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Entscheidung über Freifunk in Gütersloh aufgeschoben/vertagt

Ich hatte hier über den holprigen Weg zu kommunalem Freifunk in Gütersloh berichtet, zunächst unter dem Stichwort „Rechtsunsicherheit kills Public Wifi“ und später dann unter „Erfolgsgeschichten„, da sich doch noch alles zum Guten gewendet zu haben schien.

Die Entwicklung in Gütersloh ist damit aber noch nicht vorbei. Wie Freifunk Gütersloh berichtet, ist der damalige Beschluss beanstandet worden. Am 28.8.2015 soll jetzt erneut über den Antrag diskutiert/entschieden werden.

Mehr Details bei Freifunk Gütersloh.

Freifunk und Kommunen, Teil 4 (heute: 3-Ländereck)

Rüdiger vom Freifunk 3-Ländereck hat mich im Nachgang zu meinen Berichten zur Zusammenarbeit von Kommunen mit Freifunk (hier, hier, hier, hier, hier und hier) auf eine ganze Reihe von erfolgreichen Kooperationen im Dreiländereck DE/FR/CH mit verschiedenen Gemeinden hingewiesen.

Hier, was Rüdiger mir freundlicherweise mitgeteilt hat (Danke!):

1. Stadt Rheinfelden

Städt. IT betreibt ca. 10 eigene Knoten (Rathaus, Stadtbibliothek,  Sportstätten). Die Stadtverwaltung und die städt. Wirtschaftsförderung unterstützen Freifunk aktiv und haben z.B. den beigefügten Flyer in 10.000er Auflage finanziert, Gewerbetreibende angeschrieben. Nutzung städt. Gebäude zugesagt, städt. Wohnbau bietet ebenfalls Gebäude und Nutzungsüberlassung einer eigenen Dark Fibre aus ihrem städt. Glasfasernetz für Freifunk-Backbone, Pilotprojekt: Fußgängerzone, danach weitere städtische Objekte

2. Gemeinde Grenzach-Wyhlen

Rathaus, weitere städt. Objekte in Vorbereitung (z.B. Schwimmbad, Haus der Begegnung), Nutzung städt. Gebäude zugesagt, finanzielle Unterstützung für Server-Infrastruktur zugesagt

3. Gemeinde Binzen

Ab Oktober Rathaus und weitere städt. Gebäude, Aufruf zur Teilnahme an Gewerbetreibende

4. Landratsamt Lörrach

Abstimmung zur Versorgung der Gemeinschaftsunterkünfte des Landkreises mit Freifunk (Termin 3.7.: konkrete Absprachen für GU Efringen-Kirchen)

5. Stadt Lörrach

Vorgespräch mit städt. Wirtschaftsförderung erfolgreich, Kooperation geplant, Terminanfrage der Stadt: 10.07.

6. Bad Säckingen

Probebetrieb im Rathaus zum Brückenfest, dauerhafte Versorgung Rathaus und weiterer Objekte von städt. IT angefragt.

7. Weitere Landgemeinden

– unterschiedlich intensive Kooperationen in Ühlingen-Birkendorf, Kleines Wiesental, Kandertal

 

Ich muss sagen, dass mich die Anzahl an Gemeinden, die doch mit Freifunkern zusammenarbeitet, dies plant oder erwägt, mich sehr positiv überrascht!

Alle Knoten des Freifunk 3-Ländereck finden sich hier in der Karte.

Landtag NRW beschließt Auftrag zur Förderung von Freifunk-Netzen

Am 25.6.2015 hat der Landtag Nordrhein-Westfalen über einen Antrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Piraten mit dem Titel „Freifunk in Nordrhein-Westfalen: Bürgernetze ausbauen und weiter stärken!“ (LT-Drs. 16/8970, PDF) debattiert und hat diesen angenommen. Die interessante Debatte im Landtag kann in der Videoaufzeichnung der Sitzung nachvollzogen werden (ab 04:25:00h, sowie bei YouTube).

Die Begründung des Antrags stellt zunächst die Situation bei WLANs vor und geht ganz speziell auf die Idee hinter Freifunk ein.

