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Gelsennet WLAN in Gladbeck mit SMS-Anmeldung – Von Irrtümern beim Betrieb eines WLANs

Die Zeitung „Der Westen“ hat am 27.7.2014 über das neue WLAN in der Innenstadt von Gladbeck berichtet. Dabei will die Stadt Gladbeck eine Umgestaltung in der Innenstadt nutzen, um eine Infrastruktur für WLANs aufzubauen – ein sinnvoller Ansatz.

Ziel sei es, ein flächendeckendes WLAN-Angebot auf den beiden zentralen Stadtachsen Hochstraße und Horster Straße zu schaffen, aber auch auf weiteren City-Straßen mit hoher Verweildauer in Cafés und Außengastronomien, etwa auf der Goethe- oder Lambertistraße.

Inhaltlich handelt es sich um ein registrierungs- und kostenpflichtiges Angebot, wobei 49cent pro 24h noch eher moderat sein dürften:

Erster Ansprechpartner für die Umsetzung eines solchen Projekts ist für die Stadt derzeit Gelsennet. Die Kunden müssen sich sich hier per SMS registrieren lassen. Das kostet 49 Cent. Dafür bekommt der Nutzer ein Passwort, das 24 Stunden gültig ist. Innerhalb dieser Zeit kann der Kunde so viel surfen oder auch Daten herunterladen, wie er möchte.

Die Begründung für die Registrierung lässt leider tief blicken:

Die Registrierung sei aus rechtlichen Gründen nötig, unterstrich André Dreiskämper, der zuständige Projektmanager bei Gelsennet, bereits im Frühjahr gegenüber der WAZ. Denn aktuell sei der Inhaber des Anschlusses für alles verantwortlich, was ein Kunde mit seinem Smartphone oder Tablet im Netz unternehme.

In dieser Aussage finden sich gleich mehrere (leider typische) Irrtümer auf einmal:

1. Irrtum Registrierungspflicht

Schon mehrfach habe ich auf das Urteil des LG München I (Az. 7 HK O 1398/11, erschienen in CR 2012, 603; s. dazu auch meine Anmerkung in Computer und Recht (CR), 2012, 605) hingewiesen, das eine Registrierungspflicht für WLANs mustergültig abgelehnt hat. Auch die Literatur lehnt eine solche Registrierungspflicht ab (Breyer, MMR 2010, 55; Mantz, Rechtsfragen offener Netze, 2008, S. 262 – PDF).

 2. Irrtum „Verantwortlichkeit

Ansicht: Der Inhaber des Anschlusses ist verantwortlich für die Handlungen seiner Nutzer.

Diese Äußerung spiegelt einen typischen, landläufigen Irrtum wider, der leider trotz entsprechender Rechtsprechung nicht auszurotten ist.

Es gibt in Deutschland bisher praktisch keine Entscheidungen, in denen der Inhaber eines WLANs für die Handlungen seiner Nutzer tatsächlich verantwortlich gemacht wurde, wenn er darlegen konnte, dass Dritte das WLAN genutzt haben. „Verantwortlich“ für einen Dritten ist ein Konstrukt aus dem Deliktsrecht, das ein eigenes Verschulden an der Rechtsverletzung des Dritten erfordert. Nur dann kann man „für die Verletzung“ in Haftung genommen werden. Da aber die Betreiber des Gladbecker WLANs ihr Netz sicher nicht aufgebaut haben, um Rechtsverletzungen zu ermöglichen, scheidet eine solche Haftung von vorherein aus.

Auch die einschlägigen Urteile (zu WLANs von Privatpersonen!) gehen immer wieder davon aus, dass eine Haftung als Täter oder Teilnehmer nicht besteht. Ich verweise nur auf die zuletzt zu Privatpersonen ergangenen Urteile Morpheus und BearShare (s. dazu hier).

Vermutlich spielt der Projektmanager von Gelsennet stattdessen auf die Störerhaftung an. Bei dieser ist der Betreiber jedoch nicht für die Rechtsverletzungen der Nutzer verantwortlich, sondern wird auf zukünftiges Unterlassen in Anspruch genommen, weil er seinen (eigenen) Prüfungs- und Überwachungspflichten nicht nachgekomen ist. Das ist tatsächlich und rechtlich ein großer Unterschied.

Doch auch hier besteht ein klarer Irrtum. Bisher gibt es (außerhalb von rein privaten WLANs) genau eine Entscheidung, in der der Betreiber eines für Dritte zugänglichen Netzes erfolgreich als Störer in Anspruch genommen wurde, nämlich ein Urteil des LG Hamburg (Urt. v. 25.11.2010 – 310 O 433/10). Dieses Urteil ist allerdings eine reine Einzelfallentscheidung geblieben – und zudem falsch.

