Schlagwort-Archive: olg frankfurt

BGH: Verhandlung zur Haftung für offenes WLAN

Der BGH hat am 18.3.2010 in der Revisionssache zum Thema Haftung für ein offenes WLAN verhandelt (Vorinstanz: OLG Frankfurt a.M, Urteil vom 01.07.2008 – Az. 11 U 52/07, s. dazu hier).

In dem Fall hatte der Beklagte ein unverschlüsseltes WLAN betrieben. Während seines Urlaubs nutzte ein unbekannter Dritter seinen Zugang für Filesharing. Der Beklagte wurde daraufhin abgemahnt und anschließend auf Schadensersatz und Ersatz der Rechtsverfolgungskosten verklagt. Das LG Frankfurt hatte in der ersten Instanz der Klage stattgegeben, das OLG Frankfurt hatte die Klage abgewiesen.

Das Urteil des BGH wird auch deshalb mit großem Interesse erwartet, weil sich die oberinstanzlichen Gerichte in vergleichbaren Fällen widersprochen haben.

Bisher sind über die Verhandlung nur Presseberichte verfügbar. Aus diesem Grund lässt sich nur wenig über den Inhalt sagen. Allerdings weisen fast alle Berichte auf eine gewisse Grundtendenz des BGH hin: Der Berichterstatter hat wohl von der „Eröffnung einer Gefahrenquelle“ gesprochen. Zusätzlich deutet sich an, dass eine Haftung (auch für die Kosten einer Abmahnung) erst nach einem Hinweis entstehen könnte. Letzteres würde im Rahmen der Entwicklung der Rechtsprechung der letzten Jahre zu den Prüfungs- und Überwachungspflichten nicht verwundern und würde auf ein sogenanntes „Notice-and-Takedown“ hinauslaufen (s. dazu hier und hier).

Mit diesen Andeutung ist allerdings noch nicht ausreichend viel bekannt, um über eine Entscheidung des BGH inhaltlich etwas auszusagen. Die Unkenrufe des Rückbaus von offenen Hotspots und offenen Netzen wie Freifunk sind allerdings zu vernehmen.

Dabei hat insbesondere Thomas Stadler in seinem Blog kurz vor der Verhandlung noch einmal sehr eindringlich deutlich gemacht, wo die Unterschiede liegen und warum der BGH sich mit der Problematik intensiver auseinander setzen müsste (s. hier).

Wenn man ein Notice-and-Takedown auf den Betreiber eines Hotspots überträgt, dann ist technisch die Schließung des Knotens allerdings auch die einzige sichere Lösung – was der BGH hoffentlich nicht verkennen wird.

Denn egal wie das Urteil ausfällt: Ob es überhaupt Auswirkungen auf Freifunk haben wird, ist noch nicht klar. Denn der verhandelte Fall liegt einfach anders. Freifunk ist ein Spezialfall, der hohe Grundrechtsrelevanz hat. Ob sich der BGH auch hierzu in seiner Entscheidung äußern wird, muss abgewartet werden.

Verkündungstermin ist am 12.5.2010.

Berichte zur Verhandlung:

Update: Laut Bericht von Thomas Stadler zum 1. LawCamp haben sich dort wohl einige, die bei der Verhandlung anwesend waren, nicht so negativ über die Verhandlung äußern wollen, wie dies in den Presseberichten durchscheint.

OLG Frankfurt: Keine Pflicht zur „Speicherung auf Zuruf“ nach § 101 UrhG

Thomas Hoeren berichtet im Beck-Blog über einen Beschluss des OLG Frankfurt (Beschluss vom 17.11.2009 – 11 W 41/09), in dem das OLG Frankfurt der durch nichts begründeten Lösung des LG Hamburg (Urt. v. 11.03.2009 – 308 O 75/09), dass ein Provider quasi live IP-Adressen auf Zuruf speichern soll, eine Absage erteilt. Als Begründung scheint das OLG Frankfurt auf die hierfür fehlende Rechtsgrundlage abzustellen. Der Volltext steht leider noch nicht zur Verfügung.

Update 2.2.2010: Der Volltext ist jetzt bei JurPC verfügbar.

