Schlagwort-Archive: einfach gelagerter Fall

§ 97a Abs. 2 UrhG: Keine Anwendung bei Bestreiten = Bestrafung der Ