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LG Köln: Gerichtsstand nach § 104a UrhG gilt nicht bei Filesharing-Fällen?

Rechtsanwalt Jens Ferner berichtet über eine aktuelle Entscheidung des LG Köln, in dem dieses beim Filesharing eines neuen Computerspiels den ausschließlichen Gerichtsstand am Sitz des Verletzers nach § 104a Abs. 1 UrhG abgelehnt hat (LG Köln, Urt. v. 6.5.2015 – 14 O 123/14).

§ 104a UrhG ist im Rahmen des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken eingeführt worden. Dabei ist die Regelung während des Gesetzgebungsverfahrens auf Empfehlung des Rechtsausschusses neu in den Entwurf aufgenommen worden (BT-Drs. 17/14192, S. 15).

§ 104a Abs. 1 UrhG lautet:

(1) 1Für Klagen wegen Urheberrechtsstreitsachen gegen eine natürliche Person, die nach diesem Gesetz geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk diese Person zur Zeit der Klageerhebung ihren Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. 2Wenn die beklagte Person im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.

Problematisch ist hier die Begrifflichkeit „gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit“. Wenn eine solche vorliegt, soll § 104a Abs. 1 UrhG nicht greifen und dementsprechend der allgemeine fliegende Gerichtsstand nach § 32 ZPO gelten.

Das LG Köln schreibt dazu:

„Eine Begriffsbestimmung, was unter eine gewerbliche Tätigkeit in diesem Sinne fällt, enthält das Gesetz nicht. Insbesondere hat der Gesetzgeber keinen formalen Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Gewerblichkeit gewählt, also etwa, dass eine gewerbliche Tätigkeit nur im Falle einer Eintragung in das Gewerberegister anzunehmen sein soll.

9b) Damit kommt es auf die Abgrenzung im Einzelfall an, ob das Verletzerverhalten „für“, also in einem Zusammenhang stehend mit einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit anzusehen ist oder das Verhalten selbst als gewerblich anzusehen ist. Da nach dem Wortlaut des Gesetzes eine auch geringfügige gewerbliche Nebentätigkeit ausreicht, um den Anwendungsbereich von § 104 a UrhG auszuschließen, ist die Beurteilung entscheidend, wie das tatsächliche Verhalten des Beklagten einzuordnen ist, ob es also als rein private Tätigkeit oder (schon) gewerbliches Handeln zu charakterisieren ist.

10Eine im Ausgangspunkt dem privaten Bereich zuzuordnende Tätigkeit ist dann als gewerbliches Handeln anzusehen, wenn es in einem Maße ausgeübt wird, das dem Handeln eines Gewerbetreibenden (schon) gleichkommt. Veräußert also etwa eine natürliche Person über die Verkaufsplattform eBay oder ähnliche Einrichtungen Gegenstände, wird dies bei einzelnen Stücken regelmäßig als privater Verkauf und damit als private Tätigkeit anzusehen sein. Veräußert die natürliche Person jedoch eine Anzahl gleicher Waren, insbesondere wenn sie neu und original verpackt sind, spricht dieses Ausmaß dafür, bereits von einer – möglicherweise auch erst beginnenden – gewerblichen Tätigkeit auszugehen, wobei dies im Einzelfall zu prüfen und auch weitere Kriterien wie etwa eine hohe Anzahl von Angeboten innerhalb eines kurzen Zeitraums, das Angebot von neuwertigen Markenartikeln, eine hohe Anzahl von Feedbacks und Ähnliches zu berücksichtigen sind (vergleiche für einen eBay Verkauf und diese Wertung etwa OLG Köln, Beschluss vom 14. Februar 2014 – 6 W 20/14).

11Diese Wertung steht im Einklang mit der Intention des Gesetzgebers, den Anwendungsbereich von § 104a UrhG auf privates Verhalten von natürlichen Personen zu beschränken. Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung auf die Unterscheidung zwischen Verbrauchern und Unternehmern gemäß §§ 13, 14 BGB Bezug genommen (vergleiche dazu bereits den Bericht des Rechtsausschusses vom 26. Juni 2013, Bundestagsdrucksache 17/14216, dort Seite 10).“

Damit engt das LG Köln nach meiner Auffassung den Anwendungsbereich von § 104a Abs. 1 UrhG zu weit ein. Bei der Auslegung von § 104a Abs. 1 UrhG kommt der historischen sowie der teleologischen Auslegung besondere Bedeutung zu. Das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken ist nämlich gerade mit Blick auf massenhafte Filesharing-Abmahnungen geschaffen worden. Diese sollten geregelt werden. Sinn und Zweck war daher gerade, bei Filesharing-Fällen einen ausschließlichen Gerichtsstand am Ort des Verletzers zu schaffen und damit Waffengleichheit zwischen dem Abmahner und dem Abgemahnten herzustellen (Fromm/Nordemann, UrhG, 11. Aufl. 2014, § 104a Rn. 3). Die Schwelle sollte daher gerade beim Filesharing nicht überschritten sein. Letztlich war das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken (insbesondere die Neuregelung des § 97a Abs. 3 UrhG) ja erforderlich geworden, weil die Rechtsprechung schon zuvor die Intention des Gesetzgebers, nämlich die Beschränkung der Abmahnkosten durch § 97a Abs. 2 a.F. schlicht ignoriert hatte. Daraus lässt sich folgern, dass die Voraussetzungen für die Ausnahme und damit für eine Annahme des allgemeinen „fliegenden“ Gerichtsstandes nach § 32 ZPO nun deutlich höher liegen sollten.

Weiter nimmt das LG Köln Bezug auf den Begriff des „gewerblichen Ausmaßes“ in § 101 UrhG:

„Dies gilt umso mehr, als es nahe liegt, zur Auslegung von § 104 a UrhG andere Normen des Urheberrechtsgesetzes heranzuziehen, in denen die gleiche oder eine verwandte Begrifflichkeit Anwendung findet. Dies ist mit dem Begriff des „gewerblichen Ausmaßes“ gegeben, da dieser für den Auskunftsanspruch nach § 101 Abs. 1 UrhG als Tatbestandsmerkmal aufgenommen ist. So kann sich gemäß § 101 Abs. 1 S. 2 UrhG das gewerbliche Ausmaß sowohl aus der Anzahl der Rechtsverletzungen als auch aus der Schwere der Rechtsverletzung ergeben, womit es auch insoweit ebenso wie nach der vorzitierten Rechtsprechung zu §§ 13, 14 BGB entscheidend auf die Anzahl und die Nachhaltigkeit des rechtsverletzenden Verhaltens ankommt.“

Auch insoweit liegt das LG Köln nach meiner Auffassung falsch. Denn der Gesetzgeber kannte ja gerade aus § 101 UrhG die Begrifflichkeit des „gewerblichen Ausmaßes“. Diese war zuvor jahrelang Gegenstand juristischer Diskussion in Rechtsprechung und Literatur (s. dazu die Übersicht hier). Wenn der Gesetzgeber also „gewerbliches Ausmaß“ gemeint hätte, dann hätte er auch „gewerbliches Ausmaß“ in den Gesetzestext aufgenommen und nicht „gewerblich oder selbständig“. Wenn man schon vom Begriff „gewerblch“ kommt, wäre es näher, hier auf die Definition der Gewerblichkeit aus der Gewerbeordnung (GewO) abzustellen. Dort ist eine auf Dauer angelegte Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht erforderlich! Und beides dürfte beim Filesharing nicht der Fall sein.

Auch wenn man – wie es der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung getan hat – auf die Abgrenzung von Verbraucher und Unternehmer abstellt, sollte man meines Erachtens nach nicht Filesharing als typisch unternehmerische Tätigkeit darstellen. Mir ist nämlich kein Unternehmer bekannt, der Inhalte im Internet zum Download anbietet, ohne hierfür ein Entgelt zu verlangen oder dies mit Werbung oder auf andere Art und Weise zu finanzieren. Sowas tun nur Verbraucher, denen es eigentlich gar nicht um das Angebot der Inhalte geht, sondern um den Download.

Auch die Literatur sieht dies praktisch einhellig so:

So formuliert z.B. Reber im Beck’schen Online-Kommentar UrhG (BeckOK-UrhG/Reber, § 104a Rn. 2):

„Insbesondere das Anbieten von Werken und anderen Schutzgegenständen über sog Internettauschbörsen durch natürliche Personen ist, solange dies wie üblicherweise nicht entgeltlich geschieht, als nicht gewerblich anzusehen, so dass die Gerichtsstandsregelung zur Anwendung kommt.“

Fromm/Nordemann (UrhG, 11. Aufl. 2014) verweist bei der Kommentierung zu § 104a Abs. 1 UrhG auf seine Ausführungen zu § 97a Abs. 3 UrhG (§ 104a Rn. 6 bzw. § 97a Rn. 46). Und „Tauschbörsenverletzungen“ führt der Fromm/Nordemann dann als (allererstes) Beispiel einer privaten Urheberrechtsverletzung an.

