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OLG Frankfurt: Keine Pflicht zur „Speicherung auf Zuruf“ nach § 101 UrhG

Thomas Hoeren berichtet im Beck-Blog über einen Beschluss des OLG Frankfurt (Beschluss vom 17.11.2009 – 11 W 41/09), in dem das OLG Frankfurt der durch nichts begründeten Lösung des LG Hamburg (Urt. v. 11.03.2009 – 308 O 75/09), dass ein Provider quasi live IP-Adressen auf Zuruf speichern soll, eine Absage erteilt. Als Begründung scheint das OLG Frankfurt auf die hierfür fehlende Rechtsgrundlage abzustellen. Der Volltext steht leider noch nicht zur Verfügung.

Update 2.2.2010: Der Volltext ist jetzt bei JurPC verfügbar.

S. dazu auch:

Lesetipp: Graf, Urheberrechtsfibel – nicht nur für Piraten, PiratK-UrhG

Klaus Graf, bekannt insbesondere durch sein Blog „Archivalia“ und seine Kommentare und Beschreibungen rund um Open Access und Open Content, hat einen kritischen Urheberrechtskommentar veröffentlicht: „Urheberrechtsfibel – nicht nur für Piraten„, kurz Piratenkommentar-Urheberrecht.

Graf kommentiert in dem Werk gut verständlich und mit Beispielen das gesamte UrhG. Die Vorgehensweise der Kommentierung beschreibt er in der Einleitung:

„In den meisten Fällen wird ein Beispiel, das ich konstruiert habe oder das einem realen Fall entspricht, die Vorschrift veranschaulichen.

Nach einer knappen Erläuterung des Inhalts der Norm folgt die – bewusst pointierte oder sogar polemische – Kritik. In einem Nachwort fasse ich meine Änderungsvorschläge systematisierend zusammen. Ich möchte allerdings bereits jetzt dringend davor warnen, die Originalität meiner Vorschläge, auch wenn sie in Ich-Form als subjektive Sicht präsentiert werden, zu überschätzen. Viele meiner Kommentare nehmen kritische Anregungen des juristischen „Schrifttums“ auf, andere ergeben sich zwanglos aus der Befürwortung einer „digitalen Allmende“ oder etwa den oben angeführten Forderungen der Piratenpartei, ohne dass ich dies im einzelnen nachweisen kann. Hier wie auch sonst gilt die alte Wissenschaftsmetapher: Als Zwerge stehen wir auf den Schultern von Riesen.“

Graf geht jeweils kurz auf Sinn und Zweck sowie (im weitesten Sinne) netzpolitische Bedeutung jedes Paragraphen ein. Er stellt kurz anschauliche Urteile und/oder Literaturansichten dar, wobei er sich meist (verständlicherweise) auf die bekannten Urheberrechtskommentare beschränkt und auf Literaturübersichten oder die erschöpfende Behandlung der publizierten Ansichten verzichtet. Die Kommentierungen sind nicht vollständig, erheben diesen Anspruch aufgrund der Kürze aber auch nicht.

Der Kommentar greift aktuelle Rechtsprechung auf, z.B. die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt zu § 52b UrhG (2-06 O 172/09, dazu auch die Anmerkung von Graf hier; ferner von Jani, K&R 2009, 514, dazu Eintrag von Steinhauer) oder des LG Köln zu § 97a Abs. 2 UrhG vom 13.5.2009 (s. dazu hier).

Zur Störerhaftung und offenen WLANs schreibt Graf (§ 97, S. 197):

„Im obigen Fall geht es um die sogenannte Störer-Haftung. Nicht der wahre Täter (ein minderjähriges Kind) wird belangt, sondern ein Störer, also jemand, der in irgendeiner Weise kausal an der Urheberrechtsverletzung mitgewirkt hat. Er muss bestimmte Prüf- und Sorgfaltspflichten verletzt haben, sonst könnten ja beliebige Dritte zur Rechenschaft gezogen werden. Störer kann auch jemand sein, der durch ein nicht abgesichertes offenes WLAN einem Filesharer die Urheberrechtsverletzung unwissentlich ermöglicht hat.

Ähnlich wie das Abmahnwesen ist auch die „kaugummiartige“ Störerhaftung von Übel und muss beseitigt werden. Wenn Rechteinhaber den wahren Verletzer nicht dingfest machen können oder von diesem nichts zu holen ist, greifen sie sich einen Dritten, der weder Täter noch Mittäter ist. Mit Gerechtigkeit hat die Störerhaftung für mich nichts zu tun, zumal die angesetzten Schadenshöhen vielfach rein fiktiv sind. Tauschbörsennutzer würden keine Lizenzen für die öffentliche Zugänglichmachung erwerben.

Es hilft wenig, dass im Bereich der sogenannten Forenhaftung die Pflicht einer Vorabkontrolle der von den Benutzern eingebrachten Inhalte überwiegend abgelehnt wird. Es ist immer möglich, dass ein Landgericht das im Einzelfall anders sieht.“

Seinen Abschluss findet der Kommentar in einer Abhandlung mit dem Titel „Abrüstung des Urheberrechts!“.

Man sollte bei der Lektüre im Hinterkopf behalten, dass Graf kein Jurist ist. Das hat den Vorteil, dass er die Normen für Nichtjuristen sicher besser erklären kann, als dies einem Juristen möglich wäre. Allerdings erklärt sich aus diesem Umstand auch, dass er häufig mit seiner Ansicht nicht der herrschenden Meinung in der juristischen Literatur und der Rechtsprechung entspricht – einem kritischen Urheberrechtskommentar angemessen.

Insgesamt wird der Kommentar dem Titel mehr als gerecht: Eine kritische Darstellung des Urheberrechts aus Sicht von Open Access, Open Content und neuen Medien auf runden 280 Seiten.

