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Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung: Keine Speicherpflicht für WLANs (Update)

Ich hatte am 20.5.2015 hier im Blog unter dem Titel „Die geplante Vorratsdatenspeicherung und WLAN-Hotspots – (Kein) Untergang für WLANs?“ schon einmal zum Anwendungsbereich des neuen Vorratsdatenspeicherungsgesetzes geschrieben und war damals zum Schluss gekommen, dass (der Großteil der) Betreiber von WLANs wohl nicht nach § 113a TKG speichern müsste.

Nun hat der Bundestag heute in namentlicher Abstimmung den „Entwurf eines Gesetzes zur Einfu?hrung einer Speicherpflicht und einer Ho?chstspeicherfrist fu?r Verkehrsdaten“ (mit geringen Änderungen) verabschiedet.

Meine damals geäußerte Auffassung ist nun durch den Bundestag bestätigt worden. In der Gesetzesbegründung wird nämlich auf S. 37 ausdrücklich auf die Mitteilung Nr. 149/15 der Bundesnetzagentur Bezug genommen (zu deren Auswirkungen Sassenberg/Mantz, MMR 2015, 428). Darin heißt es (Hervorhebungen hier):

„Zu § 113a TKG-E

Die Vorschrift beschreibt den Kreis der zur Speicherung Verpflichteten. Nach Absatz 1 Satz 1 richten sich die Speicherpflichten an diejenigen, die öffentlich zugängliche Telekommunikationsdienste im Sinne von § 3 Nr. 6 a) TKG erbringen, also nicht an diejenigen, die lediglich daran mitwirken. Erbringer zeichnen sich dadurch aus, dass den Kunden regelmäßig ein eigener, in der Regel auf unbestimmte Dauer angelegter, Telekommunikationsanschluss zur selbständigen Verwendung überlassen wird. Nicht verpflichtet sind demnach Anbieter, die ihren Kunden nur eine kurzzeitige Nutzung des Telekommunikationsanschlusses ermöglichen, zum Beispiel Betreiber von Hotels, Restaurants und Cafés, die ihren Kunden eine Telefon- oder Internetnutzung zur Verfügung stellen (zur näheren Bestimmung des Begriffs des „Erbringens“ vergleiche die Mitteilung Nr. 149/2015 im Amtsblatt der Bundesnetzagentur). Die Regelung des Satzes 2 umfasst im Vergleich zu § 113a Absatz 1 Satz 2 TKG a. F. nunmehr sowohl den Fall, dass der Erbringer öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste keine der nach dieser Vorschrift zu speichernden Daten selbst erzeugt und verarbeitet, als auch den Fall, dass er nur einige, aber nicht alle der zu speichernden Daten selbst erzeugt und verarbeitet. Die Verpflichtung zur Sicherstellung der Speicherung nach Satz 2 besteht jedoch nur, soweit die Daten bei der Erbringung des Dienstes erzeugt oder verarbeitet werden.“

Damit gilt wohl als sicher, was ich im letzten Beitrag geschrieben hatte:

„Dabei sieht die Bundesnetzagentur die Betreiber von WLAN-Hotspots in Cafés, Hotels etc., die lediglich ihren Internetanschluss mit anderen teilen und den Nutzern nicht einen eigenen Telekommunikationsanschluss zur Verfügung stellen, nicht als „Erbringer“ an, sondern lediglich als „Mitwirkende“ an einem Telekommunikationsdienst. Es ist ein wenig komplizierter als hier dargestellt – wer mag, schaue sich das im Amtsblatt an –  aber im Grunde sagt die Bundesnetzagentur, dass Betreiber von WLAN-Hotspots (in der Regel) keinen TK-Dienst „erbringen“. Man kann das dogmatisch kritisieren und es hat möglicherweise auch Folgen, die die Bundesnetzagentur vielleicht nicht bedacht hat.

Wenn man allerdings die Auslegung der Bundesnetzagentur ernst nimmt (und sie ist diejenige, die auf die Durchsetzung der Regeln des TKG, also auch der Vorratsdatenspeicherung nach § 113a TKG achtet, siehe § 115 TKG), dann findet § 113a TKG-E bzw. die gesamte Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung auf WLANs keine Anwendung!“

Kein großer Sieg, aber jedenfalls ein Wermutstropfen für alle WLAN-Betreiber.

