LG Frankenthal: Beweisführung beim Auskunftsanspruch nach § 101 UrhG

LG Frankenthal, Beschl. v. 6.3.2009 – 6 O 60/09

Das LG Frankenthal hat ausführlich zum Auskunftsanspruch nach § 101 UrhG Stellung genommen (Volltext s.u.). Interessant ist, dass es auch auf die Beweisführung eingegangen ist (s. dazu eingehend Gietl/Mantz, CR 2008, 810, 815 ff., BibTex-Eintrag hier) und sich näher mit Hash-Werten beschäftigt hat.

Ein weiterer sehr interssanter Gesichtspunkt ist, dass das Angebot einer unvollständigen Datei (was beim Filesharing sehr häufig passiert, solange man selber noch herunterlädt) nach Auffassung des LG Frankenthal richtigerweise gegen das Vorliegen eines gewerblichen Ausmaßes spricht. Denn auch im Geschäft würde man sich ja nur mit dem ganze Produkt, nicht aber nur einzelnen Teilen davon zufrieden geben.

S. auch: Weitere Meldungen zu § 101 UrhG

Hier das Urteil im Volltext:

Leitsätze (nicht amtlich):

  1. Das gewerbliche Ausmaß nach § 101 UrhG einer Rechtsverletzung ist in jedem Einzelfall zu prüfen.
  2. Wird nur ein Bruchteil einer Datei angeboten, spricht dies gegen das Vorliegen eines gewerblichen Ausmaßes.
  3. Zur Beweisführung mit Hash-Werten von Dateien.
  4. Die gesamten Kosten des Verfahrens nach § 101 UrhG trägt (zunächst) der Antragssteller.

Tenor

1. Der Antrag wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist ein auf Marketing und Vertrieb von Computerspielen spezialisiertes Unternehmen; bei der Beteiligten zu 2) handelt es sich um einen bekannten Internet-Provider.

Die Antragstellerin macht geltend, die ausschließlichen Nutzungsrechte an einem von einem US-Amerikanischen Unternehmen (G. Entertainment) entwickelten, seit 6. Februar 2009 im Handel erhältlichen Computerspielprogramm namens „X.“ zu besitzen. Das sog. „Anti-Piracy-Unternehmen“ L. AG aus der Schweiz hat im Auftrag der Antragstellerin festgestellt, dass am 19. bzw. 20. Februar 2009 drei verschiedene Internetnutzer unter den in dem als Anlage AS 3 vorgelegten Datenblatt (Bl. 29 d.A.) angeführten IP-Adressen eine als „www.torrent.to…X…“ bezeichnete Datei bzw. Bruchteile hiervon über eine sog. Tauschbörse anderen Nutzern des Internets zum Herunterladen angeboten und damit öffentlich zugänglich gemacht haben.

Die Antragstellerin trägt vor, dass es sich bei der genannten Datei um eine Version des oben näher bezeichneten Spieleprogrammes handle. Dies stehe aufgrund des von der L. AG ermittelten „Hashwertes“ fest, der aufgrund einer mathematischen Funktion die eindeutige Identifizierung der Datei ermögliche. Der Umstand, dass die in der Anlage AS 3 aufgelisteten Hashwerte teilweise nicht identisch seien, lasse sich damit erklären, dass auch der jeweilige Inhalt der Dateien aufgrund marginaler Änderungen unterschiedlich, das „Endprodukt“ jedoch dasselbe sei.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass ihr ein Auskunftsanspruch gegen die Antragsgegnerin aufgrund der Vorschrift des § 101 Abs. 9 iVm Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG zustehe. Die Rechtsverletzung sei offensichtlich, wobei es im Rahmen der hier begehrten Auskunft nicht darauf ankomme, ob diese durch die Inhaber der jeweiligen Internetanschlüsse erfolgt sei. Die sich hinter den mitgeteilten IP-Adressen verbergenden Nutzer hätten zudem – sofern dies für den von ihr geltend gemachten Anspruch überhaupt Voraussetzung sei – in gewerblichem Ausmaß gehandelt, indem sie die eingangs genannte Datei anderen Internetnutzern zum Download zur Verfügung gestellt hätten. Das ergebe sich hier aus dem Umstand, dass es sich bei der zum Herunterladen bereit gestellten Datei um ein besonders umfangreiches, erst vor kurzem veröffentlichtes Programm handle und die Verletzung ihrer Rechte daher besonders schwer wiege.

Die Antragstellerin beantragt, der Beteiligten zu 2) zu gestatten, der Antragstellerin unter Verwendung der vorhandenen Verkehrsdaten im Sinne des § 3 Nr. 30 TKG Auskunft zu erteilen über Vorname, Name, Straße, Hausnummer sowie Postleitzahl und Ort derjenigen Internetnutzer, denen zur angegebenen Zeit die angegebene IP-Adresse zugewiesen war:

89.13.10.192 19.02.2009 22:31:39 MEZ …

77.188.166.205 19.02.2009 22:47:05 MEZ …

93.128.31.234 20.02.2009 02:41:06 MEZ …

und zwar in geordneter Form.

Die Beteiligte zu 2) beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Sie trägt vor,

Ein Urheber- oder Lizenzrecht der Antragstellerin an einer eventuell existierenden russischen Version des Spieles bestehe nicht; aufgrund der von ihr angestellten Recherchen stehen derartige Rechte neben der G. E. Inc. vielmehr einer Z. E. AG zu. Weiter sei unklar, ob es sich bei den von der Antragstellerin in ihrem Antrag wiedergegebenen IP-Adressen überhaupt um solche handle, die von der Beteiligten zu 2) vergeben worden seien. Die von der L. AG eingesetzte Software arbeite nicht immer korrekt; Fehler, Fehlbedienungen und Manipulationen seien vielmehr nicht auszuschließen, was insbesondere auch für die ermittelten Zeiten der zugewiesenen IP-Adressen gelte. Die Identifizierung von in Tauschbörsen angebotenen Dateien über den sog. „Hash-Wert“ sei nicht sicher möglich. Zudem könne bei Einstellung einer Datei in ein Tauschbörsenprogramm jeder Nutzer selbst das Herunterladen dieser Datei durch entsprechende Vorkehrungen technisch verhindern, so dass nicht automatisch davon ausgegangen werden könne, dass das Programm in den genannten Fällen tatsächlich zum Herunterladen zur Verfügung stand. Selbst wenn ein Download im Einzelfall – unter Umständen sogar ohne Wissen des jeweiligen Nutzers – möglich gewesen sein sollte, könne dieser sich auch lediglich auf einen geringfügigen und für sich genommen wertlosen Teil der Datei beziehen. Im Übrigen gebe es bei Nutzung eines Internetzugangs durch Dritte keine geeigneten Schutzmöglichkeiten, die Installation und Benutzung einer Tauschbörsensoftware zu verhindern. Eine Vermutung für die konkrete Nutzung des Zugangs durch den jeweiligen Anschlussinhaber gebe es nicht. Ferner seien keine Anhaltspunkte vorhanden, die auf ein Handeln in gewerblichem Ausmaß hindeuten könnten, zumal die Nutzung, d.h. Up- und Download von Daten in Tauschbörsen für alle Beteiligten stets kostenfrei erfolge. Die Auslegung des vom Gesetzgeber nicht näher definierten Begriffs des gewerblichen Ausmaßes habe im Lichte von Verfassungs- und Europarecht zu erfolgen. Schließlich dürfe auf gespeicherte Verkehrsdaten nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts derzeit nur bei Verdacht auf Vorliegen einer Straftat nach § 100a Satz 2 StPO zugegriffen werden.

II.

1. Der Antrag ist nach § 101 Abs. 9 UrhG zulässig, insbesondere statthaft.

Bei den zur Ermittlung von Namen und Anschriften der jeweiligen Internetnutzer notwendigen dynamischen IP-Adressen handelt es sich um Verkehrsdaten im Sinne des § 101 Abs. 9 Satz 1 UrhG; davon, sowie von einem den Richtervorbehalt des § 101 Abs. 9 UrhG erforderlich machenden, durch Auskunft unter Verwendung dieser Daten stattfindenden Grundrechtseingriff gehen Gesetz (§ 101 Abs. 10 UrhG) und Gesetzgeber (vgl. BT-Drs. 16/5048 S. 39) offensichtlich aus (ebenso statt vieler OLG Zweibrücken, GRUR-RR 2009, 12; LG Frankenthal K&R 2008, 467; Kitz, NJW 2008, 2374, 2376 [Fn. 52] jew. m.v.w.N.; offen gelassen allerdings bei OLG Zweibrücken MMR 2009, 45, 46 mit krit. Anm. Höfinger, ZUM 2009, 75). Da es maßgeblich auf die Verwendung der Verkehrsdaten ankommt, ist es unerheblich, dass die von der Beteiligten zu 2) im Ergebnis begehrte Auskunft sich lediglich auf Name und Anschrift bestimmter Personen bezieht, weil diese nur durch Zuordnung zu der mitgeteilten IP-Adresse ermittelt werden können.

2. Der Antrag führt jedoch in der Sache nicht zu dem mit ihm erstrebten Erfolg, weil die Voraussetzungen für den Erlass eine Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG nicht vorliegen.

a) Aus dem Vorbringen der Antragstellerin lässt sich bereits nicht entnehmen, an welcher konkreten Version der Unterhaltungssoftware „X.“ die Klägerin Urheberrechte geltend macht. Der Kammer ist aus einem früheren Verfahren (Az. 6 O 374/08) bekannt, dass mehrere unterschiedliche, für verschiedene Märkte produzierte und zum Teil unter anderem Namen („O.“) vertriebene Versionen dieses Spielprogrammes existieren. Ob die Antragstellerin ausschließliche Nutzungsrechte an sämtlichen dieser Versionen für alle in Frage kommenden Märkte behauptet und von wem sie diese Rechte in welcher Weise übertragen bekommen hat, geht weder aus ihrem Vortrag, noch aus der eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers vom 20. Februar 2009 (Bl. 25 d.A.) hervor. Insbesondere hat sie auch auf ausdrückliche Anfrage der Kammer vom 23. Februar 2009 in ihrer Stellungnahme vom 2. März 2009 hierzu nicht weiter vorgetragen. Hinzu kommt, dass nach Überprüfung der Kammer vom heutigen Tag auf der deutschsprachigen Internetseite des Spieles (http://www.x. …) das Unternehmen G. E. Inc. und die Z. E. AG aus Karlsruhe als Rechteinhaber an dem Programm genannt werden, wobei die Z. E. AG ausweislich des Impressums auch für die Internetseite selbst verantwortlich zeichnet. Dagegen findet die Antragstellerin in diesem Zusammenhang keine Erwähnung. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass der Antragstellerin Urheber- oder Nutzungsrechte an einer oder mehreren konkreten Version(en) der Software zustehen.

b) Weiter ist nicht ersichtlich, dass es sich bei den von der Antragstellerin genannten IP-Adressen, von denen sie wissen möchte, welchen Internetnutzern sie zu den aufgelisteten Zeitpunkten zugewiesen waren, um solche handelt, die zu den fraglichen Zeitpunkten Kunden der Beteiligte zu 2) zugeordnet waren und zu denen diese mithin überhaupt Auskünfte erteilen kann. Zweifel daran sind insbesondere vor dem Hintergrund angezeigt, dass die Antragstellerin selbst hierzu ebenso wenig ausgeführt hat, wie der Mitarbeiter der L. AG W. in seinen eidesstattlichen Versicherungen vom 5. Februar 2009 (also rund 14 Tage vor der Erfassung der verfahrensgegenständlichen Daten; Bl. 26 f. d.A.) und 2. März 2009 (Bl. 92 f. d.A.), während der Geschäftsführer der Antragstellerin in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 20. Februar 2009 (Bl. 25 d.A.) ausdrücklich von der Identifizierung solcher IP-Adressen spricht, die der H. T. GmbH zuzuordnen seien.

c) Selbst wenn man zu Gunsten der Antragstellerin unterstellte, dass sie Inhaberin ausschließlicher Nutzungsrechte an der aktuell in Deutschland vertriebenen Version des Computerprogrammes „X.“ wäre, kann ferner nicht festgestellt werden, dass unter den ermittelten IP-Adressen zu den mitgeteilten Zeitpunkten im Internet aktive Kunden eine Datei zum Herunterladen zur Verfügung gestellt haben, an der die Antragstellerin Rechte geltend macht. Zwar ist es technisch grundsätzlich möglich, mittels der „Hash-Funktion“ zu ermitteln, ob zwei zu vergleichende Dateien (höchstwahrscheinlich) gleich oder (mit Sicherheit) verschieden sind, wobei das Risiko von als „Kollisionen“ bezeichnete Fehlidentifikationen zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, durch den Einbau bestimmter mathematischer Mechanismen aber minimiert werden kann. Ob der dabei von der L. AG verwendete Algorithmus – wie die Beteiligte zu 2) meint – im Hinblick auf derartige Kollisionen besonders fehleranfällig ist, kann dahinstehen. Die Antragstellerin hat nämlich trotz entsprechender Aufforderung der Kammer vom 23. Februar 2009 nicht dargelegt, welchen „Hashwert“ diejenige Version des Spielprogramms aufweist, an dem sie Rechte geltend macht und damit einen Vergleich mit dem von der L. AG ermittelten Hashwerten der zum Download angebotenen Dateien nicht ermöglicht. Im Übrigen ist nach den durch die Erläuterungen des Mitarbeiters der L. AG W. in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 2. März 2009 gestützten Darlegungen der Antragstellerin im Schriftsatz vom gleichen Tag ohnehin äußerst fraglich, inwieweit dem ermittelten, in ihrer Antragsschrift noch als „genetischer Fingerabdruck“ der Datei bezeichneten Hashwert überhaupt eine Aussagekraft für Verfahren der vorliegenden Art zukommt. Danach genügen nämlich bereits geringfügigste Änderungen an einer Datei (etwa die Hinzufügung eines Satzzeichens bei einer viele Millionen Zeichen enthaltenden Programmdatei), um einen völlig anderen Hashwert zu erhalten.

d) Offen bleiben kann, ob hier von einer offensichtlichen Rechtsverletzung durch die zu ermittelnden Inhaber der jeweiligen Internetanschlüsse im Sinne des § 101 Abs. 2 Satz 1 UrhG auszugehen und ob dies Voraussetzung für einen Anspruch nach § 101 Abs. 9 UrhG ist.

Nach der auch von der Antragstellerin zitierten Auffassung erfordert das Gesetz lediglich das Vorliegen einer offensichtlichen Rechtsverletzung, nicht aber, dass die Rechtsverletzung offensichtlich durch den Inhaber des jeweiligen Anschlusses begangen wurde, bezüglich dessen die Auskunft vom Provider begehrt wird, weil der Zweck der Regelung des § 101 Abs. 2 UrhG ansonsten vollkommen leer laufe (OLG Köln, GRUR-RR 2009, 9, 10). Diese ergebnisorientierte Argumentation lässt sich nach Auffassung der Kammer mit dem Wortlaut der Regelung durchaus in Einklang bringen, erscheint im Hinblick auf den bereits mit der Erteilung der Auskunft verbundenen, nicht rückgängig zu machenden Eingriff in die Grundrechte Anschlussinhabers, der möglicherweise weder Verletzer noch Störer ist, aber dennoch nicht unbedenklich (zum besonderen verfassungsrechtlichen Schutz von Verkehrsdaten vgl. OLG Oldenburg, OLGR 2009, 109).

Am Vorliegen einer (offensichtlichen) Rechtsverletzung durch die Anschlussinhaber selbst bestehen jedenfalls schon deshalb nicht unerhebliche Zweifel, weil diese mit den potentiellen Verletzern keineswegs zwingend identisch sein müssen. Zwar treffen den Inhaber eines Anschlusses nach der Rechtsprechung gewisse Prüf- und Überwachungspflichten, sofern er seinen Internetzugang auch Dritten (etwa Familienmitgliedern) zugänglich macht, so dass er für eventuelle Rechtsverletzungen Dritter unter Umständen als Störer einzustehen hat (vgl. etwa LG Mannheim, MMR 2007, 267). Dies kann nach Auffassung der Kammer allerdings nicht uneingeschränkt gelten. So haften Inhaber eines (drahtlosen) WLAN-Anschlusses im privaten Bereich jedenfalls nicht generell wegen der abstrakten Gefahr eines Missbrauchs von außen als Störer, sondern erst, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen derartigen Missbrauch bestehen (OLG Frankfurt, GRUR-RR 2008, 279). Nichts anderes kann für die immer zahlreicher werdenden Betreiber eines öffentlichen WLAN- oder WiFi-Anschlusses (sog. „HotSpots“), wie Internet-Cafés, Flughäfen, Hotels, Büchereien, Gemeinden etc. gelten. Gerade bei diesen vermag auch das Argument, es sei dem Anschlussinhaber technisch möglich und wirtschaftlich zuzumuten, seinen Anschluss durch Verschlüsselung zu schützen, nicht zu verfangen, da das Wesen dieser „HotSpots“ gerade darin besteht, jedermann – je nach Ausgestaltung unentgeltlich oder gegen Bezahlung – einen Internetzugang für einen gewissen Zeitraum zur Verfügung zu stellen, ohne auf das individuelle Surf- oder Downloadverhalten des jeweiligen Nutzers maßgeblichen Einfluss nehmen zu können.

e) Zudem sind in den von der Antragstellerin vorgetragenen konkreten Einzelfällen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die jeweils zu ermittelnden Nutzer möglicherweise urheberrechtlich geschütztes Material in gewerblichem Ausmaß zum Herunterladen anbieten bzw. angeboten haben.

Die Voraussetzungen des Merkmals des gewerblichen Ausmaßes im Zusammenhang mit dem urheberrechtlichen Auskunftsanspruch ist unklar und vom Gesetzgeber nicht näher umrissen oder gar definiert worden (vgl. ausführlich Braun, jurisPR-ITR 17/2008 Anm. 4 unter D., der die Regelung des § 109 Abs. 2 UrhG aus diesem Grunde sogar für verfassungswidrig hält). Lediglich § 109 Abs. 1 Satz 2 weist darauf hin, dass sich ein derartiges Ausmaß sowohl aus der Anzahl der Rechtsverletzungen, als auch aus deren Schwere ergeben könne. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung, der insoweit noch vom „geschäftlichen Verkehr“ sprach, ist in diesem Zusammenhang von einer wirtschaftlichen Betätigung die Rede, mit der in Wahrnehmung oder Förderung eigener oder fremder Geschäftsinteressen am Erwerbsleben teilgenommen wird (vgl. BT-Drs. 16/5408, S. 49 iVm S. 44). Damit scheint an eine Anknüpfung an den handels- und zivilrechtlichen Gewerbebegriff gedacht worden zu sein, wonach unter gewerblichem Handeln jede rechtlich selbständige, planmäßig und auf Dauer angelegte, mit der Absicht der Gewinnerzielung oder laufender Einnahmen ausgeübte und äußerlich erkennbar auf zumindest einem Markt hervortretende Tätigkeit zu verstehen ist (vgl. etwa Staudinger/Weick, BGB [2004] § 13 Rn. 51; MK-BGB/Micklitz, 5. Aufl. § 14 Rn. 18). Bezogen auf sog. „Internet-Piraterie“, also mittels des Internets begangener Urheberrechtsverletzungen, hat sich in der Praxis der Generalstaatsanwaltschaften als Kriterium für die Annahme eines Handelns im gewerblichen Ausmaß im Wesentlichen die Anzahl der zum Herunterladen zur Verfügung gestellten Dateien unter Berücksichtigung der Art (z.B. einzelne Musiktitel, ganze Alben, vollständige Filme) und der Aktualität und damit des Marktwertes (z.B. Kinofilm vor Start in deutschen Lichtspielhäusern) der jeweiligen Werke herausgebildet. Danach wird ein gewerbliches Handeln etwa ab einer Anzahl von etwa 3.000 Musikstücken oder 200 Filmen – und damit einem Marktwert von ca. 3.000.- € – angenommen (Braun aaO mwN).

Unabhängig davon, dass diese Zahlen nach Ansicht der Kammer nur allgemeine Orientierungswerte darstellen können, die eine Überprüfung im Einzelfall nicht entbehrlich machen, kann in den vorliegenden Fällen ein gewerbliches Ausmaß der Zurverfügungstellung von urheberrechtlich geschützten Daten durch die sich hinter den mitgeteilten IP-Adressen verbergenden Internetnutzern nicht angenommen werden. Weder für eine Planmäßigkeit oder Dauerhaftigkeit des Handelns der Betroffenen, noch für eine Gewinn- oder Einnahmeerzielungsabsicht oder eine nach außen deutlich werdende Teilnahme am Erwerbsleben sind irgendwelche Anhaltspunkte aufgezeigt worden oder sonst erkennbar. Solche ergeben sich insbesondere weder aus der Anzahl und Art der zur Verfügung gestellten Datei (hier: eine Computerspieldatei), noch aus der Schwere des beanstandeten Verstoßes, obwohl es sich um eine in Deutschland erst kürzlich veröffentlichte Software handelt, wobei der bloße, in Byte gemessene Umfang des Programms von vornherein als Kriterium für eine besondere Schwere ungeeignet erscheint. Es ist nicht erkennbar, weshalb ein Programm ab einer bestimmten Größe schützenswerter sein soll, als eine Software, welche nur einen geringeren Umfang aufweist.

Aus dem Gesetzgebungsverfahren lässt sich ein Wille des Gesetzgebers dahingehend, dass bei Zurverfügungstellung bereits einer beliebigen urheberrechtlich geschützten Datei in Internet-Tauschbörsen das Erfordernis des gewerblichen Ausmaßes der Tätigkeit als gegeben anzusehen sein soll, nicht entnehmen. Im Gegenteil hat der Bundesrat in seiner im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens abgegebenen Stellungnahme zu § 101 Abs. 2 UrhG ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die meisten Teilnehmer einer Internet-Tauschbörse gerade nicht am Erwerbsleben teilnehmen und damit die Gefahr bestehe, dass die neue Regelung weitgehend leer laufe (BT-Drs. 16/5048, S. 59). Er hat daher angeregt, auf das Erfordernis des Handelns in gewerblichem Ausmaß ganz zu verzichten, weil ein derart eingeschränkter Auskunftsanspruch weder wirksam noch abschreckend wäre (BT-Drs. 16/5048, S. 59/60). Dies zur Kenntnis nehmend hat die Bundesregierung dennoch bewusst am Merkmal des gewerblichen Ausmaßes festgehalten; nicht zuletzt deshalb, weil man damit einen Gleichlauf mit den anderen Gesetzen zum Schutz geistigen Eigentums erreichen wollte, die ebenfalls nicht greifen, „wenn nur eine nichtgeschäftliche Verletzung durch einen Endverbraucher vorliegt“ (BT-Drs. 16/5048 S. 65). Somit hat der Gesetzgeber nicht lediglich „übersehen“, dass im Urheberrecht ansonsten auch kein gewerbliches Handeln oder ein Handeln im geschäftlichen Verkehr erforderlich ist (so aber Czychowski, GRUR-RR 2008, 265, 267), sondern letztlich zielgerichtet eine eindeutige Entscheidung zu Gunsten privater Nutzer von Tauschbörsen getroffen, gegenüber denen der neu geschaffene Anspruch häufig oder gar regelmäßig nicht greifen wird. Solange mithin nur feststeht, dass ein Internetnutzer lediglich ein einziges urheberrechtlich geschütztes Werk zum Download zur Verfügung gestellt hat kann von einem gewerblichen Ausmaß im Sinne der Norm grundsätzlich nicht ausgegangen werden (vgl. OLG Zweibrücken, GRUR-RR 2009, 12; OLG Oldenburg, OLGR 2009, 109). Ein Ausnahmefall, in dem nach Auffassung der Kammer schon das Anbieten nur einer Datei einen besonders schweren Verstoß und damit ein Indiz für ein Handeln in gewerblichem Ausmaß darstellen kann (vgl. B. der Kammer v. 3. November 2008 – 6 O 374/08) – sofern es sich nämlich etwa um ein (in Deutschland) noch gar nicht veröffentlichtes Werk handelt – ist hier unzweifelhaft nicht gegeben.

Hinzu kommt hier zumindest bezüglich der beiden zu den fraglichen Zeitpunkten unter den mitgeteilten IP-Adressen 89.13.10.192 und 93.128.31.234 am Internetverkehr teilnehmenden Nutzer, dass diese nach der auf Anfrage der Kammer erfolgten, durch die eidesstattliche Versicherung des Mitarbeiters der L. AG vom 2. März 2009 bestätigten Mitteilung der Antragstellerin lediglich einen Bruchteil von jeweils rd. 20% der fraglichen Datei zum Download angeboten hatten. Bei einem solch unvollständigen Bruchteil eines Softwareprogramms handelt es sich jedoch um eine für sich genommen unbrauchbare, weil nicht selbständig lauffähige Ansammlung von Daten. Dies steht der Annahme eines besonders schweren Verstoßes sowie einem Rückschluss auf ein gewerbliches Handeln der anbietenden Internetnutzer unmittelbar entgegen. Etwas anderes folgt auch nicht aus den Ausführungen der Antragstellerin, wonach diese Nutzer nach Feststellung der L. AG die Datei „im Nachgang“ weiter heruntergeladen haben sollen, weil sich aus diesem Vorbringen gerade nicht ergibt, dass das fragliche Werk von diesen Nutzern überhaupt zu irgendeinem Zeitpunkt in nutzbarer Form zum Download zur Verfügung gestellt worden ist.

f) Da bereits das Vorliegen eines Anspruchs nach § 101 Abs. 9 iVm Abs. 2 UrhG nicht festgestellt werden kann, kommt es auf die Frage, ob ein solcher Anspruch im konkreten Einzelfall möglicherweise unverhältnismäßig wäre (§ 101 Abs. 4 UrhG) – wofür etwa sprechen könnte, dass hier nur eine Programmdatei bzw. ein für sich genommen unbrauchbarer Teil davon zum Herunterladen angeboten wurde, deren Marktwert sich nach Recherchen der Kammer in der neuen, spielbaren und deutschsprachigen Verkaufsversion (mit Verpackung und Zubehör) auf etwa 40.- € beläuft – nicht entscheidend an.

Gleichfalls kann offen bleiben, ob unter Berücksichtigung der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. MMR 2008, 303) Verkehrsdaten zur Ermittlung von Personendaten auch dann nur bei Verdacht auf Vorliegen einer Katalogtat des § 100a StPO genutzt werden dürfen, wenn sie nicht im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung, sondern im eigenen Interesse des Providers (zur Entgeltabrechnung) gespeichert wurden (vgl. dazu Braun aaO; OLG Zweibrücken aaO) und ob bei Verneinung dieser Frage eine entsprechende Einschränkung hinsichtlich des von der Antragstellerin begehrten Auskunftsanspruchs zu machen wäre. Dass diese Daten unabhängig vom Anlass ihrer Speicherung nur aufgrund vorheriger richterlicher Anordnung zum Zwecke der Erteilung von Auskünften genutzt werden dürfen, ist durch die Einführung des § 101 Abs. 9 und 10 UrhG jedenfalls als geklärt anzusehen (so bereits LG Frankenthal aaO).

g) Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen. Für die Gerichtskosten gilt dies bereits nach der allgemeinen Regelung des § 2 KostO. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten folgt die vom Erfolg des Antrags unabhängige Kostentragungspflicht der Antragstellerin aus § 101 Abs. 9 Satz 5 UrhG, der als Spezialregelung der Vorschrift des § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG und dem ansonsten im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Grundsatz, wonach jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat, vorgeht. Zwar trifft § 101 Abs. 9 Satz 5 UrhG seinem Wortlaut nach nur eine Regelung für den Fall der Anordnung der Zulässigkeit der Verwendung von Verkehrsdaten, während der Fall der Zurückweisung des Antrags nicht ausdrücklich erwähnt wird. Aus den gesetzgeberischen Erwägungen folgt jedoch, dass es Ziel der Kostenregelung in § 101 Abs. 9 Satz 5 UrhG ist, den nicht als potentiellen Störer anzusehenden, möglicherweise zur Auskunft Verpflichteten nicht mit Verfahrenskosten zu belasten, sondern diese – jedenfalls zunächst – dem Anspruchsberechtigten aufzubürden (BT-Drs. 16/5048, S. 49 iVm S. 40). Mit dieser Absicht wäre es nur schwer zu vereinbaren, wenn derjenige, der die Auskunft erteilen soll, die jeweils schon allein durch seine Beteiligung an dem vom Antragsteller veranlassten Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hätte (vgl. B. der Kammer v. 26.9.2008 – 6 O 340/08).

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