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Rechtsunsicherheit kills Public Wifi (und wieder: Gütersloh) – Von den Kosten für Freifunk-Knoten auf öffentlichen Gebäuden

In Gütersloh gab es in den letzten Monaten ein regelrechtes Tauziehen um die Einrichtung von Freifunk-Knoten auf öffentlichen Gebäuden (siehe hier und hier).

Free WiFi (Montréal)Nun hat sich die Verwaltung offenbar entschieden, Freifunk in keiner Form zu unterstützen. Am 28.8.2015 soll beschlossen werden, dass Freifunk keine Chance erhält. Dies geht aus einer Beschlussvorlage vom 18.8.2015 (PDF) hervor. In dieser heißt es u.a.:

„Ein Bedarf für städtische Investitionen in ein großflächiges, kostenloses Wlan-Angebot wird aufgrund aktueller Marktaktivitäten nicht gesehen. Eine weitergehende Unterstützung der Freifunkinitiative Gütersloh durch die Stadt erfolgt nicht. Punktuell wird ein durch die Stadt finanziertes, kostenloses Wlan angeboten (z. B. in den Flüchtlingsnotunterkünften und in Teilbereichen des Rathauses).

Zwischenzeitlich ist das angekündigte, vom Kreis Gütersloh eingeholte Rechtsgutachten eingegangen, welches den Fraktionen, dem fraktionslosen Ratsmitglied und auch der Freifunkinitiative zur Verfügung gestellt worden ist. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass nach Auffassung des Gutachters bei einer städtischen Unterstützung des Freifunkangebotes durch die Bereitstellung von Gebäuden, über die Strom und Internetanschluss zur Verfügung gestellt werden, das Betreiben von Anschlüssen und Routern durch die Stadt rechtliche Haftungsrisiken für die Stadt Gütersloh verbleiben. Auch auf das Spannungsverhältnis zu den Zielen des deutschen Gesetzgebers und die angekündigten Gesetzesaktivitäten wird hingewiesen.

Darüber hinaus hat die Verwaltung in ihrer früheren Vorlage und auch in der Sitzung des Hauptausschusses am 15.06.15 deutlich gemacht, dass sie auch aus anderen Gründen, wie z. B. Da- tenschutzgefahr wegen fehlender Verschlüsselung oder dem fehlenden Jugendschutzfilter von Aktivitäten der Stadt auf dem Gebiet des Freifunks absehen würde.

Des Weiteren wäre auch eine weitergehende Unterstützung der Freifunkinitiative nicht kostenlos für die Stadt. Für die Herrichtung und den Betrieb eines Anschlusses mit Freifunkrouter in einem städtischen Gebäude wäre mit folgenden Kosten zu rechnen:

  • –  ca. 500 € Herrichtungskosten (Verkabelung, Stromverlegung etc.)
  • –  ca. 100 € Hardwarekosten (Internet- und Freifunkrouter)
  • –  ca. 40 € Anschlusspreis
  • –  ca. 60 € Einrichtungskosten durch Internetprovider
  • –  ca. 25 € monatliche Betriebskosten für den Anschluss
  • –  ca. 1 Personalstunde pro Hotspot pro Jahr

