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Lesetipp: Spindler, Haftung für private WLANs im Delikts- und Urheberrecht, CR 2010, 592

In der CR 2010, S. 592-600 ist ein Aufsatz zur Haftung für WLAN und zugleich Anmerkung zum WLAN-Urteil des BGH (Urt. v. 12.5.2010 – I ZR 121/08: Sommer unseres Lebens) von Prof. Gerald Spindler erschienen.

Spindler geht dabei intensiv und ausführlich auf die kritischen Punkte der Rechtsprechung und des BGH-Urteils im speziellen ein.

Zunächst befasst sich Spindler mit der Schadensersatzhaftung. Dabei geht er auf die Beweiserleichterungen zu Gunsten der Rechteinhaber ein, die aus der IP-Adresse auf eine Rechtsverletzung durch den Anschlussinhaber schließen lassen, die dieser mittels der sekundären Darlegungs- und Beweislast zu widerlegen hat. Dabei weist er auf einen interessanten Punkt der BGH-Entscheidung hin:

Eigenartigerweise hält der BGH selbst wenig später im Rahmen der Frage, ob der IP-Adresse eine Identifikationsfunktion zukommt, fest, dass diese anders als ein eBay-Konto „bestimmungsgemäß keine zuverlässige Auskunft über die Person (gibt), die zu einem konkreten Zeitpunkt einen bestimmten Internetanschluss nutzt”. Wie dies mit der Annahme einer tatsächlichen Vermutung für eine Rechtsverletzung durch den Anschlussinhaber vereinbar ist, bleibt unklar.

Weiter will Spindler die Darlegungslast durch die Wertungen des § 101 Abs. 9 UrhG eingeschränkt wissen:

Die sekundäre Darlegungslast darf also nicht derart ausgedehnt werden, dass der Anschlussinhaber verpflichtet würde, die Daten der Rechtsverletzer anzugeben, ohne dass zumindest die Wertungen des § 101 UrhG beachtet würden.

Anschließend setzt sich Spindler intensiv mit der täterschaftlichen Haftung auf Basis von Verkehrspflichten und der Abgrenzung des BGH zur Halzband-Entscheidung auseinander, wobei er auf mehrere Unklarheiten hinweist. Quasi als Nachklapp der Diskussion kritisiert er die Argumentation des BGH bezüglich der Einordnung von IP-Adressen als widersprüchlich:

Auch die Feststellung, dass die (dynamisch vergebene) IP-Adresse keine Identifikationsfunktion für den eigentlichen Täter habe, ist prima vista zwar zutreffend, kollidiert aber mit der später im Rahmen der Störerhaftung ohne weiteres als Zurechnungsgrund herangezogenen Wertung als Bestandsdatum.

Anschließend setzt sich Spindler mit der Frage nach der Einordnung des „Dienstes WLAN“ und seiner Relevant für § 8 TMG auseinander und plädiert für dessen Anwendbarkeit (s. auch schon Mantz, Rechtsfragen offener Netze, Karlsruhe 2008, S. 292 ff.):

Dann kann aber für die Betreiber von Kommunikationsnetzen nichts anderes gelten; auch wenn diese „klein” sind, handelt es sich doch um die Ermöglichung des Zugangs zu anderen Kommunikationsnetzen, indem der Betreiber eines WLANs seinen Router und seinen Anschluss anderen zur Verfügung stellt. … Auch die „unbefugte” Nutzung (z.B. aufgrund von entsprechenden Vertragsbedingungen) eines unzweifelhaft unter § 8 TMG fallenden Telekommunikationsproviders führt nicht dazu, dass die Haftungsprivilegierungen entfielen

Anschließend behandelt Spindler die Störerhaftung, die der BGH angenommen hat. Dabei geht er zunächst auf die Frage ein, ob der Betrieb eines WLAN als Gefahrenquelle angesehen werden kann. Dies nimmt er als „klareren und tragfähigen Ansatz“ an, weist aber darauf hin, dass dies keinesfalls selbstverständlich ist.

