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2. Anlauf: Oppositionsentwurf zur Reform von § 8 TMG: Haftungsfreistellung für Betreiber von WLANs

Die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE haben einen Gesetzesentwurf mit dem Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes – Störerhaftung“ in den Bundestag eingebracht, der auf eine Reform der Haftungssituation für Betreiber von öffentlichen WLANs abzielt (BT-Drs. 18/3047).

Der Gesetzestext beruht auf dem vom Digitale Gesellschaft e.V. erarbeiteten Entwurf, den die Fraktion DIE LINKE bereits Ende 2012 in den Bundestag eingebracht hatte (BT-Drs. 17/11137; dazu Schmidt-Bens, CR 2012, 828). Dieser war mit den Stimmen der Koalition abgelehnt worden. U.a. ließen sich CDU-Politiker so ein, dass es dieser Änderung nicht bedurfte.

Wohl auf Drängen der SPD nahm die Große Koalition aber das Versprechen einer Neuregelung in den Koalitionsvertrag auf (s. dazu hier). Für August 2014 wurde dann ein Gesetzesentwurf angekündigt, der aber noch immer auf sich warten lässt.

Nun haben GRÜNE und LINKE zusammen einen erneuten Versuch gestartet, das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen. Da die Regierungskoalition sich durch den Koalitionsvertrag und die Ankündigung eines Gesetzesentwurfs bereits stark verpflichtet hat, dürfte dies ein kluger Schachzug gewesen sein. Denn wenn die Regierungskoalition diesen Gesetzesentwurf ablehnen will, muss sie Farbe bekennen, wie ihr Gegenentwurf aussehen soll. Das könnte einiges an Begründungsaufwand erfordern. Einen leichten Ausgang aus dem Dilemma könnte jedoch ein „Abwarten“ der Regierungskoalition bedeuten. Denn das Landgericht München I hat vor kurzem Fragen zur Haftung bei Betrieb eines öffentlichen WLANs dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt (Volltext des Beschlusses; Analyse). Möglicherweise wird die Regierungskoalition hierauf warten wollen.

Folgende Änderungen soll der Gesetzesentwurf herbeiführen:

Dem § 8 des Telemediengesetzes vom 26. Februar 2007 (BGBl. I S. 179), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 31. Mai 2010 (BGBl. I S. 692) geändert worden ist, werden die folgenden Absätze 3 und 4 angefügt:

„(3) Der Ausschluss der Verantwortlichkeit (Absatz 1) umfasst auch gewerbliche und nichtgewerbliche Betreiber von Funknetzwerken, die sich an einen nicht im Voraus namentlich bestimmten Nutzerkreis richten (öffentliche Funknetzwerke).

(4) Der Ausschluss der Verantwortlichkeit (Absatz 1) umfasst auch Ansprüche auf Unterlassung.“

 

Der Gesetzestext ist wortlautidentisch mit dem in BT-Drs. 17/11137. Auch die Begründung ist in weiten Teilen identisch, insbesondere aber um neue Hinweise und Entwicklungen ergänzt.

Der Entwurf adressiert auch die Frage, ob Unterlassungsansprüche auch von der Privilegierung umfasst sind. Dies lehnt der BGH in ständiger Rechtsprechung ab, Urteile des EuGH konnten so interpretiert werden, dass diese Auffassung nicht haltbar ist. Allerdings hat der EuGH in der Entscheidung UPC Telekabel ./. Constantin (EuGH, Urteil vom 27.3.2014, Rs. C-314/12 – UPC Telekabel Wien GmbH I Constantin Film Verleih GmbH u,a., GRUR Int. 2014, 469) kürzlich Maßnahmen gegen Access Provider nicht völlig ausgeschlossen. Daraus könnte man folgern, dass (in die Zukunft gerichtete) Unterlassungsansprüche nicht privilegiert sind. Auf der anderen Seite hatte der EuGH aber eine Einzelfallprüfung mit besonderem Augenmerk auf die Verhältnismäßigkeit gefordert. Auf dieser Grundlage hatte das OLG Köln (Urt. v. 18.7.2014 – 6 U 192/11Volltext) Websperren gegen Access Provider als i.d.R. unverhältnismäßig angesehen. Auch diesbezüglich hat das LG München I den EuGH befragt. Möglicherweise wird also bald eine Klärung herbeigeführt.

Der Gesetzesentwurf von Grüne und Link jedenfalls könnte eine solche Rechtssicherheit bereits jetzt für Deutschland bringen.

WLAN-Gesetz zur Störerhaftung: „Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen“ – Eine Interpretation des aktuellen Standes

Konstantin v. Notz (@KonstantinNotz) von der Oppositionsfraktion Bündnis 90/Die GRÜNEN berichtet im Blog „gruen-digital.de“ über aktuelle Erkenntnisse zum Stand des angekündigten Gesetzesentwurfs zur Regelung der Störerhaftung beim Betrieb von WLANs (zum Hintergrund s. z.B. hier).

