Auf Netzpolitik.org ist heute ein Artikel mit dem Titel „Wird der Bundestagspräsident Markus Beckedahl verklagen?“ von Andre Meister bzw. Christian Humborg, Geschäftsführer von Transparency International Deutschland, erschienen.
Darin wird thematisiert, dass Markus Beckedahl auf Netzpolitik.org ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zur Nichtumsetzung der UN-Konvention gegen Korruption und insbesondere der Abgeordnetenbestechung veröffentlicht hat, an dem der wissenschaftliche Dienst des Bundestages bzw. die Bundestagsverwaltung als Inhaberin der entsprechenden Verwertungsrechte angeblich Rechte geltend macht, um eine Weiterveröffentlichung zu verhindern. In dem Beitrag heißt es u.a.:
Das Urheberrecht wird zu einem neu entdeckten Instrument, um unliebsame Veröffentlichungen zu erschweren.
Weiter wird das Verhältnis des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) und des Urheberrechts angesprochen. Und tatsächlich mutet es seltsam an: Ein Beitrag, den jeder aufgrund des IFG herausverlangen kann bzw. könnte, darf dennoch nicht verbreitet werden. Schauen wir uns das mal etwas genauer an:
Der Anspruch der Bundestagsverwaltung gegen Netzpolitik/Markus Beckedahl könnte sich aus § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG ergeben:
(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
Zweifel könnten hier an der Widerrechtlichkeit bestehen. Dazu schreiben Möhring/Nicolini (§ 97 UrhG Rn. 92):
Weiterhin stellt es auch weder eine Rechtfertigung noch eine Einrede i. S.des § 242 BGB dar, wenn der Verletzte aus Treu und Glauben oder sonstigen Gründen verpflichtet war, dem Verletzer die fraglichen Rechte einzuräumen.
Diese Fundstelle spricht eher gegen den Einwand, dass nach dem IFG ohnehin eine Herausgabe erfolgen müsste. Allerdings könnte Markus Beckedahl sich evtl. alternativ (im Rahmen der Widerrechtlichkeit der Verletzung) auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Im Urheberrechtskommentar von Wandtke/Bullinger liest man folgendes (§ 97 Rn. 34):
Den Zivilgerichten obliegt die Durchsetzung von grundrechtlich geschützten Werten nämlich nicht nur bei der Auslegung und Anwendung des gesetzlichen Verletzungstatbestandes, sondern auch bei der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verletzung (OLG Stuttgart NJW-RR 2004, 619, 621 zum Urheberrecht; BGH GRUR 2005, 583, 584 f. – Lila-Postkarte – zur Markennutzung „ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise“ i. S. d. § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG). Ansprüche nach § 97 setzen neben der Rechtsverletzung ausdrücklich auch deren „Widerrechtlichkeit“ voraus. Zwar ist bei einer Rechtsverletzung regelmäßig von einer Rechtswidrigkeit auszugehen. Im Einzelfall kann jedoch die Rechtswidrigkeit zu verneinen sein, wenn nach einer Abwägung das Urheberrecht hinter der gegenläufigen Grundrechtsposition des „Verletzers“ zurücktreten muss.
Folgt man dieser Auffassung, wäre im Rahmen der Prüfung der Rechtswidrigkeit der Nutzung des Werkes die Rechtsposition des potentiellen Verletzers zu berücksichtigen. Hier könnte Markus auf das erhebliche öffentliche Interesse an dem Bericht des wissenschaftlichen Dienstes verweisen, der einerseits aus möglicherweise sachfremden Erwägungen zurückgehalten werden könnte und andererseits der Öffentlichkeit nach dem Informationsfreiheitsgesetz ohnehin (wenn auch nur dem jeweiligen Antragsteller) zur Verfügung gestellt werden muss. Beides sind Argumente, die eher gegen die Widerrechtlichkeit und damit gegen eine Geltendmachung von Urheberrechten durch die Bundestagsverwaltung sprechen. Auf der anderen Seite steht das Recht des Urhebers, das generell durch den Gesetzgeber als schützenswert angesehen wird, und das vor Schwächungen geschützt werden soll. In die Abwägung wäre allerdings auch noch einzustellen, dass das Gutachten aus dem Jahre 2008 stammt und seit Dezember 2008 über dessen Inhalt berichtet wird (s. z.B. Spiegel Online hier).
Im Ergebnis wäre die Bundestagsverwaltung möglicherweise gut beraten, es in diesem konkreten Fall nicht darauf ankommen zu lassen. Ein fader Beigeschmack und der bekannte Streisand-Effekt könnten in diesem Zusammenhang eine gewichtige Rolle spielen.