Ziel des Antrags war folgendes:

„II. Der Landtag stellt fest:

1. Der Landtag begrüßt die Freifunk-Bewegung und dankt allen freiwilligen Helferinnen und Helfern vor Ort.
2. Der Landtag sieht die großen Potenziale des Freifunks als Bürgernetz, in dem sich die beteiligten Menschen miteinander austauschen können.
3. Der Landtag begrüßt, dass sich die Landesregierung auch weiterhin auf Bundesebene für die Herstellung von Rechtssicherheit auch für private Betreiberinnen und Betreiber offener WLAN-Netzen einsetzen wird.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung vor diesem Hintergrund auf:

1. eine Informationskampagne in den nordrhein-westfälischen Kommunen zu
initiieren, um diese über die Möglichkeiten des Freifunks zu informieren und für optimale Rahmenbedingungen beim Ausbau des Freifunks in NRW zu werben. Die Informationskampagne soll die Vorteile von bürgerschaftlich getragenen Freifunk-Initiativen herausstellen und die häufig von Unkenntnis geprägten Akzeptanzprobleme abbauen.
2. Freifunk-Initiativen in den kommenden Jahren finanziell beim Aufbau einer zukunftsfähigen technischen IT-Infrastruktur zu unterstützen.
3. die Voraussetzungen für die Nutzung der Liegenschaften des Landes zur Aufstellung von Freifunk-Router zu schaffen. Hierbei ist im Ausschreibungsverfahren dafür Sorge zu tragen, dass möglichst vielen Menschen für eine zeitlich unbegrenzte Zeit kostenfreier Zugang zum Internet gewährt wird. Im Rahmen von „Open Data“ sollen infrage kommende Liegenschaften online kartografiert werden, so dass Freifunkerinnen und Freifunker diese als mögliche Standorte in ihre Planungen einbeziehen können.“

Im Ergebnis ist der Beschluss daher zweigeteilt: Der erste Teil ist eher ideeller Natur, der zweite enthält konkrete Handlungsaufforderungen an die Landesregierung. Viel mehr – z.B. in Form von Gesetzen – kann von einem Landtag nicht erwartet werden, da insbesondere in den interessanten Bereichen wie Haftung von und Anforderungen beim Betrieb von WLANs nicht in der Gesetzgebungskompetenz der Länder liegen.

Besonders interessant sind nach meiner Auffassung die Aufforderungen Nr. 2 und 3. Die Landesregierung soll Freifunk-Initiativen finanziell unterstützen. Interessant ist dies, weil es nicht viel braucht, um bei Freifunk Effekte zu erzeugen. Die Kosten sind insgesamt so niedrig (als Einmalinvestition 15-40 € für einen Router, Kosten der Einrichtung abhängig vom Standort und dazu der Stromverbrauch), dass schon relativ geringe Beträge helfen. Zudem soll Freifunk ja gerade als Bürgernetz etabliert werden, so dass weitestgehend (1) Anschubfinanzierung für Knoten in Hand der Bürger sowie (2) die Förderung des Aufbaus von Backends (Server, Richtfunkstrecken etc.) schon viel helfen.

Weiter ist es für Freifunker wichtig für den Aufbau des Netzes, zu zentralen Standorten Zugang zu erhalten – und da sind die vielen staatlichen Gebäude (Schulen, Bibliotheken, Rathäuser etc.) ideal. Häufig handelt es sich auch um Gebäude, die höher sind als die umliegenden, so dass größere Flächen abgedeckt werden können. Außerdem eignen sich hohe Gebäude gut, um längere Richtfunkstrecken einzurichten, die entweder bestehende Teilnetze verbinden oder Backup-Kapazitäten ermöglichen.

Auch Nr. 1, die Informationskampagne, ist aber nicht zu verachten: Wenn das Land Nordrhein-Westfalen hinter einem solchen Projekt steht und Werbung dafür macht, sind viele Menschen sicher leichter zu überzeugen. Ich denke da insbesondere auch an Schulen und Verwaltungen, die in der Vergangenheit teilweise starke Bedenken hegten.

Aus diesen Gründen halte ich den Beschluss des Landtages für einen großen Erfolg. Er wird keine sofortigen Wirkungen zeitigen, aber insgesamt dem Freifunk-Projekt (hoffentlich) zu einem weiteren Schub verhelfen. Von daher: Herzlichen Glückwunsch nach Nordrhein-Westfalen!

Rechtsunsicherheit, der TMG-Gesetzesentwurf und öffentliche WLANs

Ich habe hier im Blog sowohl auf Fälle hingewiesen, in denen öffentliche WLANs im Allgemeinen und Freifunk im Speziellen durch die weiterhin bestehende Rechtsunsicherheit behindert, wenn nicht verhindert werden (u.a. hier, hier und hier), ebenso habe ich auf Fälle hingewiesen, in denen die Zusammenarbeit mit den Kommunen funktioniert oder geplant ist (hier, hier, hier, hier und hier).