Fitzner formuliert im Hoeren/Bensinger (Haftung im Internet, 2014), Kap. 2 Rn. 114 (ebenso Eichelberger, in Hoeren/Bensinger, Kap. 4 Rn. 283):

„Damit wurde im Ergebnis der sog. fliegende Gerichtsstand gem. § 32 ZPO für Filesharing-Verfahren abgeschafft.“

Kefferpütz im Wandtke/Bullinger (UrhG-Kommentar) will zwar die Schwelle für die Gewerblichkeit nicht so hoch setzen wie in der GewO, verlangt aber trotzdem, dass auf die Zweckbestimmung der Rechtsverletzung abgestellt wird, so dass klassisches Filesharing wohl ebenfalls nicht erfasst wäre (Wandtke/Bullinger-Kefferpütz, UrhG, 4. Aufl. 2014, § 104a Rn. 3):

„Die Annahme einer gewerblichen Verwendung dürfte nicht erfordern, dass die Schwelle zum „Gewerblichen Ausmaß“ etwa iSd § 101 Abs. 1, überschritten sein muss (s. zu diesem Begriff § 101a Rn. 25), so dass etwa erst bei häufiger oder schwerer Rechtsverletzung die Anwendbarkeit des § 104a Abs. 1 S. 1 entfiele; vielmehr deutet die Begriffskombination „gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit“ darauf hin, dass es allein auf die Zweckbestimmung der rechtsverletzenden Verwendung ankommt.“

Insgesamt bleibt zu hoffen, dass § 104a UrhG von anderen Gerichten als dem LG Köln nicht so eng gefasst wird. Dies widerspräche der klaren Intention des Gesetzgebers (und des Gesetzes). Und eine zweite Nachbesserung sollte eigentlich nicht erforderlich werden.

Und nochmal: Will die CDU flächendeckendes WLAN – oder nicht? Ein zweiter Blick.

Ich hatte am Samstag hier kurz über den Beschluss D1 auf dem CDU-Parteitag in Köln (PDF) berichtet.

1. Beschluss D1

In diesem D1 heißt es (anders als noch im Antragstext, Hervorhebungen von mir):

Die CDU setzt sich dafür ein, dass auch in Deutschland kostenloses WLAN in allen öffentlichen Gebäuden, in der Bahn und auf Flughäfen vorhanden ist. Ebenso sollen zum Beispiel Restaurants, Cafés, Hotels und andere Einrichtungen öffentlich zugängliches WLAN anbieten können, ohne für eventuellen Missbrauch durch die Nutzer haften zu müssen. Dazu werden wir die Anbieter öffentlicher WLAN-Netze sogenannten Providern (Netzanbietern) rechtlich gleichstellen.

Ich hatte insbesondere kritisiert, dass dieser Beschluss hinter dem Antragstext zurückbleibt und ein flächendeckendes WLAN nicht zum Ziel hat.

2. Sonstiger Beschluss „Öffentliches WLAN“

Nun weist mich @erik_donner (SPD) zu Recht darauf hin, dass es unter „Sonstige Beschlüsse noch einen weiteren Beschluss der CDU vom Parteitag von Anfang Dezember 2014 gibt, unter der Überschrift „Beschluss C 12, C 43 und C 70 – Schneller Breitbandausbau fu?r ganz Deutschland“ und dort unter „O?ffentliches WLAN“ (PDF, S. 13). Da heißt es (Hervorhebungen von mir):

Die WLAN-Störerhaftung verhindert einen flächendeckenden, allgemein verfügbaren und kostengünstigen Internetzugang. Die Bundesregierung muss Haftungsrisiken für gewerbliche und nichtgewerbliche Betreiber von WLAN-Netzen abbauen. Nur so ist es den Betreibern möglich, ihre Zugänge für Dritte zu öffnen, ohne sich der Gefahr von Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen sowie der damit verbundenen Abmahnkosten auszusetzen. Mobiles Internet über WLAN muss in deutschen Städten für jeden verfügbar sein. Das sogenannte Providerprivileg des § 8 TMG, welches bisher nur Zugangsprovider von der Haftung für Rechtsverletzungen ihrer Kunden freistellt, muss auf die Betreiber von Drahtlosnetzen ausgeweitet werden.