Auf der anderen Seite gibt es eine ganze Reihe von Urteilen, die eine solche Haftung ablehnen, zuletzt z.B. das AG Koblenz und das AG Hamburg, zuvor schon das LG Frankfurt und das AG München.

Dabei hat das AG Koblenz – auf einer Linie mit zwei Entscheidungen des LG Frankfurt – eine Haftung eines Hotelinhabers für die Rechtsverletzungen der Nutzer abgelehnt.

Das AG Hamburg ist noch einen Schritt weiter gegangen und hat völlig zu Recht eine Privilegierung des Betreibers eines WLANs (hier: Hotel und Ferienwohnung) nach § 8 TMG angenommen und auf dieser Basis eine Haftung auch als Störer völlig abgelehnt.

3. Irrtum hilfreiche Registrierung

Was ebenfalls häufig falsch eingeschätzt wird, ist, dass die Registrierung im Hinblick auf die (vorgestellte) Haftung des Betreibers irgend einen Einfluss hätte. Bisher gibt es keine einzige Entscheidung in der deutschen Rechtsprechung, die diese Theorie stützen würde. Dennoch hält sich die Ansicht hartnäckig. Vermutlich geht sie auf eine Theorie in der juristischen Literatur zurück, wonach die Störerhaftung „subsidiär“ sei. Die Vorstellung dieser Literaturauffassung ist, dass sich derjenige, der eigentlich Störer ist, dadurch entschuldigen kann, dass er den wahren Untäter benennt. Denn dann kann der Geschädigte ja gegen diesen vorgehen. Was dabei aber immer übersehen wird: Der BGH hat diese Auffassung nicht nur nie geteilt, sondern ihr immer wieder eine klare Absage erteilt (BGH, Urt. v. 05. 12. 1975 – I ZR 122/74, GRUR 1976, 256 (257) – Rechenscheibe; BGH,Urt.v. 05.04.1995 – I ZR 133/93, GRUR 1995, 605 (608) – Franchise-Nehmer; eingehend dazu Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, Rn. 241). Mit anderen Worten: Unterstellt, der Betreiber eines WLANs würde aufgrund der Rechtsverletzungen seiner Nutzer als Störer haften, dann haftet er selbst dann, wenn er den eigentlichen Täter benennen kann. Er kann (und wird) dann einfach neben dem Täter in Anspruch genommen werden. Für den Geschädigten ist dies eine durchaus komfortable Situation.

Überhaupt bleibt unklar, warum die SMS eine solche Registrierung darstellen soll. Woher wissen die Inhaber, dass der Nutzer nicht das Mobiltelefon seiner Freundin nutzt? Oder ein nicht registriertes Mobiltelefon? Oder eines, das auf den Namen eines unbekannten Dritten registriert ist?

4. Beeinträchtigung des Geschäftsmodells

Es stellt sich eine weitere Frage: Haben die Verantwortlichen in Gladbeck darüber nachgedacht, dass sie mit ihrer SMS-Registrierung ihre Kundschaft künstlich beschneiden? Touristen werden in aller Regel nicht über Mobiltelefone verfügen, über die sie SMS mit Zusatzdiensten (also hier die 49cent-SMS) versenden können – oder nur zu horrenden Preisen. Und was ist mit Leuten, die überhaupt kein Mobiltelefon bei sich haben, sondern eben nur ihr iPad?

s. dazu näher hier: Der (negative) Einfluss einer Registrierung auf das Geschäftsmodell eines WLANs

5. Konkurrenz: Freifunk

Interessanterweise hat sich das 49cent+Registrierung-WLAN auch gegenüber einem wirklich freien Netz durchgesetzt:

Die Piratenpartei mit Thomas Weijers an der Spitze hatte im Frühjahr an die Stadt appelliert, in Gladbeck das alternative und nicht-kommerzielle Freifunk-Modell zu verwirklichen, das ohne Anmeldung der Kunden auskommt und auch ohne Kosten für den Nutzer. „49 Cent am Tag ist kein freies WLAN“, kritisiert Thomas Weijers mit Blick auf das von der Stadt favorisierte Gelsennet-WLAN. Beim Freifunk-Modell erhalten die Beteiligten einen speziellen Router, der den privaten oder geschäftlichen Internetzugang splittet und für jedermann öffnet. Die Bürger schaffen sich hier das WLAN-Netz sozusagen selbst.

Ich kann nur hoffen, dass die oben dargestellte, irrtümliche Auffassung zur Verantwortlichkeit der Betreiber von WLANs nicht den Ausschlag für das Gelsennet gegenüber einem Bürgernetz gegeben hat. Mir ist allerdings schon mehrfach begegnet, dass Angstmache und das Heilsversprechen der Registrierung für genau diesen Zweck genutzt wurden …