Ich hatte vor einigen Tagen – nachdem der August ohne Veröffentlichung eines Gesetzesentwurfs verstrichen war – die Frage in den Raum gestellt, ob die Beteiligten in der Regierungskoalition nach der herben Kritik an den bisherigen Äußerungen ihren bisherigen Entwurf nochmal überdenken wollen, wobei natürlich unklar ist, ob aus dem „Überdenken“ auch eine Änderung gegenüber den Ausführungen in der Digitalen Agenda resultieren wird. Darauf, dass sich zumindest noch Abstimmungsbedarf besteht, deutet nun auch die Antwort der Bundesregierung auf die Fragen von Konstantin v. Notz hin:

Konstantin v. Notz hatte die Bundesregierung gefragt:

1. Ist es zutreffend, dass die Bundesregierung plant, im Rahmen der Vorlage eines von ihr seit langem angekündigten Gesetzes zur WLAN-Störerhaftung nur kommerzielle/gewerblich handelnde Anbieter von WLANS von der Störerhaftung aus- zunehmen, nicht jedoch private Anbieter?

2. Wie wäre eine solche Differenzierung zwischen verschiedenen Gruppen von Access-Providern nach Ansicht der Bundesregierung mit der eigentlichen Intention des § 8 Absatz 1 des Telemediengesetzes (TMG), nämlich der einheitlichen Haftungsprivilegierung aller Access-Provider, der ja bislang explizit keine solche Unterscheidung vornimmt, sowie mit der dieser deutschen Norm zugrundeliegenden, europäischen e-Commerce-Richtlinie, die diese Differenzierung ebenfalls nicht kennt, vereinbar?

3. Welche Erwägungen, sollte eine in Frage 1 erwähnte Differenzierung tatsächlich angestrebt werden, rechtfertigen nach Meinung der Bundesregierung eine solche Ungleichbehandlung nicht kommerzieller/nicht gewerblicher handelnder Anbieter, insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Rechtsordnung für Private bislang durchgehend eine weniger strikte Haftung vorsieht als für gewerblich Handelnde?

Als kurze (und leider wenig prägnante/aussagekräftige) Antwort erhielt er (Hervorhebungen von mir):

Zur Umsetzung des Koalitionsvertrages soll im Wege einer Änderung des Telemediengesetzes (TMG) – für die Anbieter von WLAN-Netzen im öffentlichen Bereich vor allem Rechtssicherheit geschaffen werden. Hierzu wird das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie einen Gesetzentwurf vorlegen. Die Meinungsbildung über die inhaltliche Ausgestaltung dieser Regelung ist noch nicht abgeschlossen.

Die Schlussfolgerung von Konstantin v. Notz dazu lautet, dass der Entwurf zwar noch einmal abgestimmt, das Sigmar Gabriel unterstehende Wirtschaftsministerium aber vermutlich eine tatsächlich nur für gewerbliche Anbieter hilfreiche Regelung vorlegen werde.

Ich vermag das nicht zu widerlegen. Allerdings ist die Antwort der Bundesregierung formuliert auf „Anbieter von WLAN-Netzen im öffentlichen Bereich“, was man auch anders/besser interpretieren könnte. Die Frage ist, ob man an solche Äußerungen der Bundesregierung mit dem Hintergrund bisheriger gesetzlicher Regelungen herangehen kann, oder ob das der falsche Ansatz wäre. Wenn man sich trotzdem die gesetzlichen Grundlagen zum „öffentlichen Bereich“ ansieht, dann könnte ein „WLAN-Netz im öffentlichen Bereich“ im Sinne von § 3 Nr. 17a, 16a TKG zu verstehen sein:

„öffentlich zugängliche Telekommunikationsdienste“ [sind] der Öffentlichkeit zur Verfügung stehende Telekommunikationsdienste

„öffentliches Telekommunikationsnetz“ [ist] ein Telekommunikationsnetz, das ganz oder überwiegend der Bereitstellung öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste dient, die die Übertragung von Informationen zwischen Netzabschlusspunkten ermöglichen

Das wiederum würde nach allgemeiner Auffassung auch von Privaten betriebene, aber an die Öffentlichkeit gerichtete WLANs einschließen. Andererseits vertrüge sich dieser Ansatz aber nur schwerlich mit den bisherigen Äußerungen in der Digitalen Agenda, wonach „Rechtssicherheit für die Anbieter solcher WLANS im öffentlichen Bereich, beispielsweise Flughäfen, Hotels, Cafés“ geschaffen werden sollte.

Konstantin v. Notz weist übrigens völlig zu Recht darauf hin, dass eine so enge Formulierung wie in der digitalen Agenda möglicherweise mit Art. 15 der E-Commerce-Richtlinie unvereinbar sein könnte, der eine Unterscheidung zwischen „gewerblichen“ und „nicht-gewerblichen“ Anbietern gerade nicht kennt. Das ist aber kein wirklicher Trost für die „nicht-gewerblichen“ Anbieter eines WLANs, wie z.B. die Mitglieder der Freifunk-Initiativen. Denn bis die Frage der Vereinbarkeit mit der E-Commerce-Richtlinie gerichtlich geklärt wird, dürften einige Jahre ins Land gehen.