Zur allgemeinen Rechtsunsicherheit kommen bereits jetzt erste (negative) Effekte der geplanten Änderung der Haftung beim Betrieb von WLANs im Telemediengesetz (TMG, zum Gesetzesentwurf eingehend hier, hier und hier sowie im Aufsatz von Thomas Sassenberg und mir in der Zeitschrift CR 2015, 298):

Die Neue Westfälische berichtete vor wenigen Tagen über geplante öffentliche WLANs in Paderborn (Hervorhebungen hier):

„Freies W-LAN in der City sei nach Meinung der Christdemokraten ein zusätzlicher Service für Kunden, Bürger und Touristen. … doch komme jetzt durch geplante neue gesetzliche Vorgaben mehr Dynamik in die Angelegenheit.

So soll nach einem Gesetzesentwurf der Bundesregierung die bisherige rechtliche Problematik der sog. Störerhaftung beseitigt werden. Bislang mussten Anbieter von W-LAN für ihre Kunden haften, falls Nutzer beispielsweise illegal urheberrechtlich geschützte Inhalte heruntergeladen haben. Deswegen war wiederholt – auch in Paderborn – das Konzept der „Freifunker“ genannt worden. Danach würden viele offene W-LAN-Netze zusammengeschlossen und sollten dann der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden. Doch sieht der neue Gesetzesentwurf offenbar vor, dass die Nutzer namentlich genannt werden.

Weil das in der Praxis schlicht unmöglich sei, so die CDU, werde ein solches Projekt in vielen Städten bereits wieder „ad acta“ gelegt. …“

Mit anderen Worten: Schon jetzt wirft der TMG-Gesetzesentwurf seine Schatten voraus und behindert den Aufbau von WLANs, Pläne werden gar „ad acta“ gelegt.

Anzumerken ist dazu allerdings, dass die CDU in Paderborn erneut überlegen sollte.

Zunächst mussten Nutzer nach dem (alten) TMG-Entwurf nicht namentlich „genannt werden“, sondern sollten dem Betreiber „namentlich bekannt“ sein. Sinn und Zweck war wohl, die Bereitstellung rein privater WLANs auf den privaten Bereich zu beschränken (s. dazu hier; FAQ des Bundeswirtschaftsministeriums Frage 1, dazu hier; ferner Mantz/Sassenberg, CR 2015, 298, 302 f.). Die Interpretation, die der Äußerung der CDU in Paderborn zu Grunde liegt, ist nach meiner Auffassung deshalb falsch – der Gesetzesentwurf wurde allerdings auch von anderen so verstanden, z.B. von Bergt bei CR-Online.

Am wichtigsten aber ist: Die Bundesregierung hat die entsprechende Passage, nämlich § 8 Abs. 5 TMG-RefE, im aktuellen Gesetzesentwurf schlicht gestrichen. Die Namensnennung oder die Bekanntheit der Nutzer ist damit – auch bei rein privaten WLANs – kein Thema mehr. Dementsprechend müsste die CDU also öffentliche WLANs und die Zusammenarbeit mit Freifunk in Paderborn wieder vom Aktenstapel herunter und in die Hand nehmen …

(Vielen Dank an Freifunk Paderborn für den Hinweis auf den Artikel)

Freifunk und Kommunen, Teil 3 (heute: Ballenstedt und Regensburg)

Es gibt wie schon mehrfach angemerkt (hier, hier, hier und hier), positive Beispiele für die Förderung und/oder Zusammenarbeit von Kommunen mit Freifunkern. Hier noch ein paar mehr:

1. Ballenstedt

In der Stadt Ballenstedt sollen öffentlich geförderte Freifunk-Knoten touristische Plätze abdecken.

2. Regensburg

Die Mittelbayrische berichtet, dass sich die CSU-Fraktion in Regensburg das Landratsamt aufgefordert hat, die Möglichkeiten zur Unterstützung eines solchen Freifunk-Netzes im Landkreis zu prüfen.

 

Ihr wisst von weiteren Projekten in anderen Städten: Hinweise nehme ich gerne in den Kommentaren oder per E-Mail entgegen 🙂

(Mehr) Erfolgsgeschichten: Freifunk und die Kommunen

Auf meinen Beitrag „Erfolgsgeschichten“ von gestern hin wurde ich (zu Recht) darauf aufmerksam gemacht, dass ich die neueste Erfolgsgeschichte aus Rostock vergessen habe.

Wie das Rostocker OpenNet schon am 7.6.2015 gemeldet hat, hat die Bürgerschaft Rostock sich entschieden, Freifunk zu unterstützen. Die Stadt Rostock will dafür dem lokalen Freifunk-Verein den Zugang zu den Dächern der öffentlichen Gebäuden der Stadt erleichtern.

Jetzt soll der Antrag zunächst von der Stadtverwaltung geprüft und gemeinsam erörtert werden, wie die Zusammenarbeit konkret realisiert werden kann.

Näheres beim OpenNet e.V.

Erfolgsgeschichten: Freifunk kommt (endlich) in Kommunen an

Ich habe hier in letzter Zeit mehrfach über „Rechtsunsicherheit kills Public Wi-Fi“ berichtet und damit gemeint, dass Kommunen die weiter bestehende Rechtsunsicherheit zur Störerhaftung als Grund anführen, um selbst keine WLANs anzubieten oder Freifunk-Netze bzw. -Initiativen zu fördern (so z.B. Braunschweig, Gütersloh und Magdeburg, positiv aber Bremen).

Es gab in den letzten Wochen aber einige positive Nachrichten, die nicht unerwähnt bleiben sollen:

1. Gütersloh

Nachdem die Stadt Gütersloh den Freifunkern zunächst eine Absage erteilt hatte, berichtet Freifunk Gütersloh über eine Sitzung des Hauptausschusses der Stadt. Dort wurde der folgende Antrag (Update: mit Ausnahme von Punkt 1, über den nicht abgestimmt wurde – danke an wusel für den Hinweis!) angenommen:

  1. Die Ver­wal­tung wird be­auf­tragt, durch den Netz­be­trei­ber Regio IT den Port 10.000 frei­zu­schal­ten, um so die Vor­aus­setz­ung zu schaf­fen, dass Frei­funk Gü­ters­loh an dem Netz der Stadt Gü­ters­loh be­trie­ben wer­den kann
  2. Zeit­nah soll zu­sam­men mit der Bür­ger­ini­ti­ative Frei­funk Gü­ters­loh die Ver­sor­gung des Rat­haus (ins­be­son­de­re der öf­fent­lichen War­te­be­reiche wie z. B. das Bür­ger­büro) so­wie der Kul­tur­räume re­ali­siert wer­den.
  3. Des Wei­ter­en soll ge­prüft wer­den, wel­che zu­sätz­lichen städt­ischen Stand­orte – auch in der Nähe von oder in den Un­ter­künf­ten für Flücht­lin­ge und Asyl­an­ten – sich für eine kurz­fris­ti­ge Re­ali­sier­ung eig­nen.

2. Essen

Die Stadte Essen geht nach einem Bericht der WAZ auf Freifunk zu:

„Seit einer Weile liebäugelt die Stadt Essen mit der Idee, Essenern und Touristen kostenloses WLAN zur Verfügung zu stellen. Mehrere Modelle wurden geprüft, doch alle müssen mit Barem oder mit Daten bezahlt werden. Eine Alternative bietet der nicht-kommerzielle Freifunk e.V., der jetzt mit der Stadt ins Gespräch kommt. Am Mittwoch entscheidet der Rat über eine engere Zusammenarbeit mit dem Verein.

In der Ratsvorlage bietet man dem Verein nämlich an, „städtische Gebäude für Installation und Betrieb der für ein freies WLAN nötigen technischen Infrastruktur zu nutzen“.

Auch eine finanzielle Unterstützung der Freifunker soll geprüft werden.“

3. Hennef

Die Stadtverwaltung Hennef hat gemeldet, dass sie in der Touristen-Information einen Freifunk-Knoten aufgestellt hat und weitere folgen sollen.

„Weitere städtische Freifunk-Nodes – zu Deutsch „Knoten“ – sind im Bürgerzentrum im neuen Rathaus sowie in der Meys Fabrik geplant. … Bürgermeister Klaus Pipke und der städtische Wirtschaftsförderer Thomas Kirstges hoffen, dass sich nun auch mehr und mehr Geschäfte mit eigenen Freifunk-Nodes anschließen. „

4. Münster

Wie der Freifunk Münsterland berichtet, hat die Stadt Münster mit der Vorlage „Digitale Stadt Münster – WLAN“ u.a. die Unterstützung von Freifunk in der Stadt beschlossen (Beschlussvorlage hier, Tagesordnung der Sitzung hier, dort Punkt 13.2).