Zur Verdeutlichung ist der Vorlage ein Schaubild beigefügt. 
Den Personalaufwand außen vorgelassen würden demnach pro Hotspot Einmalkosten von ca. 700€ sowie laufende jährliche Kosten von 300 € anfallen. In Frage stünde die Ausstattung von ca. 25 Gebäuden, um den bisher formulierten Versorgungswünschen in der Innenstadt und den Flüchtlingsunterkünften Rechnung zu tragen. 
Ähnliche Kosten fielen für die Stadt an, wenn sie einen kommerziellen Internetprovider beauftragen würde. In diesem Fall würden sich aber bestimmte rechtliche Fragen und Fragen des Jugend- und Datenschutzes für die Stadt Gütersloh grundsätzlich nicht mehr stellen. Daher hatte die Verwaltung bereits in ihrer damaligen Vorlage eine Umsetzung über das Produkt free key mit der regio iT diskutiert. 
Mittlerweile wurde veröffentlicht, dass das Unternehmen Unitymedia den Startschuss gegeben hat, die Stadt Gütersloh zu großen Teilen mit kostenlosem Wlan zu versorgen. Die ersten Hotspots sind bereits eingerichtet. Auch die BiTel bietet am ZOB sowie am Berliner Platz kostenloses Wlan an und beabsichtigt, weitere Hotspots anzubieten. Insofern stellt sich auch angesichts weiterer Angebote in der Stadt einmal mehr die Frage, ob es eine kommunale Aufgabe ist, in kostenloses Wlan zu investieren oder nicht vielmehr die Marktentwicklung abzuwarten ist. 
Die Kulturräume sind mittlerweile mit einem kostenlosen Wlan-Angebot, räumlich und zeitlich begrenzt und nach erfolgter Registrierung nutzbar, ausgestattet. Teilbereiche des Rathauses sollen ebenso folgen, wie die Versorgung der Flüchtlingsnotunterkünfte.“

Die Verwaltung führt also wieder eine Reihe von Scheinargumenten an. Insbesondere die Aufstellung der Kosten ist nachgerade abenteuerlich. Es gibt dazu ein schönes Schaubild hier (PDF). Hier rechnet die Verwaltung nämlich insbesondere mit den Kosten für einen DSL-Anschluss inklusive Fritzbox, aus denen sich dann die rund 300,- EUR pro Jahr ergeben. Dabei wird leider mit keinem Wort erwähnt, dass nicht an jedem Gebäude ein extra DSL-Anschluss gebraucht wird. Denn viele öffentliche Gebäude haben ja bereits einen Internetzugang, der muss also nicht neu angeschafft werden. Außerdem müsste die Stadt eigentlich überhaupt keine DSL-Anschlüsse bereitstellen, wenn sie das Konzept von Freifunk berücksichtigt hätte. Spannend sind öffentliche Gebäude für WLANs nämlich vor allem, weil sie häufig zentral (im jeweiligen Bereich) stehen und oft vergleichsweise hoch sind. Sie können daher für die Abdeckung einer größeren Fläche dienen. Den Uplink ins Internet kann aber auch ein anderer Freifunk-Knoten übernehmen, z.B. der eines von einer Privatperson betriebenen Knotens in der Nähe. Dann würden sich die anzusetzenden Kosten im Ergebnis nur auf Erwerb und Einrichtung des Access Points, ggf. zuzüglich eines Backbone-Routers samt Richtfunkantenne zum nächsten Freifunk-Knoten plus den Strombedarf belaufen. Das kann kein kommerzieller Anbieter schlagen.

Hat jemand da draußen vielleicht mal eine Aufstellung der (Installations- und laufenden) Kosten für ein solches Freifunk-Vorhaben? Eventuell sogar als so schönes Bildchen wie das PDF der Stadt Gütersloh? Oder gibt es vielleicht Kostenaufstellungen aus anderen Kommunen, in denen öffentliche Gebäude bereits mit Freifunk-Knoten bestückt sind? Das könnte man ja am 28.8.2015 präsentieren und damit die Argumente der Stadt Gütersloh widerlegen.

Zusätzlich weist die Verwaltung leider wieder auf angebliche Rechtsunsicherheiten, Datenschutzgefahren und Jugendschutzfilter hin – alles Argumente die genauso ausgelutscht wie überwiegend falsch sind (dazu siehe hier).

Es ist insbesondere traurig, dass die Gütersloher Verwaltung sich nun hinter den Angeboten der Firma Unitymedia versteckt. Diese erfordert eine Registrierung und ist nur für einen kurzen Zeitraum wirklich kostenlos, von „frei“ im Sinne von „Freifunk“ nicht zu reden. Außerdem steht es Unitymedia offen, diesen Service jederzeit einzustellen. Die Stadt Gütersloh hingegen hätte einen echten, eigenen Service für ihre Bürger und Besucher (Stichwort: e-Daseinsvorsorge) schaffen können – und dies noch unter Einbindung der sogenannten Zivilgesellschaft, hier der Freifunk-Community. Aber das scheint von Anfang an nicht gewollt gewesen zu sein. Schade.

Rechtsunsicherheit kills Public Wifi (heute: Gütersloh) (Update)

(… das entwickelt sich noch zu einer Reihe, s. schon zu Braunschweig…)

Auch die Stadt Gütersloh hat sich mit der Einführung eines öffentlichen WLANs befasst – und tendiert insbesondere gegen Freifunk und eher in Richtung einer „kommerziellen“ (und damit teuren und möglicherweise nicht realisierbaren) Lösung.

Am 01.04.2015 fand eine Beratung über verschiedene Anträge zum Thema „Freifunk / kostenloses WLAN“ statt, in der es um die „Einführung eines kostenlosen Wlan-Angebotes im Innenstadtbereich“ der Stadt Gütersloh ging.

Die entscheidenden Sitzungen sollen am 27.04.2015 (Hauptausschuss) und 08.05.2015 (Rat) sein.

1. Rechtsunsicherheit Störerhaftung

Wieder einmal war ein wichtiger Hemmschuh die „Störerhaftung“. So heißt es denn auch im Protokoll:

„Störerhaftung

In Deutschland gilt der teils ungeschriebene Rechtsgrundsatz:“ „Wer eine Gefahrenquelle schafft und sie nicht hinreichend abschirmt, haftet für den mittels dieser Gefahrenquelle verursachten Schaden. Selbst dann, wenn sich Dritte der Gefahrenquelle bemächtigen“. Somit kann als Störer grundsätzlich in Anspruch genommen werden, wer

  • adäquat-kausal an einer Rechtsverletzung mitwirkt und
  • hierbei seine so genannten Prüfungs- und Überwachungspflichten verletzt hat.
  • Ein Verschulden ist hierfür nicht erforderlich.

In der Praxis bedeutet dies:? Wer einen WLAN-Hotspot betreibt und anderen bewusst oder unbewusst zur Verfügung stellt, kann mit in die Haftung genommen werden, wenn über den Anschluss eine Rechtsverletzung stattfindet. Ein Problem stellt dar, dass für Rechtsverstöße über das Internet der sog. fliegende Gerichtsstand gilt. So können Streitfälle in Gerichtsstandorten verhandelt werden, die eine sehr strenge Rechtsauffassung zur Störerhaftung vertreten.“

Die Definition der Störerhaftung ist dabei grundsätzlich richtig. Aber die Schlussfolgerung lässt § 8 TMG einfach komplett raus. Wenn jemand für die Gütersloher Innenstadt ein öffentliches WLAN einrichtet, dann ist er auf jeden Fall nach § 8 TMG privilegiert. Problem gelöst 🙂

2. Fehlvorstellung Registrierungspflicht

Spannend ist aber auch der Rest des Dokuments. Denn da wird der Referentenentwurf der Bundesregierung zur Änderung von § 8 TMG einfach mal komplett falsch interpretiert!

„Mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des Telemediengesetzes vom 17.02.2015 soll für die Betreiber von drahtlosen lokalen Netzen Rechtssicherheit in Bezug auf die Haftungsfragen hergestellt werden. Die durch die Bürgerinitiative Freifunk Gütersloh gegebene Betriebsweise wäre bei gesetzlicher Umsetzung des Referentenentwurfes nicht zulässig. Gefordert werden mindestens

  • dass der Benutzer nicht anonym bleibt, sondern sich anmeldet
  • angemessene Sicherungsmaßnahmen, in der Regel durch Verschlüsselung oder vergleichbare Maßnahmen gegen den unberechtigten Zugang
  • die Gewährung des Internet-Zugang nur für Nutzer, die eingewilligt haben, keine Rechtsverletzungen zu begehen.“

Punkt 2 und 3 stimmen, aber der Nutzer soll und darf anonym bleiben. Das hat das BMWi in seiner FAQ zum Referentenentwurf ausdrücklich in Frage Nr. 1 klargestellt (eingehend zur FAQ des BMWi hier). Dort heißt es:

„1. Müssen WLAN-Betreiber den einzelnen Nutzer namentlich erfassen, speichern, protokollieren o. ä.?

