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OLG Köln: 4-tägige Speicherung von IP-Adressen durch den Provider ist nach § 100 TKG gerechtfertigt und Auskunft nach § 101 Abs. 9 UrhG möglich

Ich möchte heute auf eine aktuelle Entscheidung des OLG Köln hinweisen (OLG Köln, Urteil vom 14.12.2015 – 12 U 16/13, BeckRS 2016, 00898).

Es handelte sich um ein Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG: Wegen angeblichen Filesharing ordnete das LG Köln die Herausgabe der Bestandsdaten zu IP-Adressen an, wobei der Provider die IP-Adressen samt Nutzungszeitpunkt jeweils für insgesamt vier Tage speicherte. Der Kläger (also der Anschlussinhaber) vertrat die Auffassung, dass der Provider zur Speicherung nicht berechtigt sei. Da der Provider die Daten hätte löschen müssen, sei der Beschluss des LG Köln zur Beauskunftung falsch und aufzuheben.

Das OLG Köln hat sich der Auffassung des Klägers nicht angeschlossen und festgestellt, dass der Provider die Daten für vier Tage speichern und dann auch im Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG herausgeben durfte:

„1. Die Datenspeicherung ist nach § 100 Abs. 1 TKG gerechtfertigt, weil sie zur Abwehr von Störungen der Telekommunikationsanlage erforderlich ist.

a) Das Internet als Ganzes stellt zum einen ein Telekommunikationsnetz gemäß § 3 Nr. 26 TKG dar, zum anderen aber auch eine Telekommunikationsanlage nach § 3 Nr. 23 TKG (BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 III ZR 146/10, NJW 2011, 1509, zitiert nach juris, Rn. 24; Urteil vom 3.7.2014, III ZR 391/13, NJW 2014, 2500, zitiert nach juris, Rn. 15), zumal es sich um ein System handelt, welches der Datenübermittlung oder -vermittlung dient. Der Begriff der Störung im Sinne des § 100 TKG ist umfassend zu verstehen als jede vom Diensteanbieter nicht gewollte Veränderung der von ihm für sein Telekommunikationsangebot genutzten technischen Einrichtungen (BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 III ZR 146/10, NJW 2011, 1509, zitiert nach juris, Rn. 24 unter Verweis auf die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Sicherheit in der Informationstechnik des Bundes BT-Drs. 16/11967 S. 17; BGH, Urteil vom 3.7.2014, III ZR 391/13, NJW 2014, 2500, zitiert nach juris, Rn. 17).

b) Auf dieser Grundlage lässt sich zwar eine Störung nicht bereits dann bejahen, wenn eine Internetverbindung – wie im Falle einer Urheberrechtsverletzung – zu rechtswidrigen Zwecken genutzt wird, zumal hierbei das Internet in seiner Funktionsfähigkeit gerade nicht eingetrübt wird und auch eine Sperrung von IP-Nummernblöcken nicht zu befürchten ist.

Eine Ausweitung der Auslegung des Begriffs der Störung auf Urheberrechtsverletzungen wäre dementsprechend nur dann möglich, wenn man aus § 100 Abs. 1 TKG in einer Art Analogie zu ordnungsrechtlichen Generalklauseln (wie z. B. § 1 OBG-NW, § 1 PolG-NW) eine allgemeine Verpflichtung oder Befugnis des Providers herleiten würde, jeglichen Rechtsverletzungen im Internet vorsorglich durch Datenspeicherungen entgegenzuwirken.

Dies kann indes weder dem Wortlaut der §§ 96, 100 TKG entnommen werden, noch deutet die Entstehungsgeschichte des Gesetzes darauf hin, dass der Gesetzgeber den Betreibern von Telekommunikationsanlagen die Befugnis zur Ausübung eines derartigen Wächteramtes hat zukommen lassen wollen. Auch die Gesetzessystematik spricht dagegen. So grenzen die §§ 91 ff. TKG die Befugnisse der Betreiber von Telekommunikationsanlagen im Umgang mit Daten ein. Ferner trifft das TKG zu Kommunikationsinhalten keinerlei ausdrückliche Regelung, sondern verweist zur Inhaltskontrolle grundsätzlich durch die §§ 110 ff. TKG auf die Aufgaben und Befugnisse der Sicherheitsbehörden, wogegen den Betreibern von Telekommunikationsanlagen lediglich die Aufgabe der Umsetzung von behördlichen Anordnungen zugewiesen wird, einschließlich solcher Anordnungen, die eine Inhaltsüberwachung vorsehen. Sinn und Zweck der Regelung ist dementsprechend die Begrenzung der Aufgaben und Befugnisse von Telekommunikationsanlagenbetreibern auf die formale Gewährleistung der Kommunikationsmöglichkeit, wie die §§ 88, 91 TKG durch Benennung des Fernmeldegeheimnisses und des Datenschutzes als umzusetzende übergesetzliche Vorgaben verdeutlichen.