Erik Donner hat mich weiter darauf hingewiesen, dass der Beschluss D1 mit „andere Einrichtungen“ auch Private umfassen würde. Die beiden Beschlüsse würden sich also nicht widersprechen.

Ich bin mir da ehrlich gesagt nicht sicher – mich lassen die beiden Beschlüsse eher ratlos zurück. Was will die CDU jetzt? D1 klingt wie die Digitale Agenda und der Koalitionsvertrag. Der Beschluss unter C12/C43/C70 klingt eher wie der gerade erst von CDU/CSU und SPD abgelehnte Vorschlag von Grünen und LINKE (BT-Drs. 18/3047). Insbesondere soll das Providerprivileg des § 8 TMG ausgeweitet werden, dies dürfte „gewerbliche und nicht-gewerbliche“ Betreiber von WLAN-Netzen betreffen.

3. Hilft der Blick auf andere Äußerungen der CDU?

Vielleicht hilft uns ja ein Blick auf die Äußerungen der CDU-Bundestagsabgeordneten zum letzten Anlauf der Opposition, in § 8 TMG eine Regelung zur Haftung für WLANs herbeizuführen. Dabei sollte man im Hinterkopf behalten, dass die Bundesregierung informell bereits für August 2014 einen Gesetzesentwurf angekündigt hat, der sich aber wohl noch in der Ressortabstimmung befindet.

So äußert Hansjörg Durz (CDU/CSU) in der Debatte im Bundestag vom 14.11.2014 (S. 41 ff., Hervorhebungen von mir):

Nun haben die Oppositionsfraktionen einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt, der das Problem lösen soll, indem das sogenannte Providerprivileg durch eine Ergänzung des Telemediengesetzes auf kommerzielle und private WLAN-Betreiber erweitert wird. Dadurch würden Betreiber öffentlicher WLANs haftungsrechtlich gewerblichen Internetanbietern, die bereits heute von der Haftung freigestellt sind, gleichgestellt. Um es vorwegzunehmen: Der vorgelegte Ansatz ist zu simpel; denn für Rechtsverletzungen Dritter werden keine Lösungen vorgeschlagen. Das Thema wird im Antrag nicht einmal erwähnt.

Wir sind uns alle der Potenziale von WLAN bewusst, und es herrscht Einigkeit hier im Deutschen Bundestag über das Ziel, die Verbreitung von WLAN-Zugängen zu erhöhen. Die Bundesregierung hat im Rahmen der Digitalen Agenda angekündigt: Wir werden Rechtssicherheit für die Anbieter solcher WLANs im öffentlichen Bereich, beispielsweise Flughäfen, Hotels, Cafés, schaffen. Diese sollen grundsätzlich nicht für Rechtsverletzungen ihrer Kunden haften. – Sie hat aber auch erklärt: Wir werden die Verbreitung und Verfügbarkeit von mobilem Internet über WLAN verbessern. Dabei werden wir darauf achten, dass die IT-Sicherheit gewahrt bleibt und keine neuen Einfallstore für anonyme Kriminalität entstehen. – In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns.

Ich bin sicher, dass die Bundesregierung mit Hochdruck an einer Regelung arbeitet, die es erlaubt, die Vorteile einer flächendeckenden Verfügbarkeit von WLAN im öffentlichen Raum zu nutzen, gleichzeitig aber einen praktikablen Weg findet, dass sich die Nutzung nicht komplett anonym abspielt.

Für Flughäfen, Hotels, Cafés, Gewerbetreibende usw. wird es sicher Lösungen geben. Eine einfache Ausweitung der Providerprivilegierung auf jeden, auch privaten Inhaber eines WLAN-Zugangs ohne jegliche Form von Registrierung, wie auch immer die aussehen mag, kann? aber nicht die Lösung sein.

Bei allen Vorteilen offener Internetzugänge: Wir müssen uns mit dem Gedanken auseinandersetzen, dass ein höheres Maß an Anonymität beim Internetzugang auch negative Folgen entfalten kann.

Der Vorschlag der Opposition zu Ende gedacht, bedeutet, dass sich im Zweifel jeder WLAN-Besitzer, auch der kriminelle, auf das Providerprivileg zurückziehen und nicht mehr haftbar gemacht werden kann.