Ganz klar: Nein. § 8 TMG (neu) fordert weder von geschäftsmäßigen Betreibern oder öffentlichen Einrichtungen noch von privaten WLAN-Betreibern, dass sie den Namen des Nutzers protokollieren, registrieren oder anderweitig erfassen. Private WLAN-Anbieter müssen im Zeitpunkt der WLAN-Überlassung nur den Namen des Nutzers kennen. Dies dürfte im privaten Umfeld regelmäßig der Fall sein.“

Ganz im Gegenteil: Eine Registrierung und Speicherung bemisst sich nach allgemeinen datenschutzrechtlichen Grundsätzen und kann – ohne Einwilligung – sogar unzulässig sein (vgl. Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, 2014, Rn. 234, 123 ff.)!

3. Kommunalrechtliche Probleme

Die Stadt Gütersloh sieht auch ein Problem mit der Einschränkung von Kommunen in ihrer wirtschaftlichen Betätigung (Kommunen sollen wirtschaftlich handelnden Unternehmen nicht ohne Weiteres Konkurrenz machen):

Nach Information der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) ist die Befugnis einer Stadt zur Betätigung auf dem Gebiet des Freifunks rechtlich vor dem Hintergrund des § 107 GO NRW (wirtschaftliche Betätigung) fraglich.

Allerdings ist die Versorgung von Städten mit WLAN ein – auch nach Auffassung der Bundesregierung und der Europäischen Kommission – wichtiger öffentlicher Zweck. Manche sehen sogar die e-Daseinsvorsorge als Aufgabe von Kommunnen (Lurch, MMR 2009, 19), was auch das Angebot von WLAN rechtfertigen würde.

Thomas Sassenberg und ich haben uns auch mit der kommunalrechtlichen Komponente auseinandergesetzt (Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, 2014, Rn. 346 ff.) und ich würde mir wünschen, dass die KGSt unsere Argumente aufgreift und diskutiert, bevor sie den Aufbau eines kommunalen WLANs ablehnt.

4. Schlussfolgerung: Public Wifi ist gefährlich

Die Schlussfolgerung der Stadt Gütersloh kann dementsprechend auch nicht viel fehlgeleiteter sein:

„Der Arbeitskreis IT des StGB NRW empfiehlt dringend die Verwendung einer rechtssicheren Lösung, bei der sich die Benutzer registrieren bzw. anmelden müssen, um den heutigen und erwarteten künftigen gesetzlichen Anforderungen zu genügen. ?Die KGSt spricht auf dem Fachforum am 24.03.2015 in Dortmund die dringende Empfehlung an die Kommunen aus, aus rechtlichen Gründen keine Bestrebungen in Richtung des Freifunks zu verfolgen. Es wird angeraten, sich des Marktes zu bedienen, dort gäbe es Anbieter rechtssicherer und praxiserprobter Lösungen. Angeraten wird konkret die Kooperation von z.B. Stadtwerke, Netzgesellschaft, Stadtmarketing und einem Anbieter einer kommerziellen Lösung, so dass sich insbesondere haftungsrechtliche, vergaberechtliche und kommunalrechtliche Fragen für die Verwaltung nicht stellen.“

Jemand sollte der Stadt Gütersloh auf einer der angepeilten Sitzungen mitteilen, dass sie von (völlig) falschen Voraussetzungen ausgeht und dementsprechend auch zu falschen Ergebnissen kommt …

(Update)

Die Glocke-Online berichtet ebenfalls über die Probleme und Ängste in Rietberg (Kreis Gütersloh).