LG Hamburg, Urteil v. 31.07.2009, Az. 325 O 85/09
Das LG Hamburg hat wieder einmal seine strikte Linie bei der Störerhaftung unter Beweis gestellt (s. dazu schon hier). Mit Urteil vom 31.7.2009 – Az. 325 O 85/09 hat es zur Störerhaftung des Webhosting Providers Stellung genommen und ihn im Grunde verpflichtet, bei jeder Mitteilung einer Rechtsverletzung durch (tatsächliche oder behauptete) Rechtsinhaber für eine Sperrung zu sorgen.
Das Urteil geht viel zu weit. Denn das LG Hamburg hat u.a. festgestellt:
„Ohne größeren technischen Aufwand lässt sich durch eine Firewall oder einen Proxyserver, Einrichtungen, die die Server der Beklagten vor unerlaubten Zugriffen von außen schützen, der Abruf bestimmter Internet-Seiten verhindern. So lässt sich auch der Zugriff auf die Seite verhindern, die das streitgegenständliche Urteil des Amtsgerichts Kassel enthält bzw. enthielt. Hierzu wäre anhand einer einzurichtenden technischen Regel (z. B. in einer access list) der Abruf der das streitgegenständliche Urteil enthaltenden Internet-Seite zu verhindern, indem — technisch ausgedrückt — der http-request, mit dem die Seite aufgerufen wird, nicht zu dem die Seite bereit haltenden Server durchgelassen, sondern etwa mit einer Fehlermeldung beantwortet wird.“
Mit anderen Worten ist nach Ansicht des LG Hamburg neuerdings jeder Provider verpflichtet, ALLE Maßnahmen zu ergreifen, um eine Störung zu verhindern. Das LG Hamburg erlegt also dem mittelbaren Störer die gleichen Pflichten auf wie dem unmittelbaren Störer. Das widerspricht aber der Rechtsprechung des BGH (s. insb. BGH Internetversteigerung I-III), der nur ZUMUTBARE Maßnahmen – in Form von Prüfungs- und Überwachungspflichten – verlangt.
Vorliegend wäre es wohl ausreichend gewesen, dass der Webhoster seinem Kunden die Abmahnung des Klägers weitergeleitet und ihn zur Beachtung aufgefordert hätte. Denn dem Kläger wäre es ohne weiteres möglich gewesen, den unmittelbaren Störer auf Entfernung der beanstandeten Inhalte (hier eines gerichtlichen Urteils mit dem Namen des Klägers im Klartext) in Anspruch zu nehmen. Das geht bei Gericht über eine einstweilige Verfügung (bei entsprechender Rechtslage) innerhalb 1-3 Tagen.
Das LG Hamburg sorgt mit dieser Rechtsprechung dafür, dass zum einen die rechtliche Prüfung, die ansonsten den Gerichten obliegt, voll und ganz auf den Provider übergeht und dieser zum anderen – schon aufgrund des Haftungsrisikos und ökonomischer Zwänge (s. dazu bei Telemedicus) immer die Inhalte entfernen wird – unabhängig von der tatsächlichen Rechtslage.
Damit zwingt das LG Hamburg den Provider aber, sich zu entscheiden: Sperrt er die Inhalte, ohne dass dafür ein rechtlicher Grund besteht, verhält er sich gegenüber seinem Kunden vertragswidrig und macht sich schadensersatzpflichtig. Sperrt er nicht, riskiert er eine kostenpflichtige Abmahnung. Da sich der Schadensersatzanspruch des Kunden in aller Regel auf nur geringe Beträge beziffern dürfte (falls er überhaupt nachweisbar ist), und im konkreten Fall selbst eine Jahresgebühr für das Webhosting deutlich unter den drohenden Anwaltskosten für die Abmahnung liegen dürften, wird sich der Provider immer gegen seinen Kunden entscheiden, auch wenn er damit dessen Kündigung riskiert.
Damit zwingt das LG Hamburg den Provider mit dieser Rechtsprechung in den Vertragsbruch – das kann nicht gewollt sein.
Weitere Besprechungen:
Volltext mit Leitsätzen bei JurPC und Telemedicus.
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