Es bleibt also – auch unter Berücksichtigung der Antwort der Bundesregierung – weiterhin bei Spekulationen. Andererseits scheint die heftige Kritik ja zumindest zu weiterem Abstimmungsbedarf geführt zu haben, was schon ein gutes Zeichen ist …

 

Abschließend verweise ich – für alle, die sich mit dem Thema beschäftigen und weitere Argumente auch mit Blick auf die Bundesregierung und den weiteren Entscheidungsprozess benötigen – noch einmal auf die Pläne der EU-Kommission in der Verordnung zur Vereinheitlichung des EU-Telekommunikationsbinnenmarktes (Single-Market-Verordnung, COM 2013 (627), PDF): Im aktuellen Entwurf der Verordnung will die EU-Kommission öffentliche WLANs fördern (zu den Regelungen rund um WLANs und deren Folgen siehe Mantz/Sassenberg, „Der Entwurf der Single Market-Verordnung und lokale Funknetze – Auswirkungen für Aufbau und Betrieb von WLAN-Hotspots“, CR 2014, S. 370 ff.). Und das umfasst eben nicht nur „gewerbliche“ WLANs, sondern ganz ausdrücklich auch WLANs von Privatpersonen und NGOs wie z.B. Freifunk! Ferner sollen auch kommunale WLANs gefördert werden. Vor diesem Hintergrund lässt sich eine Unterscheidung zwischen „gewerblichen“ und „nicht-gewerblichen“ Anbietern von WLANs ebenfalls kaum durchhalten.

 

(Bild: Wesley FryerCC BY 2.0)

Versicherungstarife, Datenschutz, die persönliche Betroffenheit der Nutzer und gesetzliche Änderungen

Heute morgen ist Konstantin von Notz (netzpolitischer Sprecher der Grünen) im Deutschlandradio Kultur interviewt worden (Exakte Profile im Netz – Grünen-Politiker Konstantin von Notz kritisiert Selbstvermessung von Gesundheitsdaten – zum Nachhören als MP3 hier). Das Interview wird derzeit von anderen Radiosendern in den Hauptnachrichten aufgegriffen.

I. Versicherungen und Gesundheitsdaten

Dabei hat von Notz sich auch mit aktuellen Entwicklungen im Bereich des Versicherungswesens beschäftigt:

Notz: … Das Problem ist, dass Sie mit diesen Daten sehr exakte Profile über den körperlichen, aber auch über den psychischen Zustand einer Person erstellen können, und es gibt diverse Personen und Institutionen, die ein massives Interesse an solchen Daten haben: Krankenkassen, die Pharmaindustrie, Versicherungen, Arbeitgeber, Vermieter, Banken – alle wollen gerne wissen, wie wahrscheinlich es ist, dass ich krank werde oder eben nicht krank werde. Und man sollte ein Interesse daran haben, diese Daten zu schützen. …

Und wie gesagt, es ist diese Problematik: Der technische Fortschritt und die Rechenleistung, die Sie heute haben, ermöglichen eben eine Gesamterfassbarkeit und Auswertung unseres Lebens in einer Form, wie sie nie vorstellbar war. Und deswegen muss die Politik jetzt eben sozusagen Schranken schaffen, um den Datenschutz herzustellen, denn wenn sie ihn in der digitalen Welt verlieren, den Datenschutz, dann verlieren sie ihn im gesamten Leben, dann ist die Privatsphäre von vorgestern.

In den Radionachrichten wird von Notz ferner damit zitiert, dass Versicherungen bereits jetzt aktiv in sozialen Netzwerken nach Gesundheitsangaben suchen (hier lässt sich z.B. daran denken, dass jemand ein Foto mit Zigarette veröffentlicht, oder dass er darüber berichtet, dass er krank ist und nicht zur Arbeit gehen kann etc.).

II. Die Selbstbetroffenheit der Nutzer

Auf der anderen Seite haben die netzpolitisch engagierten Player im Jahr 2013 – dem Jahr der NSA-, GCHQ-, BND- etc. -Enthüllungen – die frustrierende Erkenntnis gewonnen, dass Überwachung nicht unmittelbar fühlbar ist. Der „Aufschrei“ über die flächendeckende Überwachung ist bisher weitgehend ausgeblieben. Als Schlussfolgerung haben Markus Beckedahl in seinem Talk mit dem Titel „Der Kampf der Netzneutralität“ und Constanze Kurz in einem Interview gestern (beide auf dem Chaos Communication Congress #30c3, Link für das Interview von Constanze Kurz habe ich leider nicht) wieder einmal hervorgehoben, dass es in der Zukunft wichtig sein wird, unseren Mitbürgern Beispiele der unmittelbaren persönlichen Betroffenheit zu präsentieren, um ihnen die Massivität der ungebremst fortgeführten Eingriffe zu verdeutlichen (s. z.B. hier).

Ein solches Beispiel bietet auch das Interview mit von Notz im Deutschlandradio Kultur, in dem er einen Bogen zu aktuellen Tarifen von Versicherungen schlägt. So berichtet er davon, dass – ähnlich wie bei aktuellen Versicherungsmodellen für Autofahrer – derzeit Versicherungsnehmern, die über ihre gesundheitlich relevanten Gewohnheiten Auskunft geben, „bessere“ Tarife angeboten werden – und dementsprechend auf lange Sicht die übrigen Versicherungsnehmener, die ihre Daten nicht zur Verfügung stellen wollen, weil sie grundsätzlich dagegen sind, oder weil sie vielleicht besonders ungesund leben, nur schlechte bzw. teurere Tarife erhalten werden:

Argumentiert wird ja bei der Selbstvermessung immer mit der Freiwilligkeit. Es wird gesagt, ja, die Leute machen das ja freiwillig. Tatsächlich ist es aber so, dass natürlich, wenn Versicherungen erst mal auf den Trichter kommen, dass Leute das freiwillig machen, dann kriegen eben diejenigen, die dokumentieren, was sie tun, trinken, essen, rauchen, eben gute Tarife, und die anderen nicht – heißt, wenn Sie nicht dokumentieren, dass Sie nicht rauchen, dann rauchen Sie eben für die Versicherung, und dann bezahlen Sie einen dementsprechend höheren Tarif. …

Und gegen diese Geschäftspraktiken, die sich dort jetzt sehr konkret anbahnen und die unmittelbar vor der Tür stehen, muss jetzt gehandelt werden und eben nicht erst in vier Jahren oder fünf Jahren. Es ist eben kein Science-Fiction, worüber wir hier reden, sondern es sind ganz reale Fakten, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen.

Die Analyse von von Notz ist meines Erachtens nach richtig. Es ist ein klassisches Beispiel von persönlicher Betroffenheit – allerdings mit dem „Zuckerl“ der Freiwilligkeit. Von Notz sollte allerdings noch einen Schritt weiter denken und die Erfahrungen aus anderen Bereichen beachten: In Zeiten von Big Data müssen Versicherungen nur die ihnen vorliegenden, öffentlich bei Facebook etc. verfügbaren und von den Versicherungeneingekauften Daten miteinander kombinieren, um selbst über Leute, die selbst einen solchen „freiwilligen“ Tarif mit „freiwilliger“ Übermittlung von Daten (bewusst oder unbewusst) nicht gewählt haben, eine Menge zu erfahren.

Beispielsweise könnte bei einem Versicherungsnehmer [Beispiele ohne statistische Belege],

  • deren Freunde und Bekannte überwiegend rauchen, eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass diese Person auch raucht,
  • deren Freunde und Bekannte überwiegend wenig Sport treiben, eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass diese Person auch wenig Sport treibt,
  • deren Freunde und Bekannt überwiegend (gefährlichen) Wintersport treibt, eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass diese Person auch (gefährlichen) Wintersport treibt,
  • deren Freunde und Bekannte überwiegend einen rasanten Fahrstil pflegen, eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass diese Person ebenfalls rasant fährt oder sich im Fahrzeug mit den rasanten Fahrern befindet und dadurch zu Schaden kommt,
  • etc.

Die „Freiwilligkeit“ dürfte daher derzeit nur dazu dienen, ausreichend Daten zu sammeln, um später Vorhersagen über die Risiken auch bei Menschen machen zu können, über die (bisher) keine Daten vorliegen. Wer sich an Scoring erinnert fühlt, hat Recht.

III. Gesetzlicher Änderungsbedarf und Vorschläge

Von Notz spricht sich dafür aus, dass Versicherungen ein solches Vorgehen bereits jetzt (und nicht erst in der nächsten Legislaturperiode) untersagt wird. Es bleibt zu hoffen, dass die Grünen entsprechende Vorschläge in den Bundestag (und die Landtage – beispielsweise sind die Grünen in Badem-Württemberg und Hessen an der Landesregierung beteiligt, und es gibt umfassende Landesdatenschutzgesetze) einbringen werden.

1. Derzeitige gesetzliche Regelungen zu Gesundheitsdaten

Eine Möglichkeit wäre eine entsprechende Klarstellung von § 3 Abs. 9 BDSG (Regelung zu besonders sensitiven Daten), der derzeit noch lautet:

(9) Besondere Arten personenbezogener Daten sind Angaben über die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit oder Sexualleben.

Ergänzt wird § 3 Abs. 9 BDSG durch eine Regelung zur Einwilligung in § 4a Abs. 3 BDSG:

(3) Soweit besondere Arten personenbezogener Daten (§ 3 Abs. 9) erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, muss sich die Einwilligung darüber hinaus ausdrücklich auf diese Daten beziehen.

Und weiter durch Regelungen zur Erlaubnis der Nutzung von Gesundheitsdaten ohne Einwilligung in § 28 Abs. 6-9 BDSG, die hier nicht zitiert werden sollen (Gesetzestext hier), interessant ist aber insbesondere Abs. 8:

(8) Für einen anderen Zweck dürfen die besonderen Arten personenbezogener Daten (§ 3 Abs. 9) nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 6 Nr. 1 bis 4 oder des Absatzes 7 Satz 1 übermittelt oder genutzt werden. Eine Übermittlung oder Nutzung ist auch zulässig, wenn dies zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die staatliche und öffentliche Sicherheit sowie zur Verfolgung von Straftaten von erheblicher Bedeutung erforderlich ist.

2. Änderungsvorschläge

Einfach ins Unreine gedacht (!) – hier lassen sich sicherlich auch andere Formulierungen finden – könnte man folgende Ergänzungen in § 3 Abs. 9 BDSG, 4a BDSG und § 28 BDSG vornehmen:

§ 3 Abs. 9 BDSG: Besondere Arten personenbezogener Daten sind Angaben über die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit oder Sexualleben. Zu den Angaben über die Gesundheit gehören auch Angaben, die allein oder in ihrer Gesamtheit oder in Verbindung mit anderen Angaben Rückschlüsse auf Umstände erlauben, die mit der Gesundheit in Zusammenhang stehen.

§ 4a Abs. 3 BDSG: Soweit besondere Arten personenbezogener Daten (§ 3 Abs. 9) erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, muss sich die Einwilligung darüber hinaus ausdrücklich auf diese Daten beziehen. Die Einwilligung in die Nutzung von Daten Dritter, insbesondere nach § 3 Abs. 9 Satz 2 BDSG zur Bestimmung von Angaben über die Gesundheit des Betroffenen ist unzulässig.

In § 28 Abs. 8 BDSG könnte man einen Satz 3 ergänzen:

Die Verwendung von Daten Dritter, insbesondere nach § 3 Abs. 9 Satz 2 BDSG, zur Bestimmung von Angaben über die Gesundheit des Betroffenen ist unzulässig.

Ein weiterer Ansatz (nicht nur für dieses Problem) wäre, in § 3 BDSG zu definieren, wann Daten (wie in § 28 Abs. 6 Nr. 2 BDSG aufgegriffen) öffentlich gemacht sind. Man könnte eine neuen Absatz 12 anfügen:

§ 3 Abs. 12 BDSG: Daten werden durch den Betroffenen öffentlich gemacht, wenn er diese bewusst einem unbestimmten und unbestimmbaren Personenkreis zugänglich gemacht hat.

Möglicherweise könnte man das zusätzlich mit § 35 BDSG (Löschung) verzahnen, so dass der Betroffene die Möglichkeit hat, einmal öffentlich gemachte Daten auch wieder zu entfernen, und damit auch die Rechtsfolge des § 28 Abs. 6 Nr. 2 BDSG aufzuheben. Im Hinblick auf ein möglicherweise bald eingeführtes „Recht auf Vergessenwerden“ wäre dies ohnehin geboten.

Wir dürfen gespannt sein, welche Vorschläge von Notz und die Grünen demnächst präsentieren. Da SPD (ich denke z.B. an Lars Klingbeil) und CDU (ich denke z.B. an Dorothee Bär) sich auch mit dem Thema Datenschutz profilieren wollen (zumindest kleine Teile von SPD/CSU) könnte sogar ein parteiübergreifender Ansatz erfolgen …

IV. Weitere Beispiele für Selbstbetroffenheit?

Welche weiteren Beispiele für Selbstbetroffenheit fallen Euch ein? Ergänzungen und Vorschläge bitte in den Kommentaren.

 

(Update am 02.01.2013: Kleine sprachliche Fehler)

Die (mögliche) Große Koalition und ihr Ansatz für Regelungen zu WLANs

Wie schon mehrfach angedeutet, will die (mögliche) Große Koalition zwischen CDU/CSU und SPD (#GroKo) das Thema WLAN und Rechtssicherheit angehen. Nach dem aktuellen 3. Entwurf vom 26.11.2013 (im Hinblick auf die hier zitierte Passage wortgleich mit dem 1. Entwurf 24.11.2013, PDF Download) haben sich die Parteien wohl auf folgendes geeinigt:

Die Potenziale von lokalen Funknetzen (WLAN) als Zugang zum Internet im öffentlichen Raum müssen ausgeschöpft werden. Wir wollen, dass in deutschen Städten mobiles Internet über WLAN für jeden verfügbar ist. Wir werden die gesetzlichen Grundlagen für die Nutzung dieser offenen Netze und deren Anbieter schaffen. Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber ist dringend geboten, etwa durch Klarstellung der Haftungsregelungen (Analog zu Accessprovidern). Dadurch haften WLAN-Anbieter nicht mehr für Rechtsvergehen von Usern, die den öffentlichen Zugang nutzen. Gleichzeitig werden wir die Verbraucherinnen und Verbraucher über die Gefahren solcher Netze für sensible Daten aufklären. Gleichzeitig werden wir die Verbraucherinnen und Verbraucher über die Gefahren solcher Netze für sensible Daten aufklären.

Neben der Klärung der rechtlichen Fragen möchten wir die Etablierung heterogener, frei vernetzter und lokaler Communities und ihrer Infrastrukturen forcieren. Durch die Förderung dieser sowie von Ad-hoc-Netzwerken im Rahmen der F&E-Strategie sollen lokale, dezentrale Netzwerke unterstützt werden, die eine komplementäre Infrastruktur für einen fest definierten Nutzerkreis umfassen. Damit verbessern wir die infrastrukturellen Rahmenbedingungen für den Zugang zu leistungsfähigem Internet für alle.

Die Absätze sind nicht als zwischen den möglichen Koalitionspartnern strittig markiert (anders als andere Punkte im Entwurf), daher lohnt es sich, sich die Passagen vorab anzusehen.

1. Rechtssicherheit

Die #GroKo möchte Rechtssicherheit schaffen. Spannend wird, wie die #GroKo diese Ziele umsetzen wird. Als hehres Ziel scheint über dem Vorhaben „mobiles WLAN in deutschen Städten“ zu stehen. Dafür sollen gesetzliche Grundlagen geschaffen werden. „Analog zu Accessprovidern“ sollen die Haftungsregelungen klargestellt werden.

a. § 8 TMG

Wir erinnern uns: § 8 Abs. 1 TMG, der die Haftung von Access Providern regelt, lautet:

Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie
1. die Übermittlung nicht veranlasst,
2. den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und
3. die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben.
Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen.

Wie schon mehrfach in diesem Blog berichtet, ist in der juristischen Literatur absolut unstreitig, dass der Anbieter eines WLANs ein Access Provider ist (Röhrborn/Katko, CR 2002, 882; Hoffmann in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2. Aufl. 2011, § 8 TMG Rn. 17; Spindler, CR 2010, 592 (595); Altenhain, in MünchKommStGB, 2. Aufl. 2010, vor § 7 TMG Rn. 43; Kaeding, CR 2010, 164 (168); Mantz, Rechtsfragen offener Netze, 2008, 48 m.w.N.). Dementsprechend findet § 8 TMG – eigentlich – auf WLANs Anwendung (dazu näher Mantz, GRUR-RR 2013, Heft 12 – erscheint demnächst).

Eine Klarstellung wäre daher – bei richtiger Rechtsanwendung – eigentlich nicht nötig. Tatsächlich wenden die Gerichte § 8 TMG aber gerade bei kleinen WLANs nicht an, sondern behandeln die Regelung als Privileg nur für „klassische“ Provider wie die Telekom etc. Dementsprechend besteht wohl doch Handlungsbedarf.

Ein zweites Problem war bisher, dass der BGH die Privilegierungen der §§ 7-10 TMG nicht auf Unterlassungsansprüche angewandt hatte. Allerdings ist hier derzeit eine Änderung der Rechtsprechung des BGH in Sicht bzw. in kleinen Schritten im Gange. Eine Klarstellung wäre hier aber trotzdem hilfreich.

Die #GroKo hat – wie bereits zuvor SPD, Grüne und LINKE – also nun erkannt, dass Handlungsbedarf besteht.

b. Gesetzesentwurf des Digitale Gesellschaft e.V. / DIE LINKE, Vorstöße der SPD und der Grünen

Wir erinnern uns weiter: Der Digitale Gesellschaft e.V. hatte 2012 einen Entwurf zur Klarstellung des § 8 TMG in den Bundestag eingebracht (BT-Drs. 17/11137, PDF). Auch die SPD hatte einen Entwurf – allerdings ohne konkrete Regelung – eingebracht, der aber nicht die notwendige Mehrheit fand. Die CDU/CSU äußerte dazu, dass eine Regelung

weder geeignet noch erforderlich

sei.

Der CDU/CSU-Abgeordnete Lämmel hatte laut Ausschuss-Protokoll (Plenar-Protokoll 17/201, PDF, S. 24495) gesagt:

Neben diesen rechtlichen Aspekten wird aber das Potenzial des offenen WLAN überschätzt. Die große Mehrheit der Nutzer nutzt UMTS, 3G, als mobile Datenverbindung. Hier könnten WLAN zwar potenziell die Mobilfunknetze entlasten. Allerdings bauen die Mobil- funkunternehmen gerade den nächsten Standard des Mobilfunks LTE,4G, aus. LTE kann – noch theoretisch – Bandbreiten erreichen, welche die Leistungen der DSL-Anschlüsse, die ja auch die Grundlage für WLAN-Router bieten, übertreffen. Zusätzlich entlastet ein auf den LTE-Standard aufgerüstetes Mobilfunknetz auch den bisherigen Standard UMTS und wird auch im UMTS- Netz die Leistungen verbessern. Vermutlich wird die Notwendigkeit von WLAN-Angeboten für den öffentl.chen Raum bald nachlassen.

Und Dr. Nüßlein, ebenfalls CDU/CSU (S. 24496):

Die Entscheidung, ob und in welchem rechtlichen Rahmen wir hier tätig werden müssen, sollte nicht übers Knie gebrochen werden. Gründ- lichkeit geht bei solchen Haftungsfragen klar vor Schnelligkeit. Ob und wie das im Telemediengesetz geregelt werden muss, prüfen wir in nächster Zeit ausführlich.

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass die Grünen ebenfalls einen Vorstoß angekündigt hatten, ein konkreter Entwurf ist hieraus aber nicht resultiert. Eine Übersicht zu all dem findet sich bei iRights.info. Die Piraten hatten im Landtag NRW ebenfalls einen Antrag vorgelegt (LT-Drs. 16/2284), zu dem eine Sachverständigenanhörung durchgeführt wurde (dazu eingehend hier).

Vor wenigen Tagen haben SPD, Grüne und Piraten im Landtag NRW einen weiteren Entwurf „Offene Zugänge zum Internet schaffen“ eingebracht (LT-Drs. 16/4427).

Nun kurz zum Entwurf des Digitale Gesellschaft e.V. / DIE LINKE: Nach dem Entwurf sollte § 8 TMG erweitert werden um folgende Absätze 3 und 4:

(3) Der Ausschluss der Verantwortlichkeit (Absatz 1) umfasst auch gewerbliche und nichtgewerbliche Betreiber von Funknetzwerken, die sich an einen nicht im Voraus namentlich bestimmten Nutzerkreis richten (öffentliche Funknetzwerke).
(4) Der Ausschluss der Verantwortlichkeit (Absatz 1) umfasst auch Ansprüche auf Unterlassung.

Dieser Entwurf enthielt folglich eine Klarstellung zu der Anwendbarkeit von § 8 TMG auf (1) WLANs und (2) Unterlassungsansprüche.

c. Stand heute

Nach dem, was im Entwurf des Koalitionsvertrages steht, will die CDU/CSU also jetzt eine Kehrtwende vollziehen. „Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber ist dringend geboten“, heißt es im Entwurf. Was also vor wenigen Monaten „weder geeignet noch erforderlich“ war, ist jetzt – überraschenderweise – dringend geboten. Dies ist sicher nicht allein auf den Umstand zurückzuführen, dass die FDP nun nicht mehr an der Regierung beteiligt sein wird. Wer optimistisch ist, mag daher von einem Erfolg der SPD in den Verhandlungen sprechen. (Es wäre spannend zu hören, wie es sich in den Verhandlungen tatsächlich zugetragen hat …).

d. Und nun: Wie sähe ein Gesetzesentwurf aus?

Nun stellt sich die Frage, welche konkreten Vorschläge die mögliche #GroKo nun unterbreiten wird. Die Zielvorgabe laut Entwurf ist:

Klarstellung der Haftungsregelungen (analog zu Accessprovidern). Dadurch haften WLAN-Anbieter nicht mehr für Rechtsvergehen von Usern, die den öffentlichen Zugang nutzen.

Wie oben dargestellt, ist die Haftungsprivilegierung in § 8 TMG geregelt. Eine Klarstellung der Haftungsregelungen dürfte sich am besten genau dort wiederfinden. Der Entwurf der Digitale Gesellschaft e.V. (s.o.) wäre also ein guter Ausgangspunkt. Es ist die Frage, ob das den Beteiligten der #GroKo schmeckt. Die CDU/CSU hatte den Entwurf in ihrer Stellungnahme ziemlich zerrissen. Außerdem könnte doch der Entwurf als „verbrannt“ angesehen werden, da er  damals von der LINKEN aufgegriffen worden war. Das wäre allerdings fatal. Denn der Entwurf mag von der LINKEN aufgegriffen worden sein, er ist aber nach meinem Kenntnisstand zuvor „wie Sauer Bier“ allen Parteien zugeleitet worden. Es hatten also alle die Chance, die LINKE hat sie genutzt – möglicherweise zum Nachteil des Entwurfs, was man aber der LINKEN kaum anlasten kann. Wir werden es abwarten müssen. Dabei ist nur zu hoffen, dass die Sachpolitik gewinnt – und da wäre eine Regelung in § 8 TMG die sinnvollste Alternative.

2. Communities

Spannend wird dann der zweite Teil des oben zitierten Abschnitts im Entwurf, der sich mit der „Etablierung heterogener, frei vernetzter und lokaler Communities und ihrer Infrastruktur“ beschäftigt.

a. Die Community – das unbekannte Wesen

Insbesondere wäre es interessant zu wissen, welches „Leitbild“ einer Community die beteiligten Verhandlungspartner der #GroKo vor Augen hatten, als sie die Formulierung in den Entwurf schrieben. Hier nur ein paar Gedanken dazu:

  • „Etablierung forcieren“ hört sich nach etwas Aktivem an, danach, dass etwas neu geschaffen werden soll. Ich vermute, dass das nicht (nur) gemeint ist, denn es gibt in Deutschland bereits solche Communities, nämlich die dezentral organisierten #Freifunk-Communities. Darauf deutet auch das „Forcieren“ hin. Ich verstehe dies im Sinne einer Förderung von Communities, worauf auch hindeutet, dass die Infrastrukturen der Communities gefördert werden sollen. Solche Förderungen gibt es bereits. Beispielsweise fördert die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) den Aufbau von Freifunk-Netzen (s. dazu Pressemitteilung der MABB v. 14.2.2013). Außerdem stellen manche Kommunen Freifunk Zugang zu ihren Gebäuden zur Verfügung.
  • „Heterogene“ Communities hört sich nach Vielfältigkeit an. Vielfältigkeit der eingebundenen Personen und evtl. auch der Vernetzung der Community in sich. Vielleicht hat ja auch einer der Verhandlungspartner sich tatsächlich mit #Freifunk auseinander gesetzt. Dann könnte er auf die Folien von Freifunk Augsburg vom Linux Info Tag 2007 gestoßen sein, wo Freifunk als heterogene Community bezeichnet wird.
  • „Frei vernetzt“ klingt für mich ebenfalls nach Freifunk, nach „Freien Netzen“ (s. dazu Medosch, Freie Netze, 2003, PDF).
  • „Lokal“ passt letztlich auch in dieses Schema, ebenso „dezentral“ (zweiter Abschnitt).

b. Das Netz, Entwicklung und Forschung

Nicht nur soll die Etablierung von Communities forciert werden, im nächsten Satz heißt es sogar ausdrücklich, dass sie gefördert werden. Und nicht nur die Communities, sondern zusätzlich auch deren Infrastrukturen. Und – darüber hinaus – „Ad-hoc-Netzwerke“ im Rahmen einer Forschung & Entwicklungs-Strategie…

Daraus ließe sich lesen, dass die #GroKo Forschungsvorhaben in Gang setzen oder fördern will, die sich mit Ad-hoc-Netzwerken auseinander setzen und deren Technik weiterbringen. Auch dies dürfte bei den Communities auf fruchtbaren Boden stoßen. Denn gerade die verschiedenen weltweiten Communities haben hier bereits erhebliche technische Fortschritte aufzuweisen. So wurde beispielsweise das Routingprotokoll B.A.T.M.A.N. (BETTER APPROACH TO MOBILE ADHOC NETWORKING) von der Freifunk-Community entwickelt. Und neben der ständigen Fortentwicklung trifft sich die Freifunk-Community einmal im Jahr beim Wireless Community Weekend, auf dem auch über aktuelle Entwicklungen und Forschungen berichtet und in Gruppen deren Weiterentwicklung vorangetrieben wird (s. z.B. für 2013 hier).

c. Die „komplementäre Infrastruktur“

So weit, so gut. Allerdings wird der Entwurf des Koalitionsvertrages danach leider nicht mehr so leicht verständlich. Im Rahmen der F&E-Strategie sollen nämlich nur lokale, dezentrale Netzwerke unterstützt werden, die

eine komplementäre Infrastruktur für einen fest definierten Nutzerkreis umfassen.

„Komplementär“ lässt sich u.a. mit „ergänzend“ erläutern. Gefördert werden soll also die Entwicklung für „ergänzende Infrastrukturen“. Dazu dürfte WLAN derzeit zählen, zumal die großen TelCos ihre Offloading-Strategien (zum Offloading s. hier) bereits ausrollen (s. zum „WLAN-to-GO“ der Deutschen Telekom und „Homespot“ von Kabel Deutschland hier). Vielleicht ist „komplementäre Infrastruktur“ in diesem Zusammenhang unnötig, vielleicht haben die Verhandlungspartner aber auch in die Zukunft gedacht.

Mal sehen, ob sich die deutschen TelCos in diesem Zusammenhang auch um die versprochene Förderung bemühen – allerdings dürften die übrigen Merkmale (insbesondere heterogen und frei vernetzt) fehlen.

d. Der „fest definierte Nutzerkreis“

Im Unklaren bleibt, warum die komplementäre Infrastruktur einen „fest definierten Nutzerkreis umfassen“ soll (dazu z.B. @roemerm: “ Das klingt, als ob echter Freifunk der #GroKo zu undurchschaubar ist. Sie wollen wohl lieber identifizierte Benutzer.“). Das Merkmal passt jedenfalls nicht zu den nur wenige Sätze davor angesprochenen heterogenen Communities. Vielleicht findet sich eine Lösung in dem ursprünglichen Antrag der SPD (BT-Drs. 17/11145). Dort heißt es zu gewerblichen Betreibern von WLANs:

Klare gesetzliche Vorgaben fehlen auch für die technischen Vorkehrungen gegen missbräuchliche Nutzung, die unter Einbeziehung von Zumutbarkeitskriterien von WLAN-Betreibern erfüllt werden müssen, um ein Haftungsrisiko zu begrenzen. Seit Langem steht die Forderung im Raum, dass entsprechende Regelungen für die Betreiber von WLANs geschaffen werden müssen, um letztlich den Ausbau der digitalen Infrastruktur und die Eröffnung von Zugängen zum Netz im öffentlichen Raum voranzutreiben.

Im konkreten Antrag (zu 3.) dann (Hervorhebungen durch Verfasser):

Ziel der Initiative ist es … dass die Bundesregierung prüfen möge, ob und wie durch Änderungen der bisherigen Gesetzeslage … die Schutzmaßnahmen, die die Betreiber von WLAN-Netzen zur Vermeidung ihrer Verantwortlichkeit für unbefugte Nutzung durch Dritte zu ergreifen haben, zwecks Erhöhung der Rechtssicherheit unter Einbeziehung von Zumutbarkeitskriterien so konkretisiert werden können, dass die Betreiber bei Erfüllung dieser Anforderungen ihre WLANs ohne Haftungs- und Abmahnungsrisiken betreiben können.

Die SPD war dementsprechend schon damals davon ausgegangen, dass die Betreiber etwas dafür tun müssen, dass sie von der Haftung befreit werden. Allerdings dürfte dieser Ansatz von der BGH-Rechtsprechung „Sommer unseres Lebens“ abgeleitet worden sein. Der BGH hatte sich aber mit dem privaten WLAN einer Privatperson befasst und gerade nicht mit einem öffentlichen und an viele Nutzer gerichteten WLAN! Die CDU/CSU hatte in ihrer Anhörung dann auch darauf hingewiesen, dass sie die anonyme Nutzung von WLANs als Problem ansieht (s. Ausschuss-Protokoll 17/201, PDF, S. 24495 f.). Das hört sich dementsprechend danach an, dass doch irgendeine Form von Identifizierung („fest definierter Nutzerkreis“) stattfinden müsse – allerdings passt das eben doch nicht zum ersten Absatz – und auch nicht zur aktuellen Rechts- und Gesetzeslage.

 

Diese Problematik des „fest definierten Nutzerkreises“ könnte etwas klarer sein, wenn man sich die Abschnitte des Vertragsentwurfs in ihrer Systematik ansieht: Im ersten Absatz geht es um die Klärung der Rechtslage: Die Haftungssituation soll verbessert werden! Im zweiten Absatz geht es um die Förderung von Communities und Forschung und Entwicklung. Beide Ziele sollen offenbar nebeneinander bestehen und verfolgt werden (ausdrücklich im zweiten Absatz: „Neben der Klärung der rechtlichen Fragen…“). Dementsprechend geht es nur bei der Förderung und Forschung um einen fest definierten Nutzerkreis, während die Haftungsprivilegierung davon unabhängig ist. Licht ins Dunkel bringt auch das nicht. Vermutlich ist das aber alles viel zu viel der Deutung in zwei kleine Absätze, die für die #GroKo sicher nicht im Zentrum standen.

3. Fazit

Was bleibt nach alldem? Der letzte Satz des Abschnitts zu WLANs lautet:

Damit verbessern wir die infrastrukturellen Rahmenbedingungen für den Zugang zu leistungsfähigem Internet für alle.

Wollen wir es hoffen. Auf den Gesetzesentwurf bin ich auf jeden Fall gespannt.