S. dazu auch:

Lesetipp: Mühlberger, Die Haftung des Internetanschlussinhabers bei Filesharing-Konstellationen nach den Grundsätzen der Störerhaftung, GRUR 2009, 1022

In der GRUR 2009, Heft 11, ist ein Aufsatz von Mühlberger mit dem Titel „Die Haftung des Internetanschlussinhabers bei Filesharing-Konstellationen nach den Grundsätzen der Störerhaftung“ erschienen.

Mühlberger stellt die Rechtsprechung zur Störerhaftung dar, wobei er ausgehend von der Möbelklassiker-Entscheidung des BGH (BGH GRUR 1999, 418) die unterschiedlichen Strömungen beschreibt und im Hinblick auf die Anforderungen der Prüfungs- und Überwachungspflichten bewertet.

Dabei unterscheidet Mühlberger zwei grundsätzliche Konstellationen: Das „ungesicherte WLAN“ sowie die „willentliche Bereitstellung des Anschlusses“. Ich stelle diese im Folgenden in umgekehrter Reihenfolge dar:

1. Die willentliche Bereitstellung des Anschlusses

Mühlberger stellt zunächst die bisher veröffentlichten Rechtsprechungsansichten dar, wobei er sie in die strenge Auffassung (LG Hamburg und LG Köln – Belehrung, Überwachung und Filesharing-Blocker zumutbar), vermittelnde Auffassung (OLG Düsseldorf, LG München I – Belehrungspflicht und Benutzerkonten zumutbar) sowie die Auffassung des OLG Frankfurt (geringe Überwachungspflichten) einteilt.

Unter Hinweis auf die Kopierläden-Entscheidung des BGH (BGH GRUR 1984, 54) lehnt er die Ergreifung von technischen Maßnahmen ab, ein Hinweis reiche aus:

„Damit wird deutlich, dass die angedachten technischen Maßnahmen auf eine vollständige Blockade von Filesharing abzielen. Dies begegnet bei näherer Betrachtung erheblichen Bedenken. […] Dabei scheint das LG Hamburg aber zu übersehen, dass gerade aus der „Kopierläden“-Entscheidung des BGH tragfähige Argumente gegen eine vollständige Blockade von Filesharing gewonnen werden können.

[…]

Unbestritten werden Filesharing-Programme häufig für urheberrechtsverletzende Vorgänge verwendet. Daneben gibt es jedoch auch eine große, ständig wachsende Anzahl legaler Anwendungsbereiche. Eine Pflicht, bereits im Vorfeld, ohne konkrete Anhaltspunkte für ein eingetretenes oder bevorstehendes Fehlverhalten die Tauschbörsenteilnahme von Familienangehörigen oder Dritten zu verhindern, kann es nach alldem nicht geben. Demnach ist eine Verpflichtung, Filesharing-Software zu blockieren, insbesondere im Hinblick auf sich legal verhaltende Nutzer unzumutbar.“

Auch die Überwachung des Nutzerverhaltens lehnt Mühlberger nachvollziehbar ab:

„Ist der Störungszustand für den Inanspruchgenommenen nicht ohne Weiteres oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erkennbar, so sind die in Betracht kommenden Prüfungspflichten unzumutbar. Eine dauerhafte Kontrolle des Nutzerverhaltens Dritter durch den Internetanschlussinhaber stellt nach alldem eine unzumutbare Überwachungspflicht dar.“

Sehr interessant sind die Ausführungen zur Instruierungspflicht des Anschlussinhabers gegenüber Dritten. Diesen gegenüber bestehe keine Instruierungspflicht. Als Grund führt Mühlberger an, dass zwischen dem Anschlussinhaber und dem Nutzer ein Schuldverhältnis (Vertrag oder Gefälligkeitsverhältnis mit Schutzpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB). Aus diesem Schuldverhältnis folge die Pflicht des Nutzers, den Anschlussinhaber nicht dem Risiko einer Abmahnung bzw. eines Prozesses auszusetzen und daher die Pflicht, Urheberrechte Dritter nicht zu verletzen. Auf diese Pflicht dürfe sich der Anschlussinhaber verlassen.

