I. Einleitung
Die Diskussion um WLAN-Netze, speziell um die Haftungssituation rund um den offenen Betrieb von WLAN-Netzen, hat im Jahr 2012 einiges an Aufmerksamkeit erlangt. Im Laufe des Jahres 2012 sind verschiedene Gesetzesinitiativen bekannt geworden, die das Problem der Störerhaftung beim Betrieb offener WLANs lösen oder wenigstens mildern sollten (s. dazu hier, hier und hier).
Am 25.10.2012 diskutierte der Bundestag über den Gesetzesentwurf der SPD (s. die zum Protokoll gegebenen Reden, Plenar-Protokoll 17/2011, S. 276), wobei auch über den Entwurf der LINKEN (basierend auf einem Vorschlag des Digitale Gesellschaft e.V.) diskutiert wurde (zusammenfassend Beckedahl, Störerhaftung im Bundestag, Netzpolitik.org v. 26.10.2012).
In diesem Zusammenhang äußerte sich der CDU/CSU-Bundestagsabgeordnete Lämmel, dass „die Notwendigkeit von WLAN-Angeboten für den öffentlichen Raum bald nachlassen“ werde, da der Ausbau des auch als 4G bezeichneten LTE-Standards den Bedarf an mobilen Datenverbindungen befriedigen werde (Plenar-Protokoll 17/2011, S. 276, 277):
Neben diesen rechtlichen Aspekten wird aber das Potenzial des offenen WLAN überschätzt. Die große Mehrheit der Nutzer nutzt UMTS, 3G, als mobile Datenverbindung. Hier könnten WLAN zwar potenziell die Mobilfunknetze entlasten. Allerdings bauen die Mobilfunkunternehmen gerade den nächsten Standard des Mobilfunks LTE,4G, aus. LTE kann – noch theoretisch –Bandbreiten erreichen, welche die Leistungen der DSL-Anschlüsse, die ja auch die Grundlage für WLAN-Router bieten, übertreffen. Zusätzlich entlastet ein auf den LTE-Standard aufgerüstetes Mobilfunknetz auch den bisherigen Standard UMTS und wird auch im UMTS-Netz die Leistungen verbessern. Vermutlich wird die Notwendigkeit von WLAN-Angeboten für den öffentlichen Raum bald nachlassen.
Tatsächlich geht der Trend – trotz des fortschreitenden Ausbaus von LTE – genau in die entgegen gesetzte Richtung: Die Bedeutung von öffentlichen WLAN-Netzen steigt zunehmend und wird vermutlich auch mittelfristig steigen. Nachfolgend sollen Beispiele aufgezeigt werden, die diesen Trend belegen.
I. Entwicklungen im Frequenzbereich und beim Verkauf von WLAN-Gadgets
Zunächst ist festzustellen, dass der generelle Bedarf an (nicht zwingend öffentlichen) WLAN-Netzen sich an einfachen Beispielen tatsächlich und kommerziell nachvollziehen lässt.
1. Wer sein Laptop an einem praktisch beliebigen Ort einer Stadt aufklappt, wird schnell feststellen, dass rund um ihn herum eine Vielzahl an (meist privaten und verschlüsselten) WLANs betrieben wird. Dieser Trend der Verstopfung („Clogging“) des für WLANs verfügbaren Spektrums hat dazu geführt, dass neben den Frequenzen im Bereich 2,4 GHz (Standard 802.11b/g/n) zusätzliche Frequenzen im Bereich von 5GHz freigegeben wurden (zu den Kanälen und Frequenzen hier), die seit einigen Jahren auch in WLAN-Routern für Privatnutzer Verwendung finden.
2. Zusätzlich lässt sich beobachten, dass sich Geräte, die nur über WLAN Kontakt zur Außenwelt aufnehmen, anhaltender Beliebtheit erfreuen. Apple beispielsweise bietet seine iPads sowohl mit als auch ohne 3G an, ebenso sind iPods nur über WLAN angebunden. Generell werden noch immer viele Tablets verkauft, die außer WLAN (und ggf. Bluetooth) keinerlei Mobilfähigkeiten aufweisen. Sobald der Nutzer eines solchen Geräts sich aus seinem heimischen Bereich entfernt (und genau dafür sind die mobilen Geräte gedacht), ist er auf ein für ihn zugängliches, idealerweise öffentliches WLAN angewiesen.
