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Rezension: Heldt/Legner, Digitale-Dienste-Gesetz, 1. Auflage 2025

Der Ende 2022 in Kraft getretene Digital Services Act (DSA) ist seit Februar 2024 vollständig anwendbar und wird einerseits in der interessierten Medienwelt – gerade im Zusammenhang mit der Bewältigung von Desinformation auf großen Social Media-Plattformen – diskutiert und von den Gerichten mittlerweile in mehreren Entscheidungen aufgenommen (vgl. nur OLG Nürnberg, Urt. v. 23.7.2024 – 3 U 2469/23, K&R 2024, 678). In der medialen Berichterstattung keine so große Rolle spielt hingegen das deutsche „Begleitgesetz“ des DSA, das Digitale-Dienste-Gesetz (DDG), das seit Mai 2024 Geltung hat. Aufgabe des DDG ist es einerseits, die Durchführung des Digital Services Act in Deutschland zu regeln, andererseits übernimmt das DDG aber auch wichtige Besonderheiten, die in Deutschland schon zuvor unter der – in Teilen durch den DSA abgelösten – E-Commerce-Richtlinie speziell geregelt waren. Schließlich enthält das DDG Regelungen zum behördlichen Aufsichtsrecht für die P2B-Verordnung (EU) 2019/1150 über Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten. Das DDG mit seinen insgesamt 34 Paragraphen hat dementsprechend nicht die hohe Bedeutung, die dem DSA zukommt, dennoch enthält es wichtige Regelungen u.a. für dessen Durchführung und Anwendung in der Praxis. Es löst einerseits das TMG ab und ist schon deshalb von einigen Gerichten bereits jetzt angewandt worden (vgl. OLG München, Urt. v. 18.4.2024 – 29 U 3592/19, GRUR 2024, 1219 – goldesel.to), andererseits – jedenfalls in Teilen – das ebenfalls viel diskutierte und in der Praxis einige Probleme aufwerfende NetzDG.

Daher ist es durchaus verdienstvoll, dass bereits relativ kurz nach Erlass des DDG bereits der erste Kommentar zu diesem Gesetz erscheint, nämlich der von Dr. Amélie Heldt und Prof. Dr. Sarah Legner herausgegebene Kommentar aus dem Nomos-Verlag.

Dr. Amélie Heldt, die auch an dem demnächst erscheinenden DSA/DMA-Kommentar von Mast/Kettemann/Dreyer/Schulz mitwirkt, und Prof. Dr. Legner von der EBS Universität Wiesbaden haben ein Team von insgesamt 13 Autorinnen und Autoren zusammengestellt, die weit überwiegend aus der Wissenschaft kommen.

Von besonderem Interesse für mich sind natürlich die Kommentierungen zu §§ 7 und 8 DDG, beide behandelt von Dr. Alexander Schiff (Bundesministerium der Justiz). Sie regeln im mit „Rechtsverletzungen von Nutzern“ überschriebenen Teil 3 des DDG einerseits die beschränkte Verantwortlichkeit und andererseits den Anspruch auf Sperrung bei Rechtsverletzungen und übernehmen insoweit – in Ergänzung von Art. 4 ff. DSA – die Regelungen von § 8 Abs. 1 TMG (Erstreckung der Haftungsprivilegierung bei Access Providern auf den Unterlassungsanspruch und den Ersatz von Abmahnkosten, vgl. dazu Mantz, GRUR 2017, 969  (970 ff.)), § 8 Abs. 4 TMG aF (Beschränkung von behördlichen Maßnahmen gegenüber WLAN-Betreiber) und § 7 Abs. 4 TMG aF (Anspruch auf Websperren, vgl. dazu zuletzt BGH, Urt. v. 13.10.2022 – I ZR 111/21, GRUR 2022, 1812 – DNS-Sperre; OLG München, Urt. v. 18.4.2024 – 29 U 3592/19, GRUR 2024, 1219 – goldesel.to). Schiff ist, was die Regelungen angeht, unter Rückgriff auf die bisher erschienene Literatur durchaus kritisch, dennoch geht er insbesondere mit Blick auf die Erstreckung der Privilegierung auf Unterlassungsansprüche und damit den Ausschluss auch von Ansprüchen aus Störerhaftung davon aus, dass § 7 Abs. 3 DDG mit dem DSA vereinbar ist, weil Art. 4 Abs. 3 DSA nur eine Mindestvoraussetzung statuiere (§ 7 Rn. 18; § 8 Rn. 1). Die Kommentierung des Sperranspruchs gegen Access Provider in § 8 ist gelungen. Sie stellt gerade unter Berücksichtigung der aktuellen BGH-Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 13.10.2022 – I ZR 111/21, GRUR 2022, 1812 – DNS-Sperren) die Voraussetzungen einer Sperre, aber auch die systematischen und rechtspolitischen Probleme praxisnah dar. Der Gesetzgeber hat insbesondere bis heute nicht sinnvoll erklären können, warum die Haftungsprivilegierung des Art. 4 DSA und § 7 Abs. 3 DDG auch Persönlichkeitsrechtsverletzungen, der als Ausgleich zu § 7 Abs. 3 DDG gedachte Sperranspruch nach § 8 Abs. 1 DDG jedoch nur bei Verletzungen des Rechts am Geistigen Eigentum greifen soll, nicht aber beim Vorgehen gegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Das ist eine schon unter dem TMG bestehende Unwucht (vgl. dazu schon Spindler, CR 2017, 262 (265); Spindler, NJW 2017, 2305 (2306); Mantz, EuZW 2016, 817 (820); Mantz, GRUR 2017, 969 (972)), die der Gesetzgeber bei der Transformation ins DDG durchaus hätte beseitigen können. Hierauf weist Schiff zu Recht erneut hin.

Weiterhin von hoher praktischer Relevanz sind die inhaltsgleich in § 5 DDG (ehemals § 5 TMG) überführten Informationspflichten, eher bekannt unter dem Stichwort „Impressumspflicht“, die Dr. Michael Denga (Humboldt-Universität zu Berlin) kommentiert.

In der aktuellen Diskussion seit einiger Zeit angekommen ist auch das Herkunftslandprinzip aus Art. 3 der E-Commerce-Richtlinie und zuvor § 3 Nr. 2 TMG, die jetzt in § 3 DDG ausgeformt wird. Mit der Entscheidung „Google/KommAustria“ (EuGH, Urt. v. 9.11.2023 – C-376/22, GRUR 2024, 65; dazu eingehend Mantz, GRUR 2024, 34) und neueren Entscheidungen (u.a. EuGH, Urt. v. 30.5.2024 – C-662/22, C-667/22, GRUR 2024, 1050 – Airbnb, Amazon/Autorità) hat der EuGH festgestellt, dass nationale, abstrakt-generelle Regelungen (also praktisch jedes allgemeine Gesetz) sich am Herkunftslandprinzip messen müssen. Der EuGH hat damit (im Ergebnis bzw. mittelbar) weite Teile des NetzDG für Dienste mit Sitz im europäischen Ausland für unwirksam erklärt (vgl. dazu Mantz, GRUR 2024, 34 (35)). Diese Vorschriften (insbesondere die Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten im Inland, vgl. § 5 NetzDG) hat der Gesetzgeber dementsprechend nicht ins DDG übernommen. Gerdemann stellt die Anforderungen und Folgen des Herkunftslandprinzips inklusive der vielen Streitstände auf insgesamt 54 Randnummern sehr verständlich und trotzdem kurz und bündig dar.

