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Anhörung im Bundestag: TMG-ÄnderungsG zur Haftung bei WLANs (26.6.2017)

Ich hatte hier im Blog bereits den ersten Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des TMG besprochen, mit dem (wieder und endlich) die WLAN-Haftung neu geregelt werden soll.

Am 26.6.2017 findet dazu im Wirtschaftsausschuss des Bundestages eine Anhörung statt, zu der ich als Sachverständiger eingeladen worden bin. Hierfür war eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, die ich hier vorab online stelle.

In den nächsten Tagen werden alle Stellugnahmen auf der Webseite des Bundestages erscheinen, ich werde diese dann hier verlinken.

(Update 25.6.2017: Link auf Webseite des Wirtschaftsausschusses)

BGH ändert seine Rechtsprechung zu WLAN-Schlüsseln

Der BGH hat gestern ein Urteil verkündet, in dem es um die Störerhaftung des Anschlussinhabers ging, der einen unsicheren WLAN-Router mit dem voreingestellten, aber individuellen Passwort gesichert hat (BGH, Urt. v. 24.11.2016 – I ZR 220/15; Pressemitteilung).

Die Gründe liegen noch nicht vor, hier der Inhalt der Pressemitteilung:

„Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat hat sich im Zusammenhang mit der Haftung für Urheberrechtsverletzungen mit den Anforderungen an die Sicherung eines Internetanschlusses mit WLAN-Funktion befasst.

Die Klägerin ist Inhaberin von Verwertungsrechten an dem Film „The Expendables 2“. Sie nimmt die Beklagte wegen des öffentlichen Zugänglichmachens dieses Filmwerks im Wege des „Filesharing“ auf Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch. Der Film ist im November und Dezember 2012 zu verschiedenen Zeitpunkten über den Internetanschluss der Beklagten durch einen unbekannten Dritten öffentlich zugänglich gemacht worden, der sich unberechtigten Zugang zum WLAN der Beklagten verschafft hatte. Die Beklagte hatte ihren Internet-Router Anfang 2012 in Betrieb genommen. Der Router war mit einem vom Hersteller vergebenen, auf der Rückseite des Routers aufgedruckten WPA2-Schlüssel gesichert, der aus 16 Ziffern bestand. Diesen Schlüssel hatte die Beklagte bei der Einrichtung des Routers nicht geändert. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben.

Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Er hat angenommen, dass die Beklagte nicht als Störerin haftet, weil sie keine Prüfungspflichten verletzt hat. Der Inhaber eines Internetanschlusses mit WLAN-Funktion ist zur Prüfung verpflichtet, ob der eingesetzte Router über die im Zeitpunkt seines Kaufs für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen, also einen aktuellen Verschlüsselungsstandard sowie ein individuelles, ausreichend langes und sicheres Passwort, verfügt. Die Beibehaltung eines vom Hersteller voreingestellten WLAN-Passworts kann eine Verletzung der Prüfungspflicht darstellen, wenn es sich nicht um ein für jedes Gerät individuell, sondern für eine Mehrzahl von Geräten verwendetes Passwort handelt. Im Streitfall hat die Klägerin keinen Beweis dafür angetreten, dass es sich um ein Passwort gehandelt hat, das vom Hersteller für eine Mehrzahl von Geräten vergeben worden war. Die Beklagte hatte durch Benennung des Routertyps und des Passworts sowie durch die Angabe, es habe sich um ein nur einmal vergebenes Passwort gehandelt, der ihr insoweit obliegenden sekundären Darlegungslast genügt. Da der Standard WPA2 als hinreichend sicher anerkannt ist und es an Anhaltspunkten dafür fehlt, dass im Zeitpunkt des Kaufs der voreingestellte 16-stellige Zifferncode nicht marktüblichen Standards entsprach oder Dritte ihn entschlüsseln konnten, hat die Beklagte ihre Prüfungspflichten nicht verletzt. Sie haftet deshalb nicht als Störerin für die über ihren Internetanschluss von einem unbekannten Dritten begangenen Urheberrechtsverletzungen. Eine bei dem Routertyp bestehende Sicherheitslücke ist in der Öffentlichkeit erst im Jahr 2014 bekannt geworden.“

Kurze Analyse:

Es gilt nun noch, die Gründe abzuwarten. Schon jetzt lässt sich aber sagen, dass das Urteil eine Neuerung darstellen dürfte. Der BGH hatte im viel beachteten Urteil „Sommer unseres Lebens“ (dazu hier, hier, hier, hier, hier und meine Anmerkung in MMR 2010, 568) einen ähnlichen Fall zu entscheiden gehabt. Auch dort hatte der Anschlussinhaber einen WLAN-Router mit dem voreingestellten Passwort betrieben. Damals hatte der BGH allerdings eine Störerhaftung angenommen, weil – so die damalige Argumentation – der Anschlussinhaber den WLAN-Schlüssel habe ändern müssen.

Ich hatte damals recherchiert und hatte herausgefunden, dass es sich auch damals um ein Modell handelte, das einen individuellen Schlüssel aufwies (s. hier und Mantz, MMR 2010, 568, 569). Der Unterschied in den beiden Fällen könnte darin bestehen, dass im jetzt entschiedenen vorliegenden Fall „WLAN-Schlüssel“ zusätzlich vorgetragen worden war, dass der WLAN-Router unsicher ist, was 2010 noch keine Rolle gespielt hatte. Vielleicht handelt es sich also nicht um eine Änderung, sondern nur um eine Anreicherung der BGH-Rechtsprechung.

Es gab in den letzten Jahren mehrere Entscheidungen, die sich mit dieser Konstellation befasst haben, insbesondere LG Braunschweig, 1.7.2015 – 9 S 433/14 (59); AG Frankfurt, 6.3.2015 – 30 C 1443/14 (68) (PDF); AG Augsburg, 21.04.2015, 72 C 4157/14 und LG Frankfurt, 2.2.2016 – 2-03 O 74/15; anderer Auffassung war das AG Schweinfurt, 30.6.2015, 3 C 848/14.

Erwähnenswert ist im neuen Fall „WLAN-Schlüssel“ des BGH noch, dass der BGH die sekundäre Darlegungslast als erfüllt angesehen hat, obwohl die angebliche Rechtsverletzung aus dem Jahr 2012 stammte, die Lücke aber wohl erst 2014 bekannt wurde.

EuGH-Entscheidung zur Haftung beim Betrieb eines WLANs – McFadden (C-484/14) – oder: Kein guter Tag

Heute hat der EuGH seine Entscheidung in Sachen „McFadden“ verkündet (Link, Dokumentübersicht zum Verfahren)

Zum Hintergrund: In dem Verfahren geht es um das WLAN eines Münchener Piraten (McFadden), der im Wege des sog. Piratenfreifunk sein WLAN öffentlich angeboten hatte. Nachdem einer seiner Nutzer ein urheberrechtlich geschütztes Werk abgerufen und angeboten hatte, war er abgemahnt worden. Er erhob (nach vorheriger Gegenabmahnung) negative Feststellungsklage vor dem Landgericht München I gegen den Rechteinhaber mit dem Ziel festzustellen, dass er für die Rechtsverletzung seines Nutzers auch nicht als Störer hafte. Er hat insoweit vorgetragen, dass er sein WLAN bewusst nicht durch ein Passwort geschützt habe, um der Öffentlichkeit einen unmittelbaren Zugang zum Internet zu ermöglichen. Er selbst habe die behauptete Urheberrechtsverletzung nicht begangen, könne jedoch nicht ausschließen, dass ein Nutzer seines Netzes sie begangen habe. Das Landgericht München I hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH eine Reihe Fragen vorgelegt (dazu eingehend im Blog hier; ferner Mantz/Sassenberg, MMR 2015, 85 – PDF).