 

Update (16.10.2015, 21:30h): Mir ist mitgeteilt worden, dass Mitglieder der Regierungsparteien auch die Auswirkungen für Freifunk schon erfasst haben:

„Nutzer der Freifunk-Idee gelten nach Auffassung der BNetzA demnach in der Regel nicht als Erbringer von TK-Diensten. Inwieweit der Freifunker e.V. als Erbringer einzustufen ist, wird von der Bundesnetzagentur derzeit untersucht.“

TK-Überwachung bei WLANs und die 10.000-Nutzer-Grenze nach TKÜV: Wie zählt die BNetzA?

Die Bundesnetzagentur hat schon mit einem Schreiben Ende Januar 2015 angekündigt, nun im Rahmen der TK-Überwachung nach § 110 TKG auch WLANs stärker einzubeziehen (kürzlich hat hierzu auch eine Anhörung stattgefunden).

Problematisch war insoweit bisher die sogenannte Marginaliengrenze nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 TKÜV, nach der TK-Überwachungsmaßnahmen nicht ergriffen werden, müssen, wenn weniger als 10.000 „Teilnehmer oder sonstige Nutzungsberechtigte angeschlossen“ sind. Da öffentliche WLANs häufig nur kurzzeitig genutzt werden und auch ein ständig wechselnder Nutzerkreis vorliegen kann, war unklar, was genau zu zählen ist (eingehend dazu Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, 2014, Rn. 181).

Die Bundesnetzagentur hat mittlerweile eine Grundlage veröffentlicht, die sie der Zählung zu Grunde legen will:

„Zur Ermittlung der Marginaliengrenze von 10.000 Teilnehmern oder sonstigen Nutzungsberechtigten, ab der eine Verpflichtung gemäß § 110 TKG i.V.m. § 3 TKÜV besteht, werden zwei Methoden zugrunde gelegt:

1.     Teilnehmer mit Registrierung

Analog zur Mobilfunknutzung oder Einrichtung eines E-Mail-Accounts sind hier die registrierten WLAN-Kunden zu zählen (Nutzungsbereitstellung).

2.    Teilnehmer ohne Registrierung

Hier ist die Anzahl der gleichzeitig angeschlossenen Endgeräte an der TK-Anlage festzustellen oder durch entsprechende Erfahrungswerte zu bewerten.“

Basis ist dementsprechend entweder die Zahl der insgesamt registrierten Kunden oder die Zahl der „an der TK-Anlage gleichzeitig“ angeschlossenen Endgeräte. Wer also keine Registrierung durchführt sollte seine (jeweils gleichzeitige) Nutzerzahl beobachten. So lange diese unter 10.000 liegt, sind die Maßnahmen nach § 110 TKG nicht zu ergreifen.

Was bedeutet dies für verschiedene WLAN-Hotspots bzw. WLAN-Modelle?

Anknüpfungspunkt ist immer der konkrete Betreiber. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut von § 110 TKG, der als Adressaten anspricht,  „wer eine Telekommunikationsanlage betreibt, mit der öffentlich zugängliche Telekommunikationsdienste erbracht werden“ (zu den jeweiligen Begrifflichkeiten und Tatbestandsmerkmalen eingehend Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, 2014, Rn. 21 ff.).