5. Mülheim

Auch die Stadt Mülheim plant ein freies, innerstädtsiches WLAN-Netz:

„Im Moment sieht es danach aus, dass die Stadt das Netz mit der Initiative des Freifunk Rheinland e.V. auf die Beine stellen wird. Laut Kämmerer Bonan hat es bereits mehrere Gespräche gegeben. Ersten Schätzungen zufolge werde der flächendeckende Aufbau für die Freiflächen zwischen historischem und technischem Rathaus einmalig 4000 Euro kosten. Danach müsste die Stadt jährlich 1300 Euro zahlen. Allerdings gibt es einen Haken: Die geplante Änderung des Telemediengesetzes und die geplante Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung könnten die Arbeit der Freifunker massiv erschweren.“

6. Landtag Nordrhein-Westfalen

Auch nicht unerwähnt soll bleiben, dass der nordrhein-westfälische Landtag heue einen Antrag zur Förderung von Freifunk angenommen hat. Dazu aber dann in einem separaten Blog-Eintrag mehr.

Videotipp: Öffentliche WLAN-Netze im Spannungsfeld von Politik, Wirtschaft und Justiz (rp15)

Auf der Re:publica fand im Rahmen der Media Convention eine Panel-Diskussion mit dem Titel „Öffentliche WLAN-Netze im Spannungsfeld von Politik, Wirtschaft und Justiz“ statt, die sehenswert ist. Teilgenommen haben Christian Heise (u.a. Förderverein Freie Netze e.V.), Dr. Annette Schumacher (Leiterin Regulierung, Kabel Deutschland GmbH) und Saskia Esken (MdB, SPD, Ausschuss Digitale Agenda und Berichterstatterin ihrer Fraktion für digitale Bildung). Geleitet hat das Panel Falk Steiner (Journalist und Korrespondent im Deutschlandradio-Hauptstadtstudio).

Die Diskussion ist spannend und dreht sich zu einem großen Teil um Freifunk. Auch der Referentenentwurf zum TMG kommt zur Sprache, ebenso wie das mabb-Projekt zusammen mit Kabel Deutschland.

Bremen, WLAN und Freifunk – Bericht der Stadt v. 28.4.2015

Nach einer Mehrzahl von negativen Berichten unter der Überschrift „Rechtsunsicherheit kills Public Wifi“ heute ein positives Beispiel:

Wie Rainer Hamann (SPD) berichtet, soll auf der Sitzung des Ausschusses für Wissenschaft, Medien, Datenschutz und Informationsfreiheit der Hansestadt Bremen am 28. April 2015 ein Bericht vorgestellt worden sein, der den aktuellen Stand der Umsetzung zum Antrag „Freifunk im Land Bremen – Unterstützung für bürgerschaftliches Engagement“ zusammenfasst (Bericht als PDF hier).

Darin heißt es u.a.:

II. Sachstand zur Umsetzung

Seit Januar 2015 haben mehrere Treffen mit Vertretern der Freifunk-Initiative Bremen und des Wirtschaftsressorts stattgefunden. Es wurde besprochen in welcher Form Unterstützungen für die Freifunk-Initiative wünschenswert wären. Neben Einzelprüfungen zu Nutzungsmöglichkeiten öffentlicher Gebäude und der Unterstützung bei zwei Veranstaltungen, wurde gemeinsam die Idee eines Stadtteilprojekts entwickelt. Ziel soll es hierbei sein, die Nutzungspotenziale von Freifunk in einem lokalen Bereich mit unterschiedlichen Beteiligten (Bürgerinnen, Bürger, Unternehmen, Ver- einen, soziale und kulturelle Einrichtungen usw.) sichtbar und in ihrer Funktionalität darstellbar zu machen.

Das Wirtschaftsressort hat weiterhin Kontakt mit Immobilien Bremen (IB Bremen) zur Prüfung der Nutzung öffentlicher Gebäude zur Optimierung des bestehenden Freifunk-Netzes sowie zur Unterstützung einer Veranstaltung aufgenommen.

Die Stadt Bremen positioniert sich auch zum WLAN-Referentenentwurf der Bundesregierung (Hervorhebungen hier):

Die allgemeine freie Verfügbarkeit des Internets über WLAN ist in Deutschland weitaus weniger verbreitet als in vielen anderen Ländern. Die Ursache hierfür liegt darin, dass potentielle Anbieter von WLAN-Internetzugängen aufgrund von Haftungsrisiken durch eine unklare Rechtslage verunsichert sind.