c) Eine die Datenspeicherung rechtfertigende Störung nach § 100 TKG ist aber anzunehmen, wenn ohne die Speicherung der IP-Adressen zu befürchten ist, dass andere Provider wegen auftretender Schadprogramme, Versand von Spam-Mails oder „Denialof-Service-Attacken mangels näherer Möglichkeit der Eingrenzung des infizierten Rechners ganze IP-Adressbereiche des Internetanbieters sperren, weil die Gefahren von ihnen, bzw. einem von ihnen ausgehen. Diese Sperrung wäre eine als Störung zu bewertende Veränderung der Telekommunikationsanlage, da diese sodann wegen der Sperrungen teilweise nicht mehr nutzbar wäre (BGH, Urteil vom 13.1.2011, III ZR 146/10, NJW 2011, 1509, zitiert nach juris, Rn. 24; Urteil vom 3.7.2014, III ZR 391/13, NJW 2014, 2500, zitiert nach juris, Rn. 14-23).

aa) Bei Denial of Service-Attacken, Spam-Versand, dem Versand von Trojanern und Hacker-Angriffen handelt es sich um Störungen i. S. d. § 100 TKG (BGH a. a. O.; OLG Frankfurt, Urteil vom 28.8.2013, 13 U 105/07, BB 2013, 2369, zitiert nach juris, Rn. 64).

Dem Kläger ist durchaus zuzugeben, dass eine streng formale Betrachtungsweise dem Telekommunikationsunternehmen jeglichen Blick auf übertragene Inhalte versagen würde. Die vorliegend vertretene eingeschränkte Zulassung der Berücksichtigung und Überprüfung von Kommunikationsinhalten ergibt sich aber unmittelbar aus dem Gesetz, weil § 100 TKG eine Regelung für Störungen jeglicher Art enthält und damit auch für solche, die sich aus Kommunikationsinhalten ergeben.

bb) Zur Rechtfertigung einer Speicherung bedarf es keiner bereits aufgetretenen Störung; ausreichend ist vielmehr eine abstrakte Gefahr, weswegen lediglich zu überprüfen ist, ob die Speicherung erforderlich ist, um einer später auftretenden Störung begegnen zu können (BGH, Urteil vom 13.1.2011, III ZR 146/10, NJW 2011, 1509, zitiert nach juris, Rn. 25-27; Urteil vom 3.7.2014, III ZR 391/13, NJW 2014, 2500, zitiert nach juris, Rn. 6, 19, 21; OLG Frankfurt, Urteil vom 28.8.2013, 13 U 105/07, BB 2013, 2369, zitiert nach juris, Rn. 65-75; Mozek in Säcker, Kommentar zum Telekommunikationsgesetz, 3. Auflage 2013, § 100 TKG, Rn. 10).

Die mehrtätige Speicherung von IP-Adressen begegnet auf dieser Grundlage auch keinen durchgreifenden verfassungs- oder europarechtlichen Bedenken (BGH, Urteil vom 13.1.2011, III ZR 146/10, NJW 2011, 1509, zitiert nach juris, Rn. 27-29, 34, 35; Urteil vom 3.7.2014, III ZR 391/13, NJW 2014, 2500, zitiert nach juris, Rn. 18-24). Insbesondere lässt sich auch den Ausführungen des EUGH im Rahmen der Safe-Harbour- Entscheidung (Urteil vom 6.10.2015, C-362/14, NJW 2015, 3151-3158, zitiert nach juris) keine Abweichung gegenüber dem vorliegend vom Senat eingenommenen Rechtsstandpunkt entnehmen. Die Entscheidung befasst sich mit der Frage, welche Vorgaben dem europäischen Recht für die Praxis eines sozialen Netzwerks entfließen, Daten in den Zugriffsbereich eines Drittstaates außerhalb der EU weiterzugeben, dessen Datenschutzniveau dasjenige der EU unterschreitet. Die vom Kläger zitierten Passagen der Entscheidung befassen sich mit der Rechtsbeeinträchtigung von EU-Bürgern aufgrund der von einer Behörde des Drittstaates vorgenommenen undifferenzierten und massenweisen Speicherung sämtlicher übermittelter personenbezogener Daten aus einem sozialen Netzwerk. Diesen Ausführungen lässt sich für die vorliegend relevante Frage der Befugnis eines deutschen Providers zur Speicherung der IP-Adresse seines deutschen Kunden für 4 Tage keine relevante Aussage entnehmen.

cc) Dass die Speicherung der IP-Adressen für 4 Tage nach Beendigung der Internetverbindung zur Abwehr von Störungen in Gestalt von Hacker-Angriffen, Denialof-Service-Attacken, Versand von Spam oder Trojanern erforderlich ist, steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur vollen Überzeugung des Senates fest. Wegen der Einzelheiten wird auf die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. N in seinem Gutachten vom 30.8.2014 (Bl. 483-493 R d. A.), dem Ergänzungsgutachten vom 15.3.2015 (Bl. 547-554 d. A.) sowie im Rahmen seiner mündlichen Erläuterungen im Sitzungstermin vom 29.10.2015 (Bl. 668-671 d. A.) Bezug genommen, denen der Senat folgt. Der Sachverständige hat nachvollziehbar die in der Vergangenheit festzustellende und für die Zukunft zu erwartende Entwicklung des Gefahrenpotentials aufgrund der aufgetretenen und zu erwartenden Störungen des Internetbetriebes aufgezeigt und das Abuse-Management der Beklagten im Hinblick auf seine Eignung und Erforderlichkeit zur Gefahrenabwehr eingehend gewürdigt. Er hat dieses nicht nur als im Interesse eines sicheren, störungsfreien Betriebs sinnvoll bezeichnet (Gutachten vom 30.8.2014, S.15 = GA Bl.490) und aufgezeigt, warum ohne ein solches Abuse-Management, für das nach derzeitigem Stand eine Speicherung der IP-Adressen zwingend erforderlich ist, die Gefahr von Störungen steigen würde, sondern das Abuse-Management der Beklagten als insgesamt noch vorbildlicher als das der Telekom bewertet, das Gegenstand der Beurteilung durch den Sachverständigen Prof. Dr. I im Rechtsstreit OLG Frankfurt, 13 U 105/07 = BGH, III ZR 391/13, gewesen ist (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2015, S.3 = GA Bl.669).