a. Soweit eine Registrierung durchgeführt wird, kommt es also darauf an, wie viele Kunden sich bei dem konkreten Betreiber registriert haben, unabhängig davon, wie viele einzelne Access Points dieser Betreiber unterhält. Wer also ein WLAN aus mehreren Knoten z.B. in einer Innenstadt oder einem Straßenzug unterhält und hierfür eine Registrierung durchführt, kann leicht die Anzahl der für § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 TKÜV relevanten Nutzer zählen. Ein Blick in die Kundendatenbank reicht. Hierbei kann es – aus telekommunikationsrechtlicher Sicht – sinnvoll sein, Karteileichen zu entfernen. Beispielsweise kann im Registrierungsprozess oder in den AGB ein Hinweis aufgenommen werden, dass der Account nach 3 (oder mehr oder weniger) Jahren ohne Nutzung gelöscht wird und dann ggf. eine neue Anmeldung erfolgt. Achtung: Bei entgeltlichen WLANs auf Guthabenbasis ist zu beachten, dass eine solche Lösung bei damit verbundenem Guthabenverfall möglicherweise unzulässig ist (vgl. BGH, Urt. v. 12.6.2001 – XI ZR 274/00, NJW 2001, 2635). Hier müsste man ggf. mit der Bundesnetzagentur absprechen, ab welchem Zeitraum, in dem das Konto nicht genutzt wurde, der Nutzer für § 110 TKG für nicht mehr zu berücksichtigen sind. Sinnvoll wäre hier ein Zeitraum von rund einem Jahr.

b. Wird keine Registrierung durchgeführt, ist ebenfalls auf den konkreten Betreiber abzustellen. Es ist also beim Innenstadt- oder Straßenzug-WLAN zu beobachten (und ggf. stichprobenartig für die Bundesnetzagentur niederzulegen), wie viele Nutzer die komplette WLAN-Anlage gleichzeitig nutzen. Soll die Pflicht nach § 110 TKG grundsätzlich vermieden werden, kann im System eine maximale (gleichzeitige) Nutzeranzahl von 10.000 programmiert werden (Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, 2014, Rn. 181). Generell führt diese Zählweise dazu, dass der Großteil der öffentlichen WLANs nicht unter § 110 TKG fällt. Denn auch ein Innenstadt-WLAN wird heutzutage nur selten 10.000 gleichzeitige Nutzer erreichen. Davon geht auch die Bundesnetzagentur aus:

„Von der Verpflichtung sind lediglich wenige, große Unternehmen betroffen, d.h. kleine Anlagenbetreiber wie Cafés, Hotels, Bibliotheken, die beispielsweise ihren eigenen Internetanschluss per WLAN-Router ihren Kunden anbieten, sind hierbei nicht angesprochen.“

Besteht die WLAN-Anlage lediglich aus einem oder wenigen Knoten, dürfte die Zahl von 10.000 gleichzeitigen Nutzern praktisch nicht zu erreichen sein.

Da immer auf den konkreten Betreiber abzustellen ist, ist es auch unschädlich, wenn verschiedene, rechtlich selbständige Knotenbetreiber ihren Traffic zunächst (via VPN) an eine zentrale Stelle leiten und erst dort der eigentliche Internetzugang erfolgt, wie dies seit einiger Zeit bei vielen Knoten der Freifunk-Community (aber auch generell bei denen der Telekom bei WLAN-TO-GO) der Fall ist. Denn der Betreiber des VPN-Servers betreibt gerade kein WLAN, jedenfalls betreibt er nicht die WLANs derjenigen, für die er das VPN anbietet. Jedenfalls die Zählweise für WLANs findet auf ihn keine Anwendung. Für die TK-Überwachung ist also nicht darauf abzustellen, wie viele Nutzer an den VPN-Server angeschlossen sind. Maßgeblich ist für jeden einzelnen Knotenbetreiber, wie viele Nutzer an seinem Knoten hängen.

Heute: Anhörung der Bundesnetzagentur zur Anpassung der Technischen Richtlinie TK-Überwachung (auch: WLAN)

Ein aktueller Hinweis:

Heute ab 9:00h findet in der Bundesnetzagentur eine Anhörung zur TR TKÜV, Ausgabe 6.3 (veröffentlicht im Amtsblatt Nr. 14 am 29.07.15) statt.

Dabei geht es um die Umsetzung von TK-Überwachungsmaßnahmen. Aus der Mitteilung der Bundesnetzagentur:

„Die Anpassungen werden hauptsächlich infolge der Fortschreibung der bereits in der Richtlinie zur Anwendung kommenden europäischen und internationalen Standards notwendig. Betroffen von den Anpassungen sind der Teil A der TR TKÜV in den Bereichen VoIP, Mobilfunk, Internetzugang (WLAN) und der Teilnahme am IP-VPN sowie der gesamte Teil B. Die Bundesnetzagentur hat dementsprechend eine Entwurfsfassung der TR TKÜV für eine künftige Ausgabe 6.3 erstellt.