II. Data-Offloading
Nach der Studie „Trendmonitor 2013“ von Goldmedia werde das Datenvolumen über mobile Datennetze bis 2016 im Vergleich zu 2011 (mindestens) um das 18-Fache steigen. Dies lässt sich leicht nachvollziehen, wenn man sich vergewärtigt, dass immer mehr Menschen mobil ins Internet gehen. Zusätzlich ändern sich auch die Gewohnheiten der mobilen Nutzung. So werden zunehmend auch mobil größere Datenmengen wie Videos ( hier zum Anteil von Streaming-Diensten am Gesamt-Datenverkehr), Bilder etc. versandt und es werden Peer-to-Peer-Techniken wie z.B. Skype verwendet.
Diese Datenmenge könnten auch neue Entwicklungen in Mobilfunkstandards nicht auffangen, so Trendmonitor weiter. Daher sei es erforderlich, diese Datenmenge über öffentliche WLANs „abzuleiten“ (sog. Data Offloading):
Data Offloading heißt deshalb das Stichwort: Der Mobilfunktraffic wird auf bestehende Infrastrukturen – zum Beispiel auf vorhandene Festnetz-Internetanschlüsse per WLAN – verschoben. Dabei bieten sich zwei Wege: Entweder per Aggregation privater Anschlüsse (wie bei FON) oder über professionelle WLAN-Infrastrukturen (wie die KDG im Berliner Public Wifi-Projekt).
Quelle: Trendmonitor
Im Fon-Blog heißt es dann auch:
WiFi-Offloading is the solution
Quelle: Fon-Blog
Ebenso beurteilt dies Alex Puregger, COO des Unternehmens FON, das entsprechende WLAN-Infrastrukturen über die Internet-Anschlüsse von Privaten (sog. Foneros) anbietet:
Nowadays, operators simply cannot afford to not have a wifi strategy, first because they know that with all of the connected devices currently around, and all of the data-heavy applications that are coming to market, there will soon be a ‘data tsunami’ that simply cannot be handled by 3G or 4G. Second, because customers want wifi connectivity since a number of their favorite gadgets come in wifi-only versions.
Er erläutert auch, dass sich WLAN-Hotspots massiv wandeln würden, um dieses Data-Offloading für den Kunden zu ermöglichen:
In a few years, connecting to a wifi hotspot will be completely different from what we’re used to. In a few years, wifi hotspots will behave much like mobile networks do nowadays, in the sense that seamless auto-connection will be the standard. For the end user, it will be a world of difference because they will be connected and able to load all of their applications at all times, so their home experience will be with them wherever they go. In fact, they will not even be able to tell wifi , 3G and 4G networks apart, they will have incredible download speeds wherever they go, and it will just work.
Achim Möhrlein, Geschäftsführer der The Cloud Networks Germany GmbH München unterstützt diese Thesen und beschreibt dies wie folgt:
Die Grundproblematik ist folgende: Jeder möchte heutzutage auch unterwegs mobil sein und sich informieren oder unterhalten lassen. Durch die steigende Anzahl von Smartphones und TabletPCs sowie die wachsende Nachfrage nach breitbandigen Applikationen, wie Video- und Audio-Streaming, kommen unsere Mobilfunknetze besonders in hoch frequentierten Lagen leicht an ihre Belastungsgrenzen. Teure Handy-Roaming-Gebühren für Touristen, die beispielsweise lokale Apps für Einkaufs- oder Städtetouren nutzen wollen, sind auch nicht besonders „city-freundlich“.
In Karlskrona – in Schweden als „Netzwerk des Jahres“ ausgezeichnet – resultieren aus dem City WLAN nicht nur Vorteile für Bürger und Touristen, sondern auch Marketingmöglichkeiten für ansässige Geschäfte und Restaurants sowie den Geschäfts- und Wissenschaftspark und die Universität. So steht allen Studenten auf dem Campus ein kostenloser Internet-/Intranet-Zugang zur Verfügung. In Geschäften und Restaurants können Gäste 60 Minuten lang kostenlos surfen und danach – ohne Unterbrechung – das mobile Internet kostenpflichtig weiter nutzen. Gewerbeeinheiten haben außerdem den Vorteil, dass sie Kredit- und EC-Karten-Lesegeräte über WLAN betreiben können. Die Stadt erhält durch das Netz einen echten Standortmarketing-Vorteil und kann sich von anderen Städten positiv abheben.
Die technischen Lösungen hierfür haben die Hersteller jedenfalls schon parat, wie z.B. ein WhitePaper von Motorola oder die Angebote von Greenpacket und Aptilo zeigen.
Im Juni 2012 fand speziell zu dieser Thematik sogar eine Konferenz statt.