2. Das „ungesicherte WLAN“

Mühlberger stellt anschließend die aktuelle Instanzrechtsprechung zum Fall des ungesicherten WLAN dar. Dabei ist zu beachten, dass die bisher betrachteten Fälle nur offene WLANs von Privaten betrafen, die kein offenes Netz im Sinne von Freifunk etc. betrieben. Er kommt hier zum Schluss, dass die Entscheidung des OLG Frankfurt (Download Volltext und Anmerkung aus der MMR 2008) eine nicht  zustimmungswürdige Einzelentscheidung sei, wobei er hauptsächlich kritisiert, dass das OLG Frankfurt von zu hohen Anforderungen ausgegangen sei („neueste technische Standards“), die es als zu weitgehend angesehen habe. Stattdessen seien Verschlüsselung und Passwortschutz zumutbar.

Leider übersieht Mühlberger (oder geht aus anderen Gründen nicht darauf ein), dass die Konstellation „offenes WLAN“ gleichzeitig auch eine willentliche Bereitstellung des Anschlusses darstellen kann – in offenen Netzen ist gerade das der Fall. Er stellt interessante Überlegungen zu den Pflichten bei der Bereitstellung des Anschlusses an Dritte an. Wenn man seine Ergebnisse zu dieser Konstellation unter Anwendung der BGH-Rechtsprechung aber überträgt, müsste sein Fazit eigentlich lauten, dass (1) Benutzerkonten, (2) Filesharing-Blocker und (3) Belehrung und Überwachung bei der willentlichen Bereitstellung via WLAN NICHT verlangt werden können.

Nicht zuletzt deshalb, weil zwischen dem Betreiber eines Netzknotens und dem Nutzer durchaus auch ein Schuldverhältnis entstehen kann (dazu eingehend Mantz, Rechtsfragen offener Netze, Karlsruhe 2008, S. 92 ff., 117 ff., Download hier), müsste er hier zum selben Ergebnis kommen.

3. Fazit

Der Aufsatz von Mühlberger stellt die ergangene Rechtsprechung übersichtlich dar und kommt in weiten Teilen zu nachvollziehbaren Ergebnissen. Die Konstellation offene Netze lässt er leider außer Betracht. Außerdem beschränkt Mühlberger seine Ausführungen fast ausschließlich auf die Rechtsprechung. Mit den veröffentlichten Literaturansätzen setzt er sich nur sporadisch auseinander bzw. bezieht diese kaum ein – was wohl auch dem Ansatz einer Rechtsprechungsdarstellung geschuldet.

Anmerkung zu OLG Frankfurt, Urt. v. 11.7.2008 – 11 U 52/07: Störerhaftung des WLAN-Betreibers online

Nun ist auch die Anmerkung zum Urteil des OLG Frankfurt, Urt. v. 11.7.2008 – 11 U 52/07, abgedruckt in MMR 2008, 603 (606) (s. dazu eingehend hier), online.

OLG Frankfurt: Keine Herausgabe von Daten, die aufgrund Vorratsdatenspeicherung gespeichert wurden (Update)

Das OLG Frankfurt hat zur Frage entschieden, ob der Provider, der Daten nur auf Vorrat und nicht für andere Zwecke speichert, diese bei einem Herausgabeverlangen nach § 101 UrhG herausgeben muss (OLG Frankfurt, Beschluss v. 12.05.2009 – 11 W 21/09 – Update: Volltext hier). Es hat dies abgelehnt.

Als Grund führte das OLG Frankfurt an, dass § 101 UrhG keine Rechtsgrundlage für die Herausgabe von Daten, die nur aufgrund der Vorratsdatenspeicherung gespeichert sind, darstellt (so schon Mantz/Gietl, MMR 2008, 606, 608; Gietl/Mantz, CR 2008, 810, 812; Hoeren, NJW 2008, 3099, 3101; Redeker, ITRB 2009, 112, 113; a.A. Czychowski/Nordemann, NJW 2008, 3095). Dies ist nur konsequent. Denn die Herausgabe von Daten, die der Vorratsdatenspeicherung unterliegen, darf nur für ganz enge und spezielle Zwecke erfolgen, die den Zielen der Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie sowie des Umsetzungsgesetzes unterliegen. Art. 1 Abs. 1 VSRL formuliert diese strenge Zweckbindung der Daten. Die Herausgabe an private Dritte ist hiervon nicht gedeckt.  Erwägungsgrund 25 der VSRL lautet: „Diese Richtlinie berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten, Rechtsvorschriften über den Zugang zu und die Nutzung von Daten durch von ihnen benannte nationale Behörden zu erlassen.“ Im Umkehrschluss daraus ist gerade Privaten gegenüber die Herausgabe nicht erlaubt. In logischer Folge ist auch nach § 113b TKG die Herausgabe der Daten nicht zulässig.

Dabei ist zu beachten, dass die deutsche Gesetzgebung schon deutlich über die europäischen Vorgaben hinausgeht – einer der Punkte, an denen das BVerfG bei einer Überprüfung ansetzen kann (BVerfG, Beschl. v. 11.3.2008 – 1 BvR 256/08, Rn. 136).

Wenn die Herausgabe auch für andere Zwecke erlaubt würde, würde dies nicht nur einen klaren Verstoß gegen die gesetzgeberische Intention bedeuten, sondern auch einen deutlichen Eingriff in die Grundrechte der Nutzer, der kaum zu rechtfertigen wäre. Nicht zuletzt deshalb hat das BVerfG in seinen einstweiligen Anordnungen (s. nur BVerfG v. 11.3.2008 – 1 BvR 256/08) die Herausgabe der Daten vorläufig stark eingeschränkt.

Grundsätzlich sind daher die Befugnisse, auf die Daten zuzugreifen, sehr eng auszulegen. Eine Aufweichung durch andere einfach-gesetzliche Erlaubnistatbestände würde den Grundrechtseingriff, den schon der europäische Gesetzgeber sieht, nur noch verstärkt.

Bisher noch nicht entschieden ist die Frage, wie der Provider die Daten zur Vorratsdatenspeicherung zu speichern hat, also ob dies getrennt von den Daten, die er aus anderen Gründen (nach §§ 97 ff. TKG) speichert erfolgen muss (so Gietl/Mantz, CR 2008, 810, 812), oder ob Daten nach Ablauf der zulässigen Speicherung nach anderen Normen nur als „gesperrt“ markiert werden müssen (so wohl Redeker, ITRB 2009, 112, 113). Auch hier gilt meines Erachtens, dass der eklatante Grundrechtseingriff zu einer sehr rigiden Auslegung führen muss. Sofern also technische Maßnahmen den Schutz vor Zugriffen Dritter verbessern können, sind diese auch zu ergreifen.

Insgesamt hat das OLG Frankfurt mit diesem Beschluss eine folgerichtige und dennoch sehr wichtige Entscheidung gefällt.

Update:

Mittlerweile ist der Volltext verfügbar. Dazu noch ein paar Anmerkungen:

1. Vorwegnahme der Hauptsache

Das OLG Frankfurt ist dem OLG Köln (s. dazu hier und Mantz, K&R 2009, 21) dahingehend gefolgt, dass eine endgültige Verurteilung des Antragsgegners zur Herausgabe der Daten eine Vorwegnahme der Hauptsache darstellen würde. Dementsprechend hätte nur die Auferlegung der weiteren Speicherung bis zum Abschluss des Hauptverfahrens verlangt werden können. Im Ergebnis kommt es aufgrund der abweisenden Entscheidung des OLG Frankfurt aber nicht darauf an.

Als einstweilige Anordnung könnte die Entscheidung auch keinen Bestand haben, weil sie die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnähme (OLG Köln, Beschluss vom 21.10.2008, 6 Wx 2/08, MMR 2008, 820).

2. Gewerbliches Ausmaß

Nach Ansicht des OLG Frankfurt liegt ein gewerbliches Ausmaß im vorliegenden Fall vor. Es handelte sich um die Verbreitung eines Pornofilms, der erst kurz vorher erschienen war.

Damit schließt sich das OLG Frankfurt dem OLG Köln an (s. dazu ebenfalls hier und Mantz, K&R 2009, 21).