Der Generalanwalt beim EuGH hat im März 2016 dem EuGH empfohlen (eingehende Analyse hier), die Fragen überwiegend im Sinne des Klägers zu beantworten. Insbesondere lehnte der Generalanwalt beim EuGH die Haftung von McFadden für die Rechtsverletzung ab. Dabei hat der Generalanwalt auf die Unterscheidung in Art. 12 E-Commerce-Richtlinie zwischen „Haftungsansprüchen“ einerseits und „Anordnungen“ andererseits abgestellt und gefolgert, dass grundsätzlich behördliche und gerichtliche Anordnungen gegen den Betreiber eines WLANs ergehen können. Eine Inanspruchnahme des Betreibers eines WLAN soll also nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Allerdings hat der Generalanwalt im Anschluss daran ausgeführt, dass der Betreiber eines WLANs nicht zu Schadensersatz, Ersatz von Abmahnkosten und auch nicht zur Tragung von Gerichtskosten verurteilt werden könne. Weiter könne vom Betreiber nicht verlangt werden, dass er (1) seinen Betrieb einstellt, (2) seine Nutzer überwacht oder (3) sein WLAN verschlüsselt.

Der EuGH hat nun wie angekündigt am 15.9.2016 seine Entscheidung verkündet – und er ist dem Generalanwalt beim EuGH im entscheidenden Teil überwiegend nicht gefolgt.

1. Anwendungsbereich der E-Commerce-Richtlinie, Erforderlichkeit eines Vertrages

Das LG München I hatte gefragt, ob die E-Commerce-Richtlinie auf das WLAN von Herrn McFadden anwendbar sei, da Herr McFadden das WLAN ja kostenlos und nur zu Werbezwecken angeboten hatte.

Hierzu hat der EuGH ausgeführt (Rn. 36 ff.):

Demnach sind als Dienste der Informationsgesellschaft im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 nur Dienste anzusehen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden. Daraus lässt sich allerdings nicht schließen, dass eine Leistung wirtschaftlicher Art, die unentgeltlich erbracht wird, niemals einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 darstellen kann. Denn die Vergütung für einen Dienst, den ein Anbieter im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit erbringt, wird nicht notwendig von denjenigen bezahlt, denen der Dienst zugutekommt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2014, Papasavvas, C?291/13, EU:C:2014:2209, Rn. 28 und 29). …

Das ist insbesondere dann der Fall, wenn eine unentgeltliche Leistung von einem Anbieter zu Werbezwecken für von ihm verkaufte Güter oder angebotene Dienstleistungen erbracht wird, da die Kosten dieser Tätigkeit dann in den Verkaufspreis dieser Güter oder Dienstleistungen einbezogen werden (Urteile vom 26. April 1988, Bond van Adverteerders u. a., 352/85, EU:C:1988:196, Rn. 16, und vom 11. April 2000, Deliège, C?51/96 und C?191/97, EU:C:2000:199, Rn. 56).

Demnach ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. a dieser Richtlinie und mit Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34 dahin auszulegen ist, dass eine Leistung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die von dem Betreiber eines Kommunikationsnetzes erbracht wird und darin besteht, dass dieses Netz der Öffentlichkeit unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird, einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 darstellt, wenn diese Leistung von dem Anbieter zu Werbezwecken für von ihm verkaufte Güter oder angebotene Dienstleistungen erbracht wird.

Im Ergebnis sind nach dem EuGH also nur solche WLAN-Anbieter erfasst, die ihren Dienst gegen Entgelt oder zu Werbezwecken betreiben. Der rein private Anbieter – wie viele Freifunker – unterfallen der Richtlinie nicht. Der Generalanwalt hatte diese Frage noch offen gelassen.

Die Entscheidung des EuGH ist insoweit wenig überraschend. Für private WLAN-Anbieter hat dies (nur) zur Folge, dass auf sie allein die deutsche Regelung des § 8 TMG Anwendung findet, die insoweit überschießend ist.

Das LG München I hatte dann auch noch – vereinfacht – gefragt, ob es irgendeine Form von „Vertrag“ zwischen dem Anbieter und dem Nutzer geben muss. Dies hat der EuGH verneint (Rn. 44 ff.).

2. Keine Übertragbarkeit von Art. 13, 14 E-Commerce-Richtlinie; keine weiteren Anforderungen

Weiter hatte das LG München I gefragt, ob denn die zusätzlichen Anforderungen insbesondere von Art. 14 E-Commerce-Richtlinie, der Host Provider betrifft, auch im Rahmen von Art. 12 E-Commerce-Richtlinie anzuwenden seien. Außerdem wollte das LG München I wissen, ob möglicherweise andere, zusätzliche Anforderungen bestehen könnten.

Host Provider – wie z.B. eBay etc. – sind nämlich auf Aufforderung hin verpflichtet, rechtsverletzende Inhalte ihrer Nutzer zu löschen.

Auch diese Frage hat der EuGH – in begrüßenswerter Klarheit – verneint (Rn. 55 ff. und 66 ff.). Die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 12 E-Commerce-Richtlinie sind abschließend, weitere können nicht verlangt werden.

3. Reichweite von Art. 12 E-Commerce-Richtlinie

Anschließend ging es um die Frage, welche Ansprüche durch Art. 12 E-Commerce-Richtlinie gesperrt sind. Wie hier im Blog schon vielfach erwähnt, war lange Zeit problematisch, ob Art. 12 E-Commerce-Richtlinie auch Unterlassungsansprüche sperrt. Spätestens seit der EuGH-Entscheidung UPC/Telekabel war allerdings klar, dass dies nicht der Fall ist. Insoweit schafft das vorliegende Urteil weitere Klarheit und öffnet die Türen für die Haftung von WLAN-Betreibern weit.

a. Schadensersatz und Abmahnkosten (und Abmahnkosten für Schadensersatz)

Dementsprechend hat der EuGH dann auch festgestellt, dass der WLAN-Betreiber für Urheberrechtsverletzungen seiner Nutzer nicht zu Schadensersatz verurteilt werden kann. Ebenso wenig kann von ihm verlangt werden, anwaltliche Kosten für die Geltendmachung von Schadensersatz zu verlangen (Rn. 75):

Infolgedessen scheidet es jedenfalls auch aus, dass ein Urheberrechtsinhaber die Erstattung der für sein Schadensersatzbegehren aufgewendeten Abmahnkosten oder Gerichtskosten verlangen könnte. Denn ein solcher Nebenanspruch könnte nur bestehen, wenn der Hauptanspruch selbst bestünde, was Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 jedoch ausschließt.

b. Aber: Unterlassung und Abmahnkosten

Im folgenden kommt eine große Abweichung zur den Schlussanträgen des EuGH-Generalanwalts. Der EuGH stellt fest, dass es die E-Commerce-Richtlinie nicht untersagt, wenn der Betreiber eines WLAN-Anschlusses auf Unterlassung in Anspruch genommen wird und dann auch die Abmahnkosten zahlen soll (Rn. 77 f.):

Daher läuft es, wenn ein Dritter eine Rechtsverletzung mittels eines Internetanschlusses begangen hat, der ihm von einem Diensteanbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, zur Verfügung gestellt worden ist, Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 nicht zuwider, dass der dadurch Geschädigte bei einer nationalen Behörde oder einem nationalen Gericht beantragt, es diesem Anbieter zu untersagen, die Fortsetzung dieser Rechtsverletzung zu ermöglichen.

Folglich ist davon auszugehen, dass es Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 für sich genommen auch nicht ausschließt, dass der Geschädigte die Erstattung der Abmahnkosten und Gerichtskosten verlangen kann, die für einen Antrag wie die in den vorstehenden Randnummern genannten aufgewendet worden sind.

Demnach ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 dahin auszulegen ist, dass es ihm zuwiderläuft, dass derjenige, der durch eine Verletzung seiner Rechte an einem Werk geschädigt worden ist, gegen einen Anbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsdienst vermittelt, Ansprüche auf Schadensersatz und auf Erstattung der für sein Schadensersatzbegehren aufgewendeten Abmahnkosten oder Gerichtskosten geltend machen kann, weil dieser Zugang von Dritten für die Verletzung seiner Rechte genutzt worden ist. Hingegen ist diese Bestimmung dahin auszulegen, dass es ihr nicht zuwiderläuft, dass der Geschädigte die Unterlassung dieser Rechtsverletzung sowie die Zahlung der Abmahnkosten und Gerichtskosten von einem Anbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt und dessen Dienste für diese Rechtsverletzung genutzt worden sind, verlangt, sofern diese Ansprüche darauf abzielen oder daraus folgen, dass eine innerstaatliche Behörde oder ein innerstaatliches Gericht eine Anordnung erlässt, mit der dem Diensteanbieter untersagt wird, die Fortsetzung der Rechtsverletzung zu ermöglichen.

Mit anderen Worten: Es ist nach dem EuGH möglich, den Betreiber eines WLAN-Anschlusses in Anspruch zu nehmen mit dem Ziel, ihm die Fortsetzung der Ermöglichung von Rechtsverletzungen zu untersagen. Das erinnert mich an die Ausführungen des BGH in der Sache „Sommer unseres Lebens“ (MMR 2010, 565), in der der BGH verlangt hatte, dass ein Unterlassungsantrag in einer Klage erkennen lässt, dass es nicht um die täterschaftliche Haftung, sondern die Haftung als Störer gemeint ist.

Eine Sache ist eventuell noch hervorzuheben: Der EuGH spricht jeweils von „behördlichen oder gerichtlichen Anordnungen„. Damit sind auch gerichtliche Urteile gemeint, die den Betreiber zur Unterlassung verpflichten. Schon im Fall UPC/Telekabel ging es um ein gerichtliches Urteil auf Unterlassung und hier ist dies nicht anders. Die Ausführungen des EuGH-Generalanwalts waren da noch etwas anders zu verstehen, da er zwar eine Anordnung zulassen wollte, der WLAN-Betreiber aber keine Kosten tragen sollte. Das wäre in einem typischen zivilrechtlichen Verfahren praktisch nicht möglich gewesen und hat teilweise die Idee aufkommen lassen, dass ein separates Verfahren wie z.B. nach § 101 Abs. 9 UrhG entsprechend dem FamFG hätte geschaffen werden müssen. Dem ist nicht so.

Wie gesagt, der Streit um den sachlichen Anwendungsbereich der E-Commerce-Richtlinie dürfte mit diesem Urteil beendet sein.

4. Maßnahmen des WLAN-Betreibers zur Verhinderung von Rechtsverletzungen

Anschließend wendet sich der EuGH einer Kernfrage zu: Was muss denn der Betreiber eines WLANs tun, um einer Haftung zu entgehen? Und die Antwort kann eigentlich niemandem so richtig gefallen.

Man sollte sich vergewärtigen, dass die deutsche Bundesregierung ebenso wie die EU-Kommission erkannt haben, dass WLANs ein ganz entscheidendes Mittel zur Digitalisierung darstellen und große Potenziale bergen. Gerade gestern hat EU-Komissionspräsident Juncker WLANs für jedes Dorfzentrum gefordert.

Der EuGH orientiert sich streng an den Vorlagefragen des LG München I. Dies hatte den EuGH gefragt, ob der Betreiber (1) den Datenverkehr im WLAN überwachen, (2) sein WLAN abschalten oder (3) sein WLAN verschlüsseln muss.

Die erste und zweite Variante sieht der EuGH als unzulässig an. Die Überwachung von Datenverkehr widerspräche ganz klar Art. 15 E-Commerce-Richtlinie (Rn. 87). Und die Abschaltung eines WLANs wäre ebenso klar unverhältnismäßig (Rn. 88).

Allerdings – und hier liegt ein weiterer Haken des Urteils – die Verschlüsselung sieht der EuGH ausdrücklich als einen guten Ausgleich zwischen den betroffenen, kollidierenden Grundrechten an (Rn. 90 ff.):

Was drittens die Maßnahme anbelangt, die in der Sicherung des Internetanschlusses durch ein Passwort besteht, so ist sie geeignet, sowohl das Recht des Anbieters, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, als auch das Recht der Empfänger dieses Dienstes auf Informationsfreiheit einzuschränken.

Gleichwohl ist erstens festzustellen, dass eine solche Maßnahme nicht den Wesensgehalt des Rechts des Anbieters von Netzzugangsdiensten auf unternehmerische Freiheit verletzt, da sie darauf beschränkt bleibt, in marginaler Weise eine technische Modalität für die Ausübung der Tätigkeit dieses Anbieters festzulegen.

Zweitens erscheint eine Maßnahme, die in der Sicherung des Internetanschlusses besteht, auch nicht geeignet, den Wesensgehalt des Rechts der Empfänger eines Internetzugangsdienstes auf Informationsfreiheit zu verletzen, weil sie von ihnen nur verlangt, sich ein Passwort geben zu lassen, wobei überdies vorauszusetzen ist, dass dieser Anschluss nur ein Mittel unter anderen für den Zugang zum Internet bildet.

Drittens ergibt sich zwar aus der Rechtsprechung, dass die ergriffenen Maßnahmen in dem Sinne streng zielorientiert sein müssen, dass sie dazu dienen müssen, der Verletzung des Urheberrechts oder eines verwandten Schutzrechts durch einen Dritten ein Ende zu setzen, ohne dass die für Internetnutzer, die die Dienste dieses Anbieters in Anspruch nehmen, bestehende Möglichkeit, rechtmäßig Zugang zu Informationen zu erlangen, dadurch beeinträchtigt wird. Andernfalls wäre der Eingriff des Anbieters in die Informationsfreiheit dieser Nutzer gemessen am verfolgten Ziel nicht gerechtfertigt (Urteil vom 27. März 2014, UPC Telekabel Wien, C?314/12, EU:C:2014:192, Rn. 56).

Jedoch erscheint eine von dem Anbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, ergriffene Maßnahme, die in der Sicherung des Internetanschlusses besteht, nicht geeignet, die Möglichkeit des rechtmäßigen Zugangs zu Informationen zu beeinträchtigen, über die die Internetnutzer, die Dienste dieses Anbieters in Anspruch nehmen, verfügen, weil sie keine Sperrung einer Website bewirkt.