Der Entwurf sieht zum anderen allerdings auch Verschlüsselungs-, Erklärungs- und Informationspflichten als weitere Voraussetzun- gen für eine Freistellung von der sogenannten „Störerhaftung“ vor. Diese Verpflichtungen sind dem eigentlichen Ziel, der Schaffung öffentlicher, unkomplizierter Zugänge zum Internet, nicht dienlich.

Die Modelle der Freifunk-Initiativen werden rechtlich durch den bestehenden Entwurf nicht ausreichend un- terstützt. Sowohl eine obligatorische Verschlüsselung, wie auch eine namentliche Kennung der Nutzerinnen und Nutzer, widersprechen dem Konzept eines offenen und allen Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung stehenden öffentlichen WLAN- Netzes. Auch die angedachten bremischen Projekte mit der Freifunk-Initiative Bremen würden in Ihrer Umsetzung rechtlich problematisch. Insbesondere aber würde es zu Akzeptanzproblemen bei Bürgerinnen und Bürgern führen.

Der Senat hat in einer Stellungnahme die Bundesregierung gebeten, im weiteren politischen Verfahren eine rechtssichere Integration der Freifunk-Initiativen sicherzustellen. Der Senat wird den weiteren politischen Prozess aktiv begleiten und sich auf Länderebene sowie im Bundesratsverfahren für eine praktikable und rechtssichere Umsetzung öffentlicher WLAN-Zugänge einsetzen.

Erfolg für Freifunk vor dem AG Charlottenburg

Freifunk, Quelle: freifunk.net

Freifunk, Quelle: freifunk.net

Das Amtsgericht Charlottenburg hat am 17.12.2014 einen Kostenbeschluss nach § 269 Abs. 3 ZPO in einem Freifunk-Verfahren erlassen (AG Charlottenburg, Beschl. v. 17.12.2014 – 217 C 121/14). Es handelt sich hierbei nicht um ein Urteil, sondern nur eine Kostenentscheidung, aber das AG Charlottenburg hat deutlich gemacht, dass es – hätte es streitig entscheiden müssen – dem klagenden Freifunker recht gegeben hätte.

Grundlage des Rechtsstreits war die negative Feststellungsklage eines Freifunkers, der zuvor wegen des angeblichen Angebots des Downloads eines Films abgemahnt worden war. Anders als bei „typischen“ Filesharing-Fällen war also der Inhaber der WLAN-Anschlusses hier Kläger und der Rechteinhaber Beklagter. Das Amtsgericht hat sich inhaltlich intensiv mit der Frage der Haftung beim Betrieb eines Freifunk-Knotens befasst – und diese abgelehnt.

In Filesharing-Fällen gibt es normalerweise zwei verschiedene Anspruchsebenen: Die der Täter- oder Teilnehmerhaftung und die der Störerhaftung.

1. Keine Haftung als Täter oder Teilnehmer

Im ersten Komplex geht es häufig darum, ob der Anschlussinhaber im Rahmen der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast hinreichend vorgetragen hat, dass die ernsthafte Möglichkeit bestand, dass Dritte den Anschluss genutzt haben (vgl. BGH, Urt. v. 12.5.2010 – I ZR 121/08, MMR 2010, 565 – Sommer unseres Lebens; BGH, 15. 11. 2012 – I ZR 74/12, NJW 2013, 1441 – Morpheus; BGH, 8. 1. 2014 – I ZR 169/12, GRUR 2014, 657 – BearShare).

Hierzu formuliert das AG Charlottenburg (Hervorhebungen von mir):