Eine Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß ist jedenfalls dann gegeben, wenn wie hier eine vollständige Film-DVD mit einer Laufzeit von 150 Minuten, die im Oktober 2008 veröffentlicht worden ist, wenig später am 12.1.2009 im Internet öffentlich zugänglich gemacht wird. Dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers. Nach der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Rechtsausschusses, dem der Gesetzgeber gefolgt ist, kommt eine Rechtsverletzung „in gewerblichem Ausmaß“ unter anderem dann in Betracht, wenn eine besonders umfangreiche Datei, wie ein vollständiger Kinofilm oder ein Musikalbum oder Hörbuch, kurz nach ihrer Veröffentlichung im Internet angeboten wird (BT-Drucks. 16/8783, S. 50). Dieser klar geäußerte Wille des Gesetzgebers ist im Gesetzeswortlaut hinreichend zum Ausdruck gekommen und daher, weil sich auch aus systematischen Erwägungen nichts anderes ergibt, für die Auslegung der Vorschrift maßgeblich (ebenso OLG Köln, Beschluss v. 09.02.2009, 6 W 182/08, zitiert nach Juris Rn. 10 m.w.N.).

Der Gesetzgeber hat zum Ausdruck gebracht, dass er einen Gleichlauf des deutschen Urheberrechtsgesetzes mit der Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (2004/48/EG – nachfolgend: Richtlinie) wollte (siehe BT-Drucks. 16/8783, S. 50). Nach dem Erwägungsgrund 14 der Richtlinie zeichnen sich in gewerblichem Ausmaß vorgenommene Rechtsverletzungen dadurch aus, dass sie zwecks Erlangung eines unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Vorteils vorgenommen werden, so dass Handlungen, die in gutem Glauben von Endverbrauchern vorgenommen werden, in der Regel nicht erfasst sind. Gerade vor diesem Hintergrund hat der deutsche Gesetzgeber in § 101 Abs. 1 S. 2 UrhG durch objektive Kriterien die Voraussetzungen konkretisiert, bei deren Vorliegen in der Regel zugleich ein gewerbliches Ausmaß nach dem Verständnis der Richtlinie zu bejahen ist (BT-Drucks. 16/8783, S. 50). Da sich – worauf der Bundesrat in seiner Stellungnahme hingewiesen hatte (BT-Drucks. 16/5048 S. 59) – der Umfang der Rechtsverletzung bei den Internet-Tauschbörsen vor Erteilung der Auskunft nicht feststellen lässt, hat der Gesetzgeber klargestellt, dass sich das gewerbliche Ausmaß auch aus der Schwere der beim Rechtsinhaber eingetretenen einzelnen Rechtsverletzung ergeben kann.

Es reicht danach aus, dass die Rechtsverletzung ein Ausmaß aufweist, wie dies üblicherweise mit einer auf einem gewerblichen Handeln beruhenden Rechtsverletzung verbunden ist (OLG Köln, Beschluss v. 09.02.2009, 6 W 182/08, zitiert nach Juris Rn. 11). Verletzungshandlungen, die lediglich einzelne, vergleichsweise kleine Dateien betreffen, tragen die Annahme eines gewerblichen Ausmaßes nicht (vgl. Bohne in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Auflage, § 101 Rn. 19). Eine Rechtsverletzung im gewerblichen Ausmaß liegt jedoch vor, wenn eine umfangreiche Datei in eine Internet-Tauschbörse zum kostenlosen Herunterladen eingestellt wird. Das Anbieten in einer Tauschbörse ermöglicht die Verbreitung dieser Datei in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen. Wer ein aktuell auf dem Markt befindliches, umfangreiches urheberrechtlich geschütztes Werk anbietet, dem ist dabei nach der Lebenserfahrung auch bekannt, dass er hierzu nicht berechtigt ist, so dass er nicht in gutem Glauben handelt (ebenso OLG Köln, Beschluss v. 09.02.2009, 6 W 182/08, zitiert nach Juris Rn. 14). Wer sich an einer Tauschbörse mit dem Angebot eines urheberrechtlich geschützten Werks beteiligt, wird zudem nach der Lebenserfahrung regelmäßig zugleich in der Absicht handeln, selbst kostenlos widerrechtlich angebotene Werke herunterzuladen und dadurch einen wirtschaftlichen Vorteil zu erlangen (ebenso OLG Köln, Beschluss v. 09.02.2009, 6 W 182/08, zitiert nach Juris Rn. 13).