Nachfolgend erhalten Sie einen groben Überblick darüber, was von der Ausgabe 6.2 zur Ausgabe 6.3 in den technischen Bereichen geändert wurde. Neben einer redaktionellen Überarbeitung des gesamten Dokuments wurden die beiden Teile A und B an den aktuellen Stand der Technik angepasst wie folgt:

Teil A:

  • Ergänzung: Maßnahmen zur Bereitstellung der vollständigen Überwachungskopie am IP-basierten Übergabepunkt (Punkt 3.3)
  • Anlage C: Ergänzung zu Standortinformationen
  • Anlage D: Ergänzung zu Standortinformationen
  • Anlage F: Ergänzungen zu Network Element Identifier, Payload Direction, Keep-Alives und IP-Adressen
  • Anlage G: Ergänzungen zu Network Element Identifier, Payload Direction, Keep-Alives und IP-Adressen
  • Anlage H: Erläuterung zur Mid-Session-Interception, Verpflichtung zur grundsätzlich vollständigen Ausleitung der Telekommunikation, Ergänzungen zu Network Element Identifier, Payload Direction und Keep-Alives und IP-Adressen

Teil B:

  •  Komplette Überarbeitung von Teil B (u.a. Behandlung von Fehlerfällen; Normierung der Antwortdaten BDA/VDA; „Other Information“; Aktualisierung der Natparas; Entfernung der mittlerweile veralteten XML-Beispieldateien, die künftig auf der Internetseite der BNetzA zu finden sein werden)

Der aktuelle Entwurf der TR TKÜV, Ausgabe 6.3, steht hier ab dem 01.08.2015 in zwei Versionen zum Download bereit:In der Reinschrift-Version sind alle vorgenommenen Änderungen an der derzeit geltenden Ausgabe 6.2 schon  zu einem Entwurf der Ausgabe 6.3 verarbeitet. TR TKÜV Reinschrift vom 14.08.15 (pdf, 3 MB)

In der Korrekturmodus-Version können die Änderungen, die in der TR TKÜV Ausgabe 6.2 vorgenommen wurden, nachvollzogen werden.

TR TKÜV Korrekturmodus vom 14.08.15 (pdf, 3 MB)

Die 1. Korrekturmodus-Version vom 01.08.2015 finden Sie nachfolgend:

TR TKÜV Ausgabe 6.3 Korrektur-Version (pdf, 3 MB)“

Aufsatz: Die Meldepflicht nach § 6 TKG – Mitteilung Nr. 149/2015 der Bundesnetzagentur und ihre Folgen, MMR 2015, 428

In eigener Sache:

Im aktuellen Heft 7 der Zeitschrift Multimedia und Recht (MMR) ist nun der Beitrag von Thomas Sassenberg und mir mit dem Titel „Die Meldepflicht nach § 6 TKG – Mitteilung Nr. 149/2015 der Bundesnetzagentur und ihre Folgen“ erschienen (MMR 2015, S. 428 ff.).

Ich hatte die Mitteilung der Bundesnetzagentur zur Meldepflicht nach § 6 TKG (Nr. 149/2015) (PDF) schon in meinem Blog-Beitrag „Die geplante Vorratsdatenspeicherung und WLAN-Hotspots – (Kein) Untergang für WLANs?“ angesprochen. Im Wesentlichen geht es darum, dass die Bundesnetzagentur den Begriff des „Erbringens“ bei WLANs im Rahmen der Meldepflicht nach § 6 TKG anders (als bisher) auslegen will. Dies hat einige nachteilige Folgen, unsere These ist, dass die Änderung Folgefragen auslöst – was sich z.B. im Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung unmittelbar gezeigt hat.