Die Annahme einer derartigen tatsächlichen Vermutung begegnet beispielsweise in Haushalten, in denen mehrere Personen selbständig und unabhängig Zugang zum Internet haben, bereits grundsätzlichen Bedenken. Die Aufstellung einer tatsächlichen Vermutung setzt voraus, dass es einen empirisch gesicherten Erfahrungssatz aufgrund allgemeiner Lebensumstände dahingehend gibt, dass ein Anschlussinhaber seinen lnternetzugang in erster Linie nutzt und über Art und Weise der bestimmt und diese mit Tatherrschaft bewusst kontrolliert. Ein derartiger Erfahrungssatz existiert nicht. Die alltägliche Erfahrung in einer Gesellschaft, in der das Internet einen immer größeren Anteil einnimmt und nicht mehr wegzudenken ist, belegt vielmehr das Gegenteil. Wenn sich der Internetanschluss in einem Mehrpersonenhaushalt befindet, entspricht es vielmehr üblicher Lebenserfahrung, dass jeder Mitbewohner das Internet selbständig nutzen darf, ohne dass der Anschlussinhaber Art und Umfang der Nutzung bewusst kontrolliert (vgl. AG Düsseldorf, Urteil v Der Anschlussinhaber genügt daher in diesen Fällen seiner sekundären Darlegungslast, wenn er seine Täterschaft bestreitet und darlegt, dass eine Hausgenossen selbständig auf den Internetanschluss zugreifen können, weil sich daraus bereits die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs als die seiner Alleintäterschaft ergibt (vgl. OLG Hamm, Beschluss v. 27.10.2011, I -22 W 82/11; OLG Hamm, Beschluss v. 04.11.2013, I – 22 W 60/13; OLG Köln NJW-RR 2012, 1327; AG Hamburg, Urteil v. 30.10.2013, 31 C 20/13; AG München, Urteil v. 31.10.2013, 155 C 9298/13). Es gehört vielmehr zu den rechtsstaatlichen

Grundsätzen des Zivilprozesses, dass der Anspruchsteller (hier die Beklagte) die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen trägt. Abweichungen sind nur im Einzelfall veranlasst und dürfen nicht dazu führen, dass der Anspruchsgegner (hier der Kläger) sich regelmäßig zu entlasten hat (vgl. AG Düsseldorf, Urteil v. 19.11.2013, 57 C 3144/13). Eine anderslautende Rechtsprechung führt quasi zu einer Gefährdungshaftung indem dem Anschlussinhaber eine den Grundlagen des Zivilprozesses widersprechende praktisch nicht erfüllbare sekundäre Darlegungslast auferlegt wird. Darüber hinaus gibt es in zahlreichen Bereichen des täglichen Lebens Sachverhaltskonstellationen, in denen der Anspruchsteller sicher weiß, dass sich der Anspruch gegen eine von mehreren Personen richtet, der Anspruchsinhaber aber nicht nachweisen kann, gegen welche konkrete Person der Anspruch zu richten ist. Auch in diesen Fällen wird im Ergebnis eine erfolgversprechende Durchsetzung des Anspruches nicht möglich sein (vgl. AG Bielefeld, Urteil vom 06.03. 2014 – 42 C 368/13).

Diese für ein Mehrfamilienhaus entwickelten Grundsätze müssen umso mehr auf die hier vorliegende Fallkonstellation eines Freifunk-Netzwerkes gelten. Der Kläger hat hier substantiiert und nachvollziehbar vorgetragen, dass die Rechtsverstöße auch durch Dritte begangen worden sein können. Damit hat der Kläger einen Sachverhalt vorgetragen, bei dem ernsthaft die Möglichkeit der Alleintäterschaft einer anderen Person in Betracht kommt. Dies umso mehr, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Beklagte selbst nur einen Zeitpunkt der Rechtsverletzung vorträgt – dieser Umstand kann gerade auf die Verletzung durch einen (kurzzeitigen) Nutzer des Netzwerkes deuten. Die Beklagte hat vorliegend nicht nachgewiesen, dass der Kläger persönlich die streitgegenständliche Rechtsverletzung als Allein-, Neben-, Mit- oder mittelbarer Täter begangen hat.

2. Störerhaftung und Privilegierung

Der zweite Teil ist dann, ob möglicherweise eine Haftung des Anschlussinhabers nach den Grundsätzen der Störerhaftung besteht. In diesem Zusammenhang – darauf habe ich hier im Blog auch immer wieder hingewiesen – war jahrelang streitig, ob die Privilegierung der §§ 8-10 TMG auf Unterlassungsansprüche Anwendung findet. Das LG München I hat diese Frage kürzlich (auch im Zusammenhang mit Freifunk) dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt (LG München I, 18. 9. 2014 – 7 O 14719/12, GRUR Int. 2014, 1166; s. dazu auch hier und Mantz/Sassenberg, MMR 2/2015, erscheint demnächst).