Ich möchte hier diese Ausführungen nicht inhaltlich aufarbeiten, das ist hier im Blog schon oft genug passiert. Es geht mir darum, ob sich daraus ablesen lässt, wie die CDU sich eine Regelung vorstellt – und ich bin nach dieser Lektüre leider auch nicht schlauer. Die Rede von Durz hört sich vielmehr stark nach dem Beschluss D1 an – und ganz und gar nicht wie C12/C43/C70.

In der Debatte hat anschließend hat auch noch Axel Knoerig (CDU/CSU) zum Thema gesprochen (S. 45 ff., Hervorhebungen von mir):

Wir von der Union fordern deshalb verschlüsselte Funknetze; denn im Gegensatz zu offenen Netzen schützen sie vor Hackerangriffen, Wirtschaftsspionage und Datenklau.

Dieses Thema drängt. Die bestehende Rechtslage muss den Entwicklungen im Netz angepasst werden. Ich ergänze: Internetkriminelle dürfen sich nicht länger hinter den Inhabern von WLAN-Anschlüssen vor Strafverfolgung verstecken können. Deswegen ist die Bundesregierung gefordert, zügig ihren Gesetzentwurf vorzulegen. Wir sagen: Unsere Netzpolitik ist vorausschauend und auch verantwortungsvoll. Wir müssen alle rechtlichen Seiten prüfen, und zwar zusammen mit allen betroffenen Ressorts. Das unterscheidet uns von Ihnen, Herr Notz, da Sie mit Ihrem Antrag im Grunde einen Schnellschuss vorlegen.

Haftungsfragen, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen in der digitalen Welt auf internationaler Ebene gelöst werden. Sie dürfen nicht bei kleinen nationalen Regelungen enden und einer Umsetzung des europäischen digitalen Binnenmarkts vorgreifen.

Ich wiederhole es gern: Auch der Europäische Gerichtshof beschäftigt sich mit dieser Haftungsproblematik. Sein Urteil wird zur Klärung der Rechtslage beitragen.

Leider hilft mir auch das nicht weiter. Der Gesetzesentwurf soll bald kommen, außerdem soll er in Einklang mit der europäischen Gesetzgebung (insb. der E-Commerce-Richtlinie) stehen.

4. Fazit? Nicht Genaues weiß man nicht.

Daher bleibt meine Frage: Was will die CDU? Und wie? Man kann aus den Beschlüssen herauslesen, dass doch § 8 TMG eine Neuregelung erfahren soll – ggf. mit Registrierungspflichten und vielleicht sogar Verschlüsselungspflicht. Sonst bleibt aber angesichts der Formulierung der beiden Beschlüsse vieles, wenn nicht alles, offen.

Im Ergebnis werden wir weiter auf den Gesetzesentwurf warten müssen. Wer weitere Hinweise hat, gerne an mich.

 

 

 

 

 

 

LG Magdeburg: Streitwert bei Filesharing eines Musikalbums 5.000,- EUR (Urt. v. 8.9.2010-2 S 226/10)

In der JurPC ist der Volltext eines Urteils des LG Magdeburg erschienen (LG Magdeburg, Urt. v. 8.9.2010 – 2 S 226/10, JurPC Web-Dok. 201/2010), das in mehrfacher Hinsicht interessant ist:

1. Zum einen stellt das Gericht fest, dass der Download eines Musikalbums nicht als „gewerbliche Nutzung“ anzusehen ist.

In diesem Zusammenhang geht das Gericht auch nicht von einer gewerblichen Nutzung aus. Eine solche läge nur dann vor, wenn die Bereitstellung zur Erlangung eines wirtschaftlichen und kommerziellen Vorteils erfolgt ist, was zu einer Erhöhung des Streitwerts führen würde. Dieses ist vorliegend nicht erkennbar.

2. Außerdem setzt es den Streitwert auf 5.000,- EUR zzgl. der Schadensersatzansprüche, und nicht wie von der Klägerin beabsichtigt auf 50.000,- EUR, fest:

Auch wenn das Bereitstellen von Musikstücken in Filesharing- Systemen kein Kavaliersdelikt darstellt, hält das Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände einen Streitwert von 5.000 € für die Abgabe der Unterlassungserklärung im vorliegenden Fall für angemessen.