Aus dem Beitrag:

Die Bundesnetzagentur hat sich in der im Amtsblatt 4/2015 veröffentlichten Mitteilung Nr. 149/2015 mit dem Anwendungsbereich für meldepflichtige Telekommunikationsdienste nach § 6 TKG beschäftigt und ist dabei insbesondere der Frage nachgegangen, wann Betreiber von öffentlichen WLAN-Hotspots einer Meldepflicht unterliegen. Die Mitteilung der Bundesnetzagentur soll Unsicherheiten hinsichtlich der Meldepflichten beseitigen, führt tatsächlich jedoch zu Folgefragen. Der nachfolgende Beitrag soll klären, ob die von der Bundesnetzagentur gewählte Auslegung – insbesondere in Bezug auf die Meldepflicht – im Einklang mit dem TKG sowie europa- und verfassungsrechtlichen Vorgaben steht.

I. Ausgangssituation und bisherige Auffassung in der Literatur

1. Ausgangssituation

Bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) sind derzeit 3.583 Unternehmen gemeldet.[1] Dabei hat die Zahl der gemeldeten Unternehmen in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen, obwohl es bei den „klassischen Telefonieanbietern“ zu Konsolidierungen gekommen ist.[2] Meldepflichtig ist nach § 6 Abs. 1 TKG derjenige, der gewerblich öffentliche Telekommunikationsnetze betreibt oder gewerblich öffentlich zugängliche Telekommunikationsdienste erbringt. An die Tatbestandsmerkmale der Gewerblichkeit und Öffentlichkeit sind dabei nur geringe Anforderungen zu stellen,[3] so dass der Anwendungsbereich und damit die Meldepflicht nach bisher herrschender Meinung bei entgeltlichen E-Mail-Providern sowie öffentlichen WLAN-Hotspots, welche zum Zwecke der Absatzförderung geöffnet wurden, eröffnet war.[4]

Die Vielzahl von unterschiedlichen Betreibermodellen[5] sowie insbesondere die genannten Tatbestandsmerkmale der Gewerblichkeit und Öffentlichkeit führen bei Betreibern von öffentlichen WLAN-Hotspots zu Unsicherheiten über die Notwendigkeiten einer Meldung. Hinzu kommt, dass bei den Betreibern von öffentlichen WLAN-Hotspots Unklarheit darüber besteht, ob sie sich als sog. Access Provider auf die Haftungsprivilegierung nach § 8 TMG berufen können.[6] Dies hatte in der Praxis zum Teil die Folge, dass Anbieter der Meldepflicht auch dann nachgekommen sind, wenn die Voraussetzungen für eine Meldung tatsächlich nicht vorlagen. Insofern ist es wenig verwunderlich, dass sich auf der Internetseite der Bundesnetzagentur der (zutreffende) Hinweis findet, dass die Meldung nach § 6 TKG keine Auswirkungen auf die Frage der Störerhaftung hat.[7]

Die Meldepflicht nach § 6 TKG dient dazu …

Die geplante Vorratsdatenspeicherung und WLAN-Hotspots – (Kein) Untergang für WLANs?

Netzpolitik.org hat den derzeitigen Regierungsentwurf zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung (euphemistisch als Höchstspeicherfrist bezeichnet) veröffentlicht (PDF). Bei Zeit-Online werden die Folgen der Vorratsdatenspeicherung diskutiert.

Zeit-Online sieht WLANs in der Pflicht zur Einrichtung der Vorratsdatenspeicherung, Rechtsanwalt Härting prophezeit im Interview das endgültige Aus für WLANs:

„Hat der Entwurf Auswirkungen auf andere Personen? Ja. Neben den Whistleblowern könnte er Anbietern von freien WLAN-Zugängen erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Denn er verpflichtet alle „Erbringer öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste“, solche Daten zu speichern. Das sind nicht nur Telekommunikationsunternehmen. Im Zweifel betrifft das Gesetz jeden Cafébetreiber, der einen öffentlichen WLAN-Knoten zur Verfügung stellt. Verfassungsrechtler Härting sagt: „Das wäre das endgültige Aus für WLAN im öffentlichen Raum.“

