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Der WLAN-Gesetzesentwurf der Bundesregierung (§ 8 TMG) – ein kurzer Blick

Spiegel Online berichtet, dass ihnen der schon für letztes Jahr angekündigte Gesetzesentwurf zur Regelung der Haftung beim Betrieb von WLANs vorliege. In dem Beitrag heißt es:

dem Entwurf zufolge [soll § 8 TMG] „auch für Diensteanbieter“ gelten, „die Nutzern den Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk (W-Lan) zur Verfügung stellen“.

Der Gesetzesentwurf liegt mir leider (noch) nicht vor, daher kann ich nur Stellung zu den Ausführungen bei Spiegel Online machen:

Wie bereits angekündigt, scheint die Bundesregierung – trotz aller Warnungen – die Haftungsbefreiung an die Bedingung zu knüpfen, dass die Betreiber „zumutbare Maßnahmen“ ergreifen, um Missbrauch zu verhindern. Dafür soll „in der Regel durch Verschlüsselung oder vergleichbare Maßnahmen“ verhindert werden, dass sich „außenstehende Dritte“ unberechtigten Zugriff auf das jeweilige WLAN verschaffen.

Das „in der Regel“ lässt hoffen. Denn öffentliche WLANs werden heutzutage häufig ohne Verschlüsselung angeboten, um auch alle (potentiellen) Nutzer zu erreichen.

Interessant wird es auch sein, die Gesetzesbegründung zum Begriff „außenstehende Dritte“ zu sehen. Ist „außenstehender Dritter“ auch jemand, den ich gerade bewusst und freiwillig in das WLAN einladen will? Oder ist es jeder, der nicht dem familiären Kreis angehört?

Neu – und bedenklich – ist auch, dass sich Nutzer wohl zwingend anmelden werden müssen. Diese Nutzer sollen dann noch einwilligen, dass sie keine Rechtsverletzung begehen – ein einziges Placebo, genauso wie die Verschlüsselung. Auch hier müssen wir warten, was die Gesetzesbegründung für uns vorhält. Reicht es z.B. aus, wenn die Anmeldung über eine Splash-Page erfolgt?

Dafür, dass eine Splash-Page reicht, spricht jedenfalls der wohl „in eckigen Klammern“ stehende, noch zu diskutierende, nächste Absatz:

Er bezieht sich auf Anbieter, die einen Zugang nicht „anlässlich einer geschäftsmäßigen Tätigkeit oder als öffentliche Einrichtung zur Verfügung stellen“. Mit anderen Worten: Vor allem auf alle Privatleute, die ihren W-Lan-Zugang mit anderen teilen möchten.

Für all diese „anderen Diensteanbieter“ sieht der Text in eckigen Klammern vor, dass zu den „zumutbaren Maßnahmen“ zur Sicherung des Anschlusses auch gehört, dass sie „den Namen des Nutzers kennen“.

Mit anderen Worten: Wer mit WLAN keine Geschäfte macht, der soll seine Nutzer identifizieren. Das ist – auch darauf wurde immer wieder hingewiesen – datenschutzrechtlich bedenklich. Es bleibt zu hoffen, dass der Absatz in der Diskussion noch gestrichen wird.

 

Update:

– Netzpolitik.org hat auch einen kurzen Beitrag zur geplanten Regelung („CDU-Politiker fragt: Wann gibt es endlich freies WLAN? Innenministerium antwortet mit Störerhaftung auf Steroiden„)

– Ein paar Stimmen aus meiner Twitter-Timeline:

https://twitter.com/nhaerting/status/568850845313437696

http://twitter.com/altherr/status/568842435775873024

http://twitter.com/kinolux/status/568831053768601600

https://twitter.com/kantorkel/status/569110803279941632

https://twitter.com/Freifunk_L/status/569249716715839488

https://twitter.com/dasgesetzbinich/status/569078012681060352

 

Die Vorlageentscheidung des LG München I zur Haftung bei WLANs zum EuGH in der Analyse – MMR 2015, 85

Mit Beschluss vom 18.9.2014 hat das LG München I mittels Vorlagebeschluss dem EuGH verschiedene Fragen zur Haftung des Betreibers eines gewerblichen WLANs dem EuGH vorgelegt (LG München I, Beschluss vom 18.09.2014 – 7 O 14719/12; Volltext hier).

Die Entscheidung des LG München I habe ich hier im Blog schon analysiert. Nun ist in der Zeitschrift MMR der Aufsatz von Dr. Thomas Sassenberg und mir mit dem Titel „Verantwortlichkeit des Access-Providers auf dem europäischen Prüfstand – Neun Fragen an den EuGH zu Haftungsprivilegierung, Unterlassungsanspruch und Prüfpflichten des WLAN-Betreibers“ erschienen. In diesem Beitrag haben wir die Entscheidung näher analysiert, legen die Rahmenbedingungen einer möglichen Entscheidung des EuGH dar und versuchen eine Prognose (MMR 2015, S. 85 ff. – Heft 2/2015).

Aus dem Beitrag:

Das LG München I hat über einen Fall zu entscheiden, in dem es um die Verantwortlichkeit für einen öffentlichen WLAN-Hotspot geht. Mit Beschluss v. 18.9.2014 hat das LG nun dem EuGH neun Fragen vorgelegt (MMR 2014, 772), deren Beantwortung wesentliche Auswirkungen auf die Verantwortlichkeit nach den Grundsätzen der Störerhaftung haben wird. Inhaltlich und von der Bedeutung her betrifft die Entscheidung nicht nur die Prüfungs- und Überwachungspflichten des Betreibers eines WLAN-Hotspots, sondern stellt auch das Verhältnis der Haftungsprivilegierung nach dem Telemediengesetz einerseits und hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs andererseits auf den Prüfstand. Der nachfolgende Beitrag stellt die Vorlagefragen sowie die zu Grunde liegende nationale Rechtsprechung dar und geht diesen nach.
I. Hintergrund
Im Vergleich zu anderen Ländern ist die Verbreitung von öffentlichen WLAN-Hotspots in Deutschland eher gering. zur Fussnote 1 Als Hemmnis für den Ausbau werden immer wieder die bestehende Rechtslage, insbesondere die Frage der Verantwortlichkeit sowie die regulatorischen Pflichten angeführt. Folgerichtig hat die derzeitige Bundesregierung im Rahmen ihres Koalitionsvertrags festgehalten, dass eine Klarstellung zu den Haftungsregelungen für WLAN-Hotspots dringend geboten sei. Nachdem es nicht zu dem noch für August 2014 von der Bundesregierung angekündigten Gesetzesentwurf gekommen ist, wurde die Opposition aktiv und legte im November 2014 einen eigenen Entwurf vor. Obwohl seitens der CDU auf ihrem Parteitag Anfang Dezember 2014 noch einmal beschlossen wurde, dass die Haftungsrisiken in Form der „Störerhaftung” für gewerbliche und nicht-gewerbliche WLAN-Betreiber abzubauen seien, liegt ein entsprechender Gesetzesentwurf bisher nicht vor.

Auf europäischer Ebene ist die Frage der Verantwortlichkeit des WLAN-Betreibers von eher untergeordneter Bedeutung. Gleichwohl hat sich die EU-Kommission ausdrücklich zu WLAN bekannt („Europe loves Wi-Fi”). Wie der Entwurf der Telecom Single Market-Verordnung zeigt, stehen im Fokus jedoch primär der Abbau regulatorischer Hemmnisse und die Sicherstellung der Realisierung (z.B. durch Aggregation von Endkundenanschlüssen, also die Zulässigkeit des WLAN-Sharing bei typischen Endkundenanschlüssen).

Nun könnte der nationale Wunsch, die Frage der Verantwortlichkeit des WLAN-Betreibers klarzustellen, durch die Vorlage des LG München I an den EuGH hinfällig werden. Der EuGH soll für einen nicht-kommerziellen WLAN-Hotspot klären, welche Anforderungen an die Diensteanbietereigenschaft zu stellen sind, wann von einem Anbieten i.S.d. Legaldefinition nach Art. 2 lit. b der sog. E-Commerce-Richtlinie (ECRL) auszugehen ist und wann ein Fall der Zugangsvermittlung vorliegt, damit die Privilegierung des Art. 12 ECRL bzw. § 8 TMG zur Anwendung kommt. …

 

WLAN: BT-Wirtschaftsausschuss will TMG-Änderung ablehnen – Regierungsentwurf im Frühjahr

Nach der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (BT-Drs. 18/3861 v. 28.1.2015, PDF) soll der von den Oppositionsparteien (erneut) eingebrachte Gesetzesentwurf zur Beschränkung der Haftung von Betreiber öffentlicher WLANs im TMG mit den Stimmen der Regierungskoalition abgelehnt werden.

Aus der Beschlussempfehlung ergibt sich auch, dass der (für August letzten Jahres angekündigte, s. auch hier) Gesetzesentwurf der Regierungskoalition im Frühjahr 2015 kommen soll.

Hier sind die Positionen der Parteien (bzw. deren Vertreter im Ausschuss) zu dem Gesetzesentwurf:

  • Die Fraktion der CDU/CSU betonte, dass im flächendeckenden Ausbau von WLAN-Netzen enormes Potential stecke. Besonders beachtet werden müsse hierbei allerdings der Sicherheitsaspekt. Insofern bedürfe eine Gesetzesänderung auch einer Berücksichtigung dieses wichtigen Punkts, der im vorliegenden Gesetzentwurf komplett fehle. Die Bundesregierung habe einen eigenen Vorschlag angekündigt, in dem der Sicherheitsaspekt einbezogen werde. Deshalb lehne die Fraktion den vorliegenden Gesetzentwurf ab.
  • Die Fraktion der SPD unterstützte die Zielrichtung des Anliegens, einen leichten und kostengünstigen Zugang zum Internet sicherzustellen und damit Teilhabe an der digitalen Gesellschaft sowie wirtschaftliche Entwicklung zu realisieren. Allerdings gebe es innerhalb der Koalition hierzu noch Klärungsbedarf. Mit dem angekündigten Gesetzentwurf der Bundesregierung sei im Frühjahr zu rechnen, insofern lehne die Fraktion heute diese Vorlage ab.
  • Die Fraktion DIE LINKE. führte aus, dass bisher die juristische Verantwortung für das Begehen von Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten in einem WLAN-Netz bei dem WLAN-Netzbetreiber liege. Diese Regelung solle mit der Vorlage geändert werden. Hier gehe es um die Anpassung des deutschen Rechts an das internationale. Eine Rechtsänderung in diesem Sinne stelle eine Weiterverbreitung des Internets mit allen seinen Möglichkeiten dar.
  • Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN forderte die Koalitionsfraktionen nachdrücklich auf, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Die Enquete-Kommission des Bundestages „Internet und digitale Gesellschaft“ habe be- reits in der 17. Wahlperiode einvernehmlich genau das gefordert, was mit dem Gesetzentwurf geändert werden solle. Diese Möglichkeit eines leichten und kostengünstigen Zugangs zum Internet dürfe nicht verstellt werden.

Die Entscheidung:

Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie beschloss mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dem Deutschen Bundestag die Ablehnung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 18/3047 zu empfehlen.

Erfolg für Freifunk vor dem AG Charlottenburg

Freifunk, Quelle: freifunk.net

Freifunk, Quelle: freifunk.net

Das Amtsgericht Charlottenburg hat am 17.12.2014 einen Kostenbeschluss nach § 269 Abs. 3 ZPO in einem Freifunk-Verfahren erlassen (AG Charlottenburg, Beschl. v. 17.12.2014 – 217 C 121/14). Es handelt sich hierbei nicht um ein Urteil, sondern nur eine Kostenentscheidung, aber das AG Charlottenburg hat deutlich gemacht, dass es – hätte es streitig entscheiden müssen – dem klagenden Freifunker recht gegeben hätte.

Grundlage des Rechtsstreits war die negative Feststellungsklage eines Freifunkers, der zuvor wegen des angeblichen Angebots des Downloads eines Films abgemahnt worden war. Anders als bei „typischen“ Filesharing-Fällen war also der Inhaber der WLAN-Anschlusses hier Kläger und der Rechteinhaber Beklagter. Das Amtsgericht hat sich inhaltlich intensiv mit der Frage der Haftung beim Betrieb eines Freifunk-Knotens befasst – und diese abgelehnt.

In Filesharing-Fällen gibt es normalerweise zwei verschiedene Anspruchsebenen: Die der Täter- oder Teilnehmerhaftung und die der Störerhaftung.

1. Keine Haftung als Täter oder Teilnehmer

Im ersten Komplex geht es häufig darum, ob der Anschlussinhaber im Rahmen der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast hinreichend vorgetragen hat, dass die ernsthafte Möglichkeit bestand, dass Dritte den Anschluss genutzt haben (vgl. BGH, Urt. v. 12.5.2010 – I ZR 121/08, MMR 2010, 565 – Sommer unseres Lebens; BGH, 15. 11. 2012 – I ZR 74/12, NJW 2013, 1441 – Morpheus; BGH, 8. 1. 2014 – I ZR 169/12, GRUR 2014, 657 – BearShare).

Hierzu formuliert das AG Charlottenburg (Hervorhebungen von mir):

Die Annahme einer derartigen tatsächlichen Vermutung begegnet beispielsweise in Haushalten, in denen mehrere Personen selbständig und unabhängig Zugang zum Internet haben, bereits grundsätzlichen Bedenken. Die Aufstellung einer tatsächlichen Vermutung setzt voraus, dass es einen empirisch gesicherten Erfahrungssatz aufgrund allgemeiner Lebensumstände dahingehend gibt, dass ein Anschlussinhaber seinen lnternetzugang in erster Linie nutzt und über Art und Weise der bestimmt und diese mit Tatherrschaft bewusst kontrolliert. Ein derartiger Erfahrungssatz existiert nicht. Die alltägliche Erfahrung in einer Gesellschaft, in der das Internet einen immer größeren Anteil einnimmt und nicht mehr wegzudenken ist, belegt vielmehr das Gegenteil. Wenn sich der Internetanschluss in einem Mehrpersonenhaushalt befindet, entspricht es vielmehr üblicher Lebenserfahrung, dass jeder Mitbewohner das Internet selbständig nutzen darf, ohne dass der Anschlussinhaber Art und Umfang der Nutzung bewusst kontrolliert (vgl. AG Düsseldorf, Urteil v Der Anschlussinhaber genügt daher in diesen Fällen seiner sekundären Darlegungslast, wenn er seine Täterschaft bestreitet und darlegt, dass eine Hausgenossen selbständig auf den Internetanschluss zugreifen können, weil sich daraus bereits die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs als die seiner Alleintäterschaft ergibt (vgl. OLG Hamm, Beschluss v. 27.10.2011, I -22 W 82/11; OLG Hamm, Beschluss v. 04.11.2013, I – 22 W 60/13; OLG Köln NJW-RR 2012, 1327; AG Hamburg, Urteil v. 30.10.2013, 31 C 20/13; AG München, Urteil v. 31.10.2013, 155 C 9298/13). Es gehört vielmehr zu den rechtsstaatlichen

Grundsätzen des Zivilprozesses, dass der Anspruchsteller (hier die Beklagte) die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen trägt. Abweichungen sind nur im Einzelfall veranlasst und dürfen nicht dazu führen, dass der Anspruchsgegner (hier der Kläger) sich regelmäßig zu entlasten hat (vgl. AG Düsseldorf, Urteil v. 19.11.2013, 57 C 3144/13). Eine anderslautende Rechtsprechung führt quasi zu einer Gefährdungshaftung indem dem Anschlussinhaber eine den Grundlagen des Zivilprozesses widersprechende praktisch nicht erfüllbare sekundäre Darlegungslast auferlegt wird. Darüber hinaus gibt es in zahlreichen Bereichen des täglichen Lebens Sachverhaltskonstellationen, in denen der Anspruchsteller sicher weiß, dass sich der Anspruch gegen eine von mehreren Personen richtet, der Anspruchsinhaber aber nicht nachweisen kann, gegen welche konkrete Person der Anspruch zu richten ist. Auch in diesen Fällen wird im Ergebnis eine erfolgversprechende Durchsetzung des Anspruches nicht möglich sein (vgl. AG Bielefeld, Urteil vom 06.03. 2014 – 42 C 368/13).

Diese für ein Mehrfamilienhaus entwickelten Grundsätze müssen umso mehr auf die hier vorliegende Fallkonstellation eines Freifunk-Netzwerkes gelten. Der Kläger hat hier substantiiert und nachvollziehbar vorgetragen, dass die Rechtsverstöße auch durch Dritte begangen worden sein können. Damit hat der Kläger einen Sachverhalt vorgetragen, bei dem ernsthaft die Möglichkeit der Alleintäterschaft einer anderen Person in Betracht kommt. Dies umso mehr, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Beklagte selbst nur einen Zeitpunkt der Rechtsverletzung vorträgt – dieser Umstand kann gerade auf die Verletzung durch einen (kurzzeitigen) Nutzer des Netzwerkes deuten. Die Beklagte hat vorliegend nicht nachgewiesen, dass der Kläger persönlich die streitgegenständliche Rechtsverletzung als Allein-, Neben-, Mit- oder mittelbarer Täter begangen hat.

2. Störerhaftung und Privilegierung

Der zweite Teil ist dann, ob möglicherweise eine Haftung des Anschlussinhabers nach den Grundsätzen der Störerhaftung besteht. In diesem Zusammenhang – darauf habe ich hier im Blog auch immer wieder hingewiesen – war jahrelang streitig, ob die Privilegierung der §§ 8-10 TMG auf Unterlassungsansprüche Anwendung findet. Das LG München I hat diese Frage kürzlich (auch im Zusammenhang mit Freifunk) dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt (LG München I, 18. 9. 2014 – 7 O 14719/12, GRUR Int. 2014, 1166; s. dazu auch hier und Mantz/Sassenberg, MMR 2/2015, erscheint demnächst).

Unabhängig von dieser Frage kann die Privilegierung des § 8 TMG aber die Auswirkung haben, dass die Anforderungen an eventuelle Prüfungs- und Überwachungspflichten besonders hoch sind. Bis zum letzten Jahr gab es keine Urteile, die sich mit der Privilegierung für WLAN-Betreiber befasst haben, auch wenn die Literatur sich insoweit absolut einig war. Erst das AG Hamburg hatte dann festgestellt, dass WLAN-Betreiber sich auf § 8 TMG berufen können (AG Hamburg, 10. 6. 2014 – 25b C 431/13, CR 2014, 536; ebenso AG Hamburg, Urt. v. 24.6.2014 – 25b C 924/13; s. auch hier und hier). Das LG München I hatte in seinem Beschluss angedeutet, dass es das nach derzeitiger Rechtslage ebenso sehen würde (LG München I, 18. 9. 2014 – 7 O 14719/12, GRUR Int. 2014, 1166; s. dazu auch hier und Mantz/Sassenberg, MMR 2/2015, erscheint demnächst).

Nun ist das AG Charlottenburg dem – zu Recht – gefolgt:

Wer ein öffentliches WLAN anbietet, ist grundsätzlich als Access-Provider einzustufen (vgl. etwa AG Hamburg, CR 2014, 536; Roggenkamp, jurisPR-ITR 12/2006 Anm. 3; Röhrborn/Katko, CR 2002, 882, 887). Dieser ist gemäß § 9 Abs. 1 TDG für fremde Informationen grundsätzlich nicht verantwortlich und deshalb auch nicht verpflichtet, Nutzer oder Kunden zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 TDG). Der lediglich den Zugang zu fremden Informationen eröffnende Provider haftet nicht, wenn er die Übermittlung nicht veranlasst, den Adressaten nicht ausgewählt und die übermittelten Informationen weder ausgewählt noch verändert hat. Unberührt von dieser Privilegierung der bloßen Durchleitung von Informationen bleibt der Access-Provider gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 TDG zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen nur verpflichtet, wenn er Kenntnis von rechtswidrigem Tun erlangt hat (vgl. auch LG Flensburg, Urt. V. 25.11.2005 – 6 0 108/05). Diese Privilegierung erstreckt sich jedoch nicht auf Unterlassungsansprüche, d.h. auf die Haftung des Störers (BGHZ 158, 236 – Rolex). In derartigen Fällen sind aller-dings an die Zumutbarkeit von Maßnahmen und Pflichten ganz besonders strenge Anforderungen zu stellen; dem Betreiber eines WLAN-Netzwerkes darf nichts abverlangt werden, was sein „Geschäftsmodell“ gefährdet. Das wäre jedenfalls bei schweren Eingriffen, etwa Port- oder DNS-Sperren, Registrierungspflichten etc. der Fall (vgl. auch Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, Rdn. 227 ff.). Eine Pflicht zur Belehrung kann nicht verlangt werden und erscheint bei dem hier vorliegenden Modell im Übrigen auch nicht praktikabel (vgl. AG Hamburg a.a.O.; Sassenberg/Mantz a.a.O., Rdn. 235; so wohl auch Hoeren/Jakopp, ZRP 2014, 72, 75).

Ohne – hier von der insoweit darlegungsbelasteten Beklagten nicht vorgetragenen – Anlass für die Annahme, dass Nutzer Rechte Dritter im Rahmen der Nutzung des lntemetzugangs verletzen, ist dem Kläger eine ständige Überwachung nicht zumutbar (vgl. etwa LG Mannheim, Urt. v. 29.09.2006 – 7 0 62/06).

Insofern kann vergleichend die Rechtsprechung des BGH zu den Kontrollpflichten der Betreiber von Kopierläden herangezogen werden (VersR 1983, 1136). Auch diesen wird eine generelle Kontrolle — mit Einsicht in ggf. vertrauliche Unterlagen (hier vergleichbar mit einer ständigen Überwachung des Internetverkehrs Dritter) — nicht zugemutet. Auch etwa die Unterbindung der für die Tauschbörsennutzung typischen Verbindungen durch Sperrung der entsprechenden Ports (vgl. bereits oben; dies vertretend aber: Mantz, MMR 2006, 764, 765) erscheint angesichts deren Vielzahl und Veränderbarkeit nicht praktikabel.

3. Fazit

Die Entscheidung des AG Charlottenburg ist zu begrüßen und kann – auch wenn es kein Urteil ist – mit Fug und Recht als Erfolg für die Freifunk-Bewegung angesehen werden. Das Gericht hat sich offenbar mit der Problematik bei Freifunk-Knoten befasst und – in Übereinstimmung mit den Ausführungen des AG Hamburg und insoweit auch dem LG München I – eine Haftung überzeugend verneint.

Download: Der Beschluss des AG Charlottenburg, 17.12.2014 – 217 C 121/14 (PDF, 0,4 MB) im Volltext

Update:

S. auch die Meldungen bei

Und nochmal: Will die CDU flächendeckendes WLAN – oder nicht? Ein zweiter Blick.

Ich hatte am Samstag hier kurz über den Beschluss D1 auf dem CDU-Parteitag in Köln (PDF) berichtet.

1. Beschluss D1

In diesem D1 heißt es (anders als noch im Antragstext, Hervorhebungen von mir):

Die CDU setzt sich dafür ein, dass auch in Deutschland kostenloses WLAN in allen öffentlichen Gebäuden, in der Bahn und auf Flughäfen vorhanden ist. Ebenso sollen zum Beispiel Restaurants, Cafés, Hotels und andere Einrichtungen öffentlich zugängliches WLAN anbieten können, ohne für eventuellen Missbrauch durch die Nutzer haften zu müssen. Dazu werden wir die Anbieter öffentlicher WLAN-Netze sogenannten Providern (Netzanbietern) rechtlich gleichstellen.

Ich hatte insbesondere kritisiert, dass dieser Beschluss hinter dem Antragstext zurückbleibt und ein flächendeckendes WLAN nicht zum Ziel hat.

2. Sonstiger Beschluss „Öffentliches WLAN“

Nun weist mich @erik_donner (SPD) zu Recht darauf hin, dass es unter „Sonstige Beschlüsse noch einen weiteren Beschluss der CDU vom Parteitag von Anfang Dezember 2014 gibt, unter der Überschrift „Beschluss C 12, C 43 und C 70 – Schneller Breitbandausbau fu?r ganz Deutschland“ und dort unter „O?ffentliches WLAN“ (PDF, S. 13). Da heißt es (Hervorhebungen von mir):

Die WLAN-Störerhaftung verhindert einen flächendeckenden, allgemein verfügbaren und kostengünstigen Internetzugang. Die Bundesregierung muss Haftungsrisiken für gewerbliche und nichtgewerbliche Betreiber von WLAN-Netzen abbauen. Nur so ist es den Betreibern möglich, ihre Zugänge für Dritte zu öffnen, ohne sich der Gefahr von Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen sowie der damit verbundenen Abmahnkosten auszusetzen. Mobiles Internet über WLAN muss in deutschen Städten für jeden verfügbar sein. Das sogenannte Providerprivileg des § 8 TMG, welches bisher nur Zugangsprovider von der Haftung für Rechtsverletzungen ihrer Kunden freistellt, muss auf die Betreiber von Drahtlosnetzen ausgeweitet werden.

Erik Donner hat mich weiter darauf hingewiesen, dass der Beschluss D1 mit „andere Einrichtungen“ auch Private umfassen würde. Die beiden Beschlüsse würden sich also nicht widersprechen.

Ich bin mir da ehrlich gesagt nicht sicher – mich lassen die beiden Beschlüsse eher ratlos zurück. Was will die CDU jetzt? D1 klingt wie die Digitale Agenda und der Koalitionsvertrag. Der Beschluss unter C12/C43/C70 klingt eher wie der gerade erst von CDU/CSU und SPD abgelehnte Vorschlag von Grünen und LINKE (BT-Drs. 18/3047). Insbesondere soll das Providerprivileg des § 8 TMG ausgeweitet werden, dies dürfte „gewerbliche und nicht-gewerbliche“ Betreiber von WLAN-Netzen betreffen.

3. Hilft der Blick auf andere Äußerungen der CDU?

Vielleicht hilft uns ja ein Blick auf die Äußerungen der CDU-Bundestagsabgeordneten zum letzten Anlauf der Opposition, in § 8 TMG eine Regelung zur Haftung für WLANs herbeizuführen. Dabei sollte man im Hinterkopf behalten, dass die Bundesregierung informell bereits für August 2014 einen Gesetzesentwurf angekündigt hat, der sich aber wohl noch in der Ressortabstimmung befindet.

So äußert Hansjörg Durz (CDU/CSU) in der Debatte im Bundestag vom 14.11.2014 (S. 41 ff., Hervorhebungen von mir):

Nun haben die Oppositionsfraktionen einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt, der das Problem lösen soll, indem das sogenannte Providerprivileg durch eine Ergänzung des Telemediengesetzes auf kommerzielle und private WLAN-Betreiber erweitert wird. Dadurch würden Betreiber öffentlicher WLANs haftungsrechtlich gewerblichen Internetanbietern, die bereits heute von der Haftung freigestellt sind, gleichgestellt. Um es vorwegzunehmen: Der vorgelegte Ansatz ist zu simpel; denn für Rechtsverletzungen Dritter werden keine Lösungen vorgeschlagen. Das Thema wird im Antrag nicht einmal erwähnt.

Wir sind uns alle der Potenziale von WLAN bewusst, und es herrscht Einigkeit hier im Deutschen Bundestag über das Ziel, die Verbreitung von WLAN-Zugängen zu erhöhen. Die Bundesregierung hat im Rahmen der Digitalen Agenda angekündigt: Wir werden Rechtssicherheit für die Anbieter solcher WLANs im öffentlichen Bereich, beispielsweise Flughäfen, Hotels, Cafés, schaffen. Diese sollen grundsätzlich nicht für Rechtsverletzungen ihrer Kunden haften. – Sie hat aber auch erklärt: Wir werden die Verbreitung und Verfügbarkeit von mobilem Internet über WLAN verbessern. Dabei werden wir darauf achten, dass die IT-Sicherheit gewahrt bleibt und keine neuen Einfallstore für anonyme Kriminalität entstehen. – In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns.

Ich bin sicher, dass die Bundesregierung mit Hochdruck an einer Regelung arbeitet, die es erlaubt, die Vorteile einer flächendeckenden Verfügbarkeit von WLAN im öffentlichen Raum zu nutzen, gleichzeitig aber einen praktikablen Weg findet, dass sich die Nutzung nicht komplett anonym abspielt.

Für Flughäfen, Hotels, Cafés, Gewerbetreibende usw. wird es sicher Lösungen geben. Eine einfache Ausweitung der Providerprivilegierung auf jeden, auch privaten Inhaber eines WLAN-Zugangs ohne jegliche Form von Registrierung, wie auch immer die aussehen mag, kann? aber nicht die Lösung sein.

Bei allen Vorteilen offener Internetzugänge: Wir müssen uns mit dem Gedanken auseinandersetzen, dass ein höheres Maß an Anonymität beim Internetzugang auch negative Folgen entfalten kann.

Der Vorschlag der Opposition zu Ende gedacht, bedeutet, dass sich im Zweifel jeder WLAN-Besitzer, auch der kriminelle, auf das Providerprivileg zurückziehen und nicht mehr haftbar gemacht werden kann.

Ich möchte hier diese Ausführungen nicht inhaltlich aufarbeiten, das ist hier im Blog schon oft genug passiert. Es geht mir darum, ob sich daraus ablesen lässt, wie die CDU sich eine Regelung vorstellt – und ich bin nach dieser Lektüre leider auch nicht schlauer. Die Rede von Durz hört sich vielmehr stark nach dem Beschluss D1 an – und ganz und gar nicht wie C12/C43/C70.

In der Debatte hat anschließend hat auch noch Axel Knoerig (CDU/CSU) zum Thema gesprochen (S. 45 ff., Hervorhebungen von mir):

Wir von der Union fordern deshalb verschlüsselte Funknetze; denn im Gegensatz zu offenen Netzen schützen sie vor Hackerangriffen, Wirtschaftsspionage und Datenklau.

Dieses Thema drängt. Die bestehende Rechtslage muss den Entwicklungen im Netz angepasst werden. Ich ergänze: Internetkriminelle dürfen sich nicht länger hinter den Inhabern von WLAN-Anschlüssen vor Strafverfolgung verstecken können. Deswegen ist die Bundesregierung gefordert, zügig ihren Gesetzentwurf vorzulegen. Wir sagen: Unsere Netzpolitik ist vorausschauend und auch verantwortungsvoll. Wir müssen alle rechtlichen Seiten prüfen, und zwar zusammen mit allen betroffenen Ressorts. Das unterscheidet uns von Ihnen, Herr Notz, da Sie mit Ihrem Antrag im Grunde einen Schnellschuss vorlegen.

Haftungsfragen, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen in der digitalen Welt auf internationaler Ebene gelöst werden. Sie dürfen nicht bei kleinen nationalen Regelungen enden und einer Umsetzung des europäischen digitalen Binnenmarkts vorgreifen.

Ich wiederhole es gern: Auch der Europäische Gerichtshof beschäftigt sich mit dieser Haftungsproblematik. Sein Urteil wird zur Klärung der Rechtslage beitragen.

Leider hilft mir auch das nicht weiter. Der Gesetzesentwurf soll bald kommen, außerdem soll er in Einklang mit der europäischen Gesetzgebung (insb. der E-Commerce-Richtlinie) stehen.

4. Fazit? Nicht Genaues weiß man nicht.

Daher bleibt meine Frage: Was will die CDU? Und wie? Man kann aus den Beschlüssen herauslesen, dass doch § 8 TMG eine Neuregelung erfahren soll – ggf. mit Registrierungspflichten und vielleicht sogar Verschlüsselungspflicht. Sonst bleibt aber angesichts der Formulierung der beiden Beschlüsse vieles, wenn nicht alles, offen.

Im Ergebnis werden wir weiter auf den Gesetzesentwurf warten müssen. Wer weitere Hinweise hat, gerne an mich.

 

 

 

 

 

 

Die Haftung des WLAN-Betreibers und die Haftungsprivilegierung des § 8 TMG, GRUR-RR 2013, 497 – online

In eigener Sache:

Mein in der GRUR-RR 2013, S. 497 ff., erschienener Beitrag zur Haftung gewerblich betriebener WLANs ist nun auch online verfügbar (PDF). Der Beitrag befasst sich insbesondere mit der Entscheidung des LG Frankfurt (Urt. v. 28.6.2013 – 2-06 O 304/12 – Ferienwohnung), in dem das LG Frankfurt die Haftung des Betreibers eines WLANs im Rahmen der Vermietung von Ferienwohnungen abgelehnt hatte. Damit ist das LG Frankfurt einen ähnlichen Weg gegangen wie schon bei einem Urteil im Jahre 2010 (s. dazu meine Anmerkung hier – PDF).

Aus dem Beitrag (PDF, 0,1 MB):

Das LG Frankfurt hat sich – erneut – mit der Haftung des Anbieters eines gewerblich betriebenen WLANs für die Handlungen seiner Nutzer befasst. Anlässlich dieses Urteils geht der Beitrag auf die für WLANs anzuwendende Haftungsprivilegierung des § 8 TMG ein, behandelt dessen Voraussetzungen und Rechtsfolgen sowie die Neuerungen durch das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken in § 97a UrhG.

  1. Einleitung

WLANs sind auch in Deutschland praktisch überall anzutreffen. Allerdings hinkt der Ausbau öffentlich zugänglicher bzw. gewerblich betriebener WLANs im Vergleich zum Ausland in Deutschland stark hinterher. Zwar wurden in den letzten Jahren in einigen Städten Deutschlands öffentliche WLANs aufgebaut und es ist insoweit ein positiver Trend zu beobachten. Dennoch sind öffentliche WLANs noch immer die Ausnahme, die jeweils nur relativ kleine Bereiche erschließen. Von einer flächendeckenden Versorgung auch nur in Ballungsgebieten kann keine Rede sein. Grund für diesen Rückstand ist eine weiterhin bestehende große rechtliche Unsicherheit bei der Haftungssituation im Zusammenhang mit WLANs. Diese Rechtsunsicherheit hemmt den Aufbau von gewerblich betriebenen WLANs bis heute.[1] Dabei ist gerade im gewerblichen Bereich das Angebot eines WLANs für (potentielle) Kunden nicht nur zum Standard geworden, sondern praktisch zwingend, um die tatsächlich bestehende Nachfrage der Kunden befriedigen zu können.[2]

In den letzten Jahren hat sich eine umfangreiche Judikatur rund um die Haftung von privaten Internetanschlussinhabern und die Mitbenutzung von privaten WLANs herausgebildet.[3] …

CDU will (doch) Privilegierung von WLANs in § 8 TMG aufnehmen

Die CDU plant unter der Überschrift „Digitale Infrastruktur 2030: Breitband für ganz Deutschland“ (PDF) (möglicherweise), sich auf dem 27. Parteitag vom 8.-10.12.2014 für eine Ausweitung der Privilegierung des § 8 TMG stark zu machen, so dass auch der Betrieb eines WLANs (eindeutig) darunter fällt (s. PDF, Antrag C12, S. 27):

Die WLAN-Störerhaftung verhindert einen flächendeckenden, allgemein verfügbaren und kostengünstigen Internetzugang. Die Vielzahl neuer Möglichkeiten zur demokratischen Teilhabe, zur Fortbildung und zum zivilgesellschaftlichen Engagement, welche die Informationsgesellschaft eröffnet, bleibt daher zahlreichen Menschen in Deutschland verschlossen. Insbesondere Personen mit geringem Einkommen und solche, die auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind, können sich häufig keinen Internetzugang leisten. Die bestehende Rechtslage ist daher weder zukunftsorientiert noch sozial ausgewogen. Die Bundesregierung muss Haftungsrisiken für gewerbliche und nichtgewerbliche Betreiber von WLAN-Netzen abbauen. Nur so ist es den Betreibern möglich, ihre Zugänge für Dritte zu öffnen, ohne sich der Gefahr von Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen sowie der damit verbundenen Abmahnkosten auszusetzen.

Die CDU fordert die Bundesregierung auf, sich an die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag zu halten. Mobiles Internet über WLAN muss in deutschen Städten für jeden verfügbar sein. Das sogenannte Providerprivileg des § 8 TMG, welches bisher nur Zugangsprovider von der Haftung für Rechtsverletzungen ihrer Kunden freistellt, muss auf die Betreiber von Drahtlosnetzen ausgeweitet werden.

Die Empfehlung der Antragskommission lautet dann (S. 28, rechte Spalte):

O?ffentliches WLAN

Die WLAN-Sto?rerhaftung verhindert einen fla?chendeckenden, allgemein verfu?gbaren und kostengu?nstigen Internetzugang. Die Bundesregierung muss Haftungsrisiken fu?r gewerbliche und nichtgewerbliche Betreiber von WLAN-Netzen abbauen. Nur so ist es den Betreibern mo?glich, ihre Zuga?nge fu?r Dritte zu o?ffnen, ohne sich der Gefahr von Schadensersatz- und Unterlassungsanspru?chen sowie der damit verbundenen Abmahnkosten auszusetzen. Mobiles Internet u?ber WLAN muss in deutschen Sta?dten fu?r jeden verfu?gbar sein. Das sogenannte Providerprivileg des § 8 TMG, welches bisher nur Zugangsprovider von der Haftung fu?r Rechtsverletzungen ihrer Kunden freistellt, muss auf die Betreiber von Drahtlosnetzen ausgeweitet werden.

Das ist natürlich interessant, da die große Koalition ja gerade dieses Vorhaben, das LINKE und Grüne kürzlich (wieder) eingebracht hatten, abgelehnt hat. Wir werden sehen, ob es doch bald einen Gesetzesentwurf gibt, der die weiterhin bestehenden Unsicherheiten beseitigt.

2. Anlauf: Oppositionsentwurf zur Reform von § 8 TMG: Haftungsfreistellung für Betreiber von WLANs

Die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE haben einen Gesetzesentwurf mit dem Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes – Störerhaftung“ in den Bundestag eingebracht, der auf eine Reform der Haftungssituation für Betreiber von öffentlichen WLANs abzielt (BT-Drs. 18/3047).

Der Gesetzestext beruht auf dem vom Digitale Gesellschaft e.V. erarbeiteten Entwurf, den die Fraktion DIE LINKE bereits Ende 2012 in den Bundestag eingebracht hatte (BT-Drs. 17/11137; dazu Schmidt-Bens, CR 2012, 828). Dieser war mit den Stimmen der Koalition abgelehnt worden. U.a. ließen sich CDU-Politiker so ein, dass es dieser Änderung nicht bedurfte.

Wohl auf Drängen der SPD nahm die Große Koalition aber das Versprechen einer Neuregelung in den Koalitionsvertrag auf (s. dazu hier). Für August 2014 wurde dann ein Gesetzesentwurf angekündigt, der aber noch immer auf sich warten lässt.

Nun haben GRÜNE und LINKE zusammen einen erneuten Versuch gestartet, das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen. Da die Regierungskoalition sich durch den Koalitionsvertrag und die Ankündigung eines Gesetzesentwurfs bereits stark verpflichtet hat, dürfte dies ein kluger Schachzug gewesen sein. Denn wenn die Regierungskoalition diesen Gesetzesentwurf ablehnen will, muss sie Farbe bekennen, wie ihr Gegenentwurf aussehen soll. Das könnte einiges an Begründungsaufwand erfordern. Einen leichten Ausgang aus dem Dilemma könnte jedoch ein „Abwarten“ der Regierungskoalition bedeuten. Denn das Landgericht München I hat vor kurzem Fragen zur Haftung bei Betrieb eines öffentlichen WLANs dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt (Volltext des Beschlusses; Analyse). Möglicherweise wird die Regierungskoalition hierauf warten wollen.

Folgende Änderungen soll der Gesetzesentwurf herbeiführen:

Dem § 8 des Telemediengesetzes vom 26. Februar 2007 (BGBl. I S. 179), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 31. Mai 2010 (BGBl. I S. 692) geändert worden ist, werden die folgenden Absätze 3 und 4 angefügt:

„(3) Der Ausschluss der Verantwortlichkeit (Absatz 1) umfasst auch gewerbliche und nichtgewerbliche Betreiber von Funknetzwerken, die sich an einen nicht im Voraus namentlich bestimmten Nutzerkreis richten (öffentliche Funknetzwerke).

(4) Der Ausschluss der Verantwortlichkeit (Absatz 1) umfasst auch Ansprüche auf Unterlassung.“

 

Der Gesetzestext ist wortlautidentisch mit dem in BT-Drs. 17/11137. Auch die Begründung ist in weiten Teilen identisch, insbesondere aber um neue Hinweise und Entwicklungen ergänzt.

Der Entwurf adressiert auch die Frage, ob Unterlassungsansprüche auch von der Privilegierung umfasst sind. Dies lehnt der BGH in ständiger Rechtsprechung ab, Urteile des EuGH konnten so interpretiert werden, dass diese Auffassung nicht haltbar ist. Allerdings hat der EuGH in der Entscheidung UPC Telekabel ./. Constantin (EuGH, Urteil vom 27.3.2014, Rs. C-314/12 – UPC Telekabel Wien GmbH I Constantin Film Verleih GmbH u,a., GRUR Int. 2014, 469) kürzlich Maßnahmen gegen Access Provider nicht völlig ausgeschlossen. Daraus könnte man folgern, dass (in die Zukunft gerichtete) Unterlassungsansprüche nicht privilegiert sind. Auf der anderen Seite hatte der EuGH aber eine Einzelfallprüfung mit besonderem Augenmerk auf die Verhältnismäßigkeit gefordert. Auf dieser Grundlage hatte das OLG Köln (Urt. v. 18.7.2014 – 6 U 192/11Volltext) Websperren gegen Access Provider als i.d.R. unverhältnismäßig angesehen. Auch diesbezüglich hat das LG München I den EuGH befragt. Möglicherweise wird also bald eine Klärung herbeigeführt.

Der Gesetzesentwurf von Grüne und Link jedenfalls könnte eine solche Rechtssicherheit bereits jetzt für Deutschland bringen.

Die Vorlage des LG München I zum EuGH zur Haftung bei WLANs in der Kurzanalyse

Mit Beschluss vom 18.9.2014 hat das LG München I mittels Vorlagebeschluss dem EuGH verschiedene Fragen zur Haftung des Betreibers eines gewerblichen WLANs dem EuGH vorgelegt (LG München I, Beschluss vom 18.09.2014 – 7 O 14719/12; Volltext hier).

Im folgenden Beitrag sollen die Hintergründe kurz erläutert werden. Insbesondere aber sollen die Fragen gekürzt bzw. „übersetzt“ und (ganz) kurz analysiert werden.

1.

In dem Verfahren geht es um das WLAN eines Münchener Piraten, der im Wege des sog. Piratenfreifunk sein WLAN öffentlich angeboten hatte. Nachdem einer seiner Nutzer ein urheberrechtlich geschütztes Werk abgerufen und angeboten hatte, war er abgemahnt worden. Er erhob (nach vorheriger Gegenabmahnung) negative Feststellungsklage vor dem Landgericht München I gegen den Rechteinhaber mit dem Ziel festzustellen, dass er für die Rechtsverletzung seines Nutzers auch nicht als Störer hafte. Die Beklagte hatte daraufhin Widerklage erhoben.

Hilfsweise hatte der Kläger beantragt, das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 AEUV die Fragen dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen. Grund hierfür ist, dass die in Rede stehenden Haftungsprivilegierungen in §§ 8-10 TMG (Telemediengesetz) auf Art. 12-15 der E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG beruhen. Wenn es also Auslegungsprobleme gibt, die auch die zu Grunde liegende Richtlinie betreffen, sieht Art. 267 AEUV vor, dass jedes Gericht Fragen zur Auslegung dem EuGH vorlegen kann – nur das letztinstanzliche Gericht muss auch vorlegen. Der EuGH entscheidet dann allein über die Auslegung des europäischen Rechts.

Allein der Umstand, dass das LG München I die Fragen dem EuGH vorgelegt hat, zeigt schon, dass es nach Sicht des LG München I auf die Auslegung ankommt. Dabei tendiert das LG München I wohl grundsätzlich dazu, eine Haftung des Betreibers eines offenen WLANs anzunehmen. Es hat aber erkannt, dass es sich mit einer solchen Entscheidung gegen die Haftungsprivilegierung des § 8 TMG und damit der zu Grunde liegenden E-Commerce-Richtlinie stellen würde.

Insgesamt soll der EuGH im Verfahren nach Art. 267 AEUV neun Fragen beantworten (zu den Fragen s. Volltext hier http://s100026103.ngcobalt84.manitu.net/offenenetze.de/2014/10/08/lg-muenchen-i-legt-frage-der-haftung-bei-offenen-wlans-dem-eugh-vor-volltext/). Die Fragen betreffen allerdings bei Weitem nicht nur die Haftung für WLANs. Die Antworten des EuGH könnten vielmehr auch die bisherige Rechtsprechung des BGH zur Störerhaftung im Internet generell beeinflussen.

Die Fragen lassen sich ganz grob in drei Bereiche unterteilen: Voraussetzungen von § 8 TMG, Umfang der Privilegierung, Pflichten beim Betrieb von WLANs.

2. Voraussetzungen von § 8 TMG

Zunächst möchte das LG München I vom EuGH wissen, welche Voraussetzungen generell vorliegen müssen, damit sich ein Betreiber eines gewerblichen WLANs auf die Privilegierung berufen kann. Dies sind zunächst die Fragen 1-3, die ich hier gekürzt/umformuliert und unter Zuhilfenahme der Begründung des LG München I darstelle:

a. Frage 1: Wie ist das aus Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 E-Commerce-Richtlinie stammende Merkmal „in der Regel gegen Entgelt“ bedeutet auszulegen? Muss die konkret betroffene Person, die sich auf die Diensteanbietereigenschaft beruft, diese konkrete Dienstleistung in der Regel entgeltlich anbietet, oder müssen überhaupt Anbieter auf dem Markt sein , die diese Dienstleistung oder vergleichbare Dienstleistungen gegen Entgelt anbieten, oder muss die Mehrheit dieser oder vergleichbarer Dienstleistungen gegen Entgelt angeboten werden.

b. Frage 2: Reicht es für das Tatbestandsmerkmal „Zugang zu einem Kommunikationsnetzwerk zu vermitteln“ aus, dass der Zugang zu einem Kommunikationsnetzwerk (z. B. dem Internet) vermittelt wird – oder muss es irgendeine Form von Rechtsverhältnis zwischen dem Anbieter und dem Nutzer geben.

c. Frage 3: Ist für das Tatbestandsmerkmal „Anbieten“ mehr erforderlich, als das rein tatsächliche Zur-Verfügung-Stellen, oder ist z. B. darüber hinaus auch ein „Anpreisen“ erforderlich?

d. Frage 7: Erschöpfen sich die Anforderungen an den Diensteanbieter darin, dass ein Dienst der Informationsgesellschaft angeboten wird. Oder könnte eine zusätzliche Voraussetzung sein, dass das WLAN mit dem ursprünglichen Geschäftszweck in Zusammenhang stehen muss?

e. Frage 8: Wenn Frage 7 verneint wird, was ist zusätzlich erforderlich?

3. Umfang der Privilegierung

Im nächsten Komplex (Fragen 4 bis 6) möchte das LG München I wissen, ob die Privilegierung auch Unterlassungsansprüche umfasst. Die Antwort auf diese Frage dürfte in Rechtswissenschaft und Praxis mit größter Spannung erwartet werden. Denn in ständiger Rechtsprechung des BGH finden die Privilegierungen der §§ 8-10 TMG *nicht* auf Unterlassungsansprüche Anwendung. Das war zu Beginn dieser Rechtsprechung noch heftig umstritten, mittlerweile wird darüber aber kaum noch diskutiert. Der BGH hat seine Rechtsprechung allerdings seit 2013 modifiziert. Zwar lehnt er eine Anwendung von §§ 8-10 TMG auf Unterlassungsansprüche weiter ab, wendet aber nunmehr die Grundsätze der §§ 8-10 auf der „Rechtsfolgenseite“ bei der Bewertung der Prüfungs- und Überwachungspflichten an (eingehend Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, Rn. 215 m.w.N.).

Frage 4 lautet gekürzt:

Bedeutet „nicht für die übermittelten Informationen verantwortlich“ in Art. 12 der E-Commerce-RL, dass etwaige Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz, Zahlung der Abmahnkosten und Gerichtsgebühren des aufgrund einer Urheberrechtsverletzung Betroffenen gegen den Zugangs-Provider grundsätzlich oder jedenfalls in Bezug auf eine erste festgestellte Urheberrechtsverletzung ausgeschlossen sind?

Frage 5: Kann gegen den Zugangs-Provider eine Unterlassungsanordnung der Form erlassen werden, dass dieser es künftig zu unterlassen hat, es Dritten zu ermöglichen, über einen konkreten Internetanschluss ein bestimmtes urheberrechtlich geschütztes Werk über Internet-Tauschbörsen zum elektronischen Abruf bereitzustellen?

Frage 6 geht anschließend auf den Kenntnisstand des Anbieters ein: Ab wann haftet der Anbieter als Störer? Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH soll eine Haftung erst greifen können, wenn der Anbieter Kenntnis von der konkreten Rechtsverletzung hat (eingehend Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, Rn. 217 m.w.N.). Damit ist eine Haftung vor der Abmahnung praktisch ausgeschlossen. Dies stellt das LG München I in Frage und möchte eine Entscheidung des EuGH:

Frage 6: Haftet der Anbieter erst ab Kenntnis der konkreten Rechtsverletzung?

4. Pflichten beim Betrieb von WLANs

Der dritte Fragenkomplex (Frage 9 a und b) betrifft den Umfang der sog. Prüfungs- und Überwachungspflichten. Das LG München I sieht hier die mit dem Betrieb eines offenen WLANs einhergehende Anonymität als gefährlich an (s. zum Internet als Gefahrenquelle Mantz, JurPC 95/2010) und fragt, ob vom Betreiber eines offenen WLANs überhaupt Maßnahmen verlangt werden können – und welche.

Frage 9: Kann der Zugangs-Provider kostenpflichtig dazu verurteilt werden, es künftig zu unterlassen, Dritten zu ermöglichen, über einen konkreten Internetanschluss ein bestimmtes urheberrechtlich geschütztes Werk oder Teile daraus über Internet-Tauschbörsen zum elektronischen Abruf bereitzustellen, wobei es dem Zugangs-Provider freigestellt bleibt, welche technischen Maßnahmen er konkret ergreift, um dieser Anordnung nachzukommen? Gilt dies auch, wenn er den Internetanschluss stilllegen oder mit Passwortschutz versehen oder sämtliche darüber laufende Kommunikation filtern und untersuchen müsste?

5. Fazit

Was folgt nun aus dem Beschluss des LG München I? Zunächst, dass es die Rechtslage anders beurteilt als das AG Hamburg kürzlich (s. dazu hier), das die Privilegierung des § 8 TMG auf ein WLAN ohne Wenn und Aber angewandt hatte. Denn dann hätte es die Klage einfach zugesprochen und die Widerklage abgewiesen.

Jedenfalls ist dem Verfahren hohe Bedeutung für die zukünftige Bewertung der mit dem Betrieb eines WLANs einhergehenden Rechtsfragen zuzuweisen. Denn der EuGH wird eine Reihe von Fragen (hoffentlich) endgültig entscheiden. Und daran müssen sich die nationalen Gerichte dann orientieren. Insofern ist eine Klarstellung durch den EuGH zu begrüßen. Allerdings ist mit einer Entscheidung frühestens Ende 2015, eventuell deutlich später zu rechnen. Bis dahin bleibt es vermutlich bei der bisherigen – durch den Vorlagebeschluss des LG München I auch nicht näher aufgeklärten – Rechtslage. Zumindest steht zu vermuten, dass der deutsche Gesetzgeber jetzt auf die Entscheidung des EuGH wartet, und nicht zwischendurch eine nationale Regelung vorlegt …

 

S. zum Vorlagebeschluss des LG München I auch

Update: Kleine Korrektur bei Frage 9. Danke an den Korrekturleser!

LG München I legt Frage der Haftung bei offenen WLANs dem EuGH vor (Volltext)

Das LG München I hat mit Beschluss vom 18.09.2014 ein dort anhängiges Verfahren ausgesetzt und dem EuGH nach Art. 267 AEUV Fragen zur Haftung beim Betrieb eines offenen WLANs (im Zusammenhang mit einem Gewerbebetrieb vorgelegt.

Dabei tendiert das Gericht dazu, dem Betreiber von gewerblichen WLANs Sicherungspflichten aufzuerlegen und deshalb § 8 TMG nicht anwenden. Der EuGH soll klären, ob diese Einschätzung vor dem Hintergrund von Art. 15 der E-Commerce-RL richtig ist. Eine Analyse des Beschlusses folgt hier im Blog in den nächsten Tagen.

LG München, Beschluss vom 18.09.2014, Az. 7 O 14719/12

Art. 267 AEUV, § 148 ZPO, § 8 TMG, § 97 UrhG, § 97a UrhG

In dem Rechtsstreit

wegen Feststellung

erlässt das Landgericht München I – 7. Zivilkammer – durch … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10.07.2014 am18.09.2014 folgenden

Beschluss

I.
Das Verfahren wird gemäß § 148 ZPO ausgesetzt.

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 AEUV zur Auslegung von Art. 12 Abs. 1 und Abs. 3, Art. 14 Abs. 1 llt. b, Art. 15 Ans. 1 und von Art. 2 lit. b) der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.
Erste Frage:
Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) in Verbindung mit Art. 2 lit. a) der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der lnformationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) in Verbindung mit Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG in der Fassung der Richtlinie 98/48/EG so auszulegen, dass „in der Regel gegen Entgelt“ bedeutet, dass das nationale Gericht feststellen muss, ob die konkret betroffene Person, die sich auf die Diensteanbietereigenschaft beruft, diese konkrete Dienstleistung in der Regel entgeltlich anbietet,
oder
überhaupt Anbieter auf dem Markt sind, die diese Dienstleistung oder vergleichbare Dienstleistungen gegen Entgelt anbieten,
oder
die Mehrheit dieser oder vergleichbarer Dienstleistungen gegen Entgelt angeboten werden?

2.
Zweite Frage:
Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) so auszulegen, dass „Zugang zu einem Kommunikationsnetzwerk zu vermitteln“ bedeutet, dass es für eine richtlinienkonforme Vermittlung lediglich darauf ankommt, dass der Erfolg eintritt, indem der Zugang zu einem Kommunikationsnetzwerk (z. B. dem Internet) vermittelt wird?

3.
Dritte Frage:
Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) in Verbindung mit Art 2 Iit b) der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) so auszulegen, dass es für „anbieten“ im Sinne von Art. 2 lit. b) der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der lnformationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) ausreicht, wenn der Dienst der lnformationsgesellschaft rein tatsächlich zur Verfügung gestellt wird, im konkreten Fall also ein offenes WLAN bereitgestellt wird, oder ist z. B. darüber hinaus auch ein „Anpreisen“ erforderlich?

4.
Vierte Frage:
Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) so auszulegen, dass mit „nicht für die übermittelten Informationen verantwortlich“ bedeutet, dass etwaige Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz, Zahlung der Abmahnkosten und Gerichtsgebühren des aufgrund einer Urheberrechtsverletzung Betroffenen gegen den Zugangs-Provider grundsätzlich oder jedenfalls in Bezug auf eine erste festgestellte Urheberrechtsverletzung ausgeschlossen sind?

5.
Fünfte Frage:
Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 in Verbindung mit Art 12 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) so auszulegen, dass die Mitgliedstaaten dem nationalen Richter nicht erlauben dürfen, in einem Hauptsacheverfahren gegen den Zugangs-Provider eine Anordnung zu erlassen, wonach dieser es künftig zu unterlassen hat, es Dritten zu ermöglichen, über einen konkreten Internetanschluss ein bestimmtes urheberrechtlich geschütztes Werk über lnternet-Tauschbörsen zum elektronischen Abruf bereitzustellen?

6.
Sechste Frage:
Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) dahingehend auszulegen, dass unter den Umständen des Ausgangsverfahrens die Regelung von Art. 14 Abs. 1 lit. b) der RichtlinIe 2000/31 EG entsprechend auf einen Unterlassungsanspruch anzuwenden ist?

7.
Siebte Frage:
Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) in Verbindung mit Art. 2 lit. b) der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) so auszulegen, dass sich die Anforderungen an einen Diensteanbieter darin erschöpfen, dass Diensteanbieter jede natürliche oder juristische Person ist, die einen Dienst der Informationsgesellschaft anbietet?

8.
Achte Frage:
Falls Frage 7 verneint wird, welche zusätzlichen Anforderungen sind im Rahmen der Auslegung von Art. 2 lit. b) der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) an einen Diensteanbieter zu stellen?

9.
Neunte Frage:
a)
Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) unter Berücksichtigung des bestehenden grundrechtlichen Schutzes des geistigen Eigentums, das sich aus dem Eigentumsrecht ergibt (Art. 17 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union), sowie der in folgenden Richtlinien getroffenen Regelungen zum Schutz des geistigen Eigentums, vor allem des Urheberrechts:
– 2001/29fEG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.5.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft,
– 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums
sowie unter Berücksichtigung der Informationsfreiheit sowie des Unionsgrundrechts der unternehmerischen Freiheit (Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union)
dahingehend auszulegen, dass er einer Entscheidung des nationalen Gerichts in einem Hauptsacheverfahren nicht entgegensteht, wenn in dieser Entscheidung der Zugangs-Provider kostenpflichtig dazu verurteilt wird, es künftig zu unterlassen, Dritten zu ermöglichen, über einen konkreten Internetanschluss ein bestimmtes urheberrechtlich geschütztes Werk oder Teile daraus über Internet-Tauschbörsen zum elektronischen Abruf bereitzustellen und dem Zugangs-Provider damit freigestellt wird, welche technischen Maßnahmen er konkret ergreift, um dieser Anordnung nachzukommen?

b)
Gilt dies auch dann, wenn der Zugangs-Provider dem gerichtlichen Verbot faktisch nur dadurch nachkommen kann, dass er den Internetanschluss stilllegt oder mit Passwortschutz versieht oder sämtliche darüber laufende Kommunikation darauf untersucht, ob das bestimmte urheberrechtlich geschützte Werk erneut rechtswidrig übermittelt wird, wobei dies schon von Anfang an feststeht und sich nicht erst im Rahmen des Zwangsvollstreckungs- oder Bestrafungsverfahrens herausstellt?

Gründe

I.
Die Parteien streiten beim vorlegenden Gericht im Rahmen einer negativen Feststellungsklage und einer Widerklage im Wesentlichen darüber, ob der Beklagten Ansprüche gegen den Kläger wegen Urheberrechtsverletzung zustehen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Der Erwägungsgrund 42 der Richtlinie 2000/31/EG lautet:

(42) Die in dieser Richtlinie hinsichtlich der Verantwortlichkeit festgelegten Ausnahmen decken nur Fälle ab, in denen die Tätigkeit des Anbieters von Diensten der Informationsgesellschaft auf den technischen Vorgang beschränkt ist, ein Kommunikationsnetz zu betreiben und den Zugang zu diesem zu vermitteln, über das von Dritten zur Verfügung gestellte Informationen übermittelt oder zum alleinigen Zweck vorübergehend gespeichert werden, die Übermittlung effizienter zu gestalten. Diese Tätigkeit ist rein technischer, automatischer und passiver Art, was bedeutet, dass der Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft weder Kenntnis noch Kontrolle aber die weitergeleitete oder gespeicherte Information besitzt.
Artikel 2 lit. a), lit. b) und lit. d) der Richtlinie 2000/31 EG bestimmt:

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
a) „Dienste der Informationsgesellschaft“ Dienste im Sinne von Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie 98/34/EG in der Fassung der Richtlinie 98/48/EG;
b) „Diensteanbieter“ jede natürliche oder juristische Person, die einen Dienst der Informationsgesellschaft anbietet;
d) „Nutzer“ jede natürliche oder juristische Person, die zu beruflichen oder sonstigen Zwecken einen Dienst der Informationsgesellschaft in Anspruch nimmt, insbesondere um Informationen zu erlangen oder zugänglich zu machen;
Artikel 12 Abs. 1 und Abs. 3 der Richtlinie 2000/31/EG bestimmt
(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass im Fall eines Dienstes der lnforrnatioonsgesellschaft, der darin besteht, von einem Nutzer eingegebene Informationen in einem Kommunikationsnetz zu übermitteln oder Zugang zu einem Kommunikationsnetz zu vermitteln, der Diensteanbieter nicht für die übermittelten Informationen verantwortlich ist, sofern er
a) die Übermittlung nicht veranlasst, den Adressaten der übermittelten Informationen nicht auswählt und die übermittelten Informationen nicht suswahlt oder verändert
(3) Dieser Artikel lasst die Möglichkeit unberührt, dass ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde nach den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten vom Diensteanbieter verlangt, die Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern,

Artikel 14 Abs. 1 lit. b) der Richtlinie 2000/31/EG bestimmt:
(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass im Fall eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen In¬formationen besteht, der Dienstsanbieter nicht für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen verantwortlich ist, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
b) der Anbieter wird, sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erlangt, unverzüglich tätig, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren.

Artikel 15 Abs 1 der Richtlinie 2000/31/EG bestimmt:
(1) Die Mitgliedsstaaten erlegen Anbietern von Diensten im Sinne der Artikel 12, 13 und 14 keine allgemeine Verpflichtung auf, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umstanden zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.

Artikel 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG bestimmt:
Für diese Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:
2). « Dienst »: eine Dienstleistung der Informationsgesellschaft, d. h. jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung.

Nationales Recht

§ 97 des Gesetzes Ober Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) vom 9. September 1965 (8GB!. f S. 1273); zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. Oktober 2013 (6GB/. I S. 3728) lautet wie folgt:

(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Vet1etzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hatte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hatte. Urheber, Verfasser wissenschaftlicher Ausgaben (§ 70), Lichtbildner (§ 72) und ausübende Künstler (§ 73) können auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine Entschädigung in Geld verlangen. wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht.

§ 97 und § 97a des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) vom 9, September 1965 (8GBI. I S. 1273); Zuletzt geändert durch Gesetz vom 01.10.2013 (BGBl. I S. 3728) lautet aktuell wie folgt:

(1) Der Verletzte soll den Verletzer vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Unterlassung abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen,
(2) Die Abmahnung hat in klarer und verständlicher Weise
1. Name oder Firma des Verletzten anzugeben, wenn der Verletzte nicht selbst. sondern ein Vertreter abmahnt,
2. die Rechtsverletzung genau zu bezeichnen,
3. geltend gemachte Zahlungsanspruche als Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche aufzuschlüsseln und
4, wenn darin eine Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtung ent¬halten ist, anzugeben, inwieweit die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung ober die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht.
Eine Abmahnung, die nicht Satz 1 entspricht, ist unwirksam.
(3) Soweit die Abmahnung berechtigt ist und Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 4 entspricht, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden. Für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen beschränkt sich der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen hinsichtlich der gesetzlichen Gebühren auf Gebühren nach einem Gegenstandswert für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch von 1 000 Euro, wenn der Abgemahnte
1. eine natürliche Person ist, die nach diesem Gesetz geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstande nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, und
2. nicht bereits wegen eines Anspruchs des Abmahnenden durch Vertrag, auf Grund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet ist.
Der in Satz 2 genannte Wert ist auch maßgeblich, wenn ein Unterlassungs- und ein Beseitigungsanspruch nebeneinander geltend gemacht werden, Satz 2 gilt nicht, wenn der genannte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig ist.
(4) Soweit die Abmahnung unberechtigt oder unwirksam ist, kann der Abgemahnte Ersatz der für die Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen, es sei denn, es war für den Abmahnenden zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht erkennbar, dass die Abmahnung unberechtigt war. Weiter gehende Ersatzansprüche bleiben unberührt.

Die im Zeitpunkt des Zugangs der Abmahnung im Jahr 2010 geltende Fassung des § 97a UrhG lautete wie folgt:

(1) Der Verletzte soll den Verletzer vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Unterlassung abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen. Soweit die Abmahnung berechtigt ist, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden.
(2) Der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen für die erstmalige Abmahnung beschränkt sich in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100 Euro.

Die §§ 7 – 10 des Telemediengesetzes vom 26. Februar 2007 (8GBI. I S. 179); zuletzt geändert durch Gesetz vom 31.03.2010 (BGBl. I S. 692) setzten die Art. 12 bis 15 der Richtlinie 2000/31 in nationales Recht um.

Umstände des Ausgangsverfahrens

 

Der Kläger betreibt ein Gewerbe, in dessen Rahmen er Licht- und Tontechnik für Veranstaltungen aller Art verkauft und vermietet. Er ist Mitglied der Piratenpartei Deutschland und war Inhaber des streitgegenständlichen Internetanschlusses in … über den er ein kabelloses Funknetz (WLAN) betrieb. Am 4. September 2010 wurde um 12.41.55 Uhr sowie um 12.43.41 Uhr über diesen Internetanschluss das streitgegenständliche Werk … der Musikgruppe … einer unbegrenzten Anzahl von Internet-Tauschbörsen-Nutzern zum Herunterladen angeboten.

Die Beklagte ist Tonträgerherstellerin dieses Albums und auf dieser CD und auf dem Cover dieses Albums im Hersteller- bzw. Urhebervermerk ausdrücklich als Rechteinhaberin ausgewiesen. Mit Schreiben vom 29.10.2010 mahnte die Beklagte den Kläger wegen dieser Urheberrechtsverletzung erfolglos ab. Der Kläger antwortete mit einer Gegenabmahnung.

Der Kläger trägt vor, dass er im Rahmen seines Gewerbes das streitgegenständliche Funknetz als öffentliches Funknetz betrieben habe, zu dem er und beliebige Nutzer Zugang gehabt hätten. Er trägt ferner vor, dass er keine Kontrolle über sein Funknetzwerkwerk ausgeübt habe, weil dies technisch bei einem solchen offenen Netzzugang nicht möglich und unzumutbar gewesen sei. Er habe sein WLAN bewusst nicht durch ein Passwort geschützt, um der Öffentlichkeit einen unmittelbaren öffentlichen Zugang zum Internet zu ermöglichen. Der Kläger trägt zudem vor, dass er aus eigener Kenntnis ausschließen könne, dass er selbst die behauptete Urheberrechtsverletzung begangen habe. Er könne jedoch nicht ausschließen, dass eine dritte Person über das Funknetz eine Rechtsverletzung begangen habe. Er könne auch nicht feststellen, wer wann zu welchen Zwecken sein Funknetz genutzt habe, weil dies nicht festgehalten worden sei. Schließlich trägt der Kläger vor, dass er das WLAN die meiste Zeit mit dem Netzwerknamen … betrieben habe, um Kunden angrenzender Geschäfte, Passanten und Nachbarn auf sein Gewerbe aufmerksam zu machen und zu einem Besuch seines Ladengeschäfts oder der Homepage „www._de“ zu motivieren. Zudem habe er aus gegebenen Anlässen den Netzwerknamen geändert. So habe er den Netzwerknamen im Jahr 2010 um den Tatzeitpunkt herum in „Freiheitstattangst.de“ umbenannt, um so auf eine Demonstration für Datenschutz und gegen ausufernde staatliche Überwachungen hinzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, dass der streitgegenständliche Internetanschluss der private Internetanschluss und nicht der geschäftliche Anschluss des Klägers gewesen sei. Ferner bestreitet die Beklagte mit Nichtwissen, dass der Kläger die streitgegenständliche Rechtsverletzung nicht selbst begangen habe und meint, dass der Kläger als Anschlussinhaber aufgrund einer tatsächlichen Vermutung Täter der Rechtsverletzung sei und dass es höchst spekulativ und nicht plausibel sei, dass eine dritte Person die Urheberrechtsverletzung begangen habe. Die Beklagte bestreitet ferner, dass der Kläger ein „öffentliches Funknetz“ betrieben habe, das nicht zugangs- oder passwortgeschützt gewesen sei. Hilfsweise für den Fall, dass das vor¬legende Gericht eine unmittelbare Täterschaft des Klägers verneinen sollte, beruft sich die Beklagte auf eine Haftung des Klägers unter dem Gesichtspunkt, dass der Kläger keinerlei Sicherungsmaßnahmen für sein WLAN ergriffen habe.

Gegen den Kläger ist am 16.1.2014 zunächst folgendes Versäumnisurteil ergangen:

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt,
– es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu Euro 250.000,00 EUR, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, das Musikalbum … der Künstlergruppe … oder Teile daraus über Internet-Tauschbörsen zum elektronischen Abruf bereitzustellen.
– an die beklagte Partei Schadensersatz in Höhe von 600,00 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.01.2011 zu bezahlen.
– an die beklagte Partei Abmahnkosten in Höhe von weiteren 506,00 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.01,2011 zu bezahlen,
III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen,
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger beantragt nunmehr unter Teilrücknahme des ursprünglichen Klageantrags zu 2):
Das Versäumnisurteil vom 16,01.2014 wird aufgehoben, soweit die Klage hinsichtlich des negativen Feststellungsanspruch (zu 1) sowie hinsichtlich des Zahlungsanspruchs in Höhe von 651,80 € (zu 3) abgewiesen wurde und der Widerklage stattgegeben wurde.

Es wird festgestellt, dass der Beklagten gegen den Kläger weder Unterlassungsansprüche noch Schadensersatz-, noch Aufwendungsersatzansprüche noch sonstige urheberrechtlichen Ansprüche aus der angeblichen Urheberrechtsverletzung vom 04.09.2010 betreffend das Werk … (Musikalbum), welche mit Abmahnung vom 29.10.2010 geltend gemacht wurden, zustehen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Gegenabmahnkosten in Höhe von 651,80 Euro zu zahlen,
Hilfsweise: Sollte das Gericht § 8 TMG nicht anzuwenden beabsichtigen, so wird beantragt, nach Art. 267 AEUV dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

„Ist die Richtlinie 2000/31/EG oder die Europäische Grundrechtecharta dahin auszulegen, dass sie den Mitgliedstaaten verbietet, Anbieter öffentlich oder anonym zugänglicher lnternet-Zugangsdienste unabhängig von einer gegen sie gerichteten gerichtlichen oder behördlichen Entscheidung und unabhängig von
konkreten Anhaltspunkten für eine bestimmte drohende Rechtsverletzung zu verpflichten. allgemeine und permanente Maßnahmen zur Vorbeugung oder Verhinderung etwaiger zukünftiger Rechtsverletzungen seitens Teilnehmer des öffentlichen Internetzugangsdienstes zu treffen.“

Die Beklagte beantragt:

1. Das Versäumnisurteil vom 16.01.2014 wird aufrechterhalten.
Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht nicht von einer persönlichen Verantwortung (Täterschaft) der Klageseite für die streitgegenständliche Rechtsverletzung ausgehen sollte, wird Antrag 1 (Unterlassung) wie folgt gefasst:
Der Klägerseite wird bei Meldung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, für jeden Fall der Zuwiderhandlung verboten, es Dritten zu ermöglichen, Ober den Internetanschluss der Klägerseite das Musikalbum “ der Künst¬lergruppe, I oder Teile daraus über Internet-Tauschbörsen zum elektronischen Abruf bereitzustellen.

In der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2014 wurde der Kläger vom Gericht angehört. Eine weitere Beweisaufnahme hat bislang nicht stattgefunden.

II.
Aufgrund der bisher durchgeführten Beweisaufnahme geht das vorlegende Gericht davon aus, dass der streitgegenständliche Internetanschluss zu dem Gewerbe des Klägers gehörte, das er im September 2010 in der … betrieb. Zudem geht das Gericht davon aus, dass dieser durch WLAN erreichbare Internetanschluss zur Tatzeit aller Wahrscheinlichkeit nach mit .Freiheltstattanqst.de“ bezeichnet und nicht durch ein Passwort gesichert war.

Ferner geht das vorlegende Gericht nach dem neuerlichen Vorbringen des Klägers nicht mehr davon aus, dass der Kläger die Rechtsverletzung eigenhändig/persönlich begangen hat und würde deswegen den Hauptantrag 1 der Widerklage (Täterhaftung) voraussichtlich nicht zusprechen.

Das Gericht zieht im Rahmen der Widerklage hinsichtlich der begehrten Unterlassungsverpflichtung jedoch eine Verurteilung des Beklagten wegen des Hilfsantrags zu Ziffer 1 (Störerhaftung) in Betracht.

Das vorlegende Gericht neigt dazu, eine Haftung des Klägers und somit eine Verpflichtung zur Unterlassung in Erwägung zu ziehen, weil der Kläger ohne jegliche und damit ohne angemessene und gebotene technische Sicherungsmaßnahmen sein WLAN betrieben hat. Der Kläger wäre nach Auffassung des vorlegenden Gerichts grundsätzlich zur Ergreifung technischer Sicherungsmaßnahmen im Rahmen des jeweils technisch Möglichen verpflichtet gewesen.

Insofern neigt das vorlegende Gericht einer entsprechenden Anwendung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof zu (BGH, Urteil vom 12.05.2010 – I ZR 121108, GRUR 2010, 633, Rn. 22 – Sommer unseres Lebens), wonach es auch Privatpersonen, die einen WLAN-Anschluss in Betrieb nehmen, zuzumuten ist zu prüfen, ob ihr Anschluss durch angemessene Sicherungsmaßnahmen hinreichend dagegen geschützt ist, von außenstehenden Dritten für die Begehung von Rechtsverletzungen missbraucht zu werden. Die Zumutbarkeit folgt nach dieser Rechtsprechung schon daraus, dass es regelmäßig im wohlverstandenen eigenen Interesse des Anschlussinhabers liege, die eigenen Daten vor unberechtigtem Eingriff von außen zu schützen. Zur Vermeidung von Urheberrechtsverletzungen durch unberechtigte Dritte ergriffene Sicherungsmaßnahmen am WLAN-Zugang dienten zugleich auch diesem Eigeninteresse des Anschlussinhabers. Die Prüfpflicht sei mit der Folge der Haftung auf Unterlassung, Abmahnkosten und Gerichtsgebühren verletzt, wenn die gebotenen Sicherungsmaßnahmen unterblieben seien (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2010 – I ZR 121/08, GRUR 2010,633, Rn. 22 – Sommer unseres Lebens).

Diese Begründung des Bundesgerichtshofs muss nach vorläufiger Ansicht des vorlegenden Gerichts erst recht für einen Gewerbetreibenden wie den Kläger gelten, weil an einen (bewusst oder absichtlich) handelnden Gewerbetreibenden grundsätzlich höhere Prüfungs- und Sorgfaltspflichten zu stellen sind als an eine (fahrlässig) handelnde Privatperson (argumentum a maiore ad minus).

Eine solche grundsätzlich zu erwägende Haftung des Klägers wäre nach Auffassung des vorlegenden Gerichts aber ausgeschlossen, wenn sich der Kläger auf § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG berufen kann, der die Regelung in Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vorn 8. Juni 2000 Ober bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie Ober den elektro¬nischen Geschäftsverkehr“) ins deutsche Recht umsetzt.

Zwar ist im vorliegenden Fall zwischen den Parteien streitig, welche Sicherungsmaßnahmen der Kläger mit Blick auf seine konkreten technischen Geräte hätte treffen können und müssen, um einerseits ein offenes WLAN zu betreiben und andererseits den Missbrauch seines Anschlusses durch dritte Personen zu verhindern oder we-sentlich zu erschweren, Die Kammer hat eine eventuell erforderliche Beweisaufnahme jedoch vorerst zurückgestellt, weil der Erfolg der von der Beklagten geltend gemachten Ansprüche zum Teil zunächst maßgeblich davon abhängt, ob im vorliegenden Fall § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG bzw. Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG die Verantwortlichkeit des Klägers generell ausschließt.

Das vorlegende Gericht sieht sich derzeit aus folgenden rechtlichen Gründen (siehe unten Ziffer 5) dazu gezwungen, die Regelung in Art. 12 Abs.1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG, die mit § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG ins deutsche Recht umgesetzt wurde, dahingehend anzuwenden, dass ein Gewerbetreibender, der Ober einen Internetanschluss verfügt. darüber ein WLAN betreibt, dieses nicht sichert, und der somit Dritten einen unbeschränkten Zugriff auf seinen lnternetanschluss und der Allgemeinheit einen freien Zugang zum Internet bereitstellt, über den ein urheberrechtlich geschütztes Werk öffentlich zugänglich gemacht wurde, wobei er die Urheberrechtsverletzung nicht selbst begangen hat, sondern (unbekannte) dritte Personen, dass dieser Gewerbe-treibende gegenüber dem Inhaber der jeweils betroffenen Urheberrechte oder urheberrechtlichen Nutzungsrechte nicht auf Unterlassung, Schadensersatz, Ersatz der Abmal1nkosten und der Gerichtsgebühren (sowie auf sonstige urheberrechtliehe An¬sprüche) haftet, weil er für die von dritten Personen übermittelten Informationen nicht verantwortlich ist, sofern nicht die Voraussetzung in Art. 12 Abs.1 Halbsatz 2 Hf. a) bis c) der Richtlinie 2000/31 EG erfüllt sind.

Dieses Auslegungsergebnis von Art. 12 Abs.1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG ist von folgendem Verständnis der Richtlinie geleitet:

Das Bereitstellen eines offenen, ungeschützten WLAN-Zugangs ist nach Auffassung des vorlegenden Gerichts ein Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne von Art. 2a der Richtlinie 2000/31 EG in Verbindung mit Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG in der Fassung der Richtlinie 98/34/EG, weil das Gewähren eines Internetzugangs eine Dienstleistung der Informationsgesellschaft ist, die in der Regel gegen Entgelt erbracht wird (z, B. kostenpflichtige Hot-Spat-Angebote von Telekommunikationsunterneh¬men).

Mit folgender ersten Frage ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um Aus¬legung des Begriffs „in der Regel gegen Entgelt“, um die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen treffen zu können, ob und unter welchen Voraussetzungen das streit¬gegenständliche Bereitstellen eines offenen, ungeschützten WLAN-Zugangs über¬haupt ein Dienst der Informationsgesellschaft ist:

Erste Frage:
Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europ.1ischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 Ober bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt ( .. Richtlinie Ober den elektronischen Ge¬schäftsverkehr‘) in Verbindung mit Art. 2 lit. a) der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt ( •• Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr) in Verbindung mit Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG in der Fassung der Richtlinie 98/48/EG so auszulegen, dass „in der Regel gegen Entgelt“ bedeutet, dass das nationale Gericht feststellen muss, ob
die konkret betroffene Person, die sich auf die Diensteanbietereigenschaft beruft, diese konkrete Dienstleistung in der Regel entgeltlich anbietet,
oder
überhaupt Anbieter auf dem Markt sind, die diese Dienstleistung oder vergleichbare Dienstleistungen gegen Entgelt anbieten,
oder
die Mehrheit dieser oder vergleichbarer Dienstleistungen gegen Entgelt angeboten werden?
Diejenige Person, die sich in ein solches offenes WLAN einwählt. nimmt nach Auf¬fassung des vorlegenden Gerichts einen Dienst der Informationsgesellschaft in An¬spruch und ist daher als Nutzer im Sinne von Art. 2 lit. d) der Richtlinie 2000/31 EG anzusehen.

Indem ein ungeschütztes WLAN betrieben wird und sich interessierte Nutzer damit einfach nur noch in dieses Funknetzwerk einwählen müssen, was nach Erfahrung der Mitglieder der Kammer dann ohne Probleme möglich ist, um mit ihrem Notebook, Smartphone oder anderem internet- und WLAN-fähigen Gerät eine Verbindung zum Internet herzustellen, wird nach Auffassung des vorlegenden Gerichts dem Nutzer im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG ein Zugang zu einem Kommunikationsnetzwerk vermittelt.

Es kommt nach derzeitigen Verständnis des vorlegenden Gerichts zunächst allein auf den technischen Vorgang der Vermittlung eines Zugangs an (vgl. Erw~9ungsgrund 42 der Richtlinie 2000/31 lEG), weswegen es auch gleichgültig ist, ob ein Vertragsverhältnis zwischen Nutzer und Diensteanbieter besteht (so auch EuGH, Urteil vom 27.3.2014, Rs. C-314/12 – UPC Telekabel Wien GmbH I Constantin Film Verleih GmbH u,a., GRUR Int. 2014,469 zu Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG), ob ein direkter oder indirekter Zugang zu den fremden Informationen verschafft wird und ob dies absichtlich oder unbewusst geschieht (so auch Holznagel/Ricke, in: Spindler/Schuster/Hoffmann, TMG § 2 Rn. 2 ff.).

Im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs wäre ein Anbieter jedoch dann kein Vermittler mehr, wenn er seine Leistung nicht neutral erbringt, sondern eine aktive Rolle einnimmt, die ihm Kenntnis und Kontrolle der von ihm verarbeiteten Daten ver¬schafft (EuGH, Urteil vom 12.7.2011, Rs. C-324/09, Rn. 113-L’Oreal/eBay).

Da nach dem bisherigen Verständnis der Norm auch ein privater Anschlussinhaber den Zugang zum Internet und damit zu einem Kommunikationsnetzwerk vermittelt, der seinen Familienmitgliedern oder Gästen die Nutzung seines Internetanschlusses ge¬stattet (Mantz, MMR 2006, 764, 765; Gietf, MMR 2006, 630, 631; Stang/Hahner, GRUR~RR 2008, 273, 275; Borges, NJW 2014,2305,2310 mit weiterem Verweis auf jurisPK-lntemetrecht, Roggenkamp/Stadler, Stand 1.2.2014, Kap. 10 Rn. 139; Hügel, Haftung von Inhabern privater Internetanschlüsse für fremde Urheberrechtsverletzungen, 1. Auflage, 2014, S. 126), vermittelt nach dem derzeitigen Verständnis des vorlegenden Gerichts der Kläger im vorliegenden Fall auch den Zugang zu einem Kommunikationsnetzwerk.

Mit folgender zweiten Frage ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um die Auslegung des Begriffs „Zugang zu einem Kommunikationsnetzwerk zu vermitteln“, um die notwendigen tatsächlichen Feststellungen treffen zu können, die für ein Ver¬mitteln des Zugangs zu einem Kommunikationsnetzwerk erforderlich Sind. Vor allem möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der reine technische Prozess der Zugangsvermittlung ausreichend ist oder ob darüber hinaus weitere Anforderungen zu stellen sind.

Zweite Frage:
Ist Art 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche As¬pekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektroni¬schen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) so auszulegen, dass „Zugang zu einem Kommunikationsnetzwerk zu vermitteln“ bedeutet, dass es für eine richtlinienkonforme Vermittlung lediglich darauf ankommt, dass der Erfolg eintritt, indem der Zu¬gang zu einem Kommunikationsnetzwerk (z. B. dem Internet) vermittelt wird?

Die Person, die das offene WLAN bereitstellt, ist nach Auffassung des vorlegenden Gerichts Diensteanbieter im Sinne von Art. 2 lit. b) der Richtlinie 2000/31 EG, weil diese Person den Dienst der Informationsgesellschaft (Bereitstellen eines offenen, ungeschützten WLAN-Zugangs) anbietet.

Mit folgender dritten Frage ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um die Auslegung des Begriffs „anbieten“ von Art. 2 Iit. b) der Richtlinie 2000/31 EG, weil das vorlegende Gericht nach dem Wortsinn der Norm davon ausgeht, dass das rein tat¬sächliche (und ggf. stillschweigende) Anbieten eines Diensts ausreichend ist und darüber hinaus keine weiteren Anforderungen an das Anbieten zu stellen Sind. Vor allem ist es nicht erforderlich, dass diese Person nach außen als Erbringer der Dienstleistungen auftritt (und diese z. B. anpreist oder bewirbt), sondern es genügt, wenn diese Person diese Dienstleistung ohne Weiteres rein tatsächlich zur Nutzung bereitstellt.

Diese Auffassung ist in der deutschen Literatur nicht unumstritten. So fordert z.B. Müller-Broich (Telemediengesetz, Nomos, 1. Auflage 2012, § 2 Rn. 1), den Begriff des Diensteanbleters funktionell zu bestimmen und nimmt an, dass Diensteanbieter diejenige natürliche oder juristische Person ist, die durch Ihre Weisungen oder ihre Herrschaftsmacht über Rechner und Kommunikationskanale Verbreitung oder Speichern von Informationen ermöglicht und nach außen als Erbringer von Diensten auftritt (unter Verweis auf Spindler, in: Spindler/Schmitz/Geis, § 3 TDG, Rn. 6).

Dritte Frage:
Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (~Richtlinie Ober den elektronischen Ge¬schäftsverkehr“) in Verbindung mit Art. 2 lit. b) der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 Ober bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) so auszulegen, dass es für „anbieten“ im Sinne von Art. 21it. b) der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsver¬kehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie Ober den elektronischen Geschäftsverkehr“) ausreicht, wenn der Dienst der Informationsgesellschaft rein tatsächlich zur Verfügung gestellt wird, im konkreten Fall also ein offenes WLAN bereitgestellt wird, oder ist z. B. darüber hinaus auch ein „Anpreisen“ erforderlich?

Das vorlegende Gericht geht davon aus, dass der Kläger der Beklagten bereits wegen der Regelung in Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG, die in § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG ins deutsche Recht übernommen wurde, nicht auf Unterlassung, Scha¬densersatz, Ersatz der Abmahnkosten (sowie auf sonstige urheberrechtliche Ansprüche) sowie auf Ersatz der Gerichtsgebühren haftet (BeckOK UrhG, Reber UrhG § 97 Rn. 80), weil er für die von dritten Personen übermittelten Informationen nicht verantwortlich ist und deswegen das vorlegende Gericht einen etwaigen Anspruch der Beklagten bereits aus diesem Grunde zurückweisen muss.

In diesem Sinne hat auch das Amtsgericht Hamburg die Haftung des Betreibers eines Hotels (Urteil vom 10.06.2014, Az. 25b C 431/13) als auch des Vermieters einer Fe¬rienwohnung (Urteil vom 24.06.2014, Az.. 25b C 924/13) für Rechtsverletzungen von Gästen über den WLAN-Anschluss des Hotels bzw. der Ferienwohnung abgelehnt, weil eine Verantwortlichkeit durch die Erfüllung der Voraussetzungen von § 8 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 TMG ausgeschlossen ist.

Mit folgender vierten Frage ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um die Auslegung des Begriffs „nicht für die übermittelten Informationen verantwortlich“ gemäß Art. 12 Abs, 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG, weil es davon ausgeht, dass nicht verantwortlich bedeutet, dass im Rahmen dieser konkreten Vorschrift (Art, 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG) letztlich eine Haftung (grundsätzlich oder nur in Bezug auf eine erste festgestellte Urheberrechtsverletzung) ausgeschlossen ist.

Vierte Frage:
ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche As¬pekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektroni¬schen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) so auszulegen, dass mit „nicht für die übermittelten Infor¬mationen verantwortlich“ bedeutet, dass etwaige Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz, Zahlung der Abmahnkosten und Gerichtsgebühren des aufgrund einer Urheberrechtsverletzung Betroffenen gegen den Zugangs-Provider grunds0’3tzlich oder jedenfalls in Bezug auf eine erste festgestellte Urheberrechtsverletzung ausgeschlossen sind?

Das vorlegende Gericht geht ferner davon aus, dass auch die Regelung in Art. 12 Abs. 3 der RichtlinIe 2000/31/EG dem vorlegenden Gericht aus Rechtsgründen keine Möglichkeit eröffnet, dennoch die von der Beklagten begehrte Unterlassungspflicht gegen den Kläger auszusprechen, weil hinsichtlich der Unterlassungspflicht die Regelung In Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31/EG vorgeht.

aa.
Vor diesem Hintergrund ersucht das vorlegende Gericht mit folgender fünften Frage den Gerichtshof um die Auslegung des normativen Spannungsverhält¬nisses von Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG mit Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31 EG,

Fünfte Frage:
Ist Art 12 Abs. 1 Halbsatz 1 in Verbindung mit Art. 12 Abs. 3 der Richt¬linie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 Ober bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäfts¬verkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Ge-schäftsverkehr“) so auszulegen, dass die Mitgliedstaaten dem natio¬nalen Richter nicht erlauben dürfen, in einem Hauptsacheverfahren gegen den Zugangs-Provider eine Anordnung zu erlassen, wonach dieser es künftig zu unterlassen hat, es Dritten zu ermöglichen, Ober einen konkreten Internetanschluss ein bestimmtes urheberrechtlich geschütztes Werk Ober Internet-Tauschbörsen zum elektronischen Abruf bereitzustellen?

bb.
Anderenfalls stellt sich die Frage, ob Art- 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2QOO/31/EG so gedeutet werden kann. dass in entsprechender Anwendung von Art. 14 Abs. 1 lit. b) der Richtlinie 2000/31fEG die Verantwortlichkeit des Diensteanbieters dann gegeben ist, wenn der Diensteanbieter, sobald er Kenntnis von der konkreten Rechtsverletzung hat, nicht unverzüglich tätig wird, um künftige gleichartige Rechtsverletzungen Ober seinen Zugang zu verhindern, indem er verkehrsübliche Sicherungsmaßnahmen ergreift. In solchen Fällen würde das hoch zu bewertende und berechtigte Interesse, über WLAN leicht und räumlich flexibel Zugang zum Internet zu erhalten, nicht in Frage gestellt werden und die Inhaber von Urheberrechten werden gleichzeitig nicht völlig schutzlos bleiben, weil sie zwar gegen eine erste Verletzung ihrer Rechte, wenn ein unbekannter Dritter über ein offenes WLAN urheberrechtsverletzendes File-Sharing betreibt, nicht erfolgreich gerichtlich vorgehen und eine entsprechende Unterlassungsverpflichtung erwirken können. Doch würden sie auf diese Art und Weise in die Lage versetzt werden, dem Betreiber des offe¬nen WLAN-Systems die Rechtsverletzung anzuzeigen und zur Errichtung zu diesem Zeitpunkt verkehrsüblicher Sicherungsmaßnahmen zur Verhinderung zukünftiger rechtsmissbräuchlicher Verwendungen seines Internetzugangs zu verpflichten. Falls diese Maßnahmen dann nicht vom Diensteanbieter ergriffen und über den offenen WLAN-Anschluss dieser Person weitere Urheberrechtsverletzungen begangen werden würden, entstünde erst der gerichtlich durchsetzbare Unterlassungsanspruch (ähnlich Hügel. Haftung von Inhabern privater Internetanschlüsse für fremde Urheberrechtsverletzungen, 1. Auflage, 2014, S. 127 ff.).

Einer solchen Auslegung könnte aber die Entscheidung des Gerichtshofs vom 27.03.2014 in der Rechtssache C-314/12 – UPC Telekabel Wien GmbH I Constantin Film Verleih GmbH u.a., GRUR lnt, 2014, 469 (ZU Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG) entgegenstehen, weil im Ausgangsverfahren der beklagte Internetserviceprovider zur Unterlassung verurteilt worden ist, ohne dass sich aus der mitgeteilten Prozessgeschichte ergibt, dass der Verurteilung ein (kostenneutraler) Hinweis auf eine erste Rechtsverletzung und im Anschluss daran eine (kostenpflichtige) Abmahnung auf der Grundlage einer zeitlich nachfolgenden zweiten Rechtsverletzung mit der Begründung vorausgegangen war. dass die zunächst angezeigte erste Rechtsverletzung nicht abgestellt bzw. hinreichend verhindert worden sei.

Vor diesem Hintergrund ersucht das vorlegende Gericht mit folgender sechster Frage den Gerichtshof um die Auslegung des normativen Spannungsverhält¬nisses von Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 und Art. 14 Abs. 1 lit. b) der Richtlinie 2000/311EG.

Sechste Frage:
Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäi¬schen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 Ober bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbe¬sondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie Ober den elektronischen Geschäftsverkehr“) dahingehend auszulegen, dass unter den Umständen des Ausgangsverfahrens die Regelung von Art. 14 Abs. 1 lit b) der Richtlinie 2000f31/EG entspre¬chend auf einen Unterlassungsanspruch anzuwenden ist?

Falls aufgrund der Regelung von Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG durch das vorlegende Gericht jegliche Haftung des Klägers zu verneinen wäre, hätte dies zur Konsequenz, dass (illegales) Filesharing von urheberrechtlich geschützten Inhalts in Fällen wie dem zu entscheidenden faktisch nicht verfolgt und nicht unter-bunden werden könnte, weil der Anschlussinhaber als Zugangs-Provider nicht haftet und der oder die unmittelbaren Täter mangels Erfassung ihrer ldentitäten nicht ermittelbar und somit nicht ergreifbar sind.

Darüber hinaus ist das Betreiben eines ungesicherten WLAN-Netzwerks deshalb so gefährlich, weil der Klager den Nutzern seines WLAN-Netzwerks ein Handeln in voll¬ständiger Anonymität ermöglicht (vgl. OLG Hamburg ZUM-RD 2013, 536, 542 – Haf¬tung eines Sharehosters als Störer). Diese Haftungsfreistellung des Zugangsvermittlers wurde nach bisherigem Verständnis sogar dann gelten, wenn der Zugangsvermittler Kenntnis hat, dass auf den Diensten, zu denen er seinen Nutzern Zugang ge¬währt, Rechtsverletzungen begangen werden (BeckOK UrhG, Reber § 97 Rn. 80; Noltel/Nimmers, GRUR 2014,16,17).

Schließlich sieht das vorlegende Gericht bei diesem Verständnis von Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG einen Widerspruch mit Erwägungsgrund 41 der besagt, dass diese Richtlinie ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen lnteressen schafft.. Es würde nämlich ein Ungleichgewicht zulasten derjenigen Personen geschaffen, die ein Interesse an der wirksamen Entfernung rechtswidriger Inhalte haben.

aa.
Aus diesem Grund stellt sich das vorlegende Gericht die Frage, ob die in Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 in Verbindung mit Art. 2 Iit. a), Iit. b) und Iit. d) der Richtlinie 2000/31 EG gestellten Voraussetzungen abschließend aufgeführt sind oder ob nicht weitere, zusätzliche ungeschriebene Voraussetzungen zu stellen sind. Als eine solche zusätzliche Voraussetzung wäre denkbar, dass zwischen dem eigentlichen Geschäftszweck des Gewerbetreibenden und dem Bereithalten eines offenen WLAN-Anschlusses ein innerer Zusammenhang mit dem ursprünglichen Geschäftszweck bestehen muss.

Mit folgender siebter Frage ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um die Auslegung von Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG in Verbindung mit Art. 2 Iit. b) der Richtlinie 2000/31 dahingehend, ob sich die Anforderungen an einen Diensteanbieter darin erschöpfen, dass Diensteanbieter jede natürliche oder juristische Person ist, die einen Dienst der Informationsgesellschaft anbietet.

Siebte Frage:
Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr‘) in Verbindung mit Art. 2 lit. b) der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie Ober den elektronischen Geschäftsverkehr“) so auszulegen, dass sich die Anforderungen an einen Diensteanbieter darin erschöpfen, dass Diensteanbieter jede natürliche oder juristische Person ist, die einen Dienst der Informationsgesellschaft anbietet?

bb.
Für den Fall, dass der Gerichtshof die siebte Frage verneint, bittet das vorlegende Gericht um Auslegung dieser Normen und Benennung der zusätzlichen Kriterien, damit das vorlegende Gericht die entsprechenden Feststellungen treffen kann.

Achte Frage:
Falls Frage 7 verneint wird, welche zusätzlichen Anforderungen sind im Rahmen der Auslegung von Art. 2 lit. b) der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über be¬stimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) an einen Diensteanbieter zu stellen?

Für den Fall, dass der Gerichtshof zu einer Auslegung von Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31/EG gelangen sollte, deren Anwendung in den vom vorlegenden Gericht zu entscheidenden Fall bedeuten würde, dass eine urheberrechtliche Verantwortlichkeit des Klägers zu verneinen wäre, stellt sich das vorlegende Gericht weiter die Frage, inwiefern diese Auslegung mit dem Regelungsgehalt folgender Richtlinien
– 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. S. 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft,
– 2004148/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. 4. 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums
in Verbindung miteinander und ausgelegt im Hinblick auf die sich aus dem Schutz der anwendbaren Grundrechte ergebenden Anforderungen zu vereinbaren wäre.

Gegebenenfalls stellt sich nach derzeitiger Einschätzung des vorlegenden Gerichts eine A~ schlussfrage nach dem Umfang des in Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 lEG aufgestellten Verbots, dem Anbietern von Diensten keine allgemeine Verpflichtung aufzuerlegen, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umstanden zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Insoweit ist sich das vorlegende Gericht nicht sicher, wie das Urteil des Gerichtshofs vom 27.03.2014 in der Rs. C-314/12 (UPC-Telekabel Wien I Constantin Film Verleih GmbH u.a.) zu verstehen ist.

Neunte Frage:
a)
Ist Art. 12 Abs. 1 Halbsatz 1 der Richtlinie 2000/31 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) unter Berücksichtigung des bestehenden grundrechtlichen Schutzes des geistigen Eigentums, das sich aus dem Eigentumsrecht ergibt (Art. 17 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union), sowie der in folgenden Richtlinien getroffenen Regelungen zum Schutz des geistigen Eigentums, vor allem des Urheberrechts:
– 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.5.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft,
– 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums
sowie unter Berücksichtigung der Informationsfreiheit sowie des Unionsgrundrechts der unternehmerischen Freiheit (Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) dahingehend auszulegen, dass er einer Entscheidung des nationalen Gerichts in einem Hauptsacheverfahren nicht entgegensteht, wenn in dieser Entscheidung der Zugangs-Provider kostenpflichtig dazu verurteilt wird, es künftig zu unterlassen, Dritten zu ermöglichen, über einen konkreten Internetanschluss ein bestimmtes urheberrechtlich geschütztes Werk oder Teile daraus über Internet-Tauschbörsen zum elektronischen Abruf bereitzustellen und dem Zugangs-Provider damit freigestellt wird, welche technischen Maßnahmen er konkret ergreift, um dieser Anordnung nachzukommen.

b)
Gilt dies auch dann, wenn der Zugangs-Provider dem gerichtlichen Verbot faktisch nur dadurch nachkommen kann, dass er den Internetanschluss stilllegt oder mit Passwortschutz versieht oder sämtliche darüber laufende Kommuni-kation darauf untersucht, ob das bestimmte urneberrechtlich geschützte Werk erneut rechtswidrig übermittelt wird, wobei dies schon von Anfang an feststeht und sich nicht erst im Rahmen des Zwangsvollstreckungs- oder Bestrafungsverfahrens herausstellt?