJW 2012, 137, Rn. 68).

Dementsprechend enthält auch § 3 TMG nur ein sachrechtliches Beschränkungsverbot (BGH GRUR 2012, 850, Rn. 30).

Inwieweit der Erwägungsgrund 58 der Richtlinie 2000/31/EG, nach dem die Richtlinie keine Anwendung auf Dienste von Anbietern finden soll, die in einem Drittland niedergelassen sind, Schweizer Unternehmen von den Haftungsprivilegien in § 10 Satz 1, § 7 Abs. 2 TMG ausschließen soll, ist nicht nachzuvollziehen.

Dementsprechend ist auch der BGH in seinem Urteil vom 12. Juli 2012, I ZR 18/11 – Alone in the Dark, offensichtlich davon ausgegangen, dass § 7 Abs. 2 Satz 1 TMG für eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz gilt und auch in dieser Konstellation an Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG und der Rechtsprechung des EuGH zu messen ist (vgl. dort Rn. 1, 19, 20).

3. Der Unterlassungsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 3 UWG.

Der Klägerin ist ohne weiteres zuzugestehen, dass die Beklagte im Hinblick auf die Rechte der betroffenen Tourismusunternehmen eine besondere Gefahrenlage schafft, wenn sie jedwedem Internetnutzer die Möglichkeit bietet, sich (wertend) über diese Unternehmen und ihre Leistungen zu äußern. Ihr ist weiter zuzugestehen, dass diese Gefahrenlage sich noch verschärft, wenn die Beklagte Internetnutzern die Möglichkeit gibt, sich unerkannt, d. h. unter einem Pseudonym, zu äußern.

Trotz dieser Ausgangslage haftet die Antragsgegnerin aber auch unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht nicht als Täterin eines Wettbewerbsverstoßes.

Aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, die ihm zumutbaren Maßnahmen und Vorkehrungen treffen muss, die zur Abwendung der daraus Dritten drohenden Gefahren notwendig sind, ist grundsätzlich abzuleiten, dass derjenige, der durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die Gefahr schafft, dass Dritte wettbewerbsrechtlich geschützte Interessen anderer verletzen, dazu verpflichtet ist, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen (vgl. BGH GRUR 2007, 890 – Jugendgefährdende Medien bei eBay, Rn. 22, 36; BGH GRUR 2008, 530 – Nachlass bei der Selbstbeteiligung, Rn. 21).

Die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht eines Telediensteanbieters hinsichtlich rechtsverletzender fremder Inhalte konkretisiert sich als Prüfungspflicht. Voraussetzung einer Haftung des Telediensteanbieters ist daher eine Verletzung von Prüfungspflichten. Deren Bestehen wie Umfang richtet sich im Einzelfall nach einer Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen. Überspannte Anforderungen dürfen im Hinblick darauf, dass es sich um eine erlaubte Teilnahme am geschäftlichen Verkehr handelt, nicht gestellt werden. Entsprechend den zur Störerhaftung entwickelten Grundsätzen kommt es entscheidend darauf an, ob und inwieweit dem in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist. Damit wird einer unangemessenen Ausdehnung der Haftung für Rechtsverstöße Dritter entgegengewirkt. (vgl. BGH GRUR 2007, 890 – Jugendgefährdende Medien bei eBay, Rn. 38)

Der Beklagten dürfen keine Anforderungen auferlegt werden, die ihr von der Rechtsordnung gebilligtes Geschäftsmodell gefährden oder ihre Tätigkeit unverhältnismäßig erschweren. In diesem Zusammenhang ist nicht nur die Regelung des § 7 Abs. 2 TMG zu beachten (vgl. BGH GRUR 2007, 890 Jugendgefährdende Medien bei eBay, Rn. 39). Zugunsten der Beklagten fällt auch ins Gewicht, dass die Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit auf Äußerungen, die unter dem vollständigen, bürgerlichen Namen einer Person abgegeben werden, mit Art. 5 Abs. 1 GG nicht vereinbar ist (vgl. BGH NJW 2009, 2888, Rn. 38, sowie  § 13 Abs. 6 TMG).

a) Die Grenze zumutbarer Überwachungspflichten ist jedenfalls dann erreicht, wenn keine Merkmale vorhanden sind, die sich zur Eingabe in ein Suchsystem eignen (vgl. BGH GRUR 2007, 708 – Internetversteigerung II, Rn. 47).

Betrachtet man die beanstandeten Aussagen

a) die Matratze besteht aus ca. 4 cm Schaumstoff

b) sauber war nur das Badezimmer

c) die Zimmer bzw. Betten waren mit Bettwanzen befallen

d) eine Mitarbeiterin der Antragstellerin habe behauptet, dass dies schon mal vorkomme,

e) die verseuchten Zimmer seien (erst) auf mehrmalige telefonische Nachfrage geschlossen worden,

f) das Zimmer sei mit einem Fernseher anno 91 ausgestattet gewesen,

g) das Fernsehgerät sei absichtlich schlecht befestigt, da bei Beschädigung 50,- € gezahlt werden müssten.

ist zumindest bei den Aussagen a), b), d) f) und g) nicht erkennbar, welche Wörter in einem Wortfilter zur Anzeige eines problematischen Inhalts der Bewertung hätten führen sollen.

Das Wort „Bettwanzen“ in der Aussage c) erscheint zur Eingabe in ein Suchsystem ebenfalls nicht geeignet, da nicht nachzuvollziehen ist, warum damit letztendlich jede Erwähnung von Ungeziefer zur Folge haben muss, dass der Portalbetreiber vor der Veröffentlichung der Bewertung die Beweisbarkeit der Aussage sicherstellen und damit letztendlich die Wahrheit der Darstellung überprüfen müsste.

Entsprechendes gilt für das Wort „verseuchten“ in der Aussage e), da damit auch ein starker Verschmutzungsgrad beschrieben werden kann.

Beleidigenden Charakter, wie etwa häufig die Begriffe „Schmeißfliege“ oder „Zecke“, haben die Begriffe „Bettwanze“ und „verseucht“ jedenfalls nicht.

b) Das berechtigte Interesse der Beklagten an Schutz vor unwahren geschäftsschädigenden Tatsachenbehauptungen kann nicht zu einer Verpflichtung der Beklagten führen, jede Bewertung vor Veröffentlichung im Internet auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu untersuchen. Dem entspricht die gesetzliche Regelung in § 7 Abs. 2 TMG, die eine entsprechende Verpflichtung ausschließt. (vgl. BGH GRUR 2007, 890 – Jugendgefährdende Medien bei eBay, Rn. 41).

Die von der Klägerin gewünschte Überwachungspflicht, die darauf gerichtet ist, bei jeder einzelnen Bewertung zu erfassen, ob es sich um im Hinblick auf § 4 Nr. 8 UWG unbedenkliche positive Bewertungen, Meinungsäußerungen oder um unternehmensbezogene, zur Schädigung geeignete Tatsachendarstellungen handelt, führt aber dazu, dass die Beklagte -wie bereits ausgeführt – jede einzelne Bewertung darauf überprüfen müsste, ob diese – unterstellt sie sei nicht erweislich wahr – im Sinne des § 4 Nr. 8 UWG unlauterer Wettbewerb wäre.

Eine Beschränkung der Prüfungspflicht auf „schlechte“ Bewertungen ist nicht nur wegen des unbestimmten Maßstabs ungeeignet, den Prüfungsumfang auf das Zumutbare zu beschränken. Ob ein Erfahrungsbericht eine schlechte Bewertung eines Hostels enthält, lässt sich auch nur dann feststellen, wenn Mitarbeiter der Beklagten jede einzelne Bewertung durchlesen.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, da zum einen die Frage, ob sich der Betreiber eines mit dem Betrieb eines Internetreisebüros verbundenen Bewertungsportals die Bewertungen der Portalnutzer zu Eigen macht, wenn er einen Wortfilter einsetzt und im Fall einer Anzeige nach Prüfung durch Mitarbeiter freigibt, von grundsätzlicher Bedeutung sein dürfte.

Dies gilt aber auch für die Frage, ob sich ein solcher Unternehmer (gegenüber Unterlassungsansprüchen) auf die Haftungsprivilegierung in § 10 Satz 1, § 7 Abs. 2 TMG berufen kann.

KG Berlin, Urt. v. 16.04.2013 – 5 U 63/12: § 10 TMG ist auf Unterlassungsansprüche anwendbar

Die Kanzlei Dr. Bahr bericht über ein Urteil des KG Berlin, Urt. v. 16.04.2013 – 5 U 63/12, in dem eine Haftung der Bewertungsplattform Holidaycheck.com für unwahre Tatsachenbehauptungen abgelehnt worden sein soll.

Update: Mittlerweile liegt der Volltext vor.

Der Volltext der Entscheidung liegt leider noch nicht vor. Dr. Bahr berichtet zum Inhalt aber u.a. folgendes:

Darüber hinaus komme die Beklagte in den Genuss der Haftungsprivilegierung des § 10 TMG. Obgleich nach der (älteren) Rechtsprechung des BGH diese Norm auf Unterlassungsansprüche keine Anwendung finde, bejaht das KG Berlin im vorliegenden Fall dessen Gültigkeit.

Das Urteil des KG Berlin ist aus diesem Grunde hochspannend. Denn seit dem Jahr 2004 hat der BGH in ständiger Rechtsprechung die Anwendung der Privilegierungsnormen auf Unterlassungsansprüche abgelehnt. Dies war in der Literatur mehrfach kritisiert worden (z.B. durch Spindler, GRUR 2011, 101, 102), wobei insbesondere in Frage stand, ob die Rechtsprechung des BGH mit Art. 15 E-Commerce-RL (bzw. § 7 Abs. 2 TMG) vereinbar ist.

Wohl auch als Folge der EuGH-Entscheidung L’Oréal vs. eBay (EuGH, Urt. v. 12.7.2011, GRUR 2011, 1025 Rn. 139) hat der BGH zuletzt auch im Rahmen der Prüfung von Unterlassungsansprüchen Stellung zur Anwendung der Privilegierungsregelungen genommen (BGH, Urt. v. 12.7.2012 – I ZR 18/11, NJW 2013, 784 Rn. 21 ff.  – Alone in the Dark; BGH, Urt. v. 17.8.2011 – I ZR 57/09, GRUR 2011, 1038 Rn. 22; vgl. auch BGH, Urt. v. 29.4.2010 – I ZR 69/08, GRUR 2010, 628 Rn. 39 – Vorschaubilder I; BGH, Urt. v. 12.05.2010 – I ZR 121/08, MMR 2010, 565 Rn. 24 – Sommer unseres Lebens), was er in den vorhergegangenen Entscheidungen jeweils nicht getan hatte. Ausdrücklich ist der BGH aber von seiner bisherigen Linie nicht abgerückt.

Die Entscheidung des KG Berlin könnte daher diese Tendenzen in der Rechtsprechung des BGH aufgegriffen und konsequent weitergeführt haben. Damit hätte das KG Berlin als (nach meinem Dafürhalten) erstes deutsches Gericht diese Abkehr vollzogen.

Es bleibt abzuwarten, was dann im Volltext des Urteils steht…