Die weiteren Vorschriften des DDG betreffen – wie oben dargestellt – überwiegend die Durchsetzung des DSA durch die Bundesnetzagentur als zuständige Behörde und Koordinierungsstelle für digitale Dienste (§§ 12 ff. DDG), wobei nach § 12 Abs. 2 und 3 DDG zum Teil auch die Landesaufsichtsbehörden und nach § 13 DDG das Bundeskriminalamt weiterhin zuständig sind. Dieses Verhältnis und die jeweiligen Aufgaben und das innere Verhältnis gemäß den Regelungen der §§ 12 ff. DDG insbesondere mit Blick auf die Kompetenzregelungen des GG arbeiten Biermeier (§§ 12-15; Universität Passau), Broemel (§§ 16-18; Universität Frankfurt a.M.), v. Lewinski (§§ 19, 20) und Heldt (§ 21) auch für den Nicht-Verwaltungsrechtler verständlich auf. Interessant ist schließlich auch die Regelung in § 28 DDG zur Information der Öffentlichkeit durch die Koordinierungsstelle über die Umsetzung des DSA und der P2B-VO. Wischmeyer und Meißner (beide Universität Bielefeld) ordnen die Grundlagen und Grenzen dieser Information im zugrundeliegenden grundrechtlichen Spannungsfeld lesenswert ein.

Insgesamt wirkt der Kommentar, gerade auch angesichts der durchaus unterschiedlichen Regelungsmaterien mit Herkunftslandprinzip, Informationspflichten, Regelungen und Rechtsverletzungen einerseits und dem Aufbau und der Regelung behördlicher Strukturen, also einem Querschnitt durch zivil- und öffentlich-rechtliche Materien, absolut rund. Mit seinen rund 360 Seiten geht er auf die wesentlichen Punkte ein und ermöglicht durch die jeweils der Kommentierung vorangehende einleitenden und einordnenden Erörterungen und nicht zuletzt durch das umfangreiche Stichwortverzeichnis die schnelle Durchdringung der Regelungen sowie ihre praktische Anwendung.

Zusammenfassend lässt sich damit sagen, dass das Werk sowohl für den Praktiker als auch im Bereich der Wissenschaft eine definitiv lohnende Anschaffung ist.

364 Seiten, 99 EUR

Nomos, Baden-Baden

(Transparenzhinweis: Der Nomos-Verlag hat mir zum Zweck der Rezension ein Exemplar des Werks kostenlos zur Verfügung gestellt.)

Rechtsunsicherheit kills Public Wifi (heute: Braunschweig)

Immer wieder ist (auch hier im Blog) über die Folgen der Rechtsunsicherheit bei WLANs berichtet worden.

Wer ein aktuelles Beispiel sucht, wird in Braunschweig fündig. Am 17.4.2015 tagte der Wirtschaftsausschuss der Stadt Braunschweig und befasste sich mit der Frage, ob ein kommunales WLAN eingeführt werden soll (Sachstandsbericht). Es wird auch über eine Befragung der Städte erbringt ein typisches Bild:

„Die befragten Kommunen treten mehrheitlich nicht als Provider auf, auch um nicht in die Störerhaftung zu gelangen. Juristisch werden über WLAN-Internetzugänge begangene Urheberrechtsverletzungen unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung behandelt und können zur haftungs- rechtlichen Heranziehung des Anbieters führen. Lediglich Unternehmen mit Provider-Privileg sind hiervon ausgenommen.“

Dass dies ein Irrglaube ist, ist auch hier im Blog immer wieder dargestellt worden. Ganz im Gegenteil: Kommunen, die WLANs anbieten, profitieren selbstverständlich von der Haftungsprivilegierung des § 8 TMG (Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, 2014, Rn. 216; zu Schulen und Bibliotheken: Perron/Eisele, in: Scho?nke/Schro?der, StGB, 28. Aufl. 2010, § 184 StGB Rn. 55a; Altenhain, in: Mu?nchKommStGB, 2. Aufl. 2010, vor § 7 TMG Rn. 45). Es gibt übrigens weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung auch nur ein Beispiel, das dem widerspräche!

Freifunk findet die Stadt Braunschweig aus genauso falschen Gründen denn auch nicht gut:

„Der Verein Freifunk ist eine private Initiative, bei der Bürger ihre private Internetverbindung kostenfrei für andere Nutzer freigeben. Die jeweiligen Netze werden nicht als getrennte Einwahlknoten genutzt, sondern untereinander verbunden (Mesh-Netze). Dabei wird die sogenannte Störerhaftung „umgangen“. Derzeit schützt sich die Freifunk Initiative vor einer Inanspruchnahme durch die Verlagerung der Server für ihre Mesh-Netze ins Ausland. Auch wenn gesetzliche Änderungen hinsichtlich der sogenannten Störerhaftung in Aussicht gestellt sind, bleibt doch fraglich, ob derartige Initiativen juristisch nachhaltig abgesichert sind und auch von offizieller Seite genutzt werden sollten. Aufgrund der rechtlichen „Grauzone“ sieht die Verwaltung derzeit keine Möglichkeit, die Initiative des Vereins als städtische Lösung zu implementieren.“

Wenn die Stadt Braunschweig die Störerhaftung nicht „umgehen“ will, dann sollte sie halt einfach selbst die Netze betreiben. Dann bräuchte es keiner Umgehung mehr.

Insgesamt zeugt der Sachstandsbericht leider von der üblichen Unkenntnis und Unwilligkeit. Wenn die Stadt Braunschweig ein WLAN wollte, könnte sie es auch bekommen – sogar mit der Freifunk-Initiative…

Kritisch zum Sachstandsbericht übrigens auch der Bericht der Piratenpartei.

[Wer sonst noch ähnliche Berichte hat, gerne per E-Mail an mich, oder in den Kommentaren! Danke.]

 

 

KG Berlin, Beschl. v. 25.8.2014 – 4 Ws 71/14: Haftungsprivilegierung § 10 TMG im Strafrecht: Positive Kenntnis erforderlich (Volltext)

KG Berlin, Beschluss vom 25.08.2014 – 4 Ws 71/14141 AR 363/14

Leitsätze:
1. § 10 TMG beansprucht rechtsgebietsübergreifend Geltung und ist wegen der Einheit der Rechtsordnung auch im Strafrecht anwendbar.

2. Das Haftungsprivileg des § 10 S. 1 Nr. TMG  entfällt nur bei positiver Kenntnis des Täters von den konkreten strafrechtlich relevanten Inhalten.

Gründe:

I.

Die Staatsanwaltschaft Berlin legt dem Angeschuldigten mit ihrer Anklageschrift vom 22. März 2013 zur Last, in der Zeit von Oktober 2009 bis Dezember 2012 einem anderen – nämlich den (nicht ermittelten) Betreibern der Internetseite www.nw(…) vorsätzlich Hilfe zu deren Straftaten (der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten, Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, Volksverhetzung, Beleidigung und üblen Nachrede sowie mehrerer Vergehen gegen das Kunsturhebergesetz) geleistet zu haben.

1. Dem Angeklagten, der sich ausweislich des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen als selbstständiger Programmierer, Softwareberater und -entwickler bezeichnet, dessen Tätigkeit nach der Wertung der Staatsanwaltschaft aber lediglich im Betreiben eines Internetversandhandels und dem Web-Hosting besteht, wird zur Last gelegt, den Betreibern von www.nw(…) einen von ihm bei der Firma (…) in den USA angemieteten Webserver zur Verfügung gestellt zu haben, sodass diese die genannte Seite von diesem Server aus ins Internet stellen konnten.