Viertens hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Maßnahmen, die vom Adressaten einer Anordnung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen bei deren Durchführung getroffen werden, hinreichend wirksam sein müssen, um einen wirkungsvollen Schutz des betreffenden Grundrechts sicherzustellen, d. h., sie müssen bewirken, dass unerlaubte Zugriffe auf die Schutzgegenstände verhindert oder zumindest erschwert werden und dass die Internetnutzer, die die Dienste des Adressaten der Anordnung in Anspruch nehmen, zuverlässig davon abgehalten werden, auf die ihnen unter Verletzung des genannten Grundrechts zugänglich gemachten Schutzgegenstände zuzugreifen (vgl. Urteil vom 27. März 2014, UPC Telekabel Wien, C?314/12, EU:C:2014:192, Rn. 62).

Insoweit ist festzustellen, dass eine Maßnahme, die in der Sicherung des Internetanschlusses durch ein Passwort besteht, die Nutzer dieses Anschlusses davon abschrecken kann, ein Urheberrecht oder verwandtes Schutzrecht zu verletzen, soweit diese Nutzer ihre Identität offenbaren müssen, um das erforderliche Passwort zu erhalten, und damit nicht anonym handeln können, was durch das vorlegende Gericht zu überprüfen ist.

Fünftens ist darauf hinzuweisen, dass nach den Angaben des vorlegenden Gerichts außer den drei von ihm genannten Maßnahmen keine andere Maßnahme existiert, die ein Anbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz wie dem hier fraglichen vermittelt, in der Praxis ergreifen könnte, um einer Anordnung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nachzukommen.

Da die beiden anderen Maßnahmen vom Gerichtshof verworfen worden sind, liefe die Auffassung, dass ein Anbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, seinen Internetanschluss nicht sichern muss, darauf hinaus, dem Grundrecht auf geistiges Eigentum jeden Schutz zu entziehen, was dem Gedanken eines angemessenen Gleichgewichts zuwiderliefe (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Juli 2015, Coty Germany, C?580/13, EU:C:2015:485, Rn. 37 und 38).

Unter diesen Umständen ist eine Maßnahme, die in der Sicherung des Internetanschlusses durch ein Passwort besteht, als erforderlich anzusehen, um einen wirksamen Schutz des Grundrechts auf Schutz des geistigen Eigentums zu gewährleisten.

Nach alledem ist unter den im vorliegenden Urteil dargelegten Voraussetzungen die Maßnahme, die in der Sicherung des Anschlusses besteht, als geeignet anzusehen, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Grundrecht auf Schutz des geistigen Eigentums einerseits und dem Recht des Diensteanbieters, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, auf unternehmerische Freiheit sowie dem Recht der Empfänger dieses Dienstes auf Informationsfreiheit andererseits zu schaffen.

Daher ist auf die fünfte, neunte und zehnte Frage zu antworten, dass Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 der Richtlinie 2000/31 unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Grundrechtsschutzes und der Regelungen der Richtlinien 2001/29 und 2004/48 dahin auszulegen ist, dass er grundsätzlich nicht dem Erlass einer Anordnung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, mit der einem Diensteanbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz, das der Öffentlichkeit Anschluss an das Internet ermöglicht, vermittelt, unter Androhung von Ordnungsgeld aufgegeben wird, Dritte daran zu hindern, der Öffentlichkeit mittels dieses Internetanschlusses ein bestimmtes urheberrechtlich geschütztes Werk oder Teile davon über eine Internettauschbörse („peer-to-peer“) zur Verfügung zu stellen, wenn der Diensteanbieter die Wahl hat, welche technischen Maßnahmen er ergreift, um dieser Anordnung zu entsprechen, und zwar auch dann, wenn sich diese Wahl allein auf die Maßnahme reduziert, den Internetanschluss durch ein Passwort zu sichern, sofern die Nutzer dieses Netzes, um das erforderliche Passwort zu erhalten, ihre Identität offenbaren müssen und daher nicht anonym handeln können, was durch das vorlegende Gericht zu überprüfen ist.

Im Ergebnis hat der EuGH versucht, einen Kompromiss zu finden und die betroffenen Grundrechte abzuwägen. Der EuGH sieht in der Sicherung allerdings eine lediglich „marginale technische Modalität“. Den Nutzer betreffe das auch nicht allzu sehr, schließlich sei WLAN ja nur eine unter vielen Zugangsmöglichkeiten. Die Sicherung sei auch wirksam, da sie Nutzer von der Rechtsverletzung abschrecken könne (Rn. 96). Es bleibt vollkommen unklar, auf welcher Grundlage der EuGH zu diesem Schluss kommt. Denn die Verschlüsselung oder Sicherung ist eine große Hürde für Nutzer, wie ich schon vielfach ausgeführt habe. Nutzer von WLANs lassen sich generell sehr leicht abhalten. Erfolgreiche Geschäftsmodelle mit WLAN werden durch den EuGH damit sehr schwierig gemacht.

Übrigens fordert der EuGH – über die Vorlagefrage des LG München I hinaus – auch, dass die Nutzer, bevor sie ein Passwort bekommen, irgendwie „ihre Identität offenbaren müssen“. Was genau das bedeutet, bleibt übrigens offen. Müssen Nutzer den Personalausweis zeigen oder nur ihren Namen nennen? Nicht nur datenschutzrechtlich ist das problematisch.

Eines sei noch angemerkt: Der EuGH spricht nicht von Verschlüsselung, sondern von Sicherung. Es dürfte also weiter möglich sein, ein WLAN ohne Verschlüsselung zu betreiben, aber den Zugang – über ein Anmeldeformular – erst denjenigen zu gewähren, die ihre Identität offenbart haben.

5. Fazit

Das Urteil des EuGH ist katastrophal für den Betrieb offener WLANs. Und damit sind nicht nur Freifunk-Netze gemeint, sondern jedes öffentliche WLAN. Der EuGH hat klargestellt, dass der Betreiber eines WLANs nicht auf Schadensersatz haftet – das ist aber keine Neuerung. Aber der Betreiber eines WLANs, der dieses nicht sichert und die Identität seiner Nutzer erfragt, kann auf Unterlassung und ebenso auf Zahlung von Abmahnkosten haften – so wie bisher auch. Dass dies keinen Anreiz für den Betrieb eines WLANs darstellt, liegt auf der Hand.

Die Folge des EuGH-Urteils könnte sein dass alle WLANs gesichert werden und die Nutzer für jedes WLAN ein Passwort erfragen oder sich anmelden müssen. Die Nutzung von öffentlichen WLANs könnte dadurch praktisch zum Erliegen kommen.

Ein praktisch gangbarer Weg könnte die Einrichtung einer Splash-Page mit Anmeldemaske sein. Das dürfte auch eine „Sicherung“ im Sinne des EuGH sein. Fraglich ist, welche Angaben dann zu verlangen sind. Unklar ist auch, ob die Identität irgendwie überprüft werden muss. Reicht es aus, wenn ein Nutzer eine E-Mail eingibt? Fragen über Fragen, die sich anschließen werden. Rechtssicherheit sieht anders aus.

Es bleibt am Ende ein Aufruf an die Politik: Der EuGH hatte nur darüber zu entscheiden, was aus Sicht der E-Commerce-Richtlinie unzulässig wäre. Der nationale Gesetzgeber dürfte also durch das Urteil nicht gehindert sein, andere Regelungen zu treffen. So kann der deutsche Gesetzgeber – wie er es mit der Neuregelung von § 8 TMG beabsichtigt hat – ohne Weiteres die Kosten einer Abmahnung als nicht erstattungsfähig erklären und möglicherweise auch auf andere Weise einen gerechten Ausgleich zwischen den betroffenen Rechten herstellen.

Jetzt wird man abwarten müssen, wie die deutsche Rechtsprechung mit der Neuregelung in § 8 TMG umgeht. Insgesamt ist der heutige Tag mit diesem EuGH-Urteil jedenfalls kein guter …

TMG-Änderungsgesetz ist in Kraft

Gestern ist das Zweite TMG-Änderungsgesetz im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Damit ist es heute in Kraft getreten.

Zur Erinnerung die wesentlichen Neuerungen für WLANs:

Nach § 2 Satz 1 Nummer 2 wird folgende Nummer 2a eingefügt:

1. „2a. ist drahtloses lokales Netzwerk ein Drahtlos- zugangssystem mit geringer Leistung und geringer Reichweite sowie mit geringem Störungs-risiko für weitere, von anderen Nutzern in un- mittelbarer Nähe installierte Systeme dieser Art, welches nicht exklusive Grundfrequenzen nutzt,“.

3. Dem § 8 wird folgender Absatz 3 angefügt:

„(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Diensteanbieter nach Absatz 1, die Nutzern einen Inter- netzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen.“

Ich hatte den Gesetzesentwurf schon einmal hier bewertet. Demnächst werde ich versuchen eine nähere Analyse mit Bewertung der Folgen für öffentliche und heimische WLANs zu schreiben.

Aktuelle Änderung des WLAN-TMG-Gesetzesentwurfs – eine kurze Analyse (Update)

Nun ist der WLAN-Gesetzesentwurf in Form einer Änderung der BT-Drs. 18/6745 also endlich da. Ich möchte ihn hier ganz kurz darstellen und analysieren.

1. Wie sieht der Entwurf aus?

§ 8 Abs. 3 TMG soll in Zukunft wie folgt aussehen:

„(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Diensteanbieter nach Absatz 1, die Nutzern einen Internetzugang u?ber ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen.“‘

Der bisher enthaltene § 8 Abs. 4 TMG soll komplett entfallen.

Interessant ist hingegen die Gesetzesbegründung. Dort heißt es u.a.:

… Mit der Änderung wird klargestellt, dass auch die Anbieter von WLAN-Internetzuga?ngen ohne jede Einschra?nkung Diensteanbieter i.S.d. § 8 TMG sind. …

Der Wortlaut der Bestimmungen des Artikels 12 der Richtlinie 2000/31/EG und des § 8 TMG schließt weitere Voraussetzungen oder Prüfplichten fu?r deren Anwendung ausdrücklich aus. Deswegen wurden die im Gesetzentwurf der Bundesregierung in § 8 Absatz 4 TMG genannten Voraussetzungen und Prüfpflichten gestrichen, weil diese mit den unionsrechtlichen Vorgaben unvereinbar sind und das Ziel des Gesetzentwurfes, Rechtssicherheit fu?r WLAN-Anbieter zu schaffen, verfehlt hätten.

Die Beschränkung der Haftung umfasst horizontal jede Form der Haftung fu?r rechtswidriges Verhalten jeder Art. Das gilt fu?r die straf-, verwaltungs- und zivil- rechtliche Haftung sowie fu?r die unmittelbare und mittelbare Haftung fu?r Hand- lungen Dritter. Die Haftungsprivilegierung des Diensteanbieters nach § 8 Absatz 1 und 2 umfasst z.B. uneingeschränkt auch die verschuldensunabhängige Haftung im Zivilrecht nach der sog. Störerhaftung und steht daher nicht nur einer Verurteilung des Vermittlers zur Zahlung von Schadenersatz, sondern auch seiner Verurteilung zur Tragung der Abmahnkosten und der gerichtlichen Kosten im Zusammenhang mit der von einem Dritten durch die U?bermittlung von Informationen begangenen Rechtsverletzung entgegen. Diese Auslegung der unionsrechtlichen Vorgaben hat der Generalanwalt beim Europa?ischen Gerichtshof Maciej Szpunar in seinen Schlussanträgen vom 16. Ma?rz 2016 in der Rechtssache C-484/14 bekräftigt (siehe Rz. 63ff., 151).

Die Beschränkung der Haftung steht dagegen nicht dem Erlass einer gerichtlichen Anordnung auf einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage entgegen, wobei diese jedoch nicht die Feststellung irgendeiner Haftung des Vermittlers fu?r eine durch die Übermittlung von Informationen begangenen Rechtsverletzung bein- halten kann (ebd. Rz. 86). Eine solche gerichtliche Anordnung muss wirksam und verhältnismäßig und darauf gerichtet sein, eine bestimmte Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern, und keine allgemeinen U?berwachungspflichten implizieren. Zudem muss sie ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den Grundrechten wahren (ebd. Rz. 115, 151). Eine solche gerichtliche Anordnung ist nach Artikel 12 Absatz 3 und Artikel 15 Absatz 1 der Richtlinie 2000/31/EG unzulässig, wenn der Adressat dieser nur dadurch nachkommen kann, dass er den Internetzugang stilllegt, mit einem Passwortschutz oder Verschlüsselung sichert oder sämtliche über den Anschluss laufende Kommunikation auf Rechtsverletzungen hin untersucht (ebd. Rz. 105ff., 151).

2. Was bedeutet das?

Die Regierungskoalitionen haben lange um den Entwurf gerungen. Erst vor kurzem hatten sie stolz verkündet, dass die Störerhaftung für WLANs nun endlich abgeschafft wird. Erklärtes Ziel des TMG-Änderungsgesetzes (im Hinblick auf § 8 TMG) war die Schaffung von Rechtssicherheit für die Anbieter von WLANs. Hieran muss sich der nun vorliegende Entwurf also messen lassen.

Und leider muss man sagen: Dieses Ziel verfehlt der jetzt vorliegende Gesetzesentwurf. Die Klarstellung in § 8 Abs. 3 TMG, dass nämlich WLAN-Anbieter den „klassischen“ Access Providern gleichgestellt werden, ist begrüßenswert, bewirkt aber tatsächlich keinerlei Änderung des status quo. Das war nämlich auch bisher Stand der Rechtsprechung und Literatur. Schon der bisherige Wortlaut von § 8 TMG war da (eigentlich) eindeutig.

Positiv ist allerdings, dass nun auch implizit klargestellt ist, dass dies auch für rein private Anbieter gilt. Auch das war eigentlich schon weitgehend geklärt, aber die Klarstellung ist insoweit dennoch zu begrüßen.

Die Störerhaftung, die die bestehende Rechtsunsicherheit bisher hauptsächlich ausmachte, wird im Gesetzeswortlaut aber nicht angesprochen. Stattdessen wird dies nur in der Gesetzesbegründung, dort aber wenigstens eindeutig, klargestellt. Dieses Vorgehen wird wohl der Kompromiss der Regierungskoalitionen gewesen sein.

Allerdings ist der Entwurf so nicht geeignet, die Rechtsunsicherheit wirklich und endgültig zu beseitigen. Denn der BGH hat in ständiger Rechtsprechung § 8 TMG nicht auf Unterlassungsansprüche angewandt. Der EuGH hat die Ansicht des BGH im Ergebnis gebilligt und gerichtliche Anordnungen nicht generell für unzulässig erklärt. Zwar steht nun in der Gesetzesbegründung, dass Unterlassungsansprüche erfasst sind. Allerdings stellt bei der Gesetzesauslegung die Begründung durch den Gesetzgeber nur eines von mehreren Kriterien dar – und zusätzlich das schwächste. Grundsätzlich kann die Begründung des Gesetzgebers durch die Gerichte auch mit dem Argument ignoriert werden, dass die nach der Begründung gewünschte Interpretation im Gesetzeswortlaut wenigstens hätte angedeutet werden müssen. Und angesichts der ständigen Rechtsprechung des BGH hätte es ja nahe gelegen, eine solche Regelung unmittelbar in den Wortlaut aufzunehmen. Die Bundesregierung sollte also gefragt werden, warum sie dies nicht getan hat. Denn so eröffnet sie wieder einen Auslegungsspielraum und damit Unsicherheiten, den sie doch gerade beseitigen wollte. Es ist nämlich nicht ausgemacht, ob der BGH für § 8 TMG als Reaktion auf die Gesetzesbegründung von seiner bisherigen Rechtsprechung abrückt.

Im Übrigen nimmt die Begründung Bezug auf die Stellungnahme des Generalanwalts beim EuGH (dazu eingehend hier) und stellt klar, dass gerichtliche Anordnungen weiterhin möglich sind. Der Generalanwalt hatte formuliert, dass gerichtliche Anordnungen gegen Betreiber auch von WLANs grundsätzlich möglich sind. Allerdings dürften die Betreiber nicht mit Gerichtskosten und Abmahnkosten belastet werden. Das will nun auch der Gesetzesentwurf. Wie das aber tatsächlich umgesetzt werden soll, bleibt letztlich völlig offen.

Der Bundestag soll übrigens übermorgen (=Donnerstag, 2.6.2016) über den Gesetzesentwurf entscheiden.

Update: Ich möchte hier auf die spannende Twitter-Diskussion u.a. mit Steffen Meyer vom Team von SPD-Netzpolitiker Lars Klingbeil hinweisen. Meyer vertritt die Auffassung, dass mit dem Gesetz nun alles klar geregelt sei und erhält Gegenrede u.a. von Ulf Buermeyer, Thomas Stadler und Jens Ferner.

Weil es in meinem Beitrag bisher eventuell nicht deutlich genug wurde: Ich finde die Auslegung der Regierungskoalition unterstützenswert. Die Gerichte können die deutlich und klar formulierte Gesetzesbegründung (aber nicht den Wortlaut) zum Anlass nehmen, § 8 TMG nun auch auf Unterlassungsansprüche anzuwenden. Wenn der Entwurf so Gesetz wird, hat man immer ein gutes Argument für diese Auslegung an der Hand („Der Gesetzgeber wollte es ausdrücklich so.“). Der Vorwurf ist aber, dass diese Auslegung eben keinesfalls zwingend ist. Es kann sich also nun unter den Juristen und vielleicht auch den Gerichten (bis zum BGH) eine Diskussion über die neue Auslegung von § 8 TMG entwickeln. Aber sicher im Sinne von „rechtssicher“ ist das eben leider nicht. Mehr Mut zur eigentlich beabsichtigten Regelung wäre hier wünschenswert gewesen. Denn wenn sich die Bundesregierung einig war, dass sie eine Ausdehnung von § 8 TMG auf Unterlassungsansprüche regeln wollte, dann hätte sie das ins Gesetz schreiben oder wenigstens im Gesetzeswortlaut andeuten können. Mit dem jetzigen Stand sind die Türen zur Diskussion weit offen.

3. Fazit; tl;dr

Im Ergebnis ist der Gesetzesentwurf kein guter Kompromiss. Das Wort „Störerhaftung“ taucht nur in der Begründung auf, statt klar und deutlich im Gesetzestext das zu formulieren, was man sich anfangs auf die Fahnen geschrieben hatte: Die Abschaffung der Störerhaftung für Betreiber öffentlich zugänglicher WLANs. Das eröffnet weiterhin Spielraum für Auslegung und damit Rechtsunsicherheit, die leicht vermeidbar gewesen wäre.

Zum Stand des (WLAN-)TMG-Änderungsgesetzes: Die Bundesregierung will zuwarten

An dieser Stelle nur ein kurzer Zwischenruf. Wie man hört, hat sich die Regierungskoalition im Hinblick auf die geplanten Anforderungen an WLANs im TMG-Änderungsgesetz noch nicht auf eine einheitliche Linie einigen können. Zur Erinnerung: Letzter Entwurfsstand (BT-Drs. 18/6745) war, dass WLANs künftig verschlüsselt werden müssen und jeder Nutzer vor der Nutzung versprechen muss, keine Rechtsverletzungen zu begehen (treffend auch „Lügenseite“ genannt). Der Bundesrat hatte gefordert, diese Anforderungen zu streichen (BR-Drs. 440/15). Auch sonst war heftige Kritik am Entwurf laut geworden.

Zwischenzeitig war dann verlautbart worden, dass die Verschlüsselungspflicht möglicherweise gestrichen werden sollte.

Wie mir nun zugetragen wurde, konnte eine Einigung bisher noch nicht erzielt werden. Stattdessen soll zunächst die Stellungnahme des Generalanwalts beim EuGH in der Vorlagesache des LG München I (LG München I, Beschl. v. 18. 9. 2014 – 7 O 14719/12, GRUR Int. 2014, 1166 – Bring mich nach Haus; dazu Mantz/Sassenberg, MMR 2015, 85 (PDF)) abgewartet werden.

Es könnte also wesentlich davon abhängen, was der EuGH (bzw. in Vorbereitung der Generalanwalt, dessen Vorschlägen der EuGH in rund 2/3 der Fälle folgt) zur Thematik des § 8 TMG bzw. Art. 12 E-Commerce-RL sagt. Dabei ist es durchaus sinnvoll, dass die Bundesregierung zunächst zuwartet. Denn ggf. müsste das Gesetz ansonsten unmittelbar wieder geändert werden.

Bundesregierung treibt WLAN-Gesetz voran – und verwirft Vorschläge des Bundesrates

Ich hatte hier im Blog über die Empfehlung des Bundesrats berichtet, der sich im Grunde dafür ausgesprochen hat, die Haftung für die Betreiber von WLANs deutlich weiter einzuschränken und nicht zusätzliche Maßnahmen zu verlangen (BR-Drs. 440/15).

Die Bundesregierung hat am 13.11.2015 zu dieser Empfehlung des Bundesrates Stellung genommen (s. Anlage 3 zu BT-Drs. 18/6745, S. 20). Zum relevanten Punkt, nämlich der Änderung des § 8 Abs. 4 TMG-Entwurf heißt es in der Stellungnahme):

„Die Bundesregierung wird das Anliegen eingehend prüfen.“

Nun hat aber andererseits die Bundesregierung am 18.11.2015 – also 5 Tage nach der Stellungnahme – mit ihrem Gesetzesentwurf den nächsten Schritt des Gesetzgebungsverfahrens eingeleitet (BT-Drs. 18/6745) – und darin die Änderung des Bundesrates nicht übernommen. Es soll also weiter bei der – offenkundig misslungenen – Fassung des § 8 Abs. 4 TMG bleiben. Die Bundesregierung hat also die massiven Bedenken des Bundesrates beiseite gewischt. Leider ohne Begründung.

Es ist daher zu erwarten, dass sich die Situation für WLANs in Deutschland sogar noch verschlechtert. Eine Förderung ist von diesem Gesetz jedenfalls nicht zu erwarten.

Bundesrat fordert Bundesregierung zur Änderung des Gesetzes zur WLAN-Störerhaftung auf

In der Sitzung des Bundesrates heute hat sich der Bundesrat deutlich für eine Änderung des Gesetzesentwurfs ausgesprochen (ich hatte hier schon über die Empfehlung des Wirtschaftsausschusses berichtet).

Das Video der entsprechenden Diskussion kann in der Mediathek des Bundesrates angesehen werden.

Malu Dreyer (Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz) hat im Video z.B. formuliert, dass der Gesetzesentwurf nicht weit genug gehe. Der Zugang über WLANs werde in der heutigen Zeit immer wichtiger.

Peter Friedrich (Minister für Bundesrat, Europa und Internationale Angelegenheiten Baden-Württemberg): Öffentliches WLAN sei ein Faktor zur Steigerung der Lebensqualität. Es stelle einen Standortnachteil dar, dass Deutschland das Potential von WLANs nicht ausschöpfe. Die Störerhaftung setze den Betreiber einer nicht zumutbaren Rechtsunsicherheit aus.

Weiter haben Wolfgang Tiefensee (Thüringen) („Bundesregierung soll sich des Bremsklotzes Störerhaftung annehmen“; Gesetzesvorschlag bewirkt Verschlimmerung) Franz-Josef Lersch-Mensche (NRW) und Uwe Beckmeyer (parl. Staatssekretär) gesprochen.

Wenn Wortprotokolle verfügbar sind, werde ich diese hier einstellen.

 

Der Digitale Gesellschaft e.V. hat hierzu bereits Stellung genommen.

Eine Übersicht meiner Beiträge zum TMG-Änderungsgesetz findet sich hier.

Bundesrat will TMG-Gesetzesentwurf abändern: Privilegierung auch für WLANs ohne Wenn und Aber

Der Wirtschaftsausschuss des Bundesrats hat eine Stellungnahme zum Gesetzesentwurf (BR-Drs. 440/15) der Bundesregierung zur Änderung des TMG abgegeben (Stellungnahme hier, BR-Drs. 440/1/15). Darin werden insbesondere die bisherigen Voraussetzungen der Verschlüsselung und Einholung einer Erklärung gestrichen und durch ein Verbot des kollusiven Zusammenwirkens mit dem Rechtsverletzer ersetzt.

Der Gesetzestext soll nun lauten:

§ 8 Abs. 3: „Der Ausschluss der Verantwortlichkeit (Absatz 1) umfasst [auch] Diensteanbieter von drahtlosen Netzwerken und Funknetzwerken, die sich an einen nicht im Voraus namentlich bestimmten Nutzerkreis richten (öffentliche Funknetzwerke).

Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen.“

§ 8 Abs. 4: „Diensteanbieter nach Absatz 3 können wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers nicht auf Beseitigung oder Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen.“

Wie man sieht, ist insbesondere § 8 Abs. 4 TMG-E gestrichen worden.

Zur Begründung führt der Bundesrat erfreulicherweise folgendes an (Hervorhebungen hier):

„Der Regierungsentwurf normiert, dass eine Haftung als Störer von Dienste- anbietern nicht in Betracht kommt, wenn „der Diensteanbieter angemessene Sicherungsmaßnahmen“ ergriffen hat. Diese Regelungen in § 8 Absatz 4 Satz 2 des Regierungsentwurfs sind nicht geeignet, die verfolgten Ziele – die Verbreitung von WLAN im öffentlichen Raum zu stärken und diesbezügliche Rechtssicherheit zu schaffen – zu verwirklichen. Denn es werden unbestimmte Rechtsbegriffe, wie „zumutbare Maßnahmen“ und „angemessene Sicherungs- maßnahmen“, verwendet, welche nicht die angestrebte Rechtsklarheit schaffen, sondern weiterhin der Auslegung durch die Gerichte bedürfen. Dies führt im Ergebnis zu keiner Verbesserung im Vergleich zu der jetzigen Rechtslage, nach welcher zwar die Kriterien der Störerhaftung durch eine Vielzahl von Entscheidungen herausgebildet worden sind, letztendlich jedoch – auch bedingt durch die Vielzahl der unterschiedlichen Fallkonstellationen – keine „klaren Vorgaben“ für WLAN-Anbieter ersichtlich sind, an denen sie sich orientieren können, um die Störerhaftung wirksam auszuschließen. Das Ziel, die Verbreitung von WLAN im öffentlichen Raum zu stärken, kann nicht erreicht werden, wenn lediglich versucht wird, die jetzige durch Einzelfallrechtsprechung geschaffene Rechtslage in Gesetzesform zu gießen. Es sind vielmehr Regelungen erforderlich, die sich klar hiervon abgrenzen und klarstellen, dass die Grundsätze der Störerhaftung von WLAN-Anbietern künftig in Deutschland – wie auch derzeit bereits in zahlreichen anderen europäischen Ländern – nicht mehr gelten sollen. Dies leistet die hiermit verfolgte Änderung von Absatz 4.

Nur durch das Streichen von § 8 Absatz 4 Satz 2 im Regierungsentwurf ist das Ziel des Regierungsentwurfs zu erreichen. Wenn die Verbreitung öffentlicher WLAN-Hotspots erhöht werden soll, kann nicht zwischen unberechtigten und berechtigten Zugriffen unterschieden werden. Ein öffentlicher WLAN-Hotspot richtet sich an die nicht näher eingegrenzte Öffentlichkeit.

Von der Verbreitung öffentlicher WLAN-Hotspots sind keine nachteiligen Effekte auf die Strafverfolgung zu erwarten. Die Auflagen etwa zur Umsetzung von Überwachungsmaßnahmen und Erteilung von Auskünften nach § 110 Telekommunikationsgesetz und § 113 Telekommunikationsgesetz gelten nach den Vorgaben und kontrolliert von der Bundesnetzagentur auch für Betreiber von WLAN-Zugangsnetzen oberhalb der Marginaliengrenze. Zudem nutzen private Anbieter für die Internetanbindung ihrer WLAN-Zugangspunkte die Angebote kommerzieller Accessprovider, die den Rahmenbedingungen des Telekommunikationsgesetzes unterliegen.

Auch eine Zunahme von Urheberrechtsverletzungen ist nicht zu erwarten. Denn zum einen ist die Bandbreite von öffentlichen, also mit vielen Menschen geteilten, WLAN-Hotspots dafür typischerweise zu gering. Freifunk-Software zum Beispiel erlaubt es Anbietern außerdem, die insgesamt über WLAN zur Verfügung gestellte Bandbreite zu reduzieren. Zum anderen ist die Bedeutung des Filesharing bei Urheberrechtsverletzungen gesunken. Die überwiegende Zahl der Verletzungen wird heute mittels Streaming begangen – so zum Beispiel die bekannten Fälle wie Kinox.to. Beim Streaming sind aber WLAN- Zugangspunkte gänzlich ungeeignet für die Anbindung der Server, auf denen das gestreamte Material vorgehalten wird.

Es gibt auch keinen nachgewiesenen Bedarf für eine Anhebung des Schutzniveaus im Bereich von WLAN-Hotspots. Urheberrechtsverletzungen im Internet sind nicht dem Vorhandensein von WLAN-Hotspots geschuldet. Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg berichtet dazu: „Im Rahmen unseres seit 2012 laufenden Projekts mit Kabel Deutschland wurden die Public-Wifi- Hotspots nicht für Urheberrechtsverletzungen genutzt. Es gab bei Kabel Deutschland in dieser Zeit keine IP-Adressabfragen wegen Urheber- rechtsverletzungen (letzter Stand: 9. Februar 2015).“ Auch aus anderen Staaten mit mehr öffentlichen WLAN-Zugangspunkten und ohne Störerhaftung wie zum Beispiel den Niederlanden ist nicht bekannt, dass öffentliche WLAN- Hotspots ein gravierendes Problem bei Urheberrechtsverletzungen darstellen.