Auch wenn durch das Zugänglichmachen von Filmen und Musik im Internet über Filesharing-Systeme die Film und Musikindustrie in erheblichen Umfang geschädigt wird, hat die Streitwertbemessung keine abschreckende oder gar sanktionierende Wirkung, sondern orientiert sich an dem Wertinteresse des Gläubigers und an der Intensität der Rechtsverletzung (vgl. AG Wildeshausen, Urteil vom 18. Mai 2010 in 4 O 497/09, AG Halle, Urteil vom 24. November 2009 in 95 O 3258/09 – zitiert nach juris).

Der Beklagte stellte nur ein einziges urheberrechtlich geschütztes Album zum Hochladen bereit. Dieses stellt – soweit ersichtlich – zudem den ersten Verstoß des Beklagten gegen Nutzungsrechte der Tonträgerherstellerin U GmbH dar. Darüber hinaus war der Zeitraum des Zurverfügungstellens des Albums lediglich auf den Zeitraum des eigenen Herunterladens beschränkt. Auch hat die Klägerin keine Darlegung zur wirtschaftlichen Bedeutung des Albums „… der Künstlergruppe … für die Tonträgerherstellerin U GmbH gemacht und somit den wirtschaftlichen Wert der Rechtsgutverletzung nicht näher dargelegt. Damit ist hier lediglich eine bagatellartige Rechtsverletzung anzunehmen, die einen Streitwert in Höhe von 50.000,00 € nicht rechtfertigen kann (vgl. auch LG Darmstadt, Urteil vom 20.04.2009, in 9 O 99/09 zitiert nach juris).

Das Urteil reiht sich damit ein in die kürzlich zu beobachtende Tendenz, beim Filesharing den Streitwert zu begrenzen – und damit auch die Kosten der Beteiligten zu reduzieren. Zu beachten ist allerdings, dass das Gericht hier maßgeblich auch auf die kurze Dauer des eigenen Angebots (nur während des eigenen Downloads) abstellt.

Lesetipp: Interview mit Dr. Lars Jaeschke zum Thema „Haftung von Inhabern gewerblicher WLANs für Urheberrechtsverletzungen Dritten“

Auf heise.de erläutert Dr. Lars Jaeschke das WLAN-Urteil des BGH (BGH, Urt. v. 12.5.2010 – I ZR 121/08: Sommer unseres Lebens, s. dazu auch hier, hier, hier, hier und hier) in Bezug auf gewerbliche Anbieter von WLAN.

Hier nur ein paar kurze Zitate:

Der Betreiber eines gewerblichen WLANs ist, soweit er anderen Personen den Zugang zum Internet vermittelt, als Access-Provider zu betrachten, weshalb sich die Frage der Anwendbarkeit des Telemediengesetzes (TMG) stellt. … Dies trifft etwa auf alle Anbieter von Unternehmens-, Stadt-, Universitäts- oder Hotel-WLAN-Netzen usw. zu, auf Internetcafes ohnehin.

Zur Begründung führt Jaeschke zudem auch die Andeutungen des BGH im Google Thumbnails-Urteil an (s. dazu hier).

Eine Pflicht der Betreiber offener Netzwerke zur Identifizierung und/oder Überwachung ihrer Nutzer lässt sich dem Urteil des BGH nicht entnehmen und wäre auch rechtswidrig. Eine Kennungsvergabe an die Benutzer ergibt nur Sinn, wenn die Benutzer auch überwacht und bei Verstößen gesperrt werden. Dies ist jedoch aufgrund des Fernmeldegeheimnisses aber unzulässig. Es besteht ein striktes Kenntnisnahmeverbot.

Zur Unterlassungserklärung:

Wichtig ist insoweit für die abzugebende Unterlassungserklärung, dass ein Unterlassungsanspruch dem Rechteinhaber laut BGH nur insoweit zusteht, als er sich ‚dagegen wendet, dass der Beklagte außenstehenden Dritten Rechtsverletzungen der genannten Art ermöglicht, indem er den Zugang zu seinem WLAN-Anschluss unzureichend sichert‘.

Insgesamt liegt Jaeschke in seiner Bewertung auf meiner Linie. Eine Bewertung im Einzelfall ist jedoch unerlässlich. Bevor also wie bei der Cafe-Kette Woyton das WLAN eingestellt wird (s. dazu hier), sollte jedenfalls rechtlicher Rat eingeholt werden.