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AG Frankfurt: Umschwenken von Pauschalpreis zu Abrechung nach RVG bei der Beauftragung zur Abmahnung geht zu Lasten des Abmahnenden, Urt. v. 29.1.2010 – 31 C 1078/09-78

(AG Frankfurt, Urteil vom 29.01.2010, Az. 31 C 1078/09-78) – Volltext

Das AG Frankfurt hat in einem Urteil vom 29.1.2010 einen interessanten Kniff bei der Bewertung der Rechtmäßigkeit der Forderung von Anwaltsgebühren für Abmahnungen bei Filesharing gefunden:

Der Rechtsinhaber eines Musikwerks hatte generell einen Pauschalpreis für die Abmahnung vereinbart. Im Prozessfalle sollte dann nach RVG abgerechnet werden:

Aus dem Tatbestand:

Die Klägerin hat mit ihren Bevollmächtigten einen Beratungsvertrag abgeschlossen, im Rahmen dessen nach Aufwand abgerechnet wird. Im Rahmen dieses Vertrages werden die außergerichtlichen Abmahnungen vorgenommen, bei denen gleichzeitig ein Vergleichsangebot entsprechend der oben beschriebenen Form unterbreitet wird. In dem Fall, dass dieses Vergleichsangebot von der Gegenseite nicht angenommen wird, berichtigen die Bevollmächtigten dieses an die Klägerin. In einigen Fällen entscheidet sich die Klägerin sodann zur Klageerhebung. In diesen Fällen beauftragt die Klägerin ihre Bevollmächtigten Rechtsanwaltskosten gemäß einer 1,3 RVG-Gebühr aus einem Streitwert von EUR 10.000,00 einzuklagen. Über diese Gebühr wird sodann der Klägerin eine Rechnung erstellt.

Die Klägerin behauptet,
dass ihr ein Schaden an außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 651,80 entstanden sei. Ihre Bevollmächtigten hätten eine entsprechende Vergütung in Rechnung gestellt und diese Rechnung sei von der Klägerin auch bezahlt worden. Die Klägerin erachtet des Weiteren einen Schadensersatz in Höhe von EUR 150,00 nach § 97 Abs. 2 UrhG für angemessen.

Aus diesem Grund hat das AG Frankfurt als Schaden nur die vereinbarte Pauschale angenommen. Alles, was darüber hinausginge, sei von der Vereinbarung nicht abgedeckt und daher ein freiwilliges Vermögensopfer – und damit kein Schaden, da dieser nur unfreiwillige Vermögenseinbußen beinhaltet. Da die Klägerin die Höhe dieses Pauschalpreis trotz Bestreiten des Beklagten nicht dargelegt hat, verliert sie ganz:

Ein weitergehender Anspruch der Klägerin auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist nicht gegeben.
Es kann insoweit dahinstehen, ob die Klägerin an ihre Bevollmächtigten tatsächlich Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 651,80 gezahlt hat, denn selbst im Falle einer entsprechenden Zahlung würde der Klägerin kein Anspruch auf Erstattung in entsprechender Höhe zustehen.
Der Klägerin wäre auch im Falle einer entsprechenden Zahlung kein erstattungsfähiger Schaden in entsprechender Höhe entstanden.
Ein Schaden ist eine unfreiwillige Einbuße. Insoweit die Klägerin an ihre Bevollmächtigten eine Zahlung von Rechtsanwaltskosten gemäß einer 1,3 RVG-Gebühr aus einem Streitwert von EUR 10.000,00 geleistet haben mag, so würde es sich jedoch nicht um eine unfreiwillige Einbuße handeln.
Gemäß dem Vorbringen der Klägerin besteht eine Vereinbarung, wonach für die außergerichtliche Abmahntätigkeit ein Pauschalhonorar vereinbart ist. Nur in Höhe der sich hiernach ergebenden Kosten für die hier gegenständliche Abmahnung ist der Klägerin ein Schaden in Form einer unfreiwilligen Einbuße entstanden. Die auf Basis dieses Vertrages erbrachte außergerichtliche Tätigkeit der Bevollmächtigten der Klägerin war bereits vollumfänglich abgeschlossen und den Bevollmächtigten der Klägerin stand ein Honoraranspruch aus der geschlossenen Vereinbarung zu. Insoweit sich die Klägerin im Anschluss hieran entschieden hat, einen Klageauftrag zu erteilen, in der Klage eine 1,3 RVG-Gebühr aus einem Streitwert von EUR 10.000,00 geltend zu machen und nunmehr (nach Abschluss jeglicher Tätigkeit) entsprechend ein Honorar in Höhe einer 1,3 RVG-Gebühr aus einem Streitwert von EUR 10.000,00 zu zahlen, so handelt es sich um eine freiwillige Entscheidung der Klägerin. Den Bevollmächtigten der Klägerin stand kein entsprechender Honoraranspruch zu. Gemäß dem Vortrag der Klägerin bestand insbesondere auch keine grundsätzllche Vereinbarung dahingehend, dass den Bevollmächtigten der Klägerin im Falle der Klageerhebung eine entsprechende Gebühr zusteht, sondern die Entscheidung über die Geltendmachung und etwaige Zahlung einer entsprechenden Gebühr wird ausschließlich durch die Klägerin getroffen.
Eine entsprechende Geltendmachung gegenüber dem Beklagten kommt nach alledem nicht in Betracht. Die Klägerin ist vielmehr darauf verwiesen, ihren Schaden gemäß der sich aus dem geschlossenen Beratungsvertrag ergebenden Vermögenseinbuße zu berechnen und geltend zu machen.
Zur Höhe des sich hiernach ergebenden Schadens mangelt es jedoch an jeglichem Vortrag, so dass die Klage insgesamt abzuweisen war.
Nachdem der Beklagte seit Prozessbeginn bestritten hat, dass der Klägerin ein Schaden in Höhe einer 1,3 RVG-Gebühr aus einem Streitwert von EUR 10.000,00 entstanden ist, mehrfach behauptet hat, dass es eine abweichende Honorarvereinbarung zwischen der Klägerin und ihren Bevollmächtigten geben muss, auch im Termin vom 18.01.2010 abschließend nochmals darauf hinwies, dass die Klägerin wenn überhaupt nur gemäß der tatsächlich getroffenen Honorarvereinbarung einen Schadensersatzanspruch geltend machen kann und diese Frage auch Gegenstand der umfassenden Erörterungen im Termin vom 18.01.2010 war, bedurfte es diesbezüglich keines weiteren gerichtlichen Hinweises.

Bestätigt hat das AG Frankfurt die Tendenz, dem mutmaßlichen Verletzer im Rahmen der sekundären Beweislast für Schadensersatzansprüche die Darlegung aufzuerlegen, warum nicht er, sondern ein Dritter die Rechtsverletzung begangen hat:

Der Beklagte trägt die sekundäre Darlegungslast zur Angabe der Person, welche in unberechtigter Weise auf seinen Internetanschluss zugegriffen hat bzw. eine Zugriffsmöglichkeit hatte (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.12.2007, Az.: 11 W 58/07, zu finden in juris). Dieser Darlegungslast ist der Beklagte nicht nachgekommen. Die pauschale Behauptung, dass Dritte Personen am Tatzeitpunkt Zugriff auf den Internetanschluss hatten, ist unsubstantiiert und eine konkrete Benennung bzw. ein Beweisangebot liegt mit der Benennung von Zeugen N.N. nicht vor.
Nachdem der Beklagte hierauf von der Klägerin umfassend unter Bezugnahme auf Rechtsprechungshinweise hingewiesen wurde, bedurfte es insoweit keines weiteren Hinweises des Gerichts.

(via Wilde, Beuger & Solmecke)

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