3. Keine Verwendung der Daten aus der Vorratsdatenspeicherung

Wie oben schon gezeigt, dürfen die Daten, die aufgrund der Vorratsdatenspeicherung gespeichert werden, jedenfalls nicht herausgegeben werden:

Die Gestattung gemäß § 101 Abs. 9 UrhG schafft zwar die datenschutzrechtliche Grundlage dafür, dass die Beschwerdeführerin berechtigt ist, die von der Antragstellerin begehrten Daten nicht zu löschen. Dass § 101 Abs. 9 UrhG nach dem Willen des Gesetzgebers auch eine datenschutzrechtliche Erlaubnis enthält, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zur Parallelvorschrift § 140 b PatG (BT-Drucks. 16/5048, S. 40). § 101 Abs. 9 Satz 9 UrhG stellt klar, dass die einschlägigen Datenschutzregelungen nur außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Vorschriften uneingeschränkt gelten. § 101 Abs. 9 UrhG bildet einen Erlaubnistatbestand jedoch nur für die gemäß § 96 TKG gespeicherten Verkehrsdaten, nicht für die allein auf Grund der Speicherungsverpflichtung nach § 113a TKG gespeicherten Daten. § 113a Abs. 4 Nr. 1 TKG, der die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umsetzt, verpflichtet zwar seit 1. 1. 2009 zur Speicherung der IP Adressen für sechs Monate. Diese Daten dürfen die Diensteanbieter nach §§ 113b S. 1 Halbs. 2, 113 TKG zwar auch verwenden, um staatlichen Stellen zu bestimmten hoheitlichen Zwecken Auskunft über den Anschlussinhaber zu erteilen. Die Daten dürfen jedoch nicht für eine Auskunft an Private für deren Rechtsverfolgung genutzt werden (Kitz, NJW 2008, 2374, 2376; Hoeren, NJW 2008, 3099, 3101; Jüngel/Geißler, MMR 2008, 787, 791/792; Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 101 Rn. 37). Der Bundestag hat den Vorschlag des Bundesrats, auch insoweit die Nutzung der gespeicherten Daten zu ermöglichen, ausdrücklich abgelehnt (vgl. BT-Dr 16/6979, S. 48).

Zu diesem Komplex s. auch:

(via Beck-Blog)

Lesetipp: Dangel, Freifunk-Initiativen wollen Internet per WLAN für alle (teltarif.de)

Auf teltarif.de ist ein Übersichtsartikel zu Freifunk von Daniel Dangel mit dem Titel „Freifunk-Initiativen wollen Internet per WLAN für alle“ erschienen.

In dem Artikel gibt der Autor einen kurzen Überblick über das Freifunk-Netz, die technischen Grundlagen sowie die Rechtslage.

„Es klingt nach einer schöneren Welt, in der Menschen schnell, einfach und möglichst ohne Kosten miteinander kommunizieren können. … Das alles hört sich ein wenig nach Wikimedia und Open Source-Philosophie an – und das ist es auch. Blickt man ins Umfeld der freien Netzwerk-Aktivisten, sieht man dort viele Wikimedia-, Barcamp- und Open-Source-Bekannte. Eine Berliner Initiative trifft sich beispielsweise im c-base, das auch regelmäßig von Wikimedia Deutschland genutzt wird und als fester Anlaufpunkt der Berliner Alternativ-Szene gilt.“

Leider spricht der Autor im Rahmen der rechtlichen Betrachtung nur das umstrittene (aber zu trauriger Bekanntheit gekommene) Urteil des LG Hamburg (Urt. v. 26.7.2006, erschienen in MMR 2006, 763) an:

„Bei freien Funknetzwerken „leihen“ sich aber Teilnehmer eine IP-Adresse von jemand anderem, mit der sie sich dann im Internet bewegen. Die Rechtsprechung zu dieser Thematik ist noch nicht abgeschlossen, da sich hier aufgrund der wenigen Fälle noch keine einheitliche Rechtssprechung ausgebildet hat. Das Landgericht Hamburg hat im Fall der Klage einer Tonträgergesellschaft entschieden, dass Betreiber von offenen WLAN-Routern Verantwortung dafür tragen, wer bei ihnen heimlich mitsurft.“

Er betont auch, dass erstens offene Netze schon von der tatsächlichen Grundlage anders sind und dass es zweitens keine einheitliche Rechtsprechung gibt.