Es stellt sich allerdings die Frage, ob das tatsächlich der Fall ist. Um es gleich vorweg zu nehmen: Eine eindeutige Antwort kann ich hier nicht geben. Es gibt aber – auch wenn die Vorratsdatenspeicherung kommt – guten Grund zur Hoffnung:

1. Der Gesetzesentwurf: Verpflichtet sind „Erbringer“ von öffentlichen TK-Diensten

§ 113a Abs. 1 TKG-E soll nach dem VDS-Entwurf u.a. lauten (Hervorhebung hier):

„Die Verpflichtungen zur Speicherung von Verkehrsdaten, zur Verwendung der Daten und zur Datensicherheit nach den §§ 113b bis 113g beziehen sich auf Erbringer öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste. Wer öffentlich zugängliche Telekommunikationsdienste erbringt, aber nicht alle der nach Maßgabe der nachstehenden Regelungen zu speichernden Daten selbst erzeugt oder verarbeitet, hat (1) sicherzustellen, dass die nicht von ihm selbst bei der Erbringung seines Dienstes erzeugten oder verarbeiteten Daten gemäß § 113b Absatz 1 gespeichert werden, und (2) der Bundesnetzagentur auf deren Verlangen unverzüglich mitzuteilen, wer diese Daten speichert.“

Nun ist die Frage, wer „Erbringer öffentlicher TK-Dienste“ ist. Nach bisheriger, eindeutiger Auffassung in der Literatur wohl auch der Betreiber eines WLAN-Hotspots (Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, 2014, Rn. 33 m.w.N.).

2. Die neue Auslegung der Bundesnetzagentur

Hier kommt nun aber eine am 4.3.2015 veröffentlichte Mitteilung der Bundesnetzagentur zur Meldepflicht nach § 6 TKG (Nr. 149/2015) (PDF) in Spiel (s. dazu kurz hier). Dr. Thomas Sassenberg und ich haben uns diese Mitteilung vor kurzem genauer angesehen, das Ergebnis wird im Juni- oder Juli-Heft der Zeitschrift Multimedia und Recht (MMR) in einem Beitrag unter dem Titel „Die Meldepflicht nach § 6 TKG – Die Mitteilung Nr. 149/2015 der Bundesnetzagentur und ihre Folgen“ erscheinen.

Warum ist diese Mitteilung hier relevant? Nun, die Bundesnetzagentur hat in der Mitteilung Nr. 149/2015 festgelegt, wie sie in Zukunft den Begriff des „Erbringens“ von Telekommunikationsdiensten auslegen will.

Dabei sieht die Bundesnetzagentur die Betreiber von WLAN-Hotspots in Cafés, Hotels etc., die lediglich ihren Internetanschluss mit anderen teilen und den Nutzern nicht einen eigenen Telekommunikationsanschluss zur Verfügung stellen, nicht als „Erbringer“ an, sondern lediglich als „Mitwirkende“ an einem Telekommunikationsdienst. Es ist ein wenig komplizierter als hier dargestellt – wer mag, schaue sich das im Amtsblatt an –  aber im Grunde sagt die Bundesnetzagentur, dass Betreiber von WLAN-Hotspots (in der Regel) keinen TK-Dienst „erbringen“. Man kann das dogmatisch kritisieren und es hat möglicherweise auch Folgen, die die Bundesnetzagentur vielleicht nicht bedacht hat.

Wenn man allerdings die Auslegung der Bundesnetzagentur ernst nimmt (und sie ist diejenige, die auf die Durchsetzung der Regeln des TKG, also auch der Vorratsdatenspeicherung nach § 113a TKG achtet, siehe § 115 TKG), dann findet § 113a TKG-E bzw. die gesamte Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung auf WLANs keine Anwendung!

Das WLAN-Sterben wird also – jedenfalls aufgrund der Vorratsdatenspeicherung im aktuellen Entwurf – voraussichtlich nicht einsetzen. Problematischer ist insoweit der Referentenentwurf zur Änderung von § 8 TMG.