ee) Der hier getroffenen Bewertung steht nicht entgegen, dass andere Provider als die Beklagte zum Teil keine Datenspeicherung vornehmen. Auf Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen tragen gerade die Störungsabwehrbemühungen der Beklagten und anderer Provider maßgeblich zur Netzstabilisierung bei und ermöglichen so einzelnen Betreibern, denen das Abuse-Management der Beklagten zugutekommt, hiervon gegebenenfalls abzusehen. Fiele das Abuse-Management insgesamt weg, so würde sich die Gefahr von Störungen hingegen deutlich erhöhen.

2. Die in zulässiger Weise gespeicherten Daten sind auf der Grundlage der landgerichtlichen Beschlüsse vom 10.11.2009 und 16.12.2009 rechtmäßig weitergegeben worden. Das Landgericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 101 Abs. 1, 2, 9 UrhG auf der Grundlage der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung, insbesondere zum gewerblichen Ausmaß (BGH, Urteil vom 19.4.2012, I ZB 80/11, zitiert nach juris, Rn. 10 ff.; bestätigt durch BGH, Beschluss vom 16.5.2013, I ZB 44/12, zitiert nach juris, Rn. 16) zutreffend dargestellt. Der Senat nimmt insoweit zur Meidung von Wiederholungen Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil, die zu diesem Punkt auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens keiner weitergehenden Ergänzung durch das Berufungsgericht bedürfen.

3. § 44 Abs. 1 TKG normiert eine umfassende Verpflichtung zu Schadensersatz und Unterlassung zugunsten des betroffenen Kunden, wenn ein Telekommunikationsunternehmen gegen das TKG verstoßen hat oder ein Verstoß droht. Daran fehlt es indes nach dem oben Ausgeführten. Insbesondere liegt kein Verstoß durch Erhebung und/oder Weitergabe von Verkehrsdaten vor (§ 3 Nr. 30 TKG). Verkehrsdaten dürfen gemäß §§ 88, 91, 96 Abs. 1 TKG nur erhoben und weitergegeben werden, soweit dies für nach dem TKG oder anderen gesetzlichen Vorschriften begründete Zwecke erforderlich ist. Dass sich die Beklagte an diese Vorgaben nicht gehalten hätte oder in Zukunft nicht halten wird, ist nach dem oben Ausgeführten nicht ersichtlich. Wegen der Rechtmäßigkeit der Datenerhebung und -weitergabe der Beklagten bestehen auch keine Ansprüche aus §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 1 GG). Ebenso kann nicht von einer Verletzung vertraglicher Nebenpflichten im Sinne des § 241 Abs.2 BGB ausgegangen werden, da vom Bestehen derartiger Nebenpflichten zur Nichterhebung oder Löschung von Daten vor dem Hintergrund der oben beschriebenen Gesetzeslage nicht ausgegangen werden kann.“

Die Entscheidung ist wenig überraschend. Denn der BGH und das OLG Frankfurt haben bereits mehrfach festgestellt, dass IP-Adressen nach § 100 Abs. 1 TKG zur Abwehr von (abstrakten) Störungen über mehrere Tage (nämlich sieben) gespeichert werden dürfen (BGH, Urteil vom 13.1.2011, III ZR 146/10, NJW 2011, 1509; BGH, Urteil vom 3.7.2014, III ZR 391/13, NJW 2014, 2500; OLG Frankfurt, Urteil vom 28.8.2013, 13 U 105/07, BB 2013, 2369).

Mit dem OLG Köln schließt sich nun ein weiteres Obergericht dieser Auffassung an. Dabei entspricht es ebenfalls dem Stand der Rechtsprechung, dass diese Daten nach § 101 Abs. 9 UrhG beauskunftet werden dürfen – genau an diese Daten hat der Gesetzgeber bei dessen Schaffung schließlich gedacht.

Lesetipp: Rauer/Ettig, Creative Commons & Co, WRP 2015, 153

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Wettbewerb in Recht und Praxis“ (WRP) ist ein lesenswerter Aufsatz von Nils Rauer und Diana Ettig mit dem Titel „Creative Commons & Co – Rechtliche Fragestellungen rund um die Nutzung (kostenfreier) Bilddatenbanken“.