Im betreffenden Fall handelte es sich aber nicht um ein freies Funknetz, sondern um einen ungesicherten WLAN-Router, der von Dritten heimlich zu Urheberrechtsverletzungen missbraucht wurde. Das rechtliche Selbstverständnis freier Funknetzwerke ist aber ein anderes. Dort herrscht die Meinung, dass freie Funknetzwerke nicht mit schlecht konfigurierten Routern gleichzusetzen sind, sondern juristisch in diesem Fall als kleine Mini-Provider zu behandeln sind. Und Provider werden nach gängiger Rechtssprechung nicht für das Handeln ihrer Kunden verantwortlich gemacht. Welchen Weg die Rechtsprechung aber in letzter Konsequenz geht, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt auch im Hinblick auf die aktuelle Datenschutzdiskussion noch nicht absehen.

Leider vergisst er aber das Urteil des OLG Frankfurt (Urteil vom 1.7.2008 – 11 U 52/07, erschienen in: MMR 2008, 603, dazu näher hier), bei dem das OLG Frankfurt in einem ganz ähnlichen Fall zu Gunsten des Inhabers eines offenen Funknetzknotens geurteilt hatte, und sich damit gegen die Linie des LG Hamburg gestellt hat. Auch ist im Hinblick auf aktuelle Meldungen bezüglich der ebenfalls sehr strikten Rechtsprechung des LG Hamburg zur Forenhaftung unklar, ob das OLG Hamburg bei der Störerhaftung nicht vollständig umschwenkt und den Weg des LG Hamburg aufgibt – die Entscheidungsgründe werden mit Spannung erwartet.

Der Autor hat allerdings im Ergebnis recht: Noch ist die Rechtslage unklar, aber die Vorzeichen sehen schon deutlich besser aus als noch vor zwei Jahren.

Bei Interesse: Weitere Artikel zum Freifunk finden sich übrigens im Wiki unter Medienspiegel.

(Dank an cven, der den Link über die Mailing-Liste geschickt hat.)

OLG Frankfurt: Keine Störerhaftung des Betreibers eines unverschlüsselten WLAN

Das OLG Frankfurt hat in der zweiten Instanz ein Urteil des LG Frankfurt (m Anm. von Andreas Gietl) aufgehoben, das auf der Hamburger Linie den Inhaber eines unverschlüsselten WLAN-Anschlusses als Störer angesehen hatte.

Amtlicher Leitsatz: Der Inhaber eines Internetanschlusses haftet grundsätzlich nicht als Störer für die unberechtigte Nutzung einer WLAN-Verbindung durch unberechtigte Dritte, die mit ihm in keinerlei Verbindung stehen.
OLG Frankfurt a.M, Urteil vom 01.07.2008 – Az. 11 U 52/07

Nachdem LG Hamburg, LG Frankfurt (und jetzt auch LG Düsseldorf GRUR-RR 2008, 290) eine scharfe Linie bei der Störerhaftung für WLAN vorgegeben hatten, hat jetzt das OLG Frankfurt als erstes Oberlandesgericht der Haftung des WLAN-Betreibers eine Absage erteilt.

Das Gericht stützt sein Urteil auf mehrere Punkte. Zum einen sieht es die Adäquanz der Mitwirkungshandlung des privaten Betreibers als nicht gegeben an:

„Bereits die Adäquanz diene einer Beschränkung der ansonsten viel zu weiten Störerhaftung. Deshalb könne eine Haftung nicht aus Mitwirkungshandlungen hergeleitet werden, die dem Beklagten billigerweise nicht zugerechnet werden könnten (Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl., § 8 Rn. 151).“ (Das sieht der BGH zumindest bisher in seinen Entscheidungen anders.)