Im Übrigen ist das auch tatsächlich kein echtes Problem, denn der „echte Erbringer des TK-Dienstes“, also derjenige, der z.B. den DSL-Anschluss zur Verfügung stellt, der über WLAN geteilt wird, der muss ja nach § 113a TKG-E speichern. Eine Schutzlücke gibt es – ähnlich wie das ja auch in dem Zusammenspiel von § 113a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 TKG-E ersichtlich wird (siehe dazu S. 40/41 der Begründung zum Referentenentwurf) – nicht.

Unklar ist, ob die Bundesregierung hieran gedacht hat. Es ist allerdings damit zu rechnen bzw. zu hoffen, dass sie sich mit der Bundesnetzagentur abgestimmt hat, und die hätte wohl darauf hingewiesen.

3. Verbindlichkeit der Auslegung der Bundesnetzagentur auch für § 113a TKG-E

Eines ist noch zu beachten: Eigentlich hat sich die Bundesnetzagentur in der Mitteilung Nr. 149/2015 nur mit der Meldepflicht nach § 6 TKG auseinandergesetzt und nicht mit anderen Normen. Allerdings nutzt sie hierfür eben eine andere Auslegung eines Begriffs, der sich in einer Vielzahl von Normen des TKG wiederfindet, nämlich des „Erbringers von öffentlichen TK-Diensten“. Und es gibt aus meiner Sicht keinen logischen und rechtsdogmatisch haltbaren Grund, die Auslegung des Begriffs in § 6 TKG anders zu handhaben als in anderen Normen. In diese Richtung gehen auch Äußerungen von Mitarbeitern der Bundesnetzagentur, von denen ich gehört habe. Hier wurde auf einem Treffen im Hinblick auf die Verpflicht zur TK-Überwachung (nach § 110 TKG) wohl geäußert, dass die TK-Überwachung WLAN-Hotspots nicht treffe, die gar keinen öffentlichen TK-Dienst „erbringen“. Dementsprechend will die Bundesnetzagentur den Begriff wohl über das gesamte TKG  einheitlich auslegen.

Freifunk-TKG-Starterpaket

Eine der Unsicherheiten beim Aufbau eines Freifunk-Knotens kann sein, welche Pflichten der Betreiber eines solchen WLAN-Knotens hat. Wie ich schon in Vorträgen auf dem Wireless Community Weekend und auf dem 29C3 gesagt habe, sind diese aber für so kleine Knoten wie den typischen Freifunk-Knoten (auch mit mehreren WLAN-Routern) halb so wild. Wichtigstes Beispiel einer solchen Pflicht ist die Meldepflicht nach § 6 Telekommunikationsgesetz (TKG). (s. Update)

Um auch die letzten Unsicherheiten zu beseitigen, gibt es jetzt das „Freifunk-TKG-Starterpaket“. Es enthält – ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit – diejenigen Unterlagen, die ein Betreiber eines Freifunk-Knotens einmal beachtet und ausgefüllt haben sollte. Dazu gehört die Anmeldung bei der Bundesnetzagentur, wobei im Starterpaket ein vorausgefülltes Formular (mit den Häkchen an der richtigen Stelle) enthalten ist (Originaldokument), ein Beispiel für eine Splash-Page mit Impressum (basierend auf der Splash-Page des Freifunk Leipzig).

Weiter enthält das Starterpaket ein Beispiel für ein Sicherheitskonzept und Sicherheitsmaßnahmen nach § 109 TKG inklusive einer beispielhaften Beschreibung und Grafik der Anlage. Dazu gehört auch ein Omnigraffle-Dokument zur weiteren Bearbeitung/Anpassung an die vorhandene Anlage, das sich ebenfalls im Starterpaket befindet.

Last but not least muss der Betreiber eines Freifunk-Knotens nach § 109 Abs. 4 TKG einen Sicherheitsbeauftragten benennen. Auch dafür ist ein Beispielsformular enthalten.

Insgesamt also kein Hexenwerk …

Das gesamte Paket steht (mit Ausnahme der Splash-Page) unter einer Creative Commons CC-BY 3.0 DE-Lizenz.

Kommentare, Anmerkungen und Anregungen nehme ich gerne per Kommentar hier, per E-Mail oder über Twitter entgegen.