Der Kommentar kann unter http://ebooks.contumax.de/nb für 19,90 EUR in Buchform bestellt oder unter einer Creative Commons CC-BY-SA 3.0-Lizenz heruntergeladen werden.

Lesetipp: Ebke/Werner, Anmerkung zu LG Köln, Urt. v. 13.5.2009 – 28 O 889/08: Anwendungsbereich von § 97a Abs. 2 UrhG, CR 2009, 687

In der CR 2009, Heft 10, S. 687-689 haben Hans Ebke und Dennis Werner eine Anmerkung zum Urteil des LG Köln, Urt. v. 13.5.2009 – 28 O 889/08 (Volltext und sehr kurze Besprechung hier), veröffentlicht.

Ich nehme dies zum Anlass, neben der Anmerkung auch auf das Urteil selbst noch einmal etwas näher einzugehen:

1. Prüfungs- und Überwachungspflichten

Das LG Köln hatte in diesem Urteil zunächst zur Prüfungs- und Überwachungspflicht des Inhabers eines Internet-Anschlusses Stellung genommen. Dabei offenbart das LG Köln leider, dass es die Pflichten immer weiter und weiter zieht. Bei der Überlassung eines Internetzugangs an Dritte soll danach der Inhaber nicht zur Verwendung von Benutzerkonten sowie einer Firewall verpflichtet sein, um Downloads zu verhindern, sondern auch „weitere Maßnahmen“ ergreifen.

Daran zeigt sich leider, dass die Gerichte sich erst nach und nach einen gewissen Kenntnisstand erarbeiten – und diesen dann noch falsch einsetzen. Denn was die Benutzerkonten tatsächlich bringen sollen, erschließt sich nicht ohne weiteres. Und wenn der Anschlussinhaber diese einsetzt, dann muss es eben eine Firewall sein – die gegen Filesharing in aller Regel auch nichts bringt, da die Verbindungen bei Filesharing-Anwendungen in aller Regel gerade vom Rechner des Betroffenen ausgehen und dadurch an der Firewall ohnehin vorbeikommen dürften. Und wenn nicht, ist die Umgehung einer Personal Firewall kein echtes Kunststück.

Nachdem es also in den Urteilen zunächst hieß, dass diese Maßnahmen erforderlich und ausreichend seien, um einer Haftung zu entgehen, verlangt das LG Köln nun noch mehr. Der Maßstab wird also von Urteil zu Urteil immer weiter verschärft, eine Grenze ist nicht zu erkennen, die Haftung wird ins Uferlose ausgeweitet. Mit einer nachvollziehbaren Bestimmung der Prüfungs- und Überwachungspflichten hat das nichts mehr zu tun (s. zu den Anforderungen näher Mantz, Rechtsfragen offener Netze, S. 254 ff., Download hier).

2. Anwendungsbereich von § 97a Abs. 2 UrhG

Das LG Köln hat sich weiter mit § 97a Abs. 2 UrhG auseinander gesetzt, zu diesem Teil haben Ebke und Werner sehr aufschlussreich Stellung genommen – und die Entscheidung des LG Köln in Teilen kritisiert.

a. Altfälle

Bisher wurde meist vertreten, dass § 97a Abs. 2 UrhG nicht auf Fälle vor Inkrafttreten des Gesetzes Anwendung findet, so auch das LG Köln hier.

Anderer Auffassung war das OLG Brandenburg, Urt. v. 3.2.2009 – 6 U 58/08, CR 2009, 251). Ebke und Werner schließen sich dieser Auffassung mit sehr guten Argumenten an. Sie verweisen auf die Gesetzesmaterialien zu § 97a Abs. 2 UrhG sowie darauf, dass der von § 97a UrhG betroffene Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 683, 670 BGB nicht mit der Rechtsverletzung, sondern hauptsächlich mit der Zahlung des Verletzten an den Bevollmächtigen (den Rechtsanwalt) entsteht. Lag also die Rechtsverletzung vor dem 1.9.2008, die Zahlung aber danach, fände die Deckelung Anwendung.

Nach dieser Argumentation müsste der verteidigende Rechtsanwalt auf jeden Fall den Nachweis der Zahlung des Rechtsinhabers für den konkret vorliegenden Fall verlangen. Erst dann könnte das Gericht entscheiden, ob ein Altfall vorliegt oder nicht. Es wird sich zeigen müssen, ob die Gerichte diese Argumentation in Zukunft aufgreifen werden.

b. Einfach gelagerter Fall

Leider hat das LG Köln generell im Bereich des Urheberrechts angenommen, dass kein einfach gelagerter Fall vorliege. Diese Ansicht ist abzulehnen (s. schon Hoeren, CR 2009, 378, dazu näher hier), Ebke und Werner gehen hier wieder mit guten Argumenten auf die Gesetzesbegründung ein.

c. Geschäftlicher Verkehr und Gewerblichkeit.

Weiter beschäftigen sich Ebke und Werner mit den Merkmalen „im geschäftlichen Vekehr“ und der unerheblichen Rechtsverletzung ein, wobei im vorliegenden Fall mit 964 Audiodateien wohl keine unerhebliche Rechtsverletzung vorlag…

Insgesamt ist die Anmerkung von Ebke und Werner sehr interessant und wirft interessante neue Fragen und Argumente für die Diskussion auf.

  • Zu § 97a UrhG s. auch Hoeren, CR 2009, 378 (näher dazu hier)
  • Zum Urteil des LG Köln und Volltext s. hier

ÖOGH: Keine Herausgabe von Kundendaten an Dritte

Der österreichische Oberste Gerichtshof (ÖOGH) hat vor einigen Tagen über ein Auskunftsbegehren der österreichischen Rechteverwertungsgesellschaft LSG und dem Provider Tele2 aufgrund der österreichischen Parallelnorm zum deutschen § 101 UrhG, nämlich § 87b ÖUrhG entschieden (ÖOGH, Urteil vom 14.7.2009, 4 Ob 41/09x).