Die in Rede stehenden, insgesamt elf Straftaten seien in der Zeit zwischen dem 5. Oktober 2009 und dem 26. Dezember 2011 durch die Veröffentlichung von Texten bzw. Bildern auf www.nw(…) begangen worden. Der Angeschuldigte habe schließlich im Dezember 2012, nachdem ihm mit am 21. Dezember 2012 zugegangener Verfügung der Staatsanwaltschaft in der vorliegenden Sache der Tatvorwurf eröffnet worden war, die Abschaltung dieser Seite veranlasst. Der in der rechten Szene in (…) an exponierter Stelle aktive Angeschuldigte habe um die politische und agitatorische Ausrichtung von www.nw(…) gewusst. Er habe auch gewusst, dass es „aufgrund dieser Ausrichtung typischerweise zu derartigen strafrechtlich relevanten Veröffentlichungen kommt“ und dies zumindest billigend in Kauf genommen.

Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft sei zwar anzunehmen, dass dem Angeschuldigten hinsichtlich der konkreten Inhalte auf www.nw(…) eine positive Kenntnis im Sinne des § 10 TMG, die „eine täterschaftliche Haftung als Host-Provider der Seite auslösen würde“, nicht nachzuweisen sei. Seine strafrechtliche Verantwortlichkeit als Gehilfe sei hierdurch aber nicht ausgeschlossen. Ihre Schlussfolgerung, der Angeschuldigte habe gewusst, dass auf www.nw(…) strafbare Inhalte eingestellt seien, stützt die Staatsanwaltschaft auf folgende Erwägungen:

Es sei bereits allgemein bekannt, dass die auf www.nw(…) veröffentlichten sog. „Feindeslisten“ (mit Bildern, Namen und Adressen politischer Gegner) zum „guten Ton“ vieler dem extremistischen Lager zuzuordnender Internetseiten gehörten.Dieser Umstand dürfe dem Angeschuldigten umso mehr bekannt gewesen sein, als er es sich zu einer seiner Hauptaufgaben gemacht habe, Web-Speicher für Internetauftritte der rechten Szene zur Verfügung zu stellen.

So habe er mehr als 70 Internetseiten lokaler rechtsextremistischer Gruppen, die überdies untereinander oder mit auf anderen Servern liegenden „gleichgesinnten“ Seiten verlinkt seien, gehostet. Diese Seiten zeigten zudem hinsichtlich des Layouts und der Inhalte deutliche Übereinstimmungen, und es könne davon ausgegangen werden, dass das Layout mehrerer vom Angeschuldigten gehosteter Seiten von denselben Personen gestaltet worden sei.

Einige der Seiten seien offenbar auch redaktionell miteinander verknüpft. In zumindest einem Fall sei es „im Zusammenhang mit Inhalten“ auch zur Verurteilung eines Seitenbetreibers gekommen. Es sei „nicht anzunehmen, dass der Angeschuldigte hierüber keine Kenntnis hatte“. Dies gelte umso mehr, als der Angeschuldigte Anfang 2010 im Zusammenhang mit seiner Internetseite www.re(…) verurteilt worden sei, weil dort ohne Einwilligung des Betroffenen dessen Abbildung eingestellt gewesen sei.

Nur knapp einen Monat später sei er wegen Veröffentlichung einer urheberrechtlich geschützten Abbildung erneut verurteilt worden. Die strafrechtliche Relevanz „bestimmter – typischerweise auf den Internetseiten politisch motivierter Gruppierungen enthaltener – Veröffentlichungen (sei) dem Angeschuldigten also durchaus bewusst“. Dies dürfe auch der Grund dafür sein, dass auf den Internetseiten www.wi(…) und www.in(…) – die die Staatsanwaltschaft dem Angeschuldigten ohne nähere Darlegung zurechnet – unter dem Slogan „Webhosting für Dissidenten“ mit den Worten „Server in den USA. Wir schützen eure Anonymität“ für anonymes Webhosting geworben werde.

Es verstehe sich von selbst, dass ein derartiges Angebot darauf abziele, den Seitenbetreibern die anonyme Verbreitung strafrechtlich relevanter Inhalte zu ermöglichen. Dass der Angeschuldigte als führendes Mitglied der inzwischen verbotenen Vereinigung „Nationaler Widerstand D.“ vor Rechtsverstößen nicht zurückschrecke, zeigten die für das Verbot dieser Vereinigung angeführten Gründe. Die Namensidentität von „Nationaler Widerstand D.“ und „Nationaler Widerstand B.“ erweise die ideologische und strategische Verbundenheit dieser Vereinigungen. Dass der Angeschuldigte den Gesinnungsgenossen in B. zur Verbreitung ihrer rechten Propaganda eine Internetplattform biete, lasse vor diesem Hintergrund allein den Schluss zu, dass er „um die Möglichkeit der vorliegenden strafrechtlich relevanten Inhalt wusste und dass er mit der Verbreitung – die auch in seinem Interesse lag – einverstanden war“.

Zwar habe sich nicht nachweisen lassen, dass (der Landesvorsitzende der B(…) NPD) S(…) S(…) Betreiber der Internetseite www.nw(…) sei; diesem sei aber bekannt, dass er in den Fokus staatsanwaltlicher Ermittlungen geraten sei und auch in einer breiten Öffentlichkeit als verantwortlich für diese Internetseite angesehen werde. Auch wisse S(…) – sowohl aus dem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren als auch aus der Berichterstattung in der Presse – um die konkreten Tatvorwürfe, die gegen ihn im Zusammenhang mit der Internetpräsenz www.nw(…) erhoben würden. Da der Angeschuldigte und S(…) sich gut kennen würden, sei es „gänzlich unwahrscheinlich“, dass S(…) den Angeschuldigten nicht über diese Vorwürfe in Kenntnis gesetzt hätte.

Nach allem könne aus der Gesamtschau der dargelegten Gründe „sicher davon ausgegangen werden, dass der Angeschuldigte um die (…) strafrechtlich relevanten Inhalte wusste und es – über die für den Gehilfenvorsatz bereits ausreichende billigende Inkaufnahme hinausgehend – sogar in seiner Absicht lag, den Betreibern der Seite durch das Zurverfügungstellen seines Servers ein entscheidendes Tatmittel hierfür an die Hand zu geben“.

Wegen der Einzelheiten der den Betreibern von www.nw(…) angelasteten Taten und des (weiteren) Ermittlungsergebnisses nimmt der Senat auf den Inhalt der am 17. April 2013 bei dem Landgericht Berlin eingegangenen Anklageschrift Bezug.

2. Durch den angefochtenen Beschluss vom 28. Mai 2014 hat die Strafkammer, die ergänzend auch eine Zuständigkeit des Landgerichts verneint hat, die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen abgelehnt.

Es könne offen bleiben, ob die fraglichen Inhalte jeweils einen Straftatbestand erfüllten, weil nach Aktenlage jedenfalls der erforderliche Gehilfenvorsatz des Angeschuldigten nicht mit der für eine Eröffnung des Hauptverfahrens erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne.

a) Zu ihrem rechtlichen Ausgangspunkt hat die Strafkammer ausgeführt, für einen Gehilfen sei zwar grundsätzlich ausreichend, dass er den Taterfolg zumindest billigend in Kauf nimmt, anders liege es aber, wenn spezialgesetzliche Normen strengere Voraussetzungen an den Vorsatz stellten.