Im nächsten Abschnitt legt Spindler nach meiner Auffassung ganz klar den Finger in die Wunde:

Schließlich bleibt ein essentieller Punkt bei aller Evidenz der vom BGH angenommen Sicherungspflichten unklar: Sicherungspflichten unklar: Die dem WLAN-Betreiber abverlangten Sicherungsmaßnahmen betreffen die Benutzung des Netzes durch unbekannte Dritte. Warum aber werden durch Sicherungsmaßnahmen die Rechtsgüter anderer, vor allem außerhalb des WLANs liegender Dritter geschützt? Die Antwort kann nur darin liegen, dass dann die Rechtsverfolgung für den Dritten erleichtert wird, indem entweder der WLAN-Betreiber selbst als Handelnder gelten soll oder er verpflichtet ist, die Identitätsdaten der an seinem Netz Beteiligten preiszugeben, die für die fragliche Tatzeit in Betracht kommen. Damit aber nähert man sich doch wieder der Verantwortlichkeit des Accountinhabers, sei es durch eine tatsächliche Vermutung für Rechtsverletzungen durch ihn oder einer sekundären Darlegungslast.

Denn die durch den BGH zementierte Situation führt zu einer solch starken Ungleichbehandlung des Anschlussinhabers, dass die Nähe zur (vom BGH gerade abgelehnten) Verantwortlichkeit im praktischen Fall „über die Hintertür“ doch angenommen wird.

Konsequenterweise nimmt sich Spindler auch der Frage der Privilegierung nach § 8 TMG an. Dabei verweist er auf die Rechtsprechung zur Haftung der (klassischen Access Provider), die in der Tat eher zu Gunsten der Access Provider ausgeht und damit genau im Gegensatz zum Urteil des BGH steht. Dabei fragt Spindler richtigerweise:

Wo liegt aber der Unterschied im Betreiben eines Routers im privaten Bereich oder eines größeren Hotspots, etwa eines lokalen Internet-Betreibers?

Und weiter:

Hier rächt sich die fehlende Auseinandersetzung des BGH mit den Haftungsprivilegien nach TMG erneut: Wenn der Senat noch die Vereinbarkeit der deutschen Störerhaftung mit dem Verbot von proaktiven Überwachungspflichten in der E-Commerce-Richtlinie (Art. 15) damit rechtfertigen konnte, dass es um spezifische Überwachungspflichten geht, die zudem erst nach Kenntnis eines Rechtsverstoßes eingreifen, verfängt dies für die ohne (!) Kenntnis des Providers vom ersten Tag an geltenden Prüfungs- und Überwachungspflichten nicht mehr. Hier handelt es sich eindeutig um entsprechende Pflichten im Sinne der E-Commerce-Richtlinie. Nun unterfallen zwar gerade Sicherungsmaßnahmen der eigenen Netze nicht den Überwachungspflichten, wie sie von Art. 15 ECRL gemeint sind, da es hier nur um den Schutz gegenüber Dritten (bzw. deren Angriffe) geht. Auch gilt die ECRL nicht für rein private Diensteanbieter. Doch darf dies nicht dahingehend verallgemeinert werden, dass sämtliche Prüfungs- und Überwachungspflichten bei privaten Diensteanbietern schon ohne Kenntnis eingreifen, zumal das TMG die Anwendbarkeit auf Private erstreckt hat. Es überrascht zudem, dass gerade Provider mit Vorsprung in Wissen und Technologie nicht zu Sicherungsmaßnahmen von vornherein verpflichtet sein sollen, wohl aber der private Netzbetreiber.

Der Beitrag wird fortgesetzt durch eine kritische Auseinandersetzung mit der Thematik, ob die IP-Adresse Verkehrs- oder Bestandsdatum ist. Auch stützt sich Spindler auf die Argumentation des BVerfG im Vorratsdatenspeicherungsurteil und lehnt die Auffassung des BGH, die IP-Adresse als Bestandsdatum einzuordnen, klar und deutlich ab.

Abgerundet wird der Beitrag mit der Frage nach den Abmahnkosten sowie Folgefragen.

Bei diesen Folgefragen behandelt Spindler, was das Urteil des BGH denn nun für andere WLAN-Betreiber (institutionelle Betreiber, Internet-Cafes, offene Netze etc.) bedeutet.

Damit wird abermals deutlich, dass der eigentliche Grund für das Bestehen von Prüfpflichten konkretisiert werden muss: Wenn die Verhinderung von anonymen Rechtsverletzungen, denen sich der Rechteinhaber machtlos gegenübersieht, maßgeblich sein sollte, müsste eigentlich erst recht kommerzielle Provider die Pflicht treffen, Identifizierungsmechanismen zu schaffen, um eine Rechtsverfolgung zu ermöglichen. Dann aber wären solche Geschäftsmodelle wie Internetcafés undurchführbar. Auch bestehen erhebliche Zweifel, ob ohne besondere Einwilligungen durch die Nutzer die Diensteanbieter ohne weiteres deren Daten erheben und speichern könnten.

