Rezension: Heldt/Legner, Digitale-Dienste-Gesetz, 1. Auflage 2025

Der Ende 2022 in Kraft getretene Digital Services Act (DSA) ist seit Februar 2024 vollständig anwendbar und wird einerseits in der interessierten Medienwelt – gerade im Zusammenhang mit der Bewältigung von Desinformation auf großen Social Media-Plattformen – diskutiert und von den Gerichten mittlerweile in mehreren Entscheidungen aufgenommen (vgl. nur OLG Nürnberg, Urt. v. 23.7.2024 – 3 U 2469/23, K&R 2024, 678). In der medialen Berichterstattung keine so große Rolle spielt hingegen das deutsche „Begleitgesetz“ des DSA, das Digitale-Dienste-Gesetz (DDG), das seit Mai 2024 Geltung hat. Aufgabe des DDG ist es einerseits, die Durchführung des Digital Services Act in Deutschland zu regeln, andererseits übernimmt das DDG aber auch wichtige Besonderheiten, die in Deutschland schon zuvor unter der – in Teilen durch den DSA abgelösten – E-Commerce-Richtlinie speziell geregelt waren. Schließlich enthält das DDG Regelungen zum behördlichen Aufsichtsrecht für die P2B-Verordnung (EU) 2019/1150 über Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten. Das DDG mit seinen insgesamt 34 Paragraphen hat dementsprechend nicht die hohe Bedeutung, die dem DSA zukommt, dennoch enthält es wichtige Regelungen u.a. für dessen Durchführung und Anwendung in der Praxis. Es löst einerseits das TMG ab und ist schon deshalb von einigen Gerichten bereits jetzt angewandt worden (vgl. OLG München, Urt. v. 18.4.2024 – 29 U 3592/19, GRUR 2024, 1219 – goldesel.to), andererseits – jedenfalls in Teilen – das ebenfalls viel diskutierte und in der Praxis einige Probleme aufwerfende NetzDG.

Daher ist es durchaus verdienstvoll, dass bereits relativ kurz nach Erlass des DDG bereits der erste Kommentar zu diesem Gesetz erscheint, nämlich der von Dr. Amélie Heldt und Prof. Dr. Sarah Legner herausgegebene Kommentar aus dem Nomos-Verlag.

Dr. Amélie Heldt, die auch an dem demnächst erscheinenden DSA/DMA-Kommentar von Mast/Kettemann/Dreyer/Schulz mitwirkt, und Prof. Dr. Legner von der EBS Universität Wiesbaden haben ein Team von insgesamt 13 Autorinnen und Autoren zusammengestellt, die weit überwiegend aus der Wissenschaft kommen.

Von besonderem Interesse für mich sind natürlich die Kommentierungen zu §§ 7 und 8 DDG, beide behandelt von Dr. Alexander Schiff (Bundesministerium der Justiz). Sie regeln im mit „Rechtsverletzungen von Nutzern“ überschriebenen Teil 3 des DDG einerseits die beschränkte Verantwortlichkeit und andererseits den Anspruch auf Sperrung bei Rechtsverletzungen und übernehmen insoweit – in Ergänzung von Art. 4 ff. DSA – die Regelungen von § 8 Abs. 1 TMG (Erstreckung der Haftungsprivilegierung bei Access Providern auf den Unterlassungsanspruch und den Ersatz von Abmahnkosten, vgl. dazu Mantz, GRUR 2017, 969  (970 ff.)), § 8 Abs. 4 TMG aF (Beschränkung von behördlichen Maßnahmen gegenüber WLAN-Betreiber) und § 7 Abs. 4 TMG aF (Anspruch auf Websperren, vgl. dazu zuletzt BGH, Urt. v. 13.10.2022 – I ZR 111/21, GRUR 2022, 1812 – DNS-Sperre; OLG München, Urt. v. 18.4.2024 – 29 U 3592/19, GRUR 2024, 1219 – goldesel.to). Schiff ist, was die Regelungen angeht, unter Rückgriff auf die bisher erschienene Literatur durchaus kritisch, dennoch geht er insbesondere mit Blick auf die Erstreckung der Privilegierung auf Unterlassungsansprüche und damit den Ausschluss auch von Ansprüchen aus Störerhaftung davon aus, dass § 7 Abs. 3 DDG mit dem DSA vereinbar ist, weil Art. 4 Abs. 3 DSA nur eine Mindestvoraussetzung statuiere (§ 7 Rn. 18; § 8 Rn. 1). Die Kommentierung des Sperranspruchs gegen Access Provider in § 8 ist gelungen. Sie stellt gerade unter Berücksichtigung der aktuellen BGH-Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 13.10.2022 – I ZR 111/21, GRUR 2022, 1812 – DNS-Sperren) die Voraussetzungen einer Sperre, aber auch die systematischen und rechtspolitischen Probleme praxisnah dar. Der Gesetzgeber hat insbesondere bis heute nicht sinnvoll erklären können, warum die Haftungsprivilegierung des Art. 4 DSA und § 7 Abs. 3 DDG auch Persönlichkeitsrechtsverletzungen, der als Ausgleich zu § 7 Abs. 3 DDG gedachte Sperranspruch nach § 8 Abs. 1 DDG jedoch nur bei Verletzungen des Rechts am Geistigen Eigentum greifen soll, nicht aber beim Vorgehen gegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Das ist eine schon unter dem TMG bestehende Unwucht (vgl. dazu schon Spindler, CR 2017, 262 (265); Spindler, NJW 2017, 2305 (2306); Mantz, EuZW 2016, 817 (820); Mantz, GRUR 2017, 969 (972)), die der Gesetzgeber bei der Transformation ins DDG durchaus hätte beseitigen können. Hierauf weist Schiff zu Recht erneut hin.