So sei es hier nach § 10 Satz 1 TMG, wonach Dienstanbieter für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich sind, sofern sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben oder sie unverzüglich tätig geworden sind, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie diese Kenntnis erlangt haben. Diese Haftungsprivilegierung (sog. Providerprivileg) sei nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers des TDG und des TMG, der der unionsrechtlichen Intention einer umfassenden Privilegierung des Providers gemäß der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr habe nachkommen wollen, auf das Strafrecht zu übertragen.

Der Dienstanbieter könne somit für fremde Inhalte auf den von ihm gehosteten Internetseiten unter den in § 10 Satz 1 Nr. 1 und 2 TMG genannten Voraussetzungen strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden. Dies bedeute, dass für eine Strafbarkeit wegen Beihilfe in subjektiver Hinsicht das billigende Inkaufnehmen einer rechtswidrigen Haupttat nicht ausreiche, sondern die positive Kenntnis – im Sinne eines dolus directus 2. Grades – von einer rechtswidrigen Handlung auf der gehosteten Internetseite notwendig sei.

Dies folge bereits aus dem Wortlaut des § 10 Satz 1 Nr. 1 Var. 1 TMG. Danach sei „Kenntnis“ von rechtswidrigen Handlungen erforderlich, womit keine abstrakte Kenntnis, sondern ein aktuelles menschliches Wissen im Sinne positiver Kenntnis gemeint sei.

Die richtlinienkonforme Auslegung ergebe nichts anderes, denn nach Art. 14 Abs. 1 der E-Commerce-Richtlinie müsse der Host-Provider „tatsächliche Kenntnis“ von rechtswidrigen Handlungen gehabt haben, mithin positive Kenntnis im Sinne eines dolus directus 2. Grades. Schließlich erfordere auch die teleologische Auslegung eine positive Kenntnis.

Die Privilegierungsregelung beruhe darauf, dass der Dienstanbieter bei der Speicherung großer Datenmengen wegen der automatisiert ablaufenden, technischen Vorgänge regelmäßig keine Kenntnis nehmen könne und ihm vorbeugende Kontrollen nicht zumutbar seien.

b) Der hiernach erforderliche dolus directus 2. Grades des Angeschuldigten sei nicht hinreichend wahrscheinlich. Diese Bewertung hat das Landgericht mit näheren Ausführungen, auf die der Senat wegen der Einzelheiten verweist, im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die gegenseitigen Verlinkungen verschiedener, dem rechtsradikalen Spektrum zugehöriger Internetseiten könnten ein positives Wissen des Angeschuldigten von Inhalten auf der Seite www.nw(…) nicht belegen.

Eine direkte Verbindung von Inhalten der Internetseiten zum Angeschuldigten sei nicht herstellbar. Den Kontoverbindungen des Angeschuldigten und seinen Geldüberweisungen an (…) ließen sich ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine Kenntnis über die jeweiligen Inhalte auf der gehosteten Seite entnehmen; für Letztere sei der Vertrag mit (…) über die Anmietung des Servers die plausible Grundlage.

Auch der ähnliche Aufbau der Internetseiten www.nw(…) und www.nw(…) könne einen Nachweis für ein positives Wissen beim Angeschuldigten nicht erbringen. Der Angeschuldigte sei zwar führendes Mitglied im „Nationalen Widerstand D.“. Die ähnliche Struktur der Homepages könne daher möglicherweise für eine positive Kenntnis sprechen.

Diese Annahme sei aber spekulativ. Zudem sei vollkommen offen, wann die jeweiligen Seiten strukturell erstellt worden und ob zu diesem Zeitpunkt bereits strafrechtlich relevante Inhalte auf www.nw(…) eingestellt gewesen seien. Die angezeigten Inhalte seien zudem nach und nach online gestellt worden. Ein im Rahmen der Telekommunikationsüberwachung erschlossenes Telefonat zwischen dem Angeschuldigten und dem gesondert Verfolgten S(…9 deute demgegenüber darauf hin, dass der Angeschuldigte keine positive Kenntnis von Inhalten der Homepage www.nw(…) gehabt habe.

In diesem Gespräch, in dem es (u.a.) um die vorliegende Anklageerhebung gegangen sei, habe der Angeschuldigte geäußert, dass die Anklage darauf beruhe, dass er Hoster der Homepage www.nw(…) sei, er sei jedoch „da noch nie drauf gewesen“.

Dass er bei einem heimlich abgehörten Telefonat mit dem gesondert Verfolgten bewusst unwahre Angaben gemacht habe, könne dem Angeschuldigten nicht unterstellt werden. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass der Angeschuldigte, nachdem er am 21. Dezember 2012 über die Tatvorwürfe in Kenntnis gesetzt worden war, die Seite www.nw(…) habe vom Netz nehmen lassen. Diese Reaktion entspreche den Anforderungen des § 10 Satz 1 Nr. 2 TMG, weshalb eine Privilegierung in Betracht kommen müsse.

Erst ab diesem Zeitpunkt habe der Angeschuldigte nachweislich positive Kenntnis von den rechtswidrigen Handlungen gehabt. Dementsprechend habe die Staatsanwaltschaft Berlin im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen zutreffend ausgeführt, dass sich eine Verantwortlichkeit des Angeschuldigten unter Bezugnahme auf § 10 Satz 1 Nr. 2 TMG nicht begründen lasse.

Abschließend hat die Strafkammer ausgeführt, es sei zwar aufgrund der Ausführungen in der Anklageschrift und nach Aktenlage nahe liegend, dass der Angeschuldigte etwaige rechtswidrige Handlungen auf der Internetseite www.nw(…) billigend in Kauf genommen habe, eine positive Kenntnis im Sinne des dolus directus 2. Grades lasse sich aber nicht nachweisen. Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeschuldigten nach § 7 Abs. 1 TMG komme ebenfalls nicht in Betracht, da ihm mit den zur Verfügung stehenden Beweismitteln nicht nachzuweisen sei, dass es sich bei den fraglichen Inhalten auf www.nw(…) um eigene Informationen im Sinne dieser Norm handele. Schließlich seien Dienstanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG auch nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen (§ 7 Abs. 2 Satz 1 TMG).

3. Mit ihrer hiergegen gerichteten, rechtzeitig erhobenen sofortigen Beschwerde erstrebt die Staatsanwaltschaft die Eröffnung des Hauptverfahrens (weiterhin) vor dem Landgericht Berlin.

Unter Wiederholung ihrer Bewertung des Ermittlungsergebnisses führt sie näher aus, dass die Äußerung des Angeschuldigten im Telefonat mit S(…) „offenkundig eine Schutzbehauptung“ sei, weil bekannt sei, dass „in dieser Szene (…) aufgrund nicht ganz unzutreffender Befürchtungen der Beteiligten am Telefon keine selbstbelastenden Informationen ausgetauscht“ würden.

Dass der Angeschuldigte entgegen der Auffassung des Landgerichts von den Inhalten auf www.nw(…) – wenn auch möglicherweise nicht im Einzelnen – positive Kenntnis gehabt habe, folge auch aus der direkten Verlinkung seiner eigenen rechtsideologischen Internetseite www.re(…) mit der Seite www.nw(…).