Rauer/Ettig führen in Open Content und die Lizenzierungsmodelle ein, wobei der Schwerpunkt auf der Verwendung von Bildern aus Bilddatenbanken wie Flickr, Pixelio, Piqs oder Pixabay liegt. Dabei gehen die Autoren insbesondere auf das Urteil des OLG Köln vom 31.10.2014 – 6 U 60/14 ein (und das Urteil der Vorinstanz), ferner werden aber auch das Pixelio-Urteil des LG Köln (dazu hier; s. auch Stadler, K&R 2014, 213), das in der Berufung zurückgenommen wurde sowie einige andere Urteile zu Bild-Datenbanken, die nicht unmittelbar zu Creative Commons-Lizenzen ergangen sind (zumindest geht es für mich nicht eindeutig aus dem jeweils verfügbaren Text hervor), eingearbeitet bzw. dargestellt.

Hervorzuheben ist noch, dass Rauer/Ettig ebenfalls der Auffassung sind, dass unter Creative Commons-Lizenz stehende Bilder nicht – wie das OLG Köln es vertreten hat – auch im Rahmen der Lizenzanalogie kostenlos seien (ebenso Mantz, GRURInt. 2008, 20, 22 – PDF). Auch kritisieren sie die Entscheidung des OLG Köln, keinen (realen) Lizenzaufschlag aufgrund fehlender Namensnennung anzunehmen.

 

OLG Köln zum Begriff „NonCommercial“ in Creative Commons-Lizenzen – Urteil des LG Köln (teilweise) abgeändert

(Update s.u.)

Im März diesen Jahres hatte das LG Köln sich in einem Urteil mit Creative Commons-Lizenzen, speziell dem Begriff „NonCommercial“ befasst. Dabei hatte das LG Köln die Nutzung eines Bildes durch den Deutschlandfunk auf deren Webseite als kommerzielle Nutzung angesehen und den Deutschlandfunk deshalb zu Unterlassung und Schadensersatz verurteilt (LG Köln, Urt. v. 5.3.2014 – 28 O 232/13Volltext hier).

Das Urteil ist vielfach kritisiert worden (z.B. hier, hier und hier), insbesondere wegen der Auslegung des Begriffs „nicht-kommerziell“ aus dem Lizenztext selbst heraus. Ich hatte das Thema damals zum Anlass für einen Vortrag auf dem IT-LawCamp genommen. Till Jaeger und ich hatten darüber hinaus eine Anmerkung für die Zeitschrift MMR verfasst (MMR 2014, 480), in der wir uns intensiv mit der Auslegung von Creative Commons-Lizenzen befasst haben.

Das OLG Köln hat nach Berichten im Internet (u.a. beck-online, Loschelder) nun in der Berufung das Urteil des LG Köln abgeändert. Es hat wohl eine Verletzung des Lizenztexts im Sinne einer kommerziellen Nutzung verneint. Der Unterlassungsanspruch soll aber aufrecht erhalten worden sein, weil der Deutschlandfunk das Bild zusätzlich noch bearbeitet hatte, obwohl die Lizenz kein Recht zur Bearbeitung vorsah.

Der Volltext ist noch nicht verfügbar. Ich werde berichten, wenn er da ist.

Update:

Der Volltext ist mittlerweile verfügbar. Ein paar Gedanken dazu habe ich hier zusammengetragen.

Update:

Im Blog der Creative Commons wird ebenfalls über das Urteil berichtet. Dabei geht der Verfasser des Blogeintrags insbesondere darauf ein, dass die im zugrunde liegenden Fall betroffene Lizenz die Bearbeitung des Werks doch eindeutig gestattet. Es stellt sich daher die Frage, warum das OLG Köln aufgrund der Bearbeitung eine Verletzung der Lizenz sah. Nach den Berichten hat der Deutschlandfunk das Bild in irgendeiner Form beschnitten – wie genau ist noch nicht bekannt und ergibt sich auch nicht aus dem Tatbestand der erstinstanzlichen Urteils.

Möglicherweise findet sich die Lösung dazu im Wortlaut der Lizenz. Ziff. 4, Buchstabe c) der CC-BY-NC 2.0 Generic lautet (Unterstreichungen hier):

If you distribute, publicly display, publicly perform, or publicly digitally perform the Work or any Derivative Works or Collective Works, You must keep intact all copyright notices for the Work and give the Original Author credit reasonable to the medium or means You are utilizing by conveying the name (or pseudonym if applicable) of the Original Author if supplied … and in the case of a Derivative Work, a credit identifying the use of the Work in the Derivative Work (e.g., „French translation of the Work by Original Author,“ or „Screenplay based on original Work by Original Author“).

Vor diesem Hintergrund sind zwei Erklärungen möglich: Entweder der Deutschlandfunk hat einem im Bild vorhandenen Urhebervermerk entfernt. Das OLG Köln könnte dann von einem Verstoß gegen „keep intact“ ausgegangen sein. Oder der Deutschlandfunk hat nicht kenntlich gemacht, dass und wie er das Bild bearbeitet hat (s.o. zweite Unterstreichung).

Allerdings sind dies tatsächlich Mutmaßungen. Man wird das Erscheinen der Gründe des Urteils abwarten müssen.

OLG Köln, Urt. v. 18.7.2014 – 6 U 192/11 (Volltext): Keine Sperrung von Webseiten durch Access Provider (Update)

Mittlerweile habe ich auch den Volltext des Urteils des OLG Köln (Urt. v. 18.7.2014 – 6 U 192/11) erhalten, den ich hier zum Download zur Verfügung stelle. Das Urteil breitet auf 92 Seiten die Fragen rund um Websperren in einer erstaunlichen Detailtiefe aus. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass das OLG Köln sich auch mit dem EuGH-Urteil UPC vs. Constantin (kino.to) auseinander setzt, das ja in Österreich derzeit für Verwirrung sorgt.

Zwar sieht das OLG Köln eine Störerhaftung von Access Providern nicht als grundsätzlich ausgeschlossen an, allerdings sieht es hier konkret (mit verallgemeinerungsfähigen Aussagen) URL-Sperren, DNS-Sperren, IP-Sperren und Filter als unzulässig an. Eine ausführlichere Anmerkung folgt ggf. noch hier.

In der deutschen Instanzrechtsprechung herrscht damit Einigkeit: OLG Köln und OLG Hamburg lehnen Sperrpflichten von Access Providern jeweils mit überzeugender Begründung deutlich ab. Beide haben die Revision zum BGH zugelassen, so dass wir ggf. bald mit einer höchstrichterlichen Klärung rechnen können.

Download des Volltext hier: OLG-Köln-18.7.2014-6-U-192-11: Websperren

(Update: Link korrigiert, Danke für den Hinweis an Joma)

 

OLG Köln: Access Provider müssen Zugriff auf (urh-widrige) Musiktitel nicht sperren

Die Kanzlei Dury berichtet in einem kurzen Beitrag über ein Urteil des OLG Köln (Urteil vom 18. Juli 2014 – 6 U 192/11). Danach soll der Access Provider nicht verpflichtet sein, den Zugriff auf im Ausland gespeicherte, urheberrechtswidrige Musiktitel zu sperren. Sperrmaßnahmen seien nicht zumutbar.

Leider liegen mir weder da Urteil noch die Leitsätze vor (wer es hat, gerne per Mail an mich).

Das Urteil klingt sehr interessant, ohne den Urteilstext zu kennen, kann ich dazu aber nichts sagen.

Das OLG Hamburg hatte kürzlich (Urteil vom 21.11.2013 – 5 U 68/10 mit Anmerkung) ähnlich geurteilt. Unklar ist aber noch, wie sich das EuGH-Urteil „UPC vs. Constantin“ auswirken wird (s. dazu auch hier).

Mehr dazu hoffentlich bald hier im Blog.

Update: Der Volltext ist hier zu finden.

OLG Köln, Beschluss v. 23.01.2012, Az. 6 W 13/12: Gewerbliches Ausmaß nach § 101 Abs. 9 UrhG

Das OLG Köln (Volltext hier) hat in einem kürzlich ergangenen Beschluss erneut Stellung zum Begriff des gewerblichen Ausmaßes in § 101 Abs. 9 UrhG genommen (s. dazu Mantz, K&R 2009, 21 mwN; Rechtsprechungsübersicht hier).

Das OLG Köln führt dazu aus:

Das Angebot eines einzelnen urheberrechtlich geschützten Werks in einer sogenannten Internettauschbörse kann das geschützte Recht in einem gewerblichen Ausmaß verletzen; … Aus der Gesetzgebungsgeschichte (BT-Drs. 16/8783 S. 50) ergibt sich aber über diesen Aspekt hinaus, dass mit dem Erfordernis des gewerblichen Ausmaßes eine Beschränkung des Auskunftsanspruchs auf schwerwiegende Eingriffe in die Rechte des Urhebers erreicht werden sollte,…

Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung (vgl. nur MMR 2009, 334 [335] – Die schöne Müllerin; Beschluss vom 03.07.2009 – 6 W 63/09; GRUR-RR 2011, 85 = WRP 2011, 264 – Männersache; GRUR-RR 2011, 86 [87] – Gestattungsanordnung) davon aus, dass das Zugänglichmachen einer einzelnen geschützten Datei in einer Internet­tausch­börse (ob über denselben Anschluss eine Vielzahl urheberrechtlich geschützter Werke öffentlich zugänglich gemacht wird, ist vor erteilter Auskunft regelmäßig nicht feststellbar) nur dann das für die Bejahung des gewerblichen Ausmaßes der Rechtsverletzung nötige Gewicht aufweist, wenn es sich entweder um ein besonders wertvolles Werk handelt (vgl. Senatsbeschluss vom 03.11.2008 – 6 W 136/08 – betreffend ein 499,00 € teures Computerprogramm für professionelle Anwender) oder wenn eine hinreichend umfangreiche Datei innerhalb ihrer relevanten Verwertungsphase öffentlich zugänglich gemacht wird …

 Ob sich ein Werk noch in der relevanten Verwertungsphase befindet, kann nur im Einzelfall bestimmt werden, wobei den jeweiligen Vermarktungsbedingungen Rechnung zu tragen ist (vgl. Senat, GRUR-RR 2011, 88 [90] = WRP 2010, 1554 – Beschwerderecht des Anschlussinhabers; GRUR-RR 2011, 85 = WRP 2011, 264 – Männersache). Was den weiten Bereich der aktuellen Unterhaltungsmusik sowie der Spielfilme sämtlicher Kategorien betrifft, so hat der Senat auf Grund seiner Feststellungen in verschiedenen einschlägigen Verfahren (vgl. die Nachweise im Beschluss GRUR-RR 2011, 85 [86] = WRP 2011, 264 – Männersache) Anlass zu der Annahme gesehen, dass hier erfahrungsgemäß nach spätestens sechs Monaten die wesentliche kommerziel­le Auswertung abgeschlossen ist und eine Fortdauer der relevanten Verwertungsphase über diesen Zeitraum hinaus nur auf Grund besonderer Umstände angenommen werden kann. Im Streitfall ist das Landgericht auf Grund der vorgetragenen Verkaufszahlen davon ausgegangen, dass sich die wirtschaftliche Vermarktung des in Rede stehenden Computerspiels bereits nach weniger als einem halben Jahr, jedenfalls aber nach knapp einem Jahr und damit zur Zeit der geltend gemachten Rechtsverletzungen als im Wesentli­chen abgeschlossen darstellte.

Im Ergebnis bleibt das OLG Köln daher seiner Linie treu, dass jeder Einzelfall zu prüfen ist, aber meist nach einer gewissen „Einführungsphase“ das gewerbliche Ausmaß nicht mehr gegeben sein dürfte. Da zumindest das OLG München das noch liberaler sieht, wird abzuwarten sein, wie sich die Bewertung des gewerblichen Ausmaßes in § 101 Abs. 9 UrhG weiter entwickeln wird. Das OLG Köln hat jedenfalls die Rechtsbeschwerde zugelassen, so dass eventuell demnächst eine Klärung der Frage zu erwarten ist.

Fritz Pieper hat die Entscheidung mit weiteren Nachweisen und Hinweisen für Telemedicus behandelt.

 

Schadensberechnung in Filesharing-Fällen, OLG Köln, Beschl. v. 30.9.2011 – 6 U 67/11

Das OLG Köln hat in einem Filesharing-Verfahren einen interessanten Hinweisbeschluss im Hinblick auf die Berechnung der Höhe des Schadensersatzanspruchs bei Filesharing von Musik erlassen (OLG Köln, Beschluss vom 30. September 2011 – 6 U 67/11, Volltext hier ).

Zum Hinweis:

Das Gericht sieht im konkreten Fall den Anspruch als grundsätzlich begründet an und erteilt Hinweise an die Klägerin, dass das Gericht für die Schätzung des Schadens nach § 287 ZPO noch weitere Belege benötigt.

Das Gericht hält an der Praxis fest, sich zur Schätzung an Tarifen der GEMA zu orientieren. Dabei geht es aber nicht – wie von der Klägerin gewünscht – vom Tarif „VR W I“ aus, der einen Mindestsatz von 100,- EUR enthält, also in einer Schätzung von mindestens 100,- EUR pro angebotenem Lied resultiert. Dieser Tarif betrifft jedoch nur „Hintergrundmusik im Bereich der Werbung, die im Wege des Streaming zur Verfügung gestellt wird.“ Dem Gericht ist daher darin zuzustimmen, dass dies für den Download von Musikdateien nicht passt.

Stattdessen sieht das Gericht den Tarif „VR-OD 5“ als einschlägig an, der rund 0,13 EUR pro tatsächlichem Download eines Musikstücks vorsieht, für ein Album also runde 1,50 EUR pro Zugriff (je nach Anzahl der Lieder, insb. bei Chart-Containern entsprechend mehr).

Da es in diesem Tarif keine Mindestgebühr gibt, benötigt das Gericht nähere Angaben zu den Zugriffszahlen. Zu diesen muss die Klägerin nun näher vortragen.

Bemerkenswert ist letztlich noch die Ansicht des Gerichts im Hinblick darauf, dass diejenigen, die das Musikstück herunterladen, es gleichzeitig (und möglicherweise zukünftig) an Dritte weiterverteilen:

Es wird darin weiter folgendes zu berücksichtigten sein. Das Einstellen der Titel in die Tauschbörse hat zwar – wie die Klägerinnen im Ausgangspunkt zutreffend vortragen – einer unübersehbaren Anzahl Beteiligter den Zugriff auf diese ermöglicht, es bestehen aber auch gegen all jene (soweit schuldhaft handelnden) weiteren unberechtigten Nutzer wiederum Schadensersatzansprüche. Eine – aus diesem Grunde zumindest theoretisch möglich erscheinende – vielfache Geltendmachung desselben Schadens ohne Anrechnung der schon erfolgten Ersatzleistung eines der Schädiger dürfte im Ansatz unberechtigt sein. Auch dieser Gesichtspunkt spricht im Übrigen gegen die Zugrundelegung des von den Klägerinnen favorisieiten GEMA-Tarifes, weil dieser ohne weiteres bis zu 10.000 Zugriffe zugrunde legt.

 Welche Folgen hat dies  für Filesharing-Verfahren?

Zunächst müssen Rechteinhaber nun näher zu typischen Download-Zahlen vortragen. Dementsprechende Studien dürften schon in Auftrag gegeben sein. Es wird interessant sein, ob alternative/unabhängige Studien durchgeführt werden werden. Voneinander abweichende Ergebnisse sind zu erwarten. Viel Stoff für weitere Diskussion also. Das Gericht kann allerdings auch bei abweichenden Zahlen nach § 287 ZPO schätzen (z.B. Mittelwert).

Zudem ist auch in diesem Zusammenhang zu fragen, ob in den Studien bzw. dem zu erwartenden Vortrag die bei Filesharing typische Technik Berücksichtigung findet. Denn beim Filesharing wird ein Musikstück nicht nur von einer Quelle runtergeladen, sondern in kleinen Blöcken von einer Vielzahl von Quellen. Ein „Zugriff“ ist daher noch kein „Download“. Im Gegenteil: Wenn jeder Zugriff als ein Download gerechnet würde, dann erhielte die Klägerin (die Schadensersatzansprüche gegen Dritte eingerechnet) pro „vollem Download“ ein Vielfaches der ca. 0,13 EUR. Entpsrechende Studien sollten daher nicht nur die „Zugriffe“ zählen, sondern auch messen, von wie vielen Quellen ein Musikstück im Durchschnitt heruntergeladen wird. Diese Anzahl ist bei der Berechnung der „Downloads“ zu berücksichtigen.

Zusätzlich kommt eine weitere Tatsachenfrage (und damit ein weiterer Einwand für den jeweiligen Beklagten) hinzu: Die Anzahl der Downloads ist immer abhängig von der Länge des Zeitraums, in dem das Musikstück zum Download angeboten wird. Bisher belegen die Rechteinhaber mittels Zeitpunkt und Hash-Key jedoch nur, dass überhaupt ein Angebot des Musikstücks von der fraglichen IP-Adresse vorlegen hat. In Zukunft müssten sie zusätzlich eine Zeitspanne angeben und belegen (z.B. „Unter der IP-Adresse A wurde das Musikstück M (Hash-Wert H) mindestens im Zeitraum t1 bis t2 angeboten. Beweis: Angebot des Musikstücks M von der IP-Adresse A zum Zeitpunkt t1 und Angebot zum Zeitpunkt t2).

 

Das OLG Köln hat dadurch ein spannendes weiteres Kapitel für Diskussionen geöffnet.

 

Sofortige Beschwerde gegen Beschluss gem.§ 101 Abs. 9 UrhG nach Abmahnung – Pflichten des verteidigenden Anwalts

Das OLG Köln (OLG Köln, Beschluss vom 26.05.2011 – 6 W 84/11, Volltext bei MIR) ist der Auffassung, dass derjenige, der eine urheberrechtliche Abmahnung wegen Filesharing erhält, sich proaktiv informieren muss, ob ein Beschluss nach § 101 Abs. 9 UrhG zu seiner IP-Adresse ergangen ist, wenn er die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss einlegen will.

Die Situation ist die folgende:
Der Rechtsinhaber speichert die IP-Adresse des mutmaßlichen Rechtsverletzers mit einer entsprechenden Software und erwirkt einen Beschluss gegen den Access Provider (z.B. die Telekom) nach § 101 Abs. 9 UrhG, dass der Access Provider die Kundendaten zur IP-Adresse herausgeben möge. Diese Entscheidung wird nur den Beteiligten (Rechtsinhaber und Access Provider) zugestellt. Der in seinen Rechten möglicherweise Betroffene wird nicht benachrichtigt, geschweige denn belehrt.

Wenn der Rechtsinhaber nun den mutmaßlichen Rechtsverletzer abmahnt, sollte dieser anwaltlichen Rat einholen. Der Rechtsanwalt ist – sofern er Beschwerde gegen den Beschluss nach § 101 Abs. 9 UrhG einlegen will – gehalten, sich beim Gericht zu erkundigen, ob betreffend seinen Mandanten ein Beschluss nach § 101 Abs. 9 UrhG ergangen ist.

Das Gericht hat entschieden, dass die Beschwerdefrist von zwei Wochen mit Zustellung an die Verfahrensbeteiligten läuft. Das Gericht argumentiert, dass der unbeteiligte und von dem Beschluss betroffene Abgemahnte lediglich aufgrund fehlenden Verschuldens bzgl. der Unkenntnis über den Beschluss Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verlangen kann. Das Verschulden fehlt jedoch nicht, wenn der anwaltlich beratene Betroffene zuwartet und sich nicht unverzüglich beim zuständigen Gericht informiert, ob ein Beschluss nach § 101 Abs. 9 UrhG gegen seinen Mandanten ergangen ist und dann (nach Erlangung der Kenntnis) sofortige Beschwerde verbunden mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erhebt. Das Gericht geht daher davon aus, dass jedenfalls der Anwalt weiß oder wissen muss, dass die Adresse des Betroffenen nur über einen Beschluss nach § 101 Abs. 9 UrhG an den abmahnenden Rechtsinhaber gelangt sein kann.

Dies sollte der einen entsprechend Betroffenen beratende Anwalt beachten.

OLG Köln, Beschl. v. 5.10.2010 – 6 W 82/10: Beschwerderecht des Anschlussinhabers bei Auskunft nach § 101 Abs. 9 UrhG

Das OLG Köln hat mit Beschluss vom 5.10.2010 (s. Pressemitteilung vom 19.10.2010) zu einer Beschwerde des von einem Auskunftsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG betroffenen Anschlussinhabers Stellung genommen. Der Volltext ist hier abrufbar.

Leitsätze (des Verfassers):

1. Der von einem Auskunftsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG betroffene Anschlussinhaber hat ein Beschwerderecht.

2. Bei einem Musikalbum, das vor mehr als 6 Monaten erschienen ist , müssen besondere Umstände vorliegen, um eine Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß annehmen zu können.