Unabhängig von dieser Frage kann die Privilegierung des § 8 TMG aber die Auswirkung haben, dass die Anforderungen an eventuelle Prüfungs- und Überwachungspflichten besonders hoch sind. Bis zum letzten Jahr gab es keine Urteile, die sich mit der Privilegierung für WLAN-Betreiber befasst haben, auch wenn die Literatur sich insoweit absolut einig war. Erst das AG Hamburg hatte dann festgestellt, dass WLAN-Betreiber sich auf § 8 TMG berufen können (AG Hamburg, 10. 6. 2014 – 25b C 431/13, CR 2014, 536; ebenso AG Hamburg, Urt. v. 24.6.2014 – 25b C 924/13; s. auch hier und hier). Das LG München I hatte in seinem Beschluss angedeutet, dass es das nach derzeitiger Rechtslage ebenso sehen würde (LG München I, 18. 9. 2014 – 7 O 14719/12, GRUR Int. 2014, 1166; s. dazu auch hier und Mantz/Sassenberg, MMR 2/2015, erscheint demnächst).

Nun ist das AG Charlottenburg dem – zu Recht – gefolgt:

Wer ein öffentliches WLAN anbietet, ist grundsätzlich als Access-Provider einzustufen (vgl. etwa AG Hamburg, CR 2014, 536; Roggenkamp, jurisPR-ITR 12/2006 Anm. 3; Röhrborn/Katko, CR 2002, 882, 887). Dieser ist gemäß § 9 Abs. 1 TDG für fremde Informationen grundsätzlich nicht verantwortlich und deshalb auch nicht verpflichtet, Nutzer oder Kunden zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 TDG). Der lediglich den Zugang zu fremden Informationen eröffnende Provider haftet nicht, wenn er die Übermittlung nicht veranlasst, den Adressaten nicht ausgewählt und die übermittelten Informationen weder ausgewählt noch verändert hat. Unberührt von dieser Privilegierung der bloßen Durchleitung von Informationen bleibt der Access-Provider gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 TDG zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen nur verpflichtet, wenn er Kenntnis von rechtswidrigem Tun erlangt hat (vgl. auch LG Flensburg, Urt. V. 25.11.2005 – 6 0 108/05). Diese Privilegierung erstreckt sich jedoch nicht auf Unterlassungsansprüche, d.h. auf die Haftung des Störers (BGHZ 158, 236 – Rolex). In derartigen Fällen sind aller-dings an die Zumutbarkeit von Maßnahmen und Pflichten ganz besonders strenge Anforderungen zu stellen; dem Betreiber eines WLAN-Netzwerkes darf nichts abverlangt werden, was sein „Geschäftsmodell“ gefährdet. Das wäre jedenfalls bei schweren Eingriffen, etwa Port- oder DNS-Sperren, Registrierungspflichten etc. der Fall (vgl. auch Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, Rdn. 227 ff.). Eine Pflicht zur Belehrung kann nicht verlangt werden und erscheint bei dem hier vorliegenden Modell im Übrigen auch nicht praktikabel (vgl. AG Hamburg a.a.O.; Sassenberg/Mantz a.a.O., Rdn. 235; so wohl auch Hoeren/Jakopp, ZRP 2014, 72, 75).

Ohne – hier von der insoweit darlegungsbelasteten Beklagten nicht vorgetragenen – Anlass für die Annahme, dass Nutzer Rechte Dritter im Rahmen der Nutzung des lntemetzugangs verletzen, ist dem Kläger eine ständige Überwachung nicht zumutbar (vgl. etwa LG Mannheim, Urt. v. 29.09.2006 – 7 0 62/06).

Insofern kann vergleichend die Rechtsprechung des BGH zu den Kontrollpflichten der Betreiber von Kopierläden herangezogen werden (VersR 1983, 1136). Auch diesen wird eine generelle Kontrolle — mit Einsicht in ggf. vertrauliche Unterlagen (hier vergleichbar mit einer ständigen Überwachung des Internetverkehrs Dritter) — nicht zugemutet. Auch etwa die Unterbindung der für die Tauschbörsennutzung typischen Verbindungen durch Sperrung der entsprechenden Ports (vgl. bereits oben; dies vertretend aber: Mantz, MMR 2006, 764, 765) erscheint angesichts deren Vielzahl und Veränderbarkeit nicht praktikabel.

3. Fazit

Die Entscheidung des AG Charlottenburg ist zu begrüßen und kann – auch wenn es kein Urteil ist – mit Fug und Recht als Erfolg für die Freifunk-Bewegung angesehen werden. Das Gericht hat sich offenbar mit der Problematik bei Freifunk-Knoten befasst und – in Übereinstimmung mit den Ausführungen des AG Hamburg und insoweit auch dem LG München I – eine Haftung überzeugend verneint.

Download: Der Beschluss des AG Charlottenburg, 17.12.2014 – 217 C 121/14 (PDF, 0,4 MB) im Volltext

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