Im Übrigen ist die Beschwerdeführerin der Ansicht, dass § 10 TMG keine Anwendung finde, weil die Haftungsprivilegierung gegenüber der dem StGB zugrunde liegenden Vorsatzdogmatik als systemwidrig anzusehen sei, soweit der dolus eventualis als Vorsatzform gänzlich ausgeschlossen werde. Sie begründet dies zum einen mit den der E-Commerce-Richtlinie zugrunde liegenden Erwägungen und insbesondere deren zivil- und handelsrechtlicher Ausrichtung, die für den nicht kommerziell, sondern aus ideologischen Gründen tätigen Angeschuldigten nicht gälten.

Zum anderen meint die Staatsanwaltschaft, dass die europäische Richtlinienkompetenz nationales Recht nur so weit einschränken dürfe, wie dies für die Erreichung der auf die Vereinheitlichung des Binnenmarktes gerichteten Ziele zwingend erforderlich sei; die Anwendung der Richtlinie auf das Handeln des Angeschuldigten sei angesichts dessen rein ideologischen Tuns nicht unerlässlich und auch nicht im Sinne der Richtlinie. Soweit die Privilegierung damit begründet werde, dass einem Host-Provider inhaltliche Kontrollen angesichts der großen Datenmengen und automatisierten technischen Abläufe nicht zumutbar seien, gehe diese Erwägung bezogen auf den Angeschuldigten ins Leere: Das Unterlassen inhaltlicher Kontrollen beruhe bei ihm nicht auf einer technischen Unzumutbarkeit, sondern „vielmehr darauf, dass die auf den von ihm gehosteten Seiten eingestellte Hetzpropaganda seinen eigenen politischen Idealen entspricht und er mit deren Verbreitung in hohem Maße einverstanden ist“.

Dass § 10 TMG keine uneingeschränkte Geltung beanspruche, ergebe sich auch daraus, dass im zivilrechtlichen Bereich mehrfach (so BGH, Urteile vom 27. März 2007 – VI ZR 101/06 – und vom 19. April 2007 – I ZR 35/04 -) eine Haftungsprivilegierung abgelehnt worden sei.

Entscheidungsgründe
II.

Das zulässige Rechtsmittel (§ 210 Abs. 2 StPO) der Staatsanwaltschaft bleibt aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung ohne Erfolg.

1. Nach § 203 StPO beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn der Angeschuldigte nach dem gesamten Ergebnis der Ermittlungen der ihm zur Last gelegten Straftat(en) hinreichend verdächtig erscheint.

Gemessen an den für die Beurteilung des hinreichender Tatverdachts geltenden Grundsätzen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 19. Mai 2014 – 4 Ws 43/14 – mwN) hat das Landgericht mit Recht angenommen, dass es bei vorläufiger Bewertung nach praktischer Erfahrung nicht wahrscheinlich ist, dass dem Angeschuldigten in einer Hauptverhandlung mit den zur Verfügung stehenden Beweismitteln der erforderliche Gehilfenvorsatz nachgewiesen werden kann, womit es an der erforderlichen Verurteilungswahrscheinlichkeit fehlt.

2. a) Der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts trifft hierbei zu.

§ 10 TMG beansprucht rechtsgebietsübergreifend Geltung und ist wegen der Einheit der Rechtsordnung auch im Strafrecht anwendbar.

Die Geltung der verantwortungsbeschränkenden Norm auch im Strafrecht ist vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt (vgl. BT-Drucks. 14/6098 S. 23; BT-Drucks. 16/3078 S. 15) und wird deshalb in Rechtsprechung und Literatur mit Recht ohne Weiteres angenommen (vgl. nur OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 20. August 2013 – 2 Ws 104/12 – [juris]; OLG Stuttgart MMR 2006, 387 [OLG Stuttgart 24.04.2006 – 1 Ss 449/05]; LG Frankfurt am Main CR 2012, 478; LG Stuttgart NStZ-RR 2002, 241; AG München NStZ 1998, 518; Mitsch, Medienstrafrecht, S. 209 f.; Malek, Strafsachen im Internet, S. 40 f.; Fischer, StGB 61. Aufl., § 184 Rn. 31; Eisele in Schönke/Schröder, StGB 29. Aufl., § 184 Rn. 70 ff., 84 ff.; Wolters in SK-StGB, § 184 Rn. 16; Eschelbach in Matt/Renzikowski, StGB, § 184 Rn. 81; Ziethen/Ziemann in AnwK-StGB, § 184 Rn. 23; Hörnle in MüKo-StGB 2. Aufl., § 184 Rn. 52; Altenhain in MüKo-StGB, Erl. zu § 10 TMG; Hilgendorf in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB 2. Aufl., § 184 Rn. 28; Lackner/Kühl, StGB 28. Aufl., § 184 Rn. 7a f.; Fitzner GRUR Int 2012, 109; Nordemann/Conrad GRUR Int 2010, 953; Jandt in Roßnagel, Recht der Telemediendienste, § 10 TMG Rn. 10; Sieber/Höfinger, Handbuch Multimedia-Recht, Abschn. 18.1; Hoeren, Internetrecht [Skript mit Stand April 2014], S. 466; download unter http://www.uni-muenster.de/Jura.itm/hoeren/itm/wp-content/uploads/Skript-Internetrecht-April-2014.pdf).

Eine Beschränkung der Privilegierung auf Fälle wirtschaftlicher Tätigkeit des Dienstanbieters ist dem Gesetz nicht zu entnehmen (vgl. auch Eisele aaO Rn. 76).

Das Landgericht hat in seiner Stellungnahme zu der Beschwerdebegründung zutreffend ausgeführt, dass nach § 1 Abs. 1 TMG alle Informations- und Kommunikationsdienste unabhängig davon erfasst sind, ob für die Nutzung der Telemedien ein Entgelt erhoben wird oder nicht und ob es sich um private Anbieter oder eine öffentliche Stelle handelt. § 2 Nr. 5 TMG enthält für die kommerzielle Kommunikation eine besondere Begriffsbestimmung und § 6 TMG stellt für solche Dienste besondere Informationspflichten auf, was zeigt, dass das Gesetz die kommerzielle Kommunikation nur als einen von mehreren Unterfällen der in Betracht kommenden Dienste betrachtet.

Etwas anderes lässt sich auch nicht aus den von der Staatsanwaltschaft mitgeteilten Erwägungen des Richtliniengebers herleiten. Die Strafkammer hat mit Recht hervorgehoben, dass es vorliegend um die Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts und nicht der Richtlinie geht; sie hat die Richtlinie lediglich bei der Wortlautinterpretation des Merkmals „Kenntnis“ als Auslegungshilfe herangezogen. Soweit hier, wie das Landgericht angenommen hat, durch den deutschen Gesetzgeber eine überschießende Umsetzung, d.h. die Erstreckung des Regelungsgehalts der Richtlinie auf Sachverhalte außerhalb deren Anwendungsbereichs, erfolgt sein sollte, bestünde schon keine europarechtliche Pflicht zu richtlinienkonformer Auslegung.

