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OLG Frankfurt: Keine Begehungsgefahr bei Host Provider, der nach Kenntnis von Rechtsverletzung angegriffenen Inhalt entfernt und ankündigt, den Sachverhalt zu prüfen

Ich möchte nur kurz auf einen aktuellen Beschluss des OLG Frankfurt am Main (Beschl. v. 18.6.2015 – 16 W 29/15; vorgehend LG Frankfurt am Main, Beschl. v. 13.5.2015 – 2-03 O 198/15) hinweisen:

Im zugrundeliegenden Fall hatte sich die Antragstellerin wegen persönlichkeitsrechtsverletzender Inhalte eines Nutzers an gegen eine Bewertungsplattform gewandt. Der Betreiber der Bewertungsplattform entfernte daraufhin den Inhalt und teilte mit, dass er den Sachverhalt prüfen werde. Das werde ca. 2-3 Wochen in Anspruch nehmen.

Nach Ablauf dieser Frist beantragte die Antragstellerin beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung nach Ablauf dieser Frist und begründete dies u.a. damit, dass eine Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr vorliege, da jederzeit drohe, dass der Host Provider den Inhalt erneut einstellen werde.

Landgericht und Oberlandesgericht Frankfurt am Main wiesen dieses Ansinnen zurück.

Die Haftung des Host Providers als Störer konnte erst entstehen, wenn die Antragsgegnerin den Inhalt nicht entfernt und/oder kein Prüfungsverfahren durchführt (vgl. BGH GRUR 2012, 311 – Blog-Eintrag). Mit anderen Worten: Zum Zeitpunkt der Anzeige der Rechtsverletzung haftete der Host Provider noch nicht als Störer, so dass insbesondere keine Wiederholungsgefahr indiziert wird. Durch die Entfernung des angegriffenen Inhalts fehlte es damit an einer die Haftung begründenden Rechtsverletzung durch den Host Provider.

LG und OLG sahen auch bei Ablauf der vom Host Provider angegebenen Frist keine (neu entstehende) Erstbegehungsgefahr. Eine konkrete Absicht des Host Providers, den Beitrag nach der Prüfung wieder online zu stellen, sei nicht zu erkennen gewesen.

Bundesgerichtshof zur Störerhaftung des Anschlussinhabers bei Filesharing volljähriger Kinder – Bearshare

Der Bundesgerichtshof hat heute zur Frage der Störerhaftung des Anschlussinhabers für die Urheberrechtsverletzung eines volljährigen Kindes Stellung genommen (BGH, Urt. v. 8.1.2014 – I ZR 169/12 – BearShare, Pressemitteilung hier).

Dazu führt der BGH laut Pressemitteilung insbesondere aus:

Bei der Überlassung eines Internetanschlusses an volljährige Familienangehörige ist zu berücksichtigen, dass die Überlassung durch den Anschlussinhaber auf familiärer Verbundenheit beruht und Volljährige für ihre Handlungen selbst verantwortlich sind. Im Blick auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Familienangehörigen und die Eigenverantwortung von Volljährigen darf der Anschlussinhaber einem volljährigen Familienangehörigen seinen Internetanschluss überlassen, ohne diesen belehren oder überwachen zu müssen; erst wenn der Anschlussinhaber – etwa aufgrund einer Abmahnung – konkreten Anlass für die Befürchtung hat, dass der volljährige Familienangehörige den Internetanschluss für Rechtsverletzungen missbraucht, hat er die zur Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Da der Beklagte nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen keine Anhaltspunkte dafür hatte, dass sein volljähriger Stiefsohn den Internetanschluss zur rechtswidrigen Teilnahme an Tauschbörsen missbraucht, haftet er auch dann nicht als Störer für Urheberrechtsverletzungen seines Stiefsohnes auf Unterlassung, wenn er ihn nicht oder nicht hinreichend über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen belehrt haben sollte.

Ähnlich hatte der BGH schon zu einem minderjährigen Kind geurteilt (BGH, Urt. v. 15.11.2012 – I ZR 74/12 – Morpheus), das Urteil schreibt die bisherige Auffassung des BGH daher fort.

