Lesetipp: Roggenkamp, Anm. zu LG Köln Beschl. v. 10.1.2011 – 28 O 421/10: Haftung bei Filesharing, jurisPR-ITR 3/2011 Anm. 6

Roggenkamp hat in der jurisPR-ITR eine Filesharing-Entscheidung des LG Köln kritisch untersucht:

Interessant ist, dass (und wie) das LG Köln explizit auf die Adäquanz des Handelns eingeht:

Wenn der Beklagte Dritten, auch und gerade Mitgliedern seines Haushalts, innerhalb des Haushalts Computer und einen Internetzugang zur Verfügung stellt und ihnen dadurch die Teilnahme an der Musiktauschbörse ermöglicht, dann war dieses willentliche Verhalten adäquat kausal für die Schutzrechtsverletzung. Jedenfalls seit dem Auftreten der Filesharing-Software „T“ im Herbst 1999 ist derartiges auch nicht mehr ungewöhnlich und wird insbesondere und gerade von Jugendlichen vielfältig in Anspruch genommen. Durch die gesetzgeberischen Bemühungen, dem entgegenzuwirken, und dem verstärkten Tätigwerden der Strafverfolgungsbehörden ist dieser Umstand in den letzten Jahren auch nachhaltig in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt worden. Diese Diskussion wird in den Medien bis zum heutigen Tag regelmäßig zum Gegenstand der Berichterstattung gemacht. Vor diesem Hintergrund kann niemand die Augen davor verschließen, dass das Überlassen eines Internetzugangs an Dritte die nicht unwahrscheinliche Möglichkeit mit sich bringt, dass von diesen derartige Rechtsverletzungen begangen werden. Dieses Risiko löst Prüf- und Handlungspflichten desjenigen aus, der den Internetzugang ermöglicht, um der Möglichkeit solcher Rechtsverletzungen vorzubeugen.

Vgl. zur Bekanntheitsproblematik (allerdings im Zusammenhang mit § 823 BGB) auch Mantz, K&R 2007, 566.

Das LG Köln hatte insbesondere die Anforderungen an die Handlungspflichten des Anschlussinhabers sehr hoch angesetzt:

  • Ausdrückliches Untersagen des Herunterladens von urheberrechtlich geschützten Werken
  • Sperrung aller Ports bis auf Port 80 nicht ausreichend
  • Firewall
  • spezielle Modems (was auch immer damit gemeint ist)

Hiernach hätte es dem Beklagten nicht nur oblegen, den zugangsberechtigten Dritten ausdrücklich und konkret zu untersagen, Musik mittels Filesharing-Software aus dem Internet herunterzuladen. Er hätte auch weiterhin wirksame Maßnahmen zur Verhinderung der Rechtsverletzungen ergreifen müssen. Hierzu war er als Inhaber des Internetanschlusses auch unzweifelhaft in der Lage. So hätte ein eigenes Benutzerkonto mit beschränkten Rechten eingeräumt werden können.Des Weiteren wäre auch die Einrichtung einer wirksamen „firewall“ möglich und zumutbar gewesen, durch die die Nutzung einer Filesharing-Software verhindert werden kann (vgl. auch LG Hamburg ZUM 2006, 661). Auch andere technische Möglichkeiten, wie die Nutzung bestimmter Modems hat der Beklagte nicht dargelegt (vgl. hierzu insgesamt bestätigend, zuletzt, OLG Köln, Beschluss vom 11.09.2009, Az. 6 W 95/09). Der Vortrag des Beklagten, es sei lediglich der Port 80 des Modems freigegeben gewesen, führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis, da der Beklagte nicht hinreichend dargelegt hat, dass diese Freigabe lediglich durch ihn zu ändern gewesen wäre.

Roggenkamp schreibt zu dem Urteil u.a.:

In der Sache ist die Bezugnahme auf die o.g. „Sommer unseres Lebens“-Entscheidung des BGH als Beleg dafür, dass die Ermittlung von IP-Adressen durch die schweizer Firma Logistep (http://www.logistepag.com/) „ordnungsgemäß“ erfolgt sei, problematisch. Der BGH hat lediglich als erwiesen angesehen, dass die Logistep AG IP-Adressen mit Hilfe einer „zuverlässigen und eingehend überwachten Software“ ermittelt. Einer rechtlichen Überprüfung hat der BGH das „IP-Adressenermittlungsverfahren“ nicht unterzogen.

Mit berechtigter Skepsis sind sodann den Ausführungen des LG Köln zu den notwendigen und den tatsächlich getroffenen Sicherungsmaßnahmen des Anschlussinhabers zu begegnen.

Diese Maßnahme dürfte in den meisten Fällen dazu führen, dass eine Tauschbörse de facto nicht mehr nutzbar ist. Sollte ein Nutzer es schaffen, diese Sperre zu „umgehen“, würde er sich zwar bei Tauschbörsen einloggen, jedoch regelmäßig (z.B. auf Grund einer sog. „Low ID“) nicht oder nur mit unsäglich langsamer Geschwindigkeit Filesharing betreiben können. Diese sehr konkrete Maßnahme, die von anderen Gerichten mitunter explizit gefordert wird (vgl. z.B. LG Hamburg, Beschl. v. 25.11.2010 – 310 O 433/10; vgl. auch bereits Mantz, MMR 2006, 764, 765), reichte dem LG Köln aber erstaunlicherweise nicht aus (obwohl eine Firewall im Wesentlichen ähnlich wirkt).

Weiter will Roggenkamp diese Pflichten – zu Recht – viel stärker einschränken und verweist auch auf die Kopierläden-Entscheidung des BGH:

Nach hier vertretener Auffassung ist der Anschlussinhaber „lediglich“ verpflichtet, seinen Anschluss – z.B. durch ein hinreichend sicheres Passwort – gegen den Zugriff unbekannter Dritter abzusichern. Gewährt er Dritten Zugriff auf das Internet über seinen Anschluss, erschöpfen sich die zu treffenden weiteren „Sicherheitsvorkehrungen“ auf eine allgemeine Ermahnung, keine Rechtsverletzungen über den Anschluss vorzunehmen (vgl. bereits Roggenkamp, jurisPR-ITR 12/2006 Anm. 3).

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