Update: Die Download-Links hier habe ich wegen Updates entfernt. Zum Update und zum Download hier.

Aus aktuellem Anlass: Meldepflichten für offene Netze?

Wie die Bristol Wireless News (auf Basis eines spanischen Artikels) berichten, wurden fünf spanischen Dörfer Bußgelder o.ä. auferlegt, weil sie Funknetze betrieben haben, ohne diese der zuständigen Behörde, der CMT (dürfte vergleichbar unserer Bundesnetzagentur sein), zu melden (wie es nach der Auffassung der CMT aufgrund von § 6.2 des dortigen „Telekommunikationsgesetzes“ wohl erforderlich gewesen wäre).

Da die großen TK-Anbieter offenbar nicht gewillt waren, die Dörfer mit breitbandigem Internet zu versorgen, haben die Dörfer selbst die Initiative ergriffen und einige wenige Internetzugangspunkte eingerichtet/einrichten lassen und den Zugang per WLAN den Bewohnern zur Verfügung gestellt

“We got into this situation by providing a public service, by replacing someone, an agency or operators who have not done their work,” he said. The nearest telephone exchange to the village is three kilometres away and its wiring is old and inadequate, according to the mayor. “There was no coverage,” he adds. In the absence of companies providing a service, they decided to take action themselves, “so people could read their email or use the internet,” he explained.

Der Knackpunkt für einen ähnlichen Fall in Deutschland dürfte sein, dass die Dorfverwaltung ihren Bewohnern den Dienst gegen ein Entgelt angeboten hat (wohl zwischen 6 und 9 Euro).

§ 6 Abs. 1 TKG lautet:

Wer gewerblich öffentliche Telekommunikationsnetze betreibt oder gewerblich Telekommunikationsdienste für die Öffentlichkeit erbringt, muss die Aufnahme, Änderung und Beendigung seiner Tätigkeit sowie Änderungen seiner Firma bei der Bundesnetzagentur unverzüglich melden. Die Erklärung bedarf der Schriftform.

Die Betreiber offener Netze (und hier auch die Dorfverwaltung) erbringen regelmäßig Telekommunikationsdienste. Voraussetzung für die Meldepflicht ist aber gewerbliches Handeln. Gewerblich gemäß § 6 TKG ist der Betrieb, wenn er auf Dauer anlegt ist und mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt (Schütz, in: BeckTKG, § 6 Rn. 59). Auch die Erhebung von Beiträgen, die lediglich auf Kostendeckung zielen, erfüllt die Voraussetzung der Gewinnerzielungsabsicht.(BT-Drs. 15/2316, 60; Schütz, in: BeckTKG, § 6 Rn. 59). Eine Bagatellgrenze sieht das TKG nicht vor. An die Öffentlichkeit sind Telekommunikationsdienste gerichtet, wenn sie einem unbestimmten Personenkreis zur Verfügung stehen. Liegt demnach ein geschlossener Nutzerkreis vor, entfällt auch die Meldepflicht. Dies trifft z.B. auf Firmennetze zu.

Offene Netze richten sich aber grundsätzlich an die Öffentlichkeit und nicht an einen geschlossenen Nutzerkreis. Werden also durch Beiträge gleich welcher Art, auch nur mit der Absicht der Kostendeckung erhoben, ist eine Meldung bei der Bundesnetzagentur zwingend. Offene Netze hingegen, bei denen die Nutzer selbst auf eigene Kosten und ohne wirtschaftlich relevante Gegenleistung das Netz aufbauen, betreiben und Dritten bereitstellen, unterliegen der Meldepflicht nicht.

Bei der Dorfverwaltung kann man sicher im Zweifel auch darüber streiten, ob nicht auch ohne Entgelt bereits ein „gewerbliches“ Angebot vorliegt, da es durch Steuergelder finanziert wird… Das habe ich mir allerdings noch nicht genauer angesehen.

S. auch etwas ausführlicher Diss, S. 57.

Abschließend sei noch auf die Informationsseite der Bundesnetzagentur hingewiesen: http://www.bundesnetzagentur.de/enid/RegulierungTelekommunikation/Meldepflicht\_9i.html