Dies kann indessen dahin stehen, denn eine richtlinienkonforme Auslegung hinderte die vom Landgericht vorgenommene Auslegung des TMG nicht, weil keine Kollision mit dem Wortlaut oder den Zielen der Richtlinie feststellbar wäre. Die der Richtlinie zugrunde liegenden Erwägungen könnten hiernach nicht dazu führen, den Wortlaut des nationalen Gesetzes und die vom deutschen Gesetzgeber nach den eindeutigen Materialien ausdrücklich verfolgten Ziele zu missachten. Auch ein Ausschluss der Privilegierung schon bei bedingtem Vorsatz unter Berücksichtigung der – tatsächlichen oder vermeintlichen – Gesinnung des Dienstanbieters kommt nach dem Wortlaut der Vorschrift und den Motiven des nationalen Gesetzgebers nicht in Betracht. Ungeachtet der Problematik, dass die Anwendung oder Nichtanwendung der Norm damit auf einer vorab vorzunehmenden, mitunter hochschwierigen Bewertung beruhte, führte die Ansicht der Beschwerdeführerin letztlich zu der nicht tragbaren Konsequenz, dass (nur) bei im Einzelfall angenommener Billigung der Inhalte eben diese Billigung für die Bejahung der Strafbarkeit ausreichte.

Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, die von ihr zitierten zivilrechtlichen Urteile des BGH ließen erkennen, dass § 10 TMG keine uneingeschränkte Geltung beanspruche, haben sich diese Entscheidungen jeweils mit Unterlassungsansprüchen befasst, auf die die Norm nach Ansicht des Gerichtshofs nicht anwendbar sei, weil insofern die allgemeinen Grundsätze der Störerhaftung gälten.

Da der BGH in den zitierten Entscheidungen die von ihm beurteilten negatorischen Ansprüche ausdrücklich gegenüber Schadensersatzansprüchen und der strafrechtlichen Haftung abgegrenzt hat, für die § 10 TMG demgegenüber Geltung beanspruche (s. etwa BGH, Urteil vom 27. März 2007 – VI ZR 101/06 – [juris-Rn. 7 mwN]), lässt sich aus ihnen für die von der Staatsanwaltschaft vertretene Rechtsansicht nichts herleiten.

Das Landgericht hat ferner mit Recht angenommen, dass das Haftungsprivileg des § 10 Satz 1 Nr. 1 TMG angesichts des eindeutigen Wortlauts der Norm und des ausdrücklich formulierten Willens des Gesetzgebers (vgl. BTDrucks. 14/6098 S. 25; BTDrucks. 16/3078 S. 15) nur bei positiver Kenntnis des Täters von den konkreten strafrechtlich relevanten Inhalten entfällt (vgl. OLG Frankfurt am Main; LG Frankfurt am Main; LG Stuttgart; AG München, jeweils aaO; ständige zivilrechtliche Rspr., vgl. etwa BGH MMR 2012, 815; OLG München NJW 2002, 2398; Altenhain aaO, § 10 TMG Rn. 7 mit zahlr. weit. Nachw.; Mitsch aaO; Malek aaO S. 41.; Eisele aaO Rn. 85; Wolters aaO; Eschelbach aaO; Hörnle aaO; Hilgendorf aaO; Lackner/Kühl aaO. Rn. 7a; Fitzner aaO S. 113; Nordemann/Conrad aaO S. 954; Sieber/Höfinger aaO Rn. 83; Jandt aaO; Paal in Gersdorf/Paal, Informations- und Medienrecht, § 10 TMG Rn. 24; Heckmann, Internetrecht 4. Aufl., S. 1257 [mit dem zutreffenden Hinweis auf die aus der Gesetzeslage folgende Konsequenz, dass der gewissenhafte Dienstanbieter, der die Nutzerinhalte sorgfältig prüft, absurderweise Gefahr läuft, die Haftungsprivilegierung durch Erlangung von Kenntnis zu verlieren]).

Dies gilt nicht nur für täterschaftliches Handeln, sondern auch für den auf die Haupttat bezogenen Gehilfenvorsatz. Die zur älteren Rechtslage (§ 5 Abs. 2 TDG a.F.) noch vertretene Mindermeinung, wonach für die strafrechtliche Verantwortlichkeit bedingter Vorsatz genüge, ist jedenfalls durch die eindeutige Neuregelung, die der Gesetzgeber in Kenntnis des Meinungsstreits getroffen hat, überholt (a.A. wohl noch Köhler/Arndt/Fetzer, Recht des Internets 7. Aufl., Rn. 775 ff.). Eine Systemwidrigkeit liegt darin nicht; vielmehr ist der Ausschluss des dolus eventualis als Vorsatzform dem Strafrecht nicht fremd (s. etwa §§ 87 Abs. 1, 126 Abs. 2, 134, 145, 164, 187, 201a Abs. 3, 241 Abs. 2, 258, 278, 283c, 344 StGB; § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG; § 38 Nr. 2 PfandbG).

b) Der Senat teilt die Bewertung der Strafkammer, dass es an ausreichenden Anhaltspunkten dafür fehlt, dass der Angeschuldigte positive Kenntnis von den in Rede stehenden und möglicherweise strafbewehrten Inhalten auf der Seite www.nw(…) hatte.

Von Ermittlungen beispielsweise dazu, ob der Angeschuldigte diese Seite an einem seiner Computer jemals aufgerufen oder sogar Einträge kommentiert hat, oder ob er auf der Seite – etwa im Gegenzug für das kostenlose Zurverfügungstellen von Speicherplatz – für seinen Versandhandel (eventuell kostenlose) Werbung platziert hat, hat die Staatsanwaltschaft abgesehen. Auch eine zeugenschaftliche Vernehmung S.s über die ihm unterstellten Auskünfte gegenüber dem Angeschuldigten ist unterblieben. Insoweit hat sich die Strafkammer zu Recht nicht gehalten gesehen, solche Ermittlungen selbst durchzuführen. Zwar kann das Gericht gemäß § 202 StPO vor der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens zur besseren Aufklärung der Sache Beweiserhebungen anordnen.

Es muss sich dabei aber um einzelne Beweiserhebungen handeln, also um eine bloße Ergänzung eines von der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren bereits weitgehend aufgeklärten Sachverhalts. Ermittlungen grundlegender Art, die die Staatsanwaltschaft für entbehrlich erachtet, sind im Zwischenverfahren gesetzlich nicht vorgesehen (vgl. OLG Celle StV 2012, 456 mwN).

Ob die von der Beschwerdeführerin in der Anklageschrift angeführten Gesichtspunkte den Schluss zulassen, der Angeschuldigte habe strafbarkeitsbegründende Umstände (auch) auf der Seite www.nw(…) für möglich gehalten und diese gebilligt, braucht nicht entschieden zu werden, weil dies nicht ausreichte. Dass der Angeschuldigte, dessen Beitrag als Host-Provider zur Präsentation möglicherweise strafrechtlich relevanter Inhalte im dauerhaften Zurverfügungstellen von Speicherkapazität bestünde, von den jeweiligen Inhalten, die nach und nach eingestellt wurden und deren zeitlicher Verbleib auf der Seite zudem nicht näher dargelegt ist, jeweils Kenntnis hatte, kann ihm in einer Hauptverhandlung nach dem Ergebnis der Ermittlungen jedenfalls nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Das Landgericht hat zutreffend darauf erkannt, dass die von der Staatsanwaltschaft vorgenommenen Bewertungen und Schlussfolgerungen eine Verurteilung nicht tragen könnten, weil sie nicht mehr als einen Verdacht zu begründen geeignet sind, nicht aber in der erforderlichen Weise eine beweisrechtlich tragfähige Grundlage für einen Schuldspruch bieten würden.