Dem Fazit von Spindler kann ich mich nur anschließen:

Die auf den ersten Blick intuitiv überzeugende Entscheidung des BGH wirft insgesamt mehr Fragen auf, als sie klärt.

S. auch:

J!Cast 79: Anonymisierungsdienste und die Haftung für Rechtsverletzungen

Der Jura-Podcast Nr. 79 behandelt Anonmyisierungsdienste und die Haftung hierfür. Dabei werden die Autoren des Artikels „Catch me if you can … Anonymisierungsdienste und die Haftung für mittelbare Rechtsverletzungen“ (K&R 2009, 766) (s. dazu ausführlich hier) befragt, die die Problematik darstellen.

„In Zeiten der „Datensammelwut“ und des An- und Verkaufs von Daten ist es erstaunlich, dass sogenannte Anonymisierungsdienste in der allgemeinen Wahrnehmung  eine noch untergeordnete Rolle spielen. Diese Dienste ermöglichen es, sich gegen das Sammeln von Daten beim Internetsurfen zu schützen, was insbesondere für Freunde des Selbstdatenschutzes von Interesse ist.

Zu der technischen Umsetzung, der Nutzung der Angebote zum Selbstdatenschutz und der Haftung von Anbietern dieser Dienste bei Rechtsverstößen sprach Christoph Golla mit Dr. Marco Rau , Rechtsanwalt bei Buse Heberer und Fromm in Frankfurt, und Herrn Martin Behrens , Systemadministrator bei Global Aid Network.“

Links:

(Keine) Auswirkungen des Vorratsdatenspeicherungsurteils auf Filesharing-Fälle

IP-Notiz hat einen Beitrag zu den Auswirkungen des Urteils des BVerfG zur Zulässigkeit der Vorratsdatenspeicherung veröffentlicht. Denn teilweise wurde als Schlussfolgerung aus dem Urteil gezogen, dass auch die Daten (=IP-Adressen), die für die Ermittlung der Bestandsdaten von Filesharing-Nutzern verwendet werden, z.B. durch den Auskunftsanspruch nach § 101 UrhG (s. dazu hier), betroffen seien. Diese Auffassung habe ich im privaten Umkreis auch mehrfach gehört.

Der Beitrag bei IP-Notiz erläutert richtigerweise, dass dies nicht der Fall ist. Denn die Auskunft durch den Access Provider in Filesharingfällen erfolgt in aller Regel aufgrund von Daten, die nach §§ 96 ff. TKG zur Abrechnung oder zur Vermeidung von Missbrauch durch die Provider gespeichert werden (s. dazu Gietl/Mantz, CR 2008, 810, 812; zum Auskunftsanspruch ausführlich Welp, Auskunftspflicht von Access-Providern, 2009). Es handelt sich also (idealerweise) um vollkommen getrennte Datenpools (so auch die Ergebnisse einer Bitkom-Umfrage unter deutschen Providern, s. dazu hier).

Damit hat das Urteil des BVerfG auf Filesharing-Fälle keinerlei Auswirkung.

Links:

Lesetipp: Knies/Kettmann, Deckelung der Abmahnkosten nach § 97a Abs. 2 UrhG bei Filesharing-Fällen

Knies und Kettmann haben bereits im Jahr 2009 einen Beitrag zur Anwendung von § 97a Abs. 2 UrhG mit dem Titel „Filesharing und Deckelung der Abmahnkosten auf € 100,00: Greift die neue Regelung des § 97a Abs. 2 UrhG auch in der Tauschbörse? Aufatmen bei den Abgemahnten“ veröffentlicht.

In der Literatur ist noch immer umstritten, ob § 97a Abs. 2 UrhG auf typische Filesharing-Fälle anwendbar ist. Dies hätte zur Folge, dass die Anwaltskosten der Abmahnung, die der Rechtsverletzer nach § 97a Abs. 1 UrhG bzw. über das Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag zu tragen hat, auf 100,- € gedeckelt würde. Da zusätzlich in vielen Fällen es dem Rechtsinhaber schwer fallen dürfte, das Verschulden des Abgemahnten zu beweisen, und dadurch auch der jeweils geforderte Schadensersatzbetrag entfiele, bliebe der „Abmahnindustrie“ für die Abmahnung nur dieser reduzierte Betrag.

Natürlich argumentieren die beteiligten Anwälte vehement gegen eine Anwendbarkeit des § 97a Abs. 2 UrhG.

Die Argumente hat bereits Hoeren in seinem Beitrag in der CR 2009, Heft 6, S. 378 (s. dazu hier) beleuchtet und sich klar für einen Deckelung der Abmahnkosten ausgesprochen.

Der Beitrag von Knies und Kettmann geht in die selbe Richtung und begründet sehr anschaulich, warum die Deckelung greifen muss. Dabei behandeln die Autoren die jeweiligen Argumente:

1. Argument: „Kein einfach gelagerter Fall“, weil Adressermittlung nötig

„Gegenargument: Diese Argumentation ist jedoch nicht schlüssig, da die Abmahnkanzleien tausende Abmahnungen pro Monat erstellen, weshalb sowohl das Anschreiben als auch die Adressermittlung ohne großen Arbeitsaufwand und damit offensichtlich routinemäßig geschieht. Außerdem handelt es sich um einen Standardschriftsatz bei welchen lediglich personenbezogene Daten ersetzt werden. Diese Arbeit wird zudem häufig vom Kanzleipersonal, d.h. nicht zwingenderweise von einem Rechtsanwalt zu erledigen sein. Deshalb wird man bei Filesharing – Fällen meist einen einfach gelagerten Fall bejahen dürfen.“

Damit haben die Autoren völlig recht. Wer die Abmahnungsschreiben gesehen hat, weiß, dass hier exakt einmal der 10-15 Seiten-Brief erstellt wurde (von wenigen Ergänzungen abgesehen). Die jeweiligen Daten des Abgemahnten dürften über eine Serienbrief-Funktion eingefügt werden, so dass der Arbeitsaufwand praktisch Null ist. Auch die Ermittlung der Daten erfolgt in einem einfachen Verfahren. Denn wie sich an den Kostenentscheidungen des OLG Köln zeigt, werden auch die Verfahren nach § 101 UrhG in Einheiten von mehreren 1000 Datensätzen auf einmal betrieben.

2. Argument: Filesharing nicht als Beispiel für eine unerhebliche Rechtsverletzung genannt

Hiergegen wenden die Autoren ein, dass der Gesetzgeber zwar nicht in der Gesetzesbegründung, wohl aber in der Pressemitteilung gerade einen Filesharing-Fall beschrieben hat (s. hier).

Der Gesetzgeber ging also durchaus davon aus, dass auch Filesharing einen „einfach gelagerten Fall“ darstellt. Zudem ist, wie Knies und Kettmann richtigerweise feststellen, ein Unterschied zwischen Filesharing und den in der Gesetzesbegründung genannten Beispielen zumindest in rechtlicher Hinsicht kein Unterschied zu sehen ist.

3. Argument 3: Unüberschaubar großer Adressatenkreis

Auch hier liegen die Autoren richtig, wenn sie meinen:

„Die Beispielsfälle, die der Gesetzgeber (und das Bundesjustizministerium) aufzählen allesamt von Internetsachverhalten ausgehen, sei es durch Einblendung eines Kartenausschnittes auf einer Website oder eben das Angebot durch eine Schülerin zum Download. In all diesen Fällen ist die Verletzung der Urheberrechte (theoretisch) weltumspannend. Der Gesetzgeber wollte und will aber eben genau auch diese Fälle „privaten Unrechts“ unter der Regelung des § 97a Abs. 2 UrhG erfassen.“

4. Argument: Vermengung der Begriffe „gewerbliches Ausmaß“ und „Handeln außerhalb des geschäftlichen Verkehrs

„Für die Erfüllung der vierten Voraussetzung des § 97a Abs. 2 UrhG ist allein entscheidend, dass die Rechtsverletzung nur im privaten Bereich, also weder im geschäftlichen Verkehr oder bei der Berufsausübung, stattgefunden hat, also hinsichtlich ihrer Begehungsweise aus Sicht des Täters beurteilt werden muss (vgl. OLG Köln, MMR 2009, 334 „Die schöne Müllerin“). Die Bedeutung des Begriffs des „gewerblichen Ausmaßes“ im Sinne des Auskunftsanspruchs des § 101 Abs. 1 UrhG muss dagegen aus der Sicht des Rechteinhabers beurteilt werden. Hier kommt es „auf die Schwere der beim Rechteinhaber eingetretenen einzelnen Rechtsverletzung an“ (vgl. OLG Köln, MMR 2009, 334 „Die schöne Müllerin“, mit Verweis auf BT-Drucksache 16/8783, S. 50).“

5. Fazit

Insgesamt ein sehr informativer und wichtiger Beitrag, der die Argumente der Abmahnanwälte gut und logisch widerlegt.