Zur Vorgeschichte: Tele2 hatte die Herausgabe der Kundendaten aufgrund der Verwendung der IP-Adresse, die die LSG ermittelt hatte, verweigert. Während die Vorinstanzen der Klage auf Auskunft stattgaben, legte der ÖOGH die Frage zunächst dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor (zum Urteil des EuGH siehe hier). Dieser entschied (ganz stark verkürzt), dass die nationalen Gesetzgeber einen Auskunftsanspruch normieren dürfen, wenn sie dabei die widerstreitenden Interessen in Ausgleich bringen.

Nach diesem Urteil hat nun der ÖOGH die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass § 87b ÖUrhG den Auskunftsanspruch nicht rechtfertigt. Die Kundendaten würden durch eine rechtswidrige Verwendung von Verkehrsdaten gewonnen, ihre Herausgabe sei daher rechtswidrig.

Den Volltext kann man hier abrufen (Internet4jurists.at mit kurzer Besprechung), einen weiteren Bericht hat heise-online.

Hier ein paar interessante Auszüge aus dem Urteil:

„Beim hier strittigen Auskunftsanspruch stehen einander die Interessen der Urheber auf Durchsetzung ihrer Ausschließungs- und Verwertungsrechte und jene der Nutzer auf Schutz der sie betreffenden Daten und Wahrung ihrer Privatsphäre gegenüber. Beide Interessen sind grundrechtlich geschützt. Daher haben (schon) die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der für den hier strittigen Anspruch relevanten Richtlinien „die verschiedenen beteiligten Grundrechte miteinander zum Ausgleich zu bringen“ (EuGH C-557/07 – LSG/Tele2). Der Auftrag des EuGH richtet sich daher auf dieser Stufe an den Umsetzungsgesetzgeber, nicht (unmittelbar) an die Gerichte. Allerdings sind die Gerichte wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts berufen, die Gemeinschaftsrechtskonformität der Richtlinienumsetzung zu prüfen. […]

5.3.2. Auf dieser Grundlage sind (zumindest) dynamische, dh nur für eine bestimmte Zeit zugewiesene IP-Adressen in die Kategorie der Zugangs- und damit der Verkehrsdaten einzuordnen. Dies ergibt sich schon aus den Erläuternden Bemerkungen zum TKG 2003 (128 BlgNR 22. GP, zu § 92): Danach könnten Kontaktdaten wie IP-Adressen sowohl unter den Begriff der Stamm- als auch unter jenen der Verkehrsdaten fallen; ersteres gelte aber nur dann, wenn es sich um eine vom Absender benötigte Kontaktadresse des Teilnehmers handle, „wie beispielsweise eine vom Betreiber bereitgestellte E-Mail-Adresse oder sonstige ähnliche dauerhafte Rufzeichen oder Kennungen“. Stammdaten sind daher zwar möglicherweise – was hier aber nicht abschließend zu entscheiden ist – statische IP-Adressen, keinesfalls aber dynamische, die jedenfalls in die Kategorie der Verkehrsdaten fallen (Einzinger/Schubert/Schwabl/ Wessely/Zykan, Wer ist 217.204.27.214?, MR 2005, 113 [116]; Helmreich, Auskunftspflicht des Access-Providers bei Urheberechtsverletzungen? ecolex 2005, 379; Parschalk/Otto/Weber/Zuser, Telekommunikationsrecht [2006] 206 FN 654; Wiebe, Auskunftsverpflichtung der Access Provider, Beilage zu MR 2005/4, 13 ff; Zanger/Schöll aaO § 92 Rz 51; anders [noch] Schanda, Auskunftsanspruch gegen Access-Provider über die IP-Adressen von Urheberrechtsverletzern, MR 2005, 18 [20 f], später jedoch als unerheblich offen lassend ders, Auskunftspflicht über Inhaber dynamischer IP-Adressen contra Verpflichtung zur Löschung von Verkehrsdaten, MR 2006, 213 [214]; differenzierend Stomper, Zur Auskunftspflicht von Internet-Providern, MR 2005, 118 [119]). […]

5.4. Der einfache Weg, allein auf die Bekanntgabe von Stammdaten abzustellen und die Vorgänge bei deren Ermittlung völlig auszublenden, ist damit gemeinschaftsrechtlich nicht gangbar (ebenso zur vergleichbaren Problematik im Strafverfahren DSK GZ K213.000/0005-DSK/2006). Vielmehr ist anzunehmen, dass Art 6 der RL 2002/58/EG und dessen Umsetzung in § 99 TKG 2003 der – im vorliegenden Fall erforderlichen – Verarbeitung von Verkehrsdaten für die Erteilung der hier begehrten Auskunft entgegensteht. Denn nach Absatz 1 dieser Bestimmung sind
„Verkehrsdaten, die sich auf Teilnehmer und Nutzer beziehen und vom Betreiber eines öffentlichen Kommunikationsnetzes oder eines öffentlich zugänglichen Kommunikationsdienstes verarbeitet und gespeichert werden, […] unbeschadet der Absätze 2, 3 und 5 des vorliegenden Artikels und des Artikels 15 Absatz 1 zu löschen oder zu anonymisieren, sobald sie für die Übertragung einer Nachricht nicht mehr benötigt werden.“ […]

Die Absätze 2, 3 und 5 gestatten in weiterer Folge die Verarbeitung (und damit die Speicherung) von Verkehrsdaten für bestimmte Zwecke. Aus diesem Regelungszusammenhang ist abzuleiten, dass eine Verarbeitung von – wenngleich unter Umständen nach den Absätzen 2, 3 und 5 rechtmäßig gespeicherten – Daten für andere Zwecke nicht zulässig ist. Denn die Löschungspflicht hat offenkundig den Zweck, eine unzulässige Nutzung der Daten zu verhindern. Dieser Zweck würde durch die Zulässigkeit der anderweitigen Nutzung rechtmäßig gespeicherter Daten unterlaufen, ohne dass dies durch die Wertung der jeweiligen Ausnahmebestimmungen gedeckt wäre. Zudem verstieße eine solche Auffassung gegen den datenschutzrechtlichen Grundsatz der strikten Zweckbindung, wonach Daten, die für einen bestimmten Zweck gespeichert wurden, auch nur für diesen Zweck verarbeitet werden dürfen (Art 6 Abs 1 lit c der RL 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr; zum österreichischen Datenschutzrecht zuletzt etwa VfGH G 147/06 = VfSlg 18146, Punkt 2.3.1).[…]

Diese Schlussfolgerung ergibt sich auch aus § 99 TKG 2003, der Art 6 der RL 2002/58/EG umsetzt. Nach Absatz 1 dieser Bestimmung dürfen Verkehrsdaten „außer in den gesetzlich geregelten Fällen nicht gespeichert werden und sind vom Betreiber nach Beendigung der Verbindung unverzüglich zu löschen oder zu anonymisieren.“

§ 99 Abs 1 TKG 2003 ist zwar formal strenger gefasst als Art 6 der RL 2002/58/EG, da er schon eine gesetzlich nicht vorgesehene Speicherung untersagt und nicht bloß eine Löschung anordnet. In der Sache dient diese Regelung aber demselben Zweck; sie soll ebenfalls das Anhäufen eines umfangreichen Datenbestands verhindern, der auch zu anderen als den gesetzlich vorgesehenen Zwecken genutzt (missbraucht) werden könnte. […]

5.5.2. Eine allfällige Regelung hat jedoch nach Art 15 Abs 1 der RL 2002/58/EG durch „Rechtsvorschriften“ („legislative measures“ bzw „mesures législatives“) zu erfolgen. Konkret kann dabei „für eine begrenzte Zeit“ („limited period“ bzw „durée limitée“) eine Aufbewahrung von Verkehrsdaten vorgesehen werden. Das österreichische Recht genügt diesen Erfordernissen derzeit nicht. […]

(a) Zunächst fehlt es an einer ausdrücklichen Regelung, wonach die Speicherung und Verarbeitung von Verkehrsdaten zum Zweck der Erteilung von Auskünften nach § 87b Abs 3 UrhG zulässig ist. Eine implizite Ableitung aus der urheberrechtlichen Bestimmung (so insb Schachter in Kucsko [Hrsg], urheber.recht [2008] 1273; Schanda, MR 2006, 215), ist nicht möglich. Denn zum einen lässt sich den Materialien der UrhG-Novellen 2003 und 2006 nicht entnehmen, dass dem Gesetzgeber die gemeinschaftsrechtliche Problematik der Verarbeitung von Verkehrsdaten überhaupt bewusst war. Insofern unterscheidet sich § 87b Abs 3 UrhG von der ausdrücklich auf die Verarbeitung von Verkehrsdaten Bezug nehmenden Regelung des § 101 Abs 9 dUrhG. Dennoch wird auch für diese Bestimmung die Auffassung vertreten, dass eine Auskunfterteilung an der fehlenden Zulässigkeit der Verarbeitung von Verkehrsdaten scheitern könnte (Dreier in Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz3 § 101 Rz 37; Spindler, Zum Auskunftsanspruch gegen Verletzer und Dritte in Urheberrecht nach neuem Recht, ZUM 2008, 640 [646]; zweifelnd Czychowski/Nordemann, Vorratsdaten und Urheberrecht – Zulässige Nutzung gespeicherter Daten, NJW 2008, 3095 [3098], sowie Czychowski in Fromm/Nordemann [Hrsg], Urheberrecht10 [2008] § 101 Rz 61 ff; in der Rsp der Oberlandesgerichte hat sich diese Ansicht jedoch nicht durchgesetzt: OLG Zweibrücken 4 W 62/08 = MMR 2009, 45; OLG Köln 6 Wx 2/08 = GRUR-RR 2009, 9; OLG Frankfurt 11 W 21/09 [allerdings nur für Daten, die noch zu Verrechnungszwecken gespeichert sind]). Um so weniger kann ein bloß materiellrechtlicher Auskunftsanspruch als implizite Erlaubnis oder gar Verpflichtung zur Datenspeicherung verstanden werden. […]

Zum anderen kann die Annahme einer bloß impliziten Regelung dem gemeinschaftsrechtlichen Erfordernis einer Anordnung durch „Rechtsvorschrift“ nicht genügen. Durch diesen formellen Gesetzesvorbehalt soll offenkundig Rechtssicherheit geschaffen werden, die bei Annahme einer bloß impliziten Anordnung, wie auch das vorliegende Verfahren beweist, nicht gegeben ist. Dies schließt – anders als bei einer Auskunft über den Betreiber eines Mehrwertdienstes, die keine Verarbeitung von Verkehrsdaten erfordert (4 Ob 7/04i = SZ 2004/33) – auch eine Analogie zur Füllung einer planwidrigen Lücke im TKG 2003 aus.“

LG Hamburg, Urt. v. 11.03.2009 – 308 O 75/09 – Vorhalten von Verkehrsdaten „auf Zuruf“

LG Hamburg, Urt. v. 11.03.2009 – 308 O 75/09 – Vorhalten von Verkehrsdaten „auf Zuruf“

Leitsätze und Volltext finden sich in der JurPC, Web-Dok. 124/2009.

Wieder einmal ein Urteil, das an der (Rechts-)Wirklichkeit vorbei geht. Insbesondere die Figur eines „gesetzlichen Schuldverhältnisses“ zwischen Access Provider und Rechtsinhaber, aufgrund dessen gespeichert werden soll, ist überhaupt nicht gesetzlich begründbar. Ganz im Gegenteil: Nach meiner Auffassung resultiert diese Ansicht gerade in einer Umkehr der gesetzlichen Regelungen in TKG und BDSG, nach denen eine Speicherung nur aufgrund einer gesetzlichen Grundlage und nicht aufgrund eines wie auch immer gearteten gesetzlichen Schuldverhältnisses gespeichert werden darf (zur fehlenden Verpflichtung zur Erhebung von Daten bei Access Providern, die ähnlich der Pflicht zur Datenspeicherung zu bewerten ist s. auch eingehend Mantz, Rechtsfragen offener Netze, S. 273 ff., Download hier). Selbst wenn man ein solches gesetzliches Schuldverhältnis annehmen würde, würde die Speicherung vermutlich trotzdem unter dem Vorbehalt der Einwilligung nach §§ 4, 4a BDSG stehen, denn ein „gesetzliches Schuldverhältnis“ ist noch lange keine „gesetzliche Regelung“ i.S.d. § 4 BDSG.

S. dazu auch:

Auszug aus dem Urteil:

a) Der Auskunftsanspruch nach § 101 Abs. 2 UrhG und damit das gesetzliche Schuldverhältnis zwischen dem Verletzten und dem Provider als Grundlage der Pflicht der Antragsgegnerin zur Vorhaltung der Verbindungsdaten über das Verbindungsende hinaus entsteht bereits mit der rechtsverletzenden Verbindung über eine von dem Provider einem Kunden zugewiesene IP-Adresse und sie konkretisiert sich auch für den Provider mit der Kenntniserlangung von der Verletzung; so dass dieser von dem Zeitpunkt an verpflichtet ist, entsprechend der vorstehenden Ausführungen die Daten für eine Auskunft vorzuhalten, um der Auskunftspflicht auch nachkommen zu können. Dass die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten – und damit die Überprüfung aller Anspruchsvoraussetzungen – einem Richtervorbehalt unterliegt, ändert daran nichts. Denn dadurch soll einerseits der besonderen Schutzbedürftigkeit von Verkehrsdaten bei der Verwendung gegenüber Dritten im Zusammenhang mit der Auskunft Rechnung getragen werden und andererseits sollen Internet-Provider und Telekommunikationsunternehmen von Anspruchsprüfung entlastet werden (BT-Drucks. 16/5048, S. 40). Eine konstitutive Bedeutung für das Entstehen des Auskunftsschuldverhältnisses kommt dem Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG damit nicht zu.

b) Die begehrte Vorhaltung der Verkehrsdaten ist datenschutzrechtlich zulässig. Zwar sind Verkehrsdaten grundsätzlich gemäß § 96 Abs. 2 Satz 2 TKG nach Beendigung einer Verbindung zu löschen. Hier besteht aber eine Ermächtigung zur weiteren Vorhaltung der Daten zum Zwecke der Auskunft gemäß § 96 Abs. 2 Satz 1 TKG i.V.m. § 101 Abs. 2, 9 UrhG.

aa) Die datenschutzrechtlichen Regeln des Telekommunikationsgesetzes (TKG) sind grundsätzlich anwendbar, da die Antragsgegnerin einen reinen Zugangsdienst anbietet (vgl. § 1 Abs. 1 Telemediengesetz). Ferner stellt nach Auffassung der Kammer nicht nur die dynamische IP-Adresse als solche ein Verkehrsdatum im Sinne von § 3 Nr. 30 TKG dar, sondern auch die Verknüpfung der dynamischen IP-Adresse (zu einem bestimmten Zeitpunkt) mit Namen und Adressen der Kunden (Bestandsdaten) unterfällt den Regeln über Verkehrsdaten (siehe hierzu Fromm/Nordemann/Czychowski, a.a.O., § 101 Rn. 66).

bb) Nach § 96 Abs. 2 Satz 1 TKG dürfen diese Daten über das Ende der Verbindung hinaus verwendet werden, soweit sie zum Aufbau weiterer Verbindungen oder für die in den §§ 97, 99, 100und 101 TKG genannten oder für die durch andere gesetzliche Vorschriften begründeten Zwecke erforderlich sind. Bei der Auskunftserteilung nach § 101 Abs. 2 i.V.m. Abs. 9 UrhG handelt es sich um einen solchen durch eine andere gesetzliche Vorschrift begründeten Zweck. Dementsprechend enthält § 101 Abs. 10 UrhG auch den aufgrund des Zitiergebots des Artikel 19 Abs. 1 Satz 2 GG erforderlichen ausdrücklichen Hinweis, dass durch § 101 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 9 das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG) eingeschränkt wird. Dieses Verständnis der Regelungen des § 101 UrhG wird bestätigt durch die Begründung des Regierungsentwurfs zum Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums zur Parallelvorschrift des § 140b PatG (BT-Drucksache 16/5048 Seite 39 f). Dort wird zunächst dargestellt, dass die Verkehrsdaten nach bisheriger Rechtslage aufgrund des einfachgesetzlich (§ 88 TKG) und verfassungsrechtlich (Art. 10 Absatz 1 GG) geschützten Fernmeldegeheimnisses trotz bestehenden Bedürfnisses von Rechtsinhabern keinen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch gegen einen Accessprovider ermöglichten. Die Regelung des Absatzes 9 mit dem Richtervorbehalt wird dann als Lösung dargestellt, die allen beteiligten Interessen am besten gerecht wird, wobei abschließend ausdrücklich auf die damit verbundene Einschränkung des Fernmeldegeheimnisses hingewiesen wird.

cc) Soweit § 96 Abs. 2 Satz 1 TKG dem Wortlaut nach nur bereits nach § 96 Abs. 1 TKG für eigene Zwecke gespeicherte Verkehrsdaten erfasst, steht das der weiteren Vorhaltung nicht entgegen.

Wenn die Verwendung von für eigene Zwecke gespeicherter Daten für die Beauskunftung nach § 96 Abs. 2 Satz 1 TKG i.V.m. § 101 Abs. 2 i.V.m. Abs. 9 UrhG datenschutzrechtlich zulässig ist, dann muss dies erst recht für solche Daten gelten, die zwar nicht schon für eigene Zwecke vorgehalten werden, die aber zur Erfüllung der gesetzlichen Auskunftspflicht erhoben werden. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die Speicherung der Daten gegenüber der Verwendung der Daten für eigene Zwecke des Access-Providers für sich genommen eine deutlich geringere datenschutzrechtliche Relevanz hat (vgl. BVerfG MMR 2008, 303, 304: „Ein besonders schwerwiegender und irreparabler Nachteil […] liegt in der Datenspeicherung allein nicht.“).

Dabei ist weiter zu berücksichtigen, dass eine kurzzeitige Speicherung für eigene Zwecke nach § 96 Abs. 2 Satz 1 TKG nach Auffassung der Kammer ohnehin generell zulässig ist (so zutreffend auch AG Bonn MMR 2008, 203). Demgemäß speichern mehrere Diensteanbieter die Daten noch sieben Tage nach Verbindungsende. Es kann nicht zu Lasten der Auskunftsberechtigten gehen, dass die Antragsgegnerin von dieser zulässigen Möglichkeit keinen Gebrauch macht.

Im übrigen verkennt die Antragsgegnerin bei ihrer Argumentation, dass die Verbindungsdaten im Zeitpunkt des weiteren Speicherbegehrens auf Zuruf bereits während der laufenden rechtverletzenden Verbindung jedenfalls für technische Zwecke, nämlich zur Aufrechterhaltung der Verbindung, rechtmäßig für eigene Zwecke vorgehalten werden.

dd) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Kunden der Antragsgegnerin steht nicht entgegen. Dieses Recht steht hier in einem Spannungsverhältnis mit dem Eigentumsrecht der Rechteinhaber (Fromm/Nordemann/Czychowski, a.a.O., § 101 Rn. 71). Das Urheberrecht ist als geistiges Eigentum gemäß Art. 14 GG geschützt. Diese Eigentumsposition darf den Rechteinhabern nicht dadurch faktisch entzogen werden, dass sie sich mangels Kenntnis der konkreten Verletzer nicht gegen Rechtsverletzungen im Internet zur Wehr setzen können. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Nutzer, denen die IP-Adresse jeweils zugeordnet wird, muss demgegenüber zurücktreten. Dies folgt zum einen daraus, dass die Verwendungsmöglichkeiten der Information, wem eine IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesen worden ist, sehr beschränkt sind. Zum anderen macht derjenige, der seinen Anschluss der Öffentlichkeit zugänglich macht, auch die ihm für diesen Zeitraum zugewiesene IP-Adresse öffentlich, so dass sein Schutzbedürfnis auch aus diesem Grund als gering zu bewerten ist (OLG Köln, GRUR-RR 2009, 9, 10 f. – Ganz anders ).

ee) Eine ausufernde Speicherung von Verkehrsdaten wird über das Erfordernis einer „offensichtlichen Rechtsverletzung“ verhindert.

ff) Eine weitergehende datenschutzrechtliche Ermächtigung zur Speicherung der Verkehrsdaten ist entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht erforderlich. Aus § 111 TKG und § 113 a TKG folgt nicht, dass Diensteanbieter nur aufgrund einer besonderen gesetzlichen Anordnung zur Speicherung von Verkehrsdaten zwecks Erfüllung gesetzlich normierter Auskunftsansprüche Dritter verpflichtet sind. Beide Regelungen betreffen nämlich Auskünfte gegenüber Behörden und nicht gegenüber Privaten. Im Verhältnis zwischen Staat und Diensteanbieter muss eine öffentlichrechtliche Pflicht zur Speicherung aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes erst durch Gesetz geschaffen werden. Vorliegend besteht aber eine zivilrechtliche Speicherpflicht bereits aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis des § 101 Abs. 2 UrhG. Aus diesem Grund sind auch die von der Antragsgegnerin zitierten Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 22.10.2003, Az.: 6 C 23.02, MMR 2004, 114 ff.) auf die hier zu beurteilende Fallgestaltung nicht unmittelbar anwendbar. So hat das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung zu § 90 Abs. 1 TKG a.F., der eine Pflicht der Diensteanbieter zur Führung von Kundendateien vorsah, maßgeblich darauf gestützt, dass § 90 Abs. 1 TKG a.F. gerade nicht das Verhältnis der Diensteanbieter zu ihren Kunden anspreche, sondern die Beziehung zwischen dem Diensteanbieter und dem Staat (MMR 2004, 114, 116).

gg) Dem Gesetzgebungsverfahren zu § 101 Abs. 2, Abs. 9 UrhG kann auch nicht entnommen werden, dass eine Speicherpflicht dem Willen des Gesetzgebers widerspricht. Der Rechtsausschuss hat lediglich eine Verwendung von allein nach § 113 a TKG gespeicherten Daten im Rahmen von Bestandsdatenauskünften abgelehnt und insofern klargestellt, dass die Verwendung von diesen gespeicherten Daten grundsätzlich auf die Erteilung von Auskünften für hoheitliche Zwecke beschränkt bleiben soll (BT-Drucks. 16/6979, S. 46). Ausschließlich in diesem Zusammenhang ist auch der Verweis der Rechteinhaber auf ein Vorgehen nach § 406 e StPO i.V.m. §§ 161, 163 StPO i.V.m. § 113 TKG (BT-Drucks. 16/6979, S. 46) zu sehen. Die Frage, ob sich eine Berechtigung zur Speicherung auch aus anderen Normen als § 113 a TKG ergeben kann, wird demgegenüber vom Rechtsausschuss nicht erörtert.

hh) Schließlich steht die Speicherung der Daten selbst – anders als die Übermittlung der Daten – nicht unter dem Richtervorbehalt des § 101 Abs. 9 UrhG. Der Richtervorbehalt bezieht sich nach der insoweit klaren Regelung des § 101 Abs. 9 Satz 1 UrhG auf die Verwendung der Verkehrsdaten für die Auskunft nach § 101 Abs. 2 UrhG. Das setzt, wie die Antragsgegnerin an anderer Stelle zutreffend argumentiert, vielmehr das Vorhandensein der Verkehrsdaten voraus, also deren Speicherung, dessen Sicherung für das Auskunftsverfahren gerade Gegenstand dieses Verfahrens ist.

ii) § 96 Abs. 2 Satz 1 TKG i.V.m. §§ 101 Abs. 2, Abs. 9 UrhG stellt somit eine datenschutzrechtliche Ermächtigungsgrundlage zur Speicherung der für die Auskunft nötigten Verkehrsdaten dar.

Lesetipp: Maaßen, Urheberrechtlicher Auskunftsanspruch und Vorratsdatenspeicherung, MMR 2009, Heft 8, S. 511

In der aktuellen MMR (Heft 8 ) ist ein sehr interessanter Aufsatz von Stefan Maaßen mit dem Titel „Urheberrechtlicher Auskunftsanspruch und Vorratsdatenspeicherung“ erschienen.

Auf den urheberrechtlichen Auskunftsanspruch (hier) und die Problematik der Vorratsdatenspeicherung (hier) wurde schon des öfteren in diesem Blog hingewiesen.

Maaßen analysiert zunächst den aktuellen Stand der Rechtsprechung und weist auf die unterschiedlichen von den Gerichten angelegten Maßstäbe hin (dazu s. auch schon hier; ferner Mantz, K&R 2009, 21 m.w.N.; weitere Aufsätze zum Thema hier).

  • Datenschutzrecht

Anschließend geht der Autor auf die datenschutzrechtliche Problematik ein.

„Entscheidend ist insoweit, dass in jedem Einzelfall eine Abwägung zwischen dem Datenerhebungsinteresse und den schutzwürdigen Belangen des Betroffenen zu erfolgen hat. Die Praxis der Rechteinhaber, die IP-Adressen in einem automatisierten, softwaregestützten Verfahren zu erheben, genügt diesen Anforderungen schon deswegen nicht, weil eine Einzelfallabwägung nicht erfolgt. I.Ü. dürften die schutzwürdigen Belange des Dritten überwiegen. Denn zum Zeitpunkt der Erhebung ist nicht bekannt, ob der Anschlussinhaber als Verletzer oder Störer einer Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen werden kann. So ist denkbar, dass es sich bei dem Anschlussinhaber um den Betreiber eines Hot Spots oder den Inhaber eines unbefugt genutzten nicht-öffentlichen Internetzugangs handelt, die nicht Störer i.S.d. Urheberrechts sind. Die bloße Möglichkeit, dass die Datenerhebung zur Durchsetzung urheberrechtlicher Ansprüche erforderlich ist, vermag einen von privater Stelle initiierten und automatisiert durchgeführten Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des betroffenen Anschlussinhabers jedenfalls nach gegenwärtiger Gesetzeslage nicht zu rechtfertigen und könnte sogar ein zivilprozessuales Beweisverwertungsverbot zur Folge haben.“

  • Vorratsdatenspeicherung

Zudem schließt sich der Autor der wohl mittlerweile h.M. an, dass eine Herausgabe von Daten, die nur für die Vorratsdatenspeicherung und zu keinem anderen Zweck (insb. nicht § 96 TKG wg. einer Flatrate) gespeichert wurden, *nicht* herausgegeben werden dürfen.

„Wenn der Provider keine auch nur kurzfristige Speicherung von Verkehrsdaten für eigene Zwecke vornimmt, sondern allein seiner Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung aus § 113a TKG nachkommt, ist die Erfüllung des urheberrechtlichen Auskunftsanspruchs rechtlich unmöglich.“

S. zu dieser Thematik auch Gietl/Mantz, CR 2008, 810; Jenny, CR 2008, 82; Hoeren, NJW 2008, 3099.

  • Speicherung auf Zuruf (LG Hamburg)

Interessant sind weiter die Ausführungen zu einem Urteil des LG Hamburg zur Speicheranordnung zum Zweck späterer Auskunftserteilung (LG Hamburg, Urteil vom 11.03.2009 – 308 O 75/09, JurPC Web-Dok. 124/2009). Dieses hatte eine Verpflichtung des Provider zur Speicherung „auf Zuruf“ angenommen und mit einem gesetzlichen Schuldverhältnis begründet, das durch die rechtsverletzende Inanspruchnahme des Providers zwischen Rechteinhaber und Provider entstehen soll. Nach meiner Auffassung resultiert diese Ansicht gerade in einer Umkehr der gesetzlichen Regelungen in TKG und BDSG, nach denen eine Speicherung nur aufgrund einer gesetzlichen Grundlage und nicht aufgrund eines wie auch immer gearteten gesetzlichen Schuldverhältnisses gespeichert werden darf (zur fehlenden Verpflichtung zur Erhebung von Daten bei Access Providern, die ähnlich der Pflicht zur Datenspeicherung zu bewerten ist s. auch eingehend Mantz, Rechtsfragen offener Netze, S. 273 ff., Download hier). Selbst wenn man ein solches gesetzliches Schuldverhältnis annehmen würde, würde die Speicherung vermutlich trotzdem unter dem Vorbehalt der Einwilligung nach §§ 4, 4a BDSG stehen, denn ein „gesetzliches Schuldverhältnis“ ist noch lange keine „gesetzliche Regelung“ i.S.d. § 4 BDSG.
Maaßen steht dieser Lösung des LG Hamburg ebenfalls kritisch gegenüber und bezweifelt weiter, ob eine Umsetzung dieses „Hamburger Modells“ überhaupt verfassungsrechtlich zulässig wäre.

  • Schluss

Im Fazit schließlich verweist Maaßen darauf, dass ohne eine gesetzliche Regelung nichts geht.

„Um den berechtigten Interessen der Rechteinhaber an einer effektiven Durchsetzung ihrer Ansprüche Rechnung zu tragen, sind gesetzliche Vorgaben erforderlich, welche den Umgang mit IP-Adressen auf eine tragfähige datenschutzrechtliche Grundlage stellen. Eine Ausweitung des § 113b TKG dürfte aus verfassungsrechtlichen Gründen als Lösung ausscheiden.“

Keine Rechtsprechung zu § 97a UrhG und Filesharing?

Prof. Thomas Hoeren hat in der CR 2009, Heft 6, S. 378 ff. einen Aufsatz mit dem Titel „100 € und Musikdownloads – die Begrenzung der Abmahngebühren nach § 97a UrhG“ veröffentlicht, der hier als Anlass zu einer kurzen Betrachtung von § 97a UrhG genutzt werden soll.

1. Die Regelung des § 97a UrhG

Gemäß § 97a UrhG wird in einfach gelagerten Fällen die Abmahngebühr auf 100 € begrenzt. Hoeren untersucht in seinem Aufsatz, ob § 97a UrhG in Fällen von Musikdownloads greift – eine sinnvolle Sache, da in den derzeitigen Abmahnung die Anwaltskanzleien jeweils viel Raum darauf verwenden, zu erklären, warum die Filesharing-Sache so ungemein kompliziert ist und deshalb die Deckelung nicht greift.

Der Wortlaut der Norm:

§ 97a Abmahnung

(1) Der Verletzte soll den Verletzer vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Unterlassung abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen. Soweit die Abmahnung berechtigt ist, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden.
(2) Der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen für die erstmalige Abmahnung beschränkt sich in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100 Euro.

2. Die Bewertung von Hoeren, CR 2009, 378
Hoeren schreibt hierzu, dass der Rechercheaufwand nicht hoch sei – dies dürfte im Hinblick darauf, dass die eingeschalteten Kanzleien die Auskunftsbegehren jeweils in  Blöcken von 10.000 Stück einreichen, richtig sein. Normalerweise dürfte bei Angeboten in Tauschbörsen immer ein einfach gelagerter Fall vorliegen. Denn wenn die Fälle so kompliziert wären, wie dies in den Abmahnschreiben jeweils betont wird, dann hätte nicht eine einzige Kanzlei innerhalb eines Jahres 60.000 dieser Fälle bearbeiten können (s. hier). Hoeren schreibt weiter, es lasse sich auch nicht vertreten, dass kein einfach gelagerter Fall vorliegen, weil der Abgemahnte Widerspruch erhoben habe, wenn der Abgemahnte nur der Kostenerstattung, nicht aber der Abmahnung an sich widerspreche. Anschließend geht Hoeren intensiv darauf ein, wann eine Rechtsverletzung durch das Angebot in einer Musiktauschbörse „unerheblich“ ist.
Weiter sei das Angebot in Tauschbörsen in aller Regel nicht als „im geschäftlichen Verkehr“ anzusehen.

Insgesamt ein interessanter Artikel, in dem Hoeren auf die wesentlichen Punkte zu § 97a UrhG eingeht.

3. Keine Rechtsprechung zu § 97a UrhG und Filesharing?

Kürzlich wurde mir ein Fall geschildert, in dem der wegen Filesharings Abgemahnte nur bereit war, die gedeckelte Gebühr i.H.v. 100 Euro zu zahlen und sich auf § 97a UrhG berief. Die abmahnende Rechtsanwaltskanzlei wollte das natürlich erst einmal nicht hinnehmen. Im Telefongespräch zwischen den Anwälten ließ sich die Sache aber schnell ausräumen: Die Drohung des Abgemahnten, die Frage mit § 97a UrhG – gerne auch vor dem LG Hamburg – endgültig klären zu lassen, reichte aus, um die Abmahnkanzlei zu überzeugen, sich mit 100 Euro zu begnügen.

Dieses Vorgehen – erst volle Gebühren zu verlangen und anschließend 100 Euro zu akzeptieren, wenn der Abgemahnte sich ernsthaft auf § 97a UrhG beruft – scheint derzeit bei den Abmahnern üblich zu sein: Eine schnelle Recherche nach Rechtsprechung nach § 97a UrhG ergibt übrigens (Stand 12.7.2009) zwei Urteile, keines davon mit Bezug zum Filesharing (wer nähere Informationen bzw. andere Urteile hat, gerne hier in den Kommentaren oder per Mail an mich), nämlich

Während die Abmahnkanzleien beim neuen § 101 UrhG ganz schnell waren und innerhalb weniger Tage nach Inkrafttreten einstweilige Verfügungen bei einer ganzen Reihe von Gerichten erwirkt hatten (s. dazu hier; hier; sowie eingehend Mantz, K&R 2009, 21), scheint das Interesse an Urteilen zu § 97a UrhG „begrenzt“ zu sein – was für die Sinnhaftigkeit der Norm spricht, und im Ergebnis auch für die Auffassung von Hoeren. Die Abmahner scheinen Angst davor zu haben, dass ihnen ihr Geschäftsmodell wegbricht, auch wenn bei diesem Massengeschäft selbst 100 Euro noch ausreichend sein dürften.

Update: Mittlerweile ist eine Entscheidung des LG Köln zu § 97a UrhG und Filesharing bekannt geworden, s. hier.