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Bundesgerichtshof zur Störerhaftung des Anschlussinhabers bei Filesharing volljähriger Kinder – Bearshare

Der Bundesgerichtshof hat heute zur Frage der Störerhaftung des Anschlussinhabers für die Urheberrechtsverletzung eines volljährigen Kindes Stellung genommen (BGH, Urt. v. 8.1.2014 – I ZR 169/12 – BearShare, Pressemitteilung hier).

Dazu führt der BGH laut Pressemitteilung insbesondere aus:

Bei der Überlassung eines Internetanschlusses an volljährige Familienangehörige ist zu berücksichtigen, dass die Überlassung durch den Anschlussinhaber auf familiärer Verbundenheit beruht und Volljährige für ihre Handlungen selbst verantwortlich sind. Im Blick auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Familienangehörigen und die Eigenverantwortung von Volljährigen darf der Anschlussinhaber einem volljährigen Familienangehörigen seinen Internetanschluss überlassen, ohne diesen belehren oder überwachen zu müssen; erst wenn der Anschlussinhaber – etwa aufgrund einer Abmahnung – konkreten Anlass für die Befürchtung hat, dass der volljährige Familienangehörige den Internetanschluss für Rechtsverletzungen missbraucht, hat er die zur Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Da der Beklagte nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen keine Anhaltspunkte dafür hatte, dass sein volljähriger Stiefsohn den Internetanschluss zur rechtswidrigen Teilnahme an Tauschbörsen missbraucht, haftet er auch dann nicht als Störer für Urheberrechtsverletzungen seines Stiefsohnes auf Unterlassung, wenn er ihn nicht oder nicht hinreichend über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen belehrt haben sollte.

Ähnlich hatte der BGH schon zu einem minderjährigen Kind geurteilt (BGH, Urt. v. 15.11.2012 – I ZR 74/12 – Morpheus), das Urteil schreibt die bisherige Auffassung des BGH daher fort.

Zwei Punkte sind bisher bemerkenswert, auch wenn der Volltext noch nicht vorliegt, und die Pressemitteilung allein mit Vorsicht zu sehen ist (vgl. zum Fall BGH – Sommer unseres Lebens, bei dem Pressemitteilung und Urteilsgründe im Hinblick auf § 97a Abs. 2 UrhG (a.F.) deutlich voneinander abwichen Mantz, MMR 2010, 568):

  • Der BGH stellt auch bei privaten Anschlussinhabern darauf ab, ob es Anhaltspunkte für eine Urheberrechtsverletzung gab. Wie der BGH dies begründet, wird spannend zu sehen. Eventuell könnte hier im Hinblick auf die Störerhaftung ein (teilweiser) Gleichlauf mit anderen Fallkonstellationen greifen. Bei gewerblichen Anbietern geht der BGH nämlich mittlerweile davon aus, dass eine Störerhaftung erst ab Kenntnis greift (BGH, GRUR 2011, 1038 Rn. 21??f. – Stiftparfu?m; BGH GRUR 2013, 370 – Alone in the Dark; BGH, GRUR 2013, 751 – Autocomplete). Hier wird man die Gründe abwarten müssen.
  • Außerdem stellt der BGH die familiäre Bindung in den Vordergrund. Schon in der Morpheus-Entscheidung (BGH, Urt. v. 15.11.2012 – I ZR 74/12 – Morpheus) hatte der BGH dies herausgehoben. Es lässt sich daher mit Fug und Recht behaupten, dass in einer Familie eine Störerhaftung des Anschlussinhabers kaum greifen wird. Wie das dann z.B. in Wohngemeinschaften zu beurteilen ist, ist allerdings noch offen.

Keine konkreten Hinweise enthält die Pressemitteilung zu der Frage der Darlegungs- und Beweislast, also insbesondere, ob der BGH zu Lasten des Anschlussinhabers weiterhin von einer Vermutung der Täterschaft ausgeht, die der Anschlussinhaber (z.B. durch den Vortrag, dass ein volljähriges Kind den Internetanschluss mitnutzt) erst erschüttern müsste. Da der BGH allerdings auf die familiäre Bindung abstellt, scheint er weiterhin von dieser Vermutung auszugehen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere ein kürzlich ergangener Beschluss des OLG Hamm (OLG Hamm, Beschluss vom 4.11.2013, Az.: 22 W 60/13) zu nennen, das substantiiertes Bestreiten für eine Erschütterung der Vermutung hat ausreichen lassen. Es bleibt allerdings dabei, dass – in Angesicht des Umstandes, dass die Nutzung eines Internetanschlusses durch eine Mehrzahl von Personen heutzutage die Regel und nicht die Ausnahme ist – schon die Vermutung auf tönernen Füßen steht bzw. stehen sollte.

Nun müssen wir die Entscheidungsgründe abwarten…

S. zu dem Urteil auch:

Interessant ist, dass der BGH auf die familiäre Bindung abstellt.

BGH, Urt. v. 15.11.2012 – I ZR 74/12 – Morpheus: Überwachungspflicht der Eltern für minderjährige Kinder beim Filesharing

BGH, Urt. v. 15.11.2012 – I ZR 74/12 – Morpheus

Der BGH hat am 15.11.2012 Stellung zur Haftung der Eltern für minderjährige Kinder genommen. Dabei ist bis jetzt nur die Pressemitteilung des BGH veröffentlicht, die Urteilsgründe stehen noch aus. Naturgemäß sind daher Aussagen über die Urteilsgründe und die Erwägungen des BGH nur eingeschränkt möglich. Nicht zu vergessen ist, dass die Pressemitteilung auch Erwägungen enthalten kann, die sich in den Urteilsgründen nicht wiederfinden werden (so z.B. bei BGH, Urt. v. 12.5.2010 – I ZR 121/08 – Sommer unseres Lebens – zu § 97a UrhG, dazu hier und hier).

Zum Sachverhalt heißt es in der Pressemitteilung des BGH:

Bei den Beklagten handelt es sich um ein Ehepaar. Sie hatten den Internetanschluss auch ihrem damals 13 Jahre alten Sohn zur Verfügung gestellt, dem sie zu seinem 12. Geburtstag den gebrauchten PC des Beklagten zu 1 überlassen hatten. Bei einer vom zuständigen Amtsgericht angeordneten Durchsuchung der Wohnung der Beklagten wurde am 22.08.2007 der PC des Sohnes der Beklagten beschlagnahmt. Auf dem Computer waren die Tauschbörsenprogramme „Morpheus“ und „Bearshare“ installiert; das Symbol des Programms „Bearshare“ war auf dem Desktop des PC zu sehen.

Der BGH hatte zum einen die Frage zu beantworten, ob die Eltern Schadensersatz leisten müssen für die durch ihren Sohn mittels Filesharing begangenen Urheberrechtsverletzungen, eine Frage, die bisher zwischen den verschiedenen Oberlandesgerichten unterschiedlich beurteilt wurde. Zum anderen begehrten die Klägerinnen den Ersatz von Abmahnkosten. Diese wären nicht nur zu gewähren, wenn der Anspruch auf Schadensersatz besteht, sondern auch, wenn die Beklagten als Störer haften würden.

Der BGH hat die Klage auf Schadensersatz und Ersatz der Abmahnkosten abgewiesen. Zur Begründung heißt es in der Pressemitteilung:

Nach Ansicht des BGH genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kindes, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehren. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internet durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, bestehe grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen seien Eltern – so der BGH – erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsverletzende Nutzung des Internetanschlusses durch das Kind haben.

Aus diesem kurzen Absatz lässt sich – unter Vorbehalt, wie oben angedeutet – folgendes lesen:

  1. Eltern, die ihre minderjährigen, aber schon teils einsichtigen Kinder belehren und ihnen Regeln für die Nutzung des Internet auferlegen, verstoßen nicht gegen eine Verkehrspflicht i.S.v. § 823 BGB, wenn sie das Kind nicht (ggf. lückenlos) überwachen und das Kind entgegen der Anweisung Rechtsverletzungen unter Nutzung des Internetanschlusses begeht. Daher scheidet ein Schadensersatzanspruch nach § 97 Abs. 2 UrhG, § 823 Abs. 1, 832 BGB aus.
  2. Ebenso und aus dem selben Grunde scheidet im Rahmen der Störerhaftung nach §§ 97  Abs. 1 UrhG, 1004 BGB eine Haftung der Eltern auf Unterlassen aus, es sei denn, die Eltern hatten „konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsverletzende Nutzung des Internetanschlusses“. Für die Störerhaftung müsste den Eltern daher z.B. ein vorheriger Fall bekannt gewesen sein, in dem das Kind über das Internet Rechte verletzt hat.Offen bleibt, ob dies auf „kerngleiche Rechtsverletzungen“ zu beschränken ist. Wie der BGH entschieden hätte, wenn den Eltern bekannt war, dass der Sohn über das Internet Persönlichkeitsrechtsverletzungen (Beleidigung, Mobbing etc.) begangen hat, lässt sich daher noch nicht sagen. Ob die Urteilsgründe hierüber Aufschluss geben, muss abgewartet werden.
  3. Zum Abschluss ist zu beachten, dass der BGH nur über die Haftung der Eltern zu entscheiden hatte. Im vorliegenden Fall könnte aber eine Haftung des Sohnes nach §§ 823, 828 Abs. 3 BGB bestehen (s. hierzu auch bei Jens Ferner). § 828 Abs. 3 BGB lautet:

    Wer das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist, sofern seine Verantwortlichkeit nicht nach Absatz 1 oder 2 ausgeschlossen ist, für den Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich, wenn er bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat.

    Die (offenbar erfolgte) Belehrung durch die Eltern könnte hier ein Argument zu Lasten des Minderjährigen sein.

Letztendlich müssen die Urteilsgründe abgewartet werden, bevor eine abschließende Beurteilung des Urteils möglich ist, auch im Hinblick darauf, von welchen rechtlichen Erwägungen sich der BGH hat leiten lassen. Auf diese kann es in Bezug auf andere Fälle, insbesondere im Bereich der Störerhaftung, wesentlich ankommen.

S. auch weitere Kommentare bei