Ganz diesem Trend folgend hat die Telekom kürzlich bekannt gegeben, dass sie sich an FON beteiligen wird. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Telekom insbesondere daran interessiert ist, Daten ihrer Mobilfunkkunden über die WLAN-Knoten von FON „offzuloaden“.
S. im übrigen auch Suryana, Mobile Data Offloading: Femtocell vs Wifi
III. Kommunale und kommerzielle Netze
Die zunehmende Bedeutung von WLAN-Netzen zeigt sich auch daran, dass in Deutschland – trotz der weiterhin bestehenden Rechtsunsicherheiten – zunehmend öffentliche WLAN-Netze betrieben und neu aufgebaut werden – sowohl kommerzielle wie auch kommunale, die die bereits bestehenden durch Privatpersonen aufgebauten Netze (insb. Freifunk und ähnliche Projekte) ergänzen.
Nachfolgend sollen einige davon genannt werden (nicht abschließend, Ergänzungen/Updates gerne an mich per E-Mail oder in den Kommentaren):
1. Kommunale Funknetze
- Viel Aufmerksamkeit hat die Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung Potsdam von Dezember 2012 erhalten, öffentliche Gebäude für den Aufbau eines öffenlichen WLAN zur Verfügung zu stellen.
- Auch in Berlin wird derzeit (wieder) der Aufbau eines WLAN-Netzes diskutiert, wobei sowohl kommerzielle wie auch private Interessen Berücksichtigung finden sollen, ein Pilotprojekt, das von Kabel Deutschland betrieben und von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) gefördert wird, existiert bereits.
- Im Bürgeramt Kreuzberg ist seit Dezember 2012 ein öffentliches WLAN-Netz verfügbar, wobei auf dem Bürgerhaus kein eigener Internetzugang besteht, sondern dieser über das Freifunk-Netz hergestellt wird
- In Hamburg wird ebenfalls über ein WLAN-Netz diskutiert.
- Leipzig prüft derzeit den Aufbau eines öffentlichen WLAN (Stand: 20.2.2013)
2. Kommerzielle Funknetze
Hinzu kommen eine Vielzahl privat aufgebauter öffentliche Funknetze:
- Die Wall AG hat an mehr als 20 Standorten der Berliner Innenstadt WLAN-Hotspots aufgestellt, zusätzlich betreibt sie WLANs in weiteren Städten, darunter Freiburg.
- Seit März 2011 betreiben die Firmen Basecom und Osnatel sowie die Stadtwerke Osnabrück ein öffentliches WLAN-Netz, das 2012 erweitert wurde
- München Wireless/The Cloud betreibt seit Anfang 2011 ein WLAN-Netz in München.
- Bundesweit tätig sind ferner die Anbieter Hotsplots und Fon, die auf der Öffnung privater (und gewerblicher) Internetzugänge basieren.
3. Private Funknetze
- Als Vorreiter für Offene Netze steht das Community-Projekt Freifunk, das als dezentrales Projekt in verschiedenen Städten aktiv ist (nicht vollständige Übersicht hier). Mein Eindruck ist, dass in letzter Zeit auch wieder ein deutlich zunehmendes Interesse und ein entsprechendes Wachstum zu verzeichnen ist.
- Aus der Freifunk Community ist auch die Freedom Fighter Box hervorgegangen. Ca. 100 solcher WLAN-Router sind in Berlin verteilt worden.
- Die Piratenpartei hat das Freifunk-Konzept übernommen und baut ebenfalls entsprechende Netze unter dem Label „Piratenfreifunk“ auf.
- Bereits seit 2005 betreibt der Opennet Initiative e.V. ein WLAN mit ca. 160 Teilnehmern.
- Seit 2012 stellt auch der Förderverein Bürgernetz Dresden e.V. ein WLAN zur Verfügung.
IV. Fazit
Die These, „WLAN wird überschätzt“ dürfte daher – jedenfalls für die nächsten Jahre widerlegt sein. Umso mehr ist – wohl entgegen der Auffassung des Bundestagsabgeordneten Lämmel – ein erheblicher Bedarf für eine gesetzliche Klärung der noch immer bestehenden Rechtsfragen bzw. eine Beseitigung der entsprechenden Rechtsunsicherheit.
Hinweise zu anderen WLAN-Netzen oder Erfahrungen mit den dargestellten oder anderen gerne per E-Mail oder in den Kommentaren.
Update (21.2.2013): Leipzig zu den kommunalen Netzen hinzugefügt.
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