Der neu vorgeschlagene Satz 2 trägt den Interessen der durch rechtswidrige Handlungen Geschädigten Rechnung. Hier wird das Privileg eingeschränkt: Wer ein öffentliches Funknetzwerk einrichtet und mit den Nutzern zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen etwa bei Urheberrechtsverletzungen zu begehen, genießt es ausdrücklich nicht.

Von den im Regierungsentwurf aufgeführten „angemessenen Sicherungsmaßnahmen“ ist keine substanzielle Auswirkung für Strafverfolgung und das Themengebiet Urheberrechtsverletzungen zu erwarten. Jedoch sind gravierende negative Auswirkungen dieser Normierung für die Verbreitung öffentlicher WLAN-Zugangspunkte zu erwarten: Rechtsunsicherheit hat zu der niedrigen Verbreitung solcher Angebote in Deutschland geführt, neue Rechtsunsicherheit wird denselben Effekt haben.“

Die Stellungnahme des Bundesratswirtschaftsausschusses ist durchweg zu begrüßen. Sie greift die Kritik am Gesetzesentwurf auf (eingehend Mantz/Sassenberg, CR 2015, 298 ff.; Übersicht meiner Beiträge zum TMG-Änderungsgesetz hier)  und folgt ihr mit einer Streichung von § 8 Abs. 4 S. 2 TMG-E. Man sollte es vielleicht nicht so laut sagen, aber im Grunde entspricht der Vorschlag des Bundesrats damit demjenigen des Digitale Gesellschaft e.V. (dazu hier).

Die jeweilige Ergänzung zum kollusiven Zusammenwirken, die der Bundesrat jetzt vorschlägt, wäre dabei eigentlich nicht erforderlich. Denn § 8 Abs. 1 S. 2 TMG, der durch den Entwurf in § 8 Abs. 4 S. 1 TMG in Bezug genommen wird, sieht genau dies schon vor: Ein Anbieter, der kollusiv mit dem Rechtsverletzer zusammenarbeitet, ist nicht privilegiert. Wäre also doppelt, dient aber nach der Gesetzesbegründung der Beruhigung von Ängsten.

 

Im Übrigen lehnt der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates in seiner Stellungnahme auch den Vorschlag der Bundesregierung zu § 10 TMG ab:

„Die vorgeschlagene Haftungsverschärfung ist im Hinblick auf ihre zu erwartenden negativen Auswirkungen auf Medienvielfalt und Meinungsfreiheit abzulehnen.“

Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung: Keine Speicherpflicht für WLANs (Update)

Ich hatte am 20.5.2015 hier im Blog unter dem Titel „Die geplante Vorratsdatenspeicherung und WLAN-Hotspots – (Kein) Untergang für WLANs?“ schon einmal zum Anwendungsbereich des neuen Vorratsdatenspeicherungsgesetzes geschrieben und war damals zum Schluss gekommen, dass (der Großteil der) Betreiber von WLANs wohl nicht nach § 113a TKG speichern müsste.

Nun hat der Bundestag heute in namentlicher Abstimmung den „Entwurf eines Gesetzes zur Einfu?hrung einer Speicherpflicht und einer Ho?chstspeicherfrist fu?r Verkehrsdaten“ (mit geringen Änderungen) verabschiedet.

Meine damals geäußerte Auffassung ist nun durch den Bundestag bestätigt worden. In der Gesetzesbegründung wird nämlich auf S. 37 ausdrücklich auf die Mitteilung Nr. 149/15 der Bundesnetzagentur Bezug genommen (zu deren Auswirkungen Sassenberg/Mantz, MMR 2015, 428). Darin heißt es (Hervorhebungen hier):

„Zu § 113a TKG-E

Die Vorschrift beschreibt den Kreis der zur Speicherung Verpflichteten. Nach Absatz 1 Satz 1 richten sich die Speicherpflichten an diejenigen, die öffentlich zugängliche Telekommunikationsdienste im Sinne von § 3 Nr. 6 a) TKG erbringen, also nicht an diejenigen, die lediglich daran mitwirken. Erbringer zeichnen sich dadurch aus, dass den Kunden regelmäßig ein eigener, in der Regel auf unbestimmte Dauer angelegter, Telekommunikationsanschluss zur selbständigen Verwendung überlassen wird. Nicht verpflichtet sind demnach Anbieter, die ihren Kunden nur eine kurzzeitige Nutzung des Telekommunikationsanschlusses ermöglichen, zum Beispiel Betreiber von Hotels, Restaurants und Cafés, die ihren Kunden eine Telefon- oder Internetnutzung zur Verfügung stellen (zur näheren Bestimmung des Begriffs des „Erbringens“ vergleiche die Mitteilung Nr. 149/2015 im Amtsblatt der Bundesnetzagentur). Die Regelung des Satzes 2 umfasst im Vergleich zu § 113a Absatz 1 Satz 2 TKG a. F. nunmehr sowohl den Fall, dass der Erbringer öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste keine der nach dieser Vorschrift zu speichernden Daten selbst erzeugt und verarbeitet, als auch den Fall, dass er nur einige, aber nicht alle der zu speichernden Daten selbst erzeugt und verarbeitet. Die Verpflichtung zur Sicherstellung der Speicherung nach Satz 2 besteht jedoch nur, soweit die Daten bei der Erbringung des Dienstes erzeugt oder verarbeitet werden.“

Damit gilt wohl als sicher, was ich im letzten Beitrag geschrieben hatte:

„Dabei sieht die Bundesnetzagentur die Betreiber von WLAN-Hotspots in Cafés, Hotels etc., die lediglich ihren Internetanschluss mit anderen teilen und den Nutzern nicht einen eigenen Telekommunikationsanschluss zur Verfügung stellen, nicht als „Erbringer“ an, sondern lediglich als „Mitwirkende“ an einem Telekommunikationsdienst. Es ist ein wenig komplizierter als hier dargestellt – wer mag, schaue sich das im Amtsblatt an –  aber im Grunde sagt die Bundesnetzagentur, dass Betreiber von WLAN-Hotspots (in der Regel) keinen TK-Dienst „erbringen“. Man kann das dogmatisch kritisieren und es hat möglicherweise auch Folgen, die die Bundesnetzagentur vielleicht nicht bedacht hat.

Wenn man allerdings die Auslegung der Bundesnetzagentur ernst nimmt (und sie ist diejenige, die auf die Durchsetzung der Regeln des TKG, also auch der Vorratsdatenspeicherung nach § 113a TKG achtet, siehe § 115 TKG), dann findet § 113a TKG-E bzw. die gesamte Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung auf WLANs keine Anwendung!“

Kein großer Sieg, aber jedenfalls ein Wermutstropfen für alle WLAN-Betreiber.

 

Update (16.10.2015, 21:30h): Mir ist mitgeteilt worden, dass Mitglieder der Regierungsparteien auch die Auswirkungen für Freifunk schon erfasst haben:

„Nutzer der Freifunk-Idee gelten nach Auffassung der BNetzA demnach in der Regel nicht als Erbringer von TK-Diensten. Inwieweit der Freifunker e.V. als Erbringer einzustufen ist, wird von der Bundesnetzagentur derzeit untersucht.“