Dies zeigen schon in der Anklageschrift verwendete Formulierungen („dürfte“ ihm bekannt sein; „kann davon ausgegangen werden“; „offenbar“; „nicht anzunehmen, dass … keine Kenntnis“; „gänzlich unwahrscheinlich, dass“). Dass dem Angeschuldigten die strafrechtliche Relevanz bestimmter Veröffentlichungen „durchaus bewusst“ sei, mag für sich genommen richtig sein, bietet aber keine Grundlage für einen Rückschluss auf seine Kenntnis der hier in Rede stehenden Inhalte. Soweit es wechselseitige Verlinkungen zwischen verschiedenen Seiten angeht, könnten diese nach Durchführung entsprechender Ermittlungen zwar grundsätzlich einen Ansatzpunkt für die Annahme hinreichenden Tatverdachts bieten. Indessen fehlt es an solchen Ermittlungen, etwa zur Zeit und konkreten Gestaltung der Verlinkung (vgl. dazu etwa Eisele aaO Rn. 82).

Im Übrigen hat die Staatsanwaltschaft dem Angeschuldigten einzelne Seiten ohne jede Erklärung ihrer Annahme „zugerechnet“. Solche Darlegungen wären erforderlich gewesen, weil es sich nicht von selbst versteht, dass der Angeschuldigte für von ihm gehostete Seiten in einer Weise verantwortlich war, dass aus einer Verlinkung generell ein Schluss auf seine Kenntnis von den Inhalten der Seiten gezogen werden könnte.

In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass es das LKA Berlin aufgrund der Vielzahl der vom Angeschuldigten gehosteten Seiten als unwahrscheinlich angesehen hat, dass er allein Verantwortlicher war.

Die von der Beschwerdeführerin vorgenommene Bewertung des vom Angeschuldigten mit S(…) geführten Telefonats vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Die Staatsanwaltschaft hat das Gespräch selbst als „in vertraulichem Ton geführt“ bezeichnet, was u.a. angesichts der Erkundigung des Angeschuldigten nach einem Rechtsanwalt wegen des Anklagevorwurfs nachvollziehbar erscheint. Dass der Angeschuldigte einerseits das längere Gespräch recht unbefangen geführt hat, andererseits aber die beiläufig eingestreute Aussage zu der Internetseite als bewusste taktische Maßnahme (in Gestalt einer listigen Selbstentlastung mit Blick auf das Abhören und die spätere Verwertung der Äußerung in einer Hauptverhandlung) gewählt haben sollte, ist bei Zugrundelegung einiger Verschlagenheit des Angeschuldigten zwar denkbar, aber nicht in einer Weise wahrscheinlich, dass der Äußerung hier keine Bedeutung zukäme.

Dies gilt umso mehr, als sich der Angeschuldigte selbst gar nicht auf diese Äußerung berufen hat, sondern zu seinem (ihm unterstellten) Plan auch noch seine Annahme gezählt werden müsste, dass jemandem – den Ermittlungsbehörden und/oder dem Gericht – in der umfangreichen Telekommunikationsüberwachung sein entlastender Hinweis auffallen und dieser auch in der von ihm gewünschten Weise gewürdigt werde. Vor dem Hintergrund fehlender Berufung des Angeschuldigten auf die fragliche Äußerung liegt es im Übrigen nicht nahe, von einer „Schutzbehauptung“ zu sprechen.

Soweit die Staatsanwaltschaft mit der Beschwerdebegründung vorbringt, dass es eine direkte Verlinkung der eigenen Seite des Angeschuldigten www.re(…) mit der Seite www.nw(…) gebe, ist dies – auch bei Zugrundelegung eines bloßen Irrtums hinsichtlich des Seitennamens – überraschend. In der Anklageschrift war hiervon keine Rede, obgleich darin das Thema Verlinkungen mit Beispielen behandelt worden ist und die nunmehr vorgebrachte Tatsache für die Beurteilung der subjektiven Tatseite von erheblicher Bedeutung sein könnte; zudem hatte die Staatsanwaltschaft den Fall einer Linksetzung im Rahmen rechtlicher Ausführungen als „ähnlich gelagert“ (und nicht etwa als hier einschlägig) bezeichnet. Ungeachtet dessen findet sich für die jetzt behauptete direkte Verlinkung, zu der die Beschwerdeführerin auch keinerlei Einzelheiten – etwa zum Datum der Linksetzung sowie deren Dauer und insbesondere zur konkreten Ausgestaltung des Links – nennt, in den dem Senat zur Verfügung stehenden Akten kein Anhaltspunkt.

Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft ist das hier angeklagte Host-Providing im Grundsatz nicht mit den Fällen vergleichbar, in denen der Verantwortliche einer Website einen sog. Hyperlink zu Internetseiten mit inkriminierten Inhalten setzt. Für die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Hyperlinks kommt – anders als hier – eine Einschränkung der Verantwortlichkeit aufgrund der §§ 7 ff. TMG nicht in Betracht.

Denn diese Vorschriften regeln die Vereinfachung des Zugriffs auf fremde Inhalte mittels interaktiver Verknüpfungen nicht, sondern dort verbleibt es bei der Verantwortlichkeit des Link-Providers nach allgemeinen Regeln (vgl. nur OLG Stuttgart MMR 2006, 387 = CR 2006, 542 [OLG Stuttgart 24.04.2006 – 1 Ss 449/05] mwN [ergangen im Nachgang zu der von der Staatsanwaltschaft zitierten Entscheidung des LG Stuttgart zu den inhaltsgleichen Vorgängernormen §§ 8 ff. TDG]; Eisele aaO Rn. 83; Lackner/Kühl aaO Rn. 7b). Insoweit wäre erforderlich, dass sich der Seitenbetreiber die fremden Informationen durch Setzen des Links unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände zu Eigen macht (vgl. nur BGH NJW 2007, 2558 [BGH 27.03.2007 – VI ZR 101/06]; Emde/Weber in Hoeren/Bensinger, Haftung im Internet, S. 511 mwN). Auch im Übrigen ist eine Haftung des Angeschuldigten für eigene Informationen nicht ersichtlich, weil ein sonstiges Zueigenmachen, etwa durch zustimmendes Kommentieren oder nachweisliches Identifizieren mit den Inhalten, oder eine aktive Rolle des Angeschuldigten, die eine Kontrolle über die Inhalte ermöglichte, nicht erkennbar sind.

Schließlich ist die Annahme der Beschwerdeführerin, das Unterlassen inhaltlicher Kontrollen durch den Angeschuldigten beruhe bei ihm nicht auf technischer oder wirtschaftlicher Unzumutbarkeit, angesichts der Vielzahl von ihm gehosteter Seiten (nicht nur rechtsextremistischer Gruppen) und der üblicherweise raschen Veränderung der Inhalte fraglich. Soweit es der Staatsanwaltschaft in diesem Zusammenhang nunmehr um eine Unterlassungsstrafbarkeit des Angeschuldigten gehen sollte, ist darauf hinzuweisen, dass der Dienstanbieter eine Prüfungspflicht auch nicht in Fällen hat, in denen ein Verstoß gegen Strafgesetze nahe liegt (vgl. Hoeren aaO. S. 475). § 7 Abs. 2 TMG macht in Bezug auf proaktive Kontrollpflichten des Dienstanbieters keine Unterscheidung im Sinne der von der Staatsanwaltschaft vermutlich gewünschten Art.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StPO.

Suchmaschinen, Auto-Suggest und die Privilegierung nach dem TMG

Bettina Wulff klagt u.a. gegen Google, weil bei Eingabe von „Bettina Wulff“ Google’s Auto-Suggest Vorschläge macht, die nach Auffassung von Frau Wulff rechtswidrig in ihr Persönlichkeitsrecht eingreifen.

In einschlägigen Blogs wird diskutiert, ob Google für solcherlei Vorschläge haftet oder nicht. Rechtsanwalt Stadler verweist auf ein Urteil des OLG Hamburg und darauf, dass es – unabhängig von einer Haftungsprivilegierung von Google – nach äußerungsrechtlichen Grundsätzen darauf ankomme, ob die Kombination der vorgeschlagenen Begriffe „stets und unabhängig von ihrem jeweiligen Kontext rechtsverletzend ist.“

Jens Ferner geht auf ein Urteil des OLG München ein, wonach es keinen erdenklichen Anspruch auf Unterlassung gegenüber Google hinsichtlich eventueller Persönlichkeitsrechtsverletzungen gebe, die durch die „Auto-Suggest-Funktion“ begangen werden.

Die Frage, ob Google sich auf die Haftungsprivilegierung nach §§ 7 ff. TMG berufen kann, ist dennoch interessant. Denn allein weil Google eine Suchmaschine betreibt, heißt dies noch nicht automatisch, dass auch jedes Handeln (im Zusammenhang mit der Suchmaschine) privilegiert ist. Daher soll die Frage der äußerungsrechtlichen Behandlung im folgenden zurückgestellt werden, um dieser Frage nachgehen zu können.

I. Die Privilegierungen nach §§ 7 ff. TMG

Nach § 10 Satz 1 TMG sind

Diensteanbieter [sind] für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich, sofern

1. sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben und ihnen im Falle von Schadensersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird, oder
2. sie unverzüglich tätig geworden sind, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie diese Kenntnis erlangt haben.

Andererseits bestimmt § 7 Abs. 1 TMG:

Diensteanbieter sind für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich.

Der Host-Provider, der fremde Informationen eines Dritten speichert und seinen Nutzern zur Verfügung stellt, soll durch die Privilegierung vor erheblichen Haftungsrisiken geschützt werden.

II. Fremde oder eigene Information?

Maßgeblich ist daher hier, ob der Vorschlag „Bettina Wulff <vorgeschlagenes Wort>“ eine eigene oder eine fremde Information für Google darstellt. Google erläutert die Auto-Suggest-Funktion u.a. wie folgt:

Während Ihrer Eingabe werden mithilfe des Google-Algorithmus basierend auf den Suchaktivitäten anderer Nutzer und auf Inhalten der von Google indexierten Webseiten Suchanfragen vervollständigt und angezeigt.

Auto-Suggest basiert also auf den „Suchaktivitäten anderer Nutzer und Inhalten“ von Webseiten. Dies konkretisiert gleichzeitig auch die Information, die der konkrete Vorschlag enthält: Wenn bei Eingabe von „Bettina Wulff“ zusätzlich das Wort „ABC“ vorgeschlagen wird, lautet die Information (unabhängig vom konkreten Algorithmus und vereinfacht) „Eine Vielzahl anderer Nutzer haben ‚Bettina Wulff ABC‘ gesucht (und/oder eine Webseite mit ‚Bettina Wulff ABC‘ ins Internet eingestellt).

Bei dieser Information handelt es sich nicht um eine „fremde Information“ der Nutzer (unabhängig davon, dass dies für § 10 TMG vermutlich deutlich konkretisierbarer sein müsste), sondern um eine originäre Information von Google. Denn kein Nutzer wollte die Information „Eine Vielzahl anderer Nutzer haben ‚Bettina Wulff ABC‘ gesucht (und/oder eine Webseite mit ‚Bettina Wulff ABC‘ ins Internet eingestellt)“ einstellen und öffentlich zugänglich machen bzw. würde sich diese zurechnen lassen. Der einzelne Nutzer oder Webseitenbetreiber weiß im Zweifel auch gar nicht, dass viele anderer Nutzer ähnliche Sucheingaben getätigt oder ähnliche Inhalte publiziert haben.

III. Ergebnis

Als Folge würde Google für die Aussage „Eine Vielzahl anderer Nutzer haben ‚Bettina Wulff ABC‘ gesucht (und/oder eine Webseite mit ‚Bettina Wulff ABC‘ ins Internet eingestellt)“ nach allgemeinen Gesetzen haften und könnte sich gerade nicht auf § 10 TMG berufen. Darauf, ob Google andere Suchergebnisse modifiziert, ändert oder unterdrückt, kommt es daher nicht an.

Dafür ist im Ergebnis ist gerade doch entscheidend, wie Google’s Vorschläge nach äußerungsrechtlichen Gesichtspunkten zu behandeln sind …

BGH, Google, Thumbnails und die Anwendung der Privilegierungen der §§ 7-10 TMG auf Unterlassungsansprüche

RA Stadler hat in seinem Blog Internet-Law eine kurze Einschätzung zum Urteil des BGH zur Google-Bildersuche abgegeben. Die Urteilsbegründung (Volltext hier) war mit Spannung erwartet worden, da nicht ganz klar war, wie der BGH es konstruieren wuerde, dass jemand, der ein Werk ins Internet einstellt, Google nicht rechtlich in Anspruch nehmen darf, wenn Google das Werk in seiner Suchmaschine nutzt.

RA Stadler weist auf einen sehr interessanten Punkt in der Urteilsbegründung hin: Der BGH setzt nämlich fuer sein Urteil auch an der Privilegierung des Art. 14 der E-Commerce-Richtlinie an, der in Deutschland in  § 10 TMG umgesetzt wurde, also der Haftungsprivilegierung fuer Host Provider:

„Der BGH geht dann noch einen Schritt weiter und erläutert, dass Google das Urheberrecht auch dann nicht verletzt, wenn die Bilder nicht mit Zustimmung des Urhebers ins Netz gelangt sind, zumindest solange Google nicht auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist. Der BGH stützt sich hierbei auf die Rechtsprechung des EuGH zu Google-AdWords und nimmt Bezug auf Art. 14 Abs. 1 der E-Commerce-Richtlinie.“

Das ist relevant, da der BGH in ständiger Rechtsprechung (s. nur BGH Internetversteigerung I-III, s. hier) die Privilegierungen er §§ 7-10 TMG (also auch diejenige des Access Providers) nicht auf Unterlassungsansprueche wie z.B. die Störerhaftung anwendet, was in der juristischen Literatur Kritik erfahren hat.

Im vorliegenden Fall war Google aber gerade auf Unterlassung in Anspruch genommen worden. Der Antrag im Berufungsverfahren vor dem OLG Jena hatte gelautet (im offiziellen Text der BGH-Entscheidung sind die Anträge nicht enthalten):

„Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu €  250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen am gesetzlichen Vertreter, zu unterlassen, Abbildungen von Kunstwerken der Klägerin zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen und/oder  über das Internet zugänglich zu machen und oder zu bearbeiten oder umzugestalten, wie es in Form sogenannter thumbnails im  Rahmen der Bildersuchmaschine der Beklagten geschehen ist.“

Mit anderen Worten könnte man das Urteil des BGH nun so lesen, dass die Haftungsprivilegierungen eben doch auf Unterlassungsansprüche anwendbar sind. Vermutlich war sich der BGH dieses Widerspruchs aber nicht bewusst, wie auch RA Stadler meint. Allerdings zeigt dieses Urteil, dass auch der BGH bei einer kurzen Durchsicht eher davon ausgeht, dass die Privilegierung auch für Unterlassungsansprüche anwendbar sein soll.