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Italien: Urteil zu Creative Commons-Lizenzen

Rechtsanwalt Simone Aliprandi, Autor des Buchs „Open Standards“, berichtet in seinem Blog über ein Urteil des Tribunale di Milano zu Creative Commons (Volltext auf Italienisch hier zum Übersetzen mit Google Translate, leider aber mit Google Translate kaum verständlich). Nach seiner Aussage handelt es sich um das erste Urteil eines italienischen Gerichts, das sich mit Creative Commons befasst.

Aus dem Urteil übersetzt Aliprandi in seinem Beitrag u.a. wie folgt (ins Englische):

It is as undisputed as well documented that Mr. Simone Aliprandi has right now manifested to his counterpart the need for applying a Creative Commons licenses to the publication and that this need comes from a specific legal reason, given that the work would contain extracts of other existing publications, which were released with similar licenses and whose use in derivative works was conditioned to the application of the same license.

Das Urteil des Tribunale de Milano bestätigt also die Wirksamkeit von Creative Commons-Lizenzen auch nach italienischem Recht.

In Deutschland gab es mittlerweile eine Reihe von Urteilen zu Creative Commons, zuletzt des OLG Köln (dazu meine Gedanken) und des LG Köln  (s. dazu auch die Anmerkung von Till Jaeger und mir in der MMR), des LG Berlin aus dem Jahre 2010 (s. auch hier).

Ferner hatte ich in einem Artikel für die GRUR International (GRURInt 2008, 20) über Urteile aus den Niederlanden, USA und Spanien berichtet (PDF), 2010 war noch ein Urteil eines belgischen Gerichts, 2011 das eines israelischen Gerichts (dazu Efroni, GRURInt 2011, 282) bekannt geworden.

Gemein ist im Grunde allen Urteilen, dass Creative Commons-Lizenzen wirksam sind und den Nutzer binden – er muss sich also an die Bedingungen der Lizenz halten. In den Einzelheiten steckt noch immer die Schwierigkeit und weiterhin Bedarf für Klärung. So hatte das OLG Köln z.B. kürzlich den Schadensersatz aufgrund der Lizenzanalogie mit 0,- EUR angesetzt, was ich für falsch halte.

Vielen Dank für den Hinweis auf den Beitrag von Aliprandi an Dr. Till Jaeger. Wer noch mehr Entscheidungen aus dem Bereich kennt: Über eine kurze Nachricht freue ich mich.

 

Öffentliches WLAN als Wirtschaftsfaktor – nicht in Deutschland, aber in Italien

Bild: paz.caCC BY 2.0

Ulf Buermeyer hat in der FAZ vom 24.10.2014 lesenwert und pointiert dargestellt, wie Deutschland zu öffentlichen WLANs steht: German Angst. Denn über WLANs könnte ja etwas passieren (Stichwort „Gefahrenquelle“, s. dazu aus juristischer Sicht auch hier).

Dass diese Haltung nicht nur nicht überall geteilt wird, sondern Deutschland damit ziemlich allein steht, hatte insbesondere der Kommentar einer Journalistin von der New York Times in der Vorstellung der Digitalen Agenda gezeigt (aus dem Beitrag von Ulf Buermeyer):

Sein Amtskollege hatte soeben eine Journalistin der „New York Times“ abblitzen lassen, die gefragt hatte, warum es in Deutschland kaum drahtlose Internetzugänge für die Allgemeinheit gibt: „In anderen Ländern gilt W-Lan als ein freier, öffentlicher Raum.“

WLAN als freier, öffentlicher Raum – das ist auch die Devise, die z.B. die Freifunk-Community vertritt. Hinzu kommt, dass öffentliche WLANs die Digitale Kluft, den sog. Digital Divide, vermindern können.

Ein ganz anderes Argument ist noch, dass öffentliche WLANs die Wirtschaft ankurbeln können (z.B. auch durch Bekämpfung des Digitale Divide …). Und genau dies hat nun Italien erkannt und möchte den Aufbau von öffentlichen WLANs fördern. Immerhin 5 Millionen Euro sollen hier investiert werden, wie verschiedene Nachrichtenagenturen berichten, z.B. Reuters

Free Wi-Fi would have a big cultural impact and help the economy recover, starting from industries such as tourism.