Links:

Beitrag „Rechtsprechung zum neuen Auskunftsanspruch nach § 101 UrhG“, K&R 2009, 21 online

Mittlerweile ist der Beitrag mit dem Titel „Die Rechtsprechung zum neuen Auskunftsanspruch nach § 101 UrhG“, erschienen in Heft 1/2009 der Kommunikation und Recht (K&R 2009, 21) online verfügbar. Download hier.

S. dazu auch:

Lesetipp: Bleich, Die Abmahn-Industrie – Wie mit dem Missbrauch des Urheberrechts Kasse gemacht wird, c’t 1/2010, S. 154-157

In Heft 1/2010 der c’t hat Holger Bleich unter dem Titel „Die Abmahn-Industrie – Wie mit dem Missbrauch des Urheberrechts Kasse gemacht wird“ eine Bestandsaufnahme der Massenabmahnungen in Deutschland veröffentlicht.

Interessant sind bereits die Zahlen der Auskunftsbegehren des Landgericht Köln: 2008 noch 82, 2009 bereits 2824, wobei 15-3500 Adressen pro Antrag betroffen waren, die in der Summe schon „in die Millionen“ gehen sollen.

Insbesondere arbeitet der Autor heraus, dass für die Rechteinhaber die Massenabmahnung deutlich profitabler sein könnte als der legale Verkauf des Stücks.

Weiter führt er mehrere Fälle an, in denen die behauptet sichere Beweislage unzweifelhaft falsch sein dürfte, was die Gerichte teilweise kaum beeindruckt:

„Ist die Abmahnung erst einmal ins Haus geflattert, hat sich die Beweislastumkehr bereits umgekehrt. Die Gerichte schenken eher der angeblich beweissicheren, unabhängigen Datenerhebung Glauben als den Beteuerungen der Abgemahnten. Wer in dieser Falle steckt, muss Gegenbeweise liefern, und selbst eine Log-Datei oder der Beleg der Abwesenheit genügen als Nachweise kaum.“

Weiter stellt der Artikel einzelne Protagonisten der „Abmahn-Industrie“ und die Finanzierungsmodelle (die Anwälte finanzieren sich quasi selbst) dar.

Schlussendlich enthält der Artikel ein Interview mit Rechtsanwalt Dr. Römermann, Hannover, mit dem Titel „Verbotene Rechtsdienstleistungen?“ über die Tätigkeit von Unternehmen, die die Rechtsverletzungen aufdecken und aufzeichnen.

Lesetipp: Schneider, Akteneinsicht bei Filesharing: Der Krampf geht weiter

Adrian Schneider hat einen interessanten Beitrag mit dem Titel „Akteneinsicht bei Filesharing: Der Krampf geht weiter“ zu einem Beschluss des LG Duisburg und zum Akteneinsichtsrecht bei Filesharingfällen nach § 406e StPO und dessen Verhältnis zu § 101 UrhG geschrieben.

Sein Fazit:

Eigentlich sollten all diese Probleme durch den urheberrechtlichen Auskunftsanspruch gelöst werden. Auch wenn sich damit zahlreiche neue Probleme auftaten, schien zumindest eine Entlastung der Staatsanwaltschaften einigermaßen funktioniert zu haben. Ob das auch so bleibt, wird sich zeigen. Das LG Duisburg hat jedenfalls die Tür zurück zur Akteneinsicht wieder einen Spalt weit geöffnet.

OLG Köln: Urt. v. 23.12.2009 – Az. 6 U 101/09 – Haftung des Internet-Anschlussinhabers für Rechtsverletzungen Dritter

Das OLG Köln hat am 23.12.2009 zur Störerhaftung des Internetanschlussinhabers geurteilt und ist dabei u.a. von einer sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers ausgegangen, der also die Identität des jeweiligen Nutzers offenbaren soll (Az. 6 U 101/09).

OLG Frankfurt: Keine Pflicht zur „Speicherung auf Zuruf“ nach § 101 UrhG

Thomas Hoeren berichtet im Beck-Blog über einen Beschluss des OLG Frankfurt (Beschluss vom 17.11.2009 – 11 W 41/09), in dem das OLG Frankfurt der durch nichts begründeten Lösung des LG Hamburg (Urt. v. 11.03.2009 – 308 O 75/09), dass ein Provider quasi live IP-Adressen auf Zuruf speichern soll, eine Absage erteilt. Als Begründung scheint das OLG Frankfurt auf die hierfür fehlende Rechtsgrundlage abzustellen. Der Volltext steht leider noch nicht zur Verfügung.

Update 2.2.2010: Der Volltext ist jetzt bei JurPC verfügbar.

S. dazu auch:

Lesetipp: Rau/Behrens, Catch me if you can … Anonymisierungsdienste und die Haftung für mittelbare Rechtsverletzungen, K&R 2009, 766

Im aktuellen Heft der K&R ist ein Aufsatz von Marco Rau und Martin Behrens mit dem Titel „Catch me if you can … Anonymisierungsdienste und die Haftung für mittelbare Rechtsverletzungen“ (K&R 2009, 766) erschienen.

Die Autoren beschreiben zunächst technische Grundlagen von Anonymisierungsdiensten wie TOR und AN.ON (Test von Anonymisierungsdiensten hier). Anschließend untersuchen sie, ob Anonymisierungsdienste als Telekommunikations- oder Telemediendienste anzusehen sind, wobei sie im Ergebnis eine Differenzierung vornehmen: Teile des Dienstes seien als TK-Dienst, andere als Telemediendienst zu behandeln.

Anschließend wird betrachtet, ob Anonymisierungsdienste der Vorratsdatenspeicherung unterfallen, wobei sie auf die Unterschiede der europäischen Richtlinie und der deutschen Regelung in § 113a TKG hinweisen. Insbesondere bezweifeln Rau und Behrens, dass die Vorratsdatenspeicherung geeignet und erforderlich ist und verweisen auf die ausstehende Entscheidung des BVerfG.

Schließlich untersuchen die Autoren das zivilrechtliche Haftungsregime. Dabei stellen sie insbesondere den Schwenk der BGH-Rechtsprechung von der Störerhaftung zur „Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrssicherungspflichten“ heraus (s. insbesondere BGH – Jugendgefährdende Medien bei eBay (GRUR 2007, 890), dazu Meldung bei heise-online). Diese Rechtsprechung sei aber auf Anonymisierungsdienste nicht übertragbar. Stattdessen sei eine Haftung weiter nach den Grundsätzen der Störerhaftung zu beurteilen. Dabei sehen die Autoren Prüfungspflichten zwar grundsätzlich als problematisch, aber insbesondere Blockadelisten für IPs als zumutbar an.

Insgesamt ein lesenswerter Artikel. Was die Zumutbarkeit der Prüfungspflichten bei der Störerhaftung angeht, bleiben allerdings noch Fragen offen. Als zumutbare Pflicht sehen die Autoren Access Control Lists an. Im Artikel heißt es dazu:

„Als Filter ausgestaltete Prüfungspflichten erscheinen damit zumutbar. Die Ansiedlung bei den Diensteanbietern trägt dem Grundsatz Rechnung, dass derjenige, der in seinem Herrschaftsbereich eine Gefahrenquelle eröffnet, Vorkehrungen zum Schutz der Rechtsgüter Dritter treffen muss. Hierdurch wird derjenige verpflichtet, der die Risiken am besten beherrschen kann.“

Bezug nehmen die Autoren auf die Access Control Lists von Squid. Allerdings betreffen diese wohl nur die Zieladresse einer Kommunikation. Denn dem Rechtsinhaber ist nur die Adresse des Exit-Nodes bekannt, dieser kennt aber die IP-Adresse des Nutzers nicht. Damit dürfte es sich nur um eine Lösung handeln, die den Internetsperren vergleichbar ist und den Zugriff auf bestimmte Seiten verhindert. Damit können also Quellen von rechtswidrigen Inhalten im Internet blockiert werden. Es kann aber nicht verhindert werden, dass der Nutzer rechtswidrige Inhalte verbreitet.

Außerdem ziehen Rau und Behrens „Hinweis-, Informationssicherungs- und Auskunftspflichten“ in Betracht. Zudem seien Auskunftspflichten für den Verletzten günstiger, die „eine Sicherung der zur Auskunft vorgesehenen Informationen voraussetzen“. Unklar ist, ob damit eine Pflicht zur Erhebung und Speicherung von Informationen einhergehen soll (was datenschutzrechtlich bedenklich wäre). Denn ohne Erhebung und Speicherung gibt es auch nichts zum Herausgeben.

Näher dazu