Zwei Punkte sind bisher bemerkenswert, auch wenn der Volltext noch nicht vorliegt, und die Pressemitteilung allein mit Vorsicht zu sehen ist (vgl. zum Fall BGH – Sommer unseres Lebens, bei dem Pressemitteilung und Urteilsgründe im Hinblick auf § 97a Abs. 2 UrhG (a.F.) deutlich voneinander abwichen Mantz, MMR 2010, 568):

  • Der BGH stellt auch bei privaten Anschlussinhabern darauf ab, ob es Anhaltspunkte für eine Urheberrechtsverletzung gab. Wie der BGH dies begründet, wird spannend zu sehen. Eventuell könnte hier im Hinblick auf die Störerhaftung ein (teilweiser) Gleichlauf mit anderen Fallkonstellationen greifen. Bei gewerblichen Anbietern geht der BGH nämlich mittlerweile davon aus, dass eine Störerhaftung erst ab Kenntnis greift (BGH, GRUR 2011, 1038 Rn. 21??f. – Stiftparfu?m; BGH GRUR 2013, 370 – Alone in the Dark; BGH, GRUR 2013, 751 – Autocomplete). Hier wird man die Gründe abwarten müssen.
  • Außerdem stellt der BGH die familiäre Bindung in den Vordergrund. Schon in der Morpheus-Entscheidung (BGH, Urt. v. 15.11.2012 – I ZR 74/12 – Morpheus) hatte der BGH dies herausgehoben. Es lässt sich daher mit Fug und Recht behaupten, dass in einer Familie eine Störerhaftung des Anschlussinhabers kaum greifen wird. Wie das dann z.B. in Wohngemeinschaften zu beurteilen ist, ist allerdings noch offen.

Keine konkreten Hinweise enthält die Pressemitteilung zu der Frage der Darlegungs- und Beweislast, also insbesondere, ob der BGH zu Lasten des Anschlussinhabers weiterhin von einer Vermutung der Täterschaft ausgeht, die der Anschlussinhaber (z.B. durch den Vortrag, dass ein volljähriges Kind den Internetanschluss mitnutzt) erst erschüttern müsste. Da der BGH allerdings auf die familiäre Bindung abstellt, scheint er weiterhin von dieser Vermutung auszugehen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere ein kürzlich ergangener Beschluss des OLG Hamm (OLG Hamm, Beschluss vom 4.11.2013, Az.: 22 W 60/13) zu nennen, das substantiiertes Bestreiten für eine Erschütterung der Vermutung hat ausreichen lassen. Es bleibt allerdings dabei, dass – in Angesicht des Umstandes, dass die Nutzung eines Internetanschlusses durch eine Mehrzahl von Personen heutzutage die Regel und nicht die Ausnahme ist – schon die Vermutung auf tönernen Füßen steht bzw. stehen sollte.

Nun müssen wir die Entscheidungsgründe abwarten…

S. zu dem Urteil auch:

Interessant ist, dass der BGH auf die familiäre Bindung abstellt.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.10.2013 – 11 W 39/13: Prüfungspflichten des Admin-C erst ab Kenntnis

OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.10.2013 – 11 W 39/13: Prüfungspflichten des Admin-C erst ab Kenntnis von der konkreten Rechtsverletzung

Leitsätze (des Verfassers):

1. Es ist dem Admin-C nicht zuzumuten, jeden Inhalt der Domains, bei denen er die Stellung und Funktion eines Admin-C übernommen hat, auf urheberrechtsverletzende Inhalte zu untersuchen. Eine Vorabprüfung kann daher nicht verlangt werden.

2. Eine Prüfungspflicht des Admin-C im Hinblick auf geschützte Werke kann erst entstehen, nachdem er auf eine klare Rechtsverletzung in Bezug auf das konkrete Werk hingewiesen wurde. Erst ab diesem Zeitpunkt ist der Admin-C dazu verpflichtet, die konkreten Angebote auf der Domain unverzüglich zu sperren.

3. Nach Kenntnis hat der im Rahmen dessen, was ihm technisch und wirtschaftlich zumutbar ist, dafür Sorge zu tragen, dass weder der für die angezeigte Verletzung verantwortliche Domaininhaber, noch andere Domaininhaber, bei denen er als Admin-C fungiert, auf ihren Websites die ihr konkret benannten urheberrechtlich geschützten Werke anbieten.

4. Diese Prüfungspflicht bezieht sich nur auf gleichartige Rechtsverletzungen. Im Sinne der Störerhaftung sind Verletzungshandlungen gleichartig, durch die das Urheberrecht erneut verletzt wird. Dabei kommt es nicht auf die Person desjenigen an, der durch das Zugänglichmachen des geschützten Lichtbilds den Verletzungstatbestand erfüllt.

Volltext des Urteils zum Download

Anmerkung:

Das OLG Frankfurt hat mit Beschluss vom 21.10.2013 zu den Prüfungspflichten des Admin-C Stellung genommen. Dabei hat sich das OLG Frankfurt insbesondere der neueren BGH-Rechtsprechung angeschlossen, dass Prüfungspflichten des Internet Service Providers erst ab Kenntnis von der konkreten und klaren Rechtsverletzung entstehen können (ebenso BGH, Urt. v. 14.5.2013 – VI ZR 269/12, MMR 2013, 535 – Google-Autocomplete; BGH, Urt. v. 27.3.2012 – VI ZR 144/11, MMR 2012, 623 – RSS-Feeds; BGH, Urt. v. 12.7.2012 – I ZR 18/11, NJW 2013, 784 – Alone in the Dark). Vor diesem Zeitpunkt ist dementsprechend ein Anspruch aus Störerhaftung nicht begründet. Wer also nach Hinweis das rechtsverletzende Werk unverzüglich entfernt, der haftet nicht nach den Grundsätzen der Störerhaftung (so auch zum Portalbetreiber OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.10.2013 – 4 W 78/13).

Anschließend hat das OLG Frankfurt sich mit dem konkreten aus den Grundsätzen der Störerhaftung resultierenden Pflichtenprogramm des Admin-C beschäftigt:

Auf der einen Seite zieht das OLG Frankfurt die Prüfungspflichten sehr weit. Der Admin-C, der auf eine konkrete klare Rechtsverletzung (hier: eines Urheber- bzw. Lichtbildrechts) hingewiesen wird, muss nicht nur dafür Sorge tragen, dass das geschützte Werk von der betroffenen Domain entfernt wird, er muss „im Rahmen des ihm technisch und wirtschaftlich zumutbaren“ auch dafür Sorge tragen, dass das konkrete Werk auf allen von ihm betreuten Domains (auch von anderen Domain-Inhaber) entfernt wird. Diese Pflicht ist extrem weit. Es stellt sich die Frage, wie der Admin-C die von ihm betreuten Domains prüfen soll. Denn häufig hat der Admin-C auf die Inhalte der von ihm betreuten Domains keine unmittelbaren Zugriffsmöglichkeiten, sondern kann diese wie ein normaler Nutzer nur „von außen“ einsehen. Er könnte dies z.B. durch eine auf die von ihm betreuten Domains eingeschränkte Websuche („site: abc.de“) versuchen.

Allerdings schränkt das OLG Frankfurt die Pflichten des Admin-C durch den Begriff der technischen und wirtschaftlichen Zumutbarkeit. Bei einem Admin-C, der nur eine relativ geringe Anzahl an Domains betreut, wird eine Prüfung nach den Maßstäben des OLG Frankfurt daher noch zumutbar sein. Von einem Admin-C, der mehrere hundert oder tausend Domains betreut, wird eine solche Prüfung aber nicht zu verlangen sein. In diesem Fall dürfte aber nach dem OLG Frankfurt eine Pflicht zur Prüfung aller Domains des betroffenen Domain-Inhabers bestehen.

Auf der anderen Seite schränkt das OLG Frankfurt – wohl im Hinblick auf den oben dargestellten weiten Rahmen – ebenfalls unter Rückgriff auf die neuere BGH-Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 12.7.2012 – I ZR 18/11, NJW 2013, 784 – Alone in the Dark) den Begriff der „kerngleichen Rechtsverletzung“ deutlich ein. Eine kerngleiche Rechtsverletzung soll sich nämlich allein auf das konkrete Werk beziehen. Andere, auch ähnliche Werke, sind davon nicht mehr umfasst. Im vorliegenden Fall ging es um ein Lichtbildwerk, das vermutlich den Antragsteller zeigte. Der Admin-C musste hier nicht alle Werke entfernen, die die betroffene Person zeigen, sondern nur und ausschließlich das konkret benannte Werk, das durch die angezeigte Rechtsverletzung betroffen ist (ebenso BGH, Urt. v. 12.7.2012 – I ZR 18/11, NJW 2013, 784 Rn. 32 – Alone in the Dark).