Auszüge aus der Pressemitteilung:

Der Anschlussinhaber habe, auch wenn sich die richterliche Gestattung mit der Erteilung der Auskunft durch den Provider erledigt habe, ein fortbestehendes Interesse daran, die Rechtswidrigkeit des Gestattungsbeschlusses auch nachträglich feststellen zu lassen, was nunmehr auf der Grundlage von § 62 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) ermöglicht werde. Der Inhaber des Internetanschlusses werde durch die richterliche Anordnung weiterhin erheblich beeinträchtigt, insofern sich der Rechteinhaber nach erteilter Auskunft zunächst an ihn wende und ihn gegebenenfalls zwinge, sich gegen den Vorwurf der Urheberrechtsverletzung verteidigen zu müssen. Ohne eigenes nachträgliches Beschwerderecht im Anordnungsverfahren wäre seine Verteidigung aber wesentlich erschwert, wenn er aus seiner Sicht fehlerhafte Feststellungen des anordnenden Gerichts erst im Rahmen eines späteren Klageverfahrens zur Überprüfung stellen könnte, wenn er durch den Rechteinhaber auf Ersatz von Kosten und Schadenersatz in Anspruch genommen wird. Der Anschlussinhaber kann mit seiner Beschwerde aber nur die im Verfahren nach § 101 Abs. 2 und 9 UrhG zu prüfenden Voraussetzungen für die Auskunftserteilung durch den Provider (namentlich Rechtsinhaberschaft, Offensichtlichkeit und gewerbliches Ausmaß der Rechtsverletzung) zur Überprüfung stellen. Nicht gehört wird er mit Einwänden, auf die es im Gestattungsverfahren gar nicht ankommt, also zum Beispiel damit, der Provider habe die IP-Adresse ihm fälschlich zugeordnet, er selbst habe den Internetanschluss zum fraglichen Zeitpunkt gar nicht genutzt, sondern seine Kinder oder Dritte, die sich unerlaubt in sein WLAN „eingehackt“ haben müssten. …

Im konkreten Falle wurde festgestellt, dass die Anschlussinhaberin in ihren Rechten verletzt wurde, da das gewerbliche Ausmaß der Urheberrechtsverletzung nicht festgestellt werden konnte. Bei einem Musikalbum, das schon vor mehr als 1 1/2 Jahren erschienen war, müssen besondere Umstände vorliegen, um eine Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß annehmen zu können; solche waren im konkreten Fall nicht dargelegt.

Auszüge aus dem Beschluss:

Obwohl der Erlass der richterlichen Anordnung noch keine Entscheidung über das Vorliegen einer gerade vom Anschlussinhaber zu verantwortenden Rechtsverletzung erfordert und insoweit keine schwerwiegende stigmatisierende oder diskriminierende Wirkung von ihr ausgehen mag, ist im Ergebnis ein Rehabilitationsinteresse (vgl. BVerfG, Beschl. v. 02.07.2010 – 1 BvR 2579/08 [Rn. 32] m.w.N., zitiert nach juris) des betroffenen Anschlussinhabers zu bejahen, der sich gegen die gerichtliche Feststellung einer offensichtlichen Verletzung geschützter Rechte des Gläubigers in gewerblichem Ausmaß unter Benutzung der seinem Internetanschluss zugeordneten IP-Adresse wendet. Denn er wird durch die erledigte richterliche Anordnung weiterhin erheblich beeinträchtigt, insofern sich der Gläubiger nach erteilter Auskunft zunächst an ihn wendet und ihn gegebenenfalls zwingt, sich gegen den Vorwurf der Urheberrechtsverletzung verteidigen zu müssen. …

Das Anbieten irgendeiner Datei in einer Internet-Tauschbörse genügt für sich allein nicht, obwohl es ein Handeln um wirtschaftlicher Vorteile willen indiziert; vielmehr kommt es entscheidend darauf an, ob entweder ein besonders wertvolles Werk (vgl. Senatsbeschluss vom 3.11.2008 – 6 W 136/08, bei juris) oder eine hinreichend umfangreiche Datei innerhalb ihrer relevanten Verkaufs- und Verwertungsphase öffentlich zugänglich gemacht wurde. …

Im Streitfall geht es darum, dass im März 2010 ein schon im August 2008 erschienenes, also über eineinhalb Jahre auf dem Markt befindliches aktuelles Musikalbum innerhalb eines P2P-Netzwerks öffentlich zugänglich gemacht wurde. Von einer Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß kann deshalb nicht ohne besondere Umstände ausgegangen werden. Derartige Umstände hat die Antragstellerin trotz eines konkreten Hinweises des Senats (Bl. 172 d.A.) nicht mitgeteilt.

S. auch meine Übersicht zu Literatur und Rechtsprechung zu § 101 Abs. 9 UrhG.

(via @jensferner)

In eigener Sache: Anmerkung zu OLG Köln, Urt. v. 5.6.2009 – 6 U 223/08: Geschäftsmodell von FON online

Ich habe nun auch meine Anmerkung zum Urteil des OLG Köln, Urt. v. 5.6.2009 – 6 U 223/08 zum Geschäftsmodell von FON, die in der MMR erschienen ist, online gestellt. Download hier.

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