Weiterhin von hoher praktischer Relevanz sind die inhaltsgleich in § 5 DDG (ehemals § 5 TMG) überführten Informationspflichten, eher bekannt unter dem Stichwort „Impressumspflicht“, die Dr. Michael Denga (Humboldt-Universität zu Berlin) kommentiert.

In der aktuellen Diskussion seit einiger Zeit angekommen ist auch das Herkunftslandprinzip aus Art. 3 der E-Commerce-Richtlinie und zuvor § 3 Nr. 2 TMG, die jetzt in § 3 DDG ausgeformt wird. Mit der Entscheidung „Google/KommAustria“ (EuGH, Urt. v. 9.11.2023 – C-376/22, GRUR 2024, 65; dazu eingehend Mantz, GRUR 2024, 34) und neueren Entscheidungen (u.a. EuGH, Urt. v. 30.5.2024 – C-662/22, C-667/22, GRUR 2024, 1050 – Airbnb, Amazon/Autorità) hat der EuGH festgestellt, dass nationale, abstrakt-generelle Regelungen (also praktisch jedes allgemeine Gesetz) sich am Herkunftslandprinzip messen müssen. Der EuGH hat damit (im Ergebnis bzw. mittelbar) weite Teile des NetzDG für Dienste mit Sitz im europäischen Ausland für unwirksam erklärt (vgl. dazu Mantz, GRUR 2024, 34 (35)). Diese Vorschriften (insbesondere die Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten im Inland, vgl. § 5 NetzDG) hat der Gesetzgeber dementsprechend nicht ins DDG übernommen. Gerdemann stellt die Anforderungen und Folgen des Herkunftslandprinzips inklusive der vielen Streitstände auf insgesamt 54 Randnummern sehr verständlich und trotzdem kurz und bündig dar.

Die weiteren Vorschriften des DDG betreffen – wie oben dargestellt – überwiegend die Durchsetzung des DSA durch die Bundesnetzagentur als zuständige Behörde und Koordinierungsstelle für digitale Dienste (§§ 12 ff. DDG), wobei nach § 12 Abs. 2 und 3 DDG zum Teil auch die Landesaufsichtsbehörden und nach § 13 DDG das Bundeskriminalamt weiterhin zuständig sind. Dieses Verhältnis und die jeweiligen Aufgaben und das innere Verhältnis gemäß den Regelungen der §§ 12 ff. DDG insbesondere mit Blick auf die Kompetenzregelungen des GG arbeiten Biermeier (§§ 12-15; Universität Passau), Broemel (§§ 16-18; Universität Frankfurt a.M.), v. Lewinski (§§ 19, 20) und Heldt (§ 21) auch für den Nicht-Verwaltungsrechtler verständlich auf. Interessant ist schließlich auch die Regelung in § 28 DDG zur Information der Öffentlichkeit durch die Koordinierungsstelle über die Umsetzung des DSA und der P2B-VO. Wischmeyer und Meißner (beide Universität Bielefeld) ordnen die Grundlagen und Grenzen dieser Information im zugrundeliegenden grundrechtlichen Spannungsfeld lesenswert ein.

Insgesamt wirkt der Kommentar, gerade auch angesichts der durchaus unterschiedlichen Regelungsmaterien mit Herkunftslandprinzip, Informationspflichten, Regelungen und Rechtsverletzungen einerseits und dem Aufbau und der Regelung behördlicher Strukturen, also einem Querschnitt durch zivil- und öffentlich-rechtliche Materien, absolut rund. Mit seinen rund 360 Seiten geht er auf die wesentlichen Punkte ein und ermöglicht durch die jeweils der Kommentierung vorangehende einleitenden und einordnenden Erörterungen und nicht zuletzt durch das umfangreiche Stichwortverzeichnis die schnelle Durchdringung der Regelungen sowie ihre praktische Anwendung.

Zusammenfassend lässt sich damit sagen, dass das Werk sowohl für den Praktiker als auch im Bereich der Wissenschaft eine definitiv lohnende Anschaffung ist.

364 Seiten, 99 EUR

Nomos, Baden-Baden

(Transparenzhinweis: Der Nomos-Verlag hat mir zum Zweck der Rezension ein Exemplar des Werks kostenlos zur Verfügung gestellt.)

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