Ein weiteres Argument, mehr öffentliche WLANs in Städten aufzubauen, Rechtsunsicherheiten zu beseitigen und Communities wie Freifunk zu unterstützen. Letzteres ist übrigens ein einfacher und vor allem kostengünstiger Weg auch für Kommunen! Und in Italien gibt es ebenfalls eine sehr starke Community: Guifi.net

S. dazu auch bei:

Funktion und Bedeutung des WLAN-Access Providers – Italien fordert in Erdbebengebieten Bürger zur Öffnung ihres WLAN auf

Wie Spiegel Online meldet, haben Städte und Gemeinden der von schweren Erdbeben betroffenen Region ihre Bürger aufgefordert, ihr WLAN zu öffnen. Grund dafür ist, schnell eine einfache Kommunikationsstruktur wieder aufzubauen. Diese kann sowohl Bürgern wie Rettungskräften zu Gute kommen, bis die Folgen der Erdbeben für das Kommunikationssystem wieder behoben sind.

Der Fall wirft ein deutliches Schlaglicht auf die Relevanz des Zugangs zum Internet und allgemein des Zugangs zu Kommunikationssystemen. Und letztlich ist dieser Punkt auch in rechtlicher Hinsicht beachtlich:

Wenn eine Kommunikationsstruktur zur Begehung von Rechtsverletzungen genutzt wird, greift potentiell das deutsche Konstrukt der Störerhaftung: Der Anschlussinhaber soll als Mitwirkender an der Rechtsverletzung des (möglicherweise unbekannten) Dritten wenigstens auf zukünftige Unterlassung haften. Nun zeigt das Beispiel der italienischen Städte und Gemeinden, dass ein offenes WLAN nicht Gefahrenquelle ist (dazu näher Mantz, JurPC 95/2010, Abs. 11 ff.; Garcia, Grundrecht auf Freifunken, Telepolis v. 19.4.2010, http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32466/1.html = http://delegibus.com/2010,2.pdf), sondern eine wichtige gesellschaftliche Funktion erfüllt.

Die gesellschaftliche Funktion eines Dienstes, der für Rechtsverletzungen genutzt werden kann, hat der BGH schon früh in seine Überlegungen und die Einzelfallabwägung im Rahmen der Störerhaftung einbezogen (BGH NJW 2001, 3265, 3267 – ambiente.de; BGH GRUR 2003, 969, 970 f.; vgl. BGH NJW 1997, 2180, 2181 – Architektenwettbewerb; BGH GRUR 1997, 909, 911 – Branchenbuch-Nomenklatur; BGH GRUR 1999, 418, 429 – Möbelklassiker, jeweils m.w.N.). Im Ergebnis leuchtet dies sofort ein: Niemandem ist zu vermitteln, dass die Post als neutraler Dienstleister für die durch ihre Kunden in rechtsverletzender verschickten Pakete haften soll – oder die Telekom für die Verwendung ihrer Telefonzelle. Nicht anders ist es zu beurteilen, wenn ein – ebenfalls neutraler – Zugang zum Internet eröffnet wird.

Auch wenn der Aufruf der italienischen Städte nur der vorübergehenden Öffnung von WLANs dienen soll, zeigt er doch, wie wichtig heutzutage der freie Zugang zu Kommunikationsstruktur ist, nicht nur zur Überbrückung des sog. Digital Divide (dazu Autengruber, Freie Netze, 17; Dobusch, in: Lutterbeck/Bärwolff/Gehring, Open Source Jahrbuch 2007, 523, 525; Hiesmair/Dobusch, in: Dobusch/Forsterleitner, Freie Netze.Freies Wissen, 13, 16 f.; Zwingenberger, Soziales Kapital: Communities und die Bedeutung sozialer Netzwerke in den USA, München 2003, S. 287 f.).