Zu Recht hat das OLG Frankfurt aber zusätzlich die Verletzung von Prüfungs- und Überwachungspflichten abgelehnt und ist dabei konsequent der Linie gefolgt, dass die Haftung für das eigenverantwortliche Verhalten Dritter nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf.  Die Feststellung des Umfangs von Prüfungs- und Überwachungspflichten ist immer das Ergebnis einer Einzelfallabwägung. Für diese Abwägung sind durch die Rechtsprechung unterschiedliche Kriterien entwickelt worden. Das OLG hat – unter ausdrücklicher Ablehnung der Auffassung des LG Hamburg (MMR 2006, 763) – insbesondere auf zwei Punkte abgestellt: Die Notwendigkeit des Vorliegens konkreter Erkenntnisse von der rechtswidrigen Handlung des Dritten sowie die Zumutbarkeit der verlangten Handlungspflichten (BGH GRUR 1977, 114, 116 – VUS; BGH NJW 2004, 2158, 2159 – Schöner Wetten; BGH MMR 2004, 668, 671 – Internetversteigerung I). Das OLG Frankfurt hat offensichtlich besonderen Anstoß daran genommen, dass das LG Hamburg Private dazu verpflichtet hatte, auf eigene Kosten einen Experten hinzuzuziehen, um das eigene System mit der jeweils aktuellsten Schutztechnik zu versehen. Im Hinblick auch auf die Eigenverantwortlichkeit des Dritten bezeichnet das OLG dieses Erfordernis zu Recht als überdehnt und unverhältnismäßig. Dieses Ergebnis der Einzelfallabwägung generalisiert das OLG Frankfurt insofern, als es im amtlichen Leitsatz zu der Erkenntnis gelangt, Betreiber privater Funknetzwerke haften grundsätzlich nicht für die Handlungen Dritter, zu denen sie in keinerlei Beziehung stehen. Das OLG Frankfurt lässt aber für Fallkonstellationen, in denen es um höherrangige Rechte geht, die Möglichkeit offen, ausnahmsweise doch einen Anspruch aus Störerhaftung anzunehmen.

Leider hat das OLG Frankfurt keine Stellung dazu genommen, ob der private Betreiber von den Privilegierungen des § 8 TMG profitiert – es scheint aber nicht davon auszugehen, da es sich (ansonsten unnötige) Mühe gemacht hat, die deliktische Haftung nach § 823 BGB zu prüfen. Es gibt gute Argumente dafür, die Privilegierung auch beim Privaten anzunehmen (s. eingehend Diss, S. 291 ff.; ebenso Gietl).

Das OLG Frankfurt ist zudem auf eine Linie mit den Gerichten AG Offenburg, LG Saarbrücken und LG Frankenthal (dazu s. hier) eingeschwenkt und hat zusätzlich ein Beweisverwertungsverbot angenommen, weil die Klägerin die Daten des Beklagten unverhältnismäßig über die Staatsanwaltschaft erlangt hatte.

Unklar ist allerdings, welche praktischen Auswirkungen das Urteil des OLG Frankfurt für die offenen Netze haben wird. Die vom LG Hamburg verlangte Verschlüsselung des Netzes liefe hier bereits dem Grundprinzip des offenen Netzes entgegen und käme einer Einstellungspflicht gleich, die bei der Störerhaftung nur im absoluten Einzelfall überhaupt als Folge eintreten darf. Der Betreiber eines offenen Netzes ist zweifelsohne Access Provider: Er profitiert also von der Privilegierung des § 8 TMG. Zusätzlich beeinflusst gerade der sozial motivierte Hintergrund und die gesellschaftliche Funktion die Abwägung zugunsten des offenen Netzes. Die Entscheidung des OLG Frankfurt ist deshalb für die Betreiber offener Netze als wegweisend aber nicht allein entscheidend anzusehen.

Interessant ist das Urteil zusätzlich, weil das OLG Frankfurt die Revision zugelassen hat. Nach meinen Informationen hat der Anwalt der Klägerin ausdrücklich darum gebeten, die Revision zuzulassen. Es ist also damit zu rechnen, dass sie auch eingelegt wird. Der BGH wird sich also mit dem Thema beschäftigen müssen. Mal sehen, was da passiert…

P.S.: Andreas Gietl und ich haben zu dem Urteil eine Anmerkung geschrieben, die demnächst in der MMR erscheint.

Update: Die Anmerkung ist mittlerweile erschienen: MMR 2008, 606-609 (Download Volltext (Entscheidung und Anmerkung)).

Ansonsten gibt es noch Anmerkungen zu dem Urteil von Stang/Hühner, GRUR-RR 2008,  273 (ablehnend) und Hornung, CR 2008, 585 (zustimmend).

Weitere Kommentare bei: