Ich möchte auf eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt hinweisen, in dem sich das OLG Frankfurt mit der Frage befasst hat, ob derjenige, der einen Beitrag eines Dritten bei Facebook „teilt“, für den Inhalt dieses Beitrages einzustehen hat, weil er sich diesen „zu eigen“ macht (OLG Frankfurt, Urteil vom 26.11.2015 – 16 U 64/15).
Das OLG Frankfurt sieht im Teilen eines Beitrages eher einen Hinweis an andere Nutzer auf den geteilten Inhalt. Insoweit führt es u.a. aus:
„Der Verfügungsbeklagte kann ferner nicht mit seinem Vortrag überzeugen, dass nach ständiger Rechtsprechung das „Verlinken“ zu einem „zu Eigen machen“ des verlinkten Beitrags führe.
Diese Rechtsprechung ist nach Ansicht des Senats nicht auf die Funktion „Teilen“ bei Facebook anwendbar. Soweit erkennbar, waren die angerufenen Gerichte regelmäßig mit wettbewerbsrechtlichen, urheberrechtlichen und presserechtlichen Problemstellungen befasst (vgl. Hoeren, GRUR 2011, 503; Hoffmann in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl. 2015, § 7 TMG Rdnr. 16 ff. m.w.N.). Sie hatten zu entscheiden, ob der „illegal“ Verlinkende urheberrechtlich, wettbewerbsrechtlich oder presserechtlich zur Verantwortung zu ziehen ist.
Im vorliegenden Fall geht es aber gerade nicht um eine solche Verantwortlichkeit des Verfügungsklägers, sondern vielmehr um die Frage, ob er durch das Teilen des Beitrags der Tierschützerin … dänische Hunde mit Juden verglichen hat.
Bei der Funktion „Teilen“, die zwar dem „Verlinken“ in technischer Sicht ähnlich ist, handelt es sich vielmehr um eine Möglichkeit, auf private Inhalte anderer Nutzer hinzuweisen. Anders als bei der Funktion „gefällt mir“ (vgl. hierzu z.B. Bauer, Kündigung wegen beleidigender Äußerungen auf Facebook, NZA 2013, 67, 71) ist dem „Teilen“ für sich genommen keine über die Verbreitung des Postings hinausgehende Bedeutung zuzumessen.
Abgesehen davon ist auch nach der oben genannten Rechtsprechung mit einer Verlinkung nicht zwingend ein „zu-Eigen-machen“ des verlinkten Inhalts verbunden. Der „Verlinkende“ als Verbreiter des Inhalts macht sich eine fremde Äußerung vielmehr regelmäßig erst dann zu Eigen, wenn er sich mit ihr identifiziert und sie so in den eigenen Gedankengang einfügt, dass sie als seine eigene erscheint. Ob dies der Fall ist, ist mit der im Interesse der Meinungsfreiheit und zum Schutz der Presse gebotenen Zurückhaltung im Einzelfall zu prüfen (vgl. BGH, Urteil v. 17.12.2013, NJW 2014, 2029, 2032).
Nach Auffassung des Senats wollte der Verfügungskläger das Posting der Frau … durch das Teilen des Beitrags weiter verbreiten, ohne sich allerdings zugleich mit dem gesamten Inhalt des Postings, insbesondere mit dem von Frau … vorgenommenen Vergleich, zu identifizieren.“
Der bei Twitter häufiger anzutreffende Hinweis „Retweet is not endorsement“ (RT? endorsement) ist – wenn man die Äußerungen des OLG Frankfurt zu Grunde legt – also unnötig. Man kann nämlich auch einen Post eines Dritten „teilen“ oder „retweeten“, um andere auf eine Diskussion oder auf eine bestimmte Position in einer Diskussion hinzuweisen, selbst wenn man die in dem geteilten Beitrag vertretene Auffassung gerade nicht teilt oder unterstützt. Dem OLG Frankfurt ist auch beizupflichten, dass es einen Unterschied zwischen „Teilen“ und „Gefällt mir“ gibt (wobei dies übertragen auf Twitter problematischer ist, da die „Like“-Funktion dort bis vor kurzem als „Favorite“ bezeichnet wurde und von einigen nicht als Ausdruck des Gefallens, sondern als eine Art „Bookmark“ für sich selbst genutzt wurde/wird).
„RT? endorsement“ ist daher nach Auffassung des OLG Frankfurt der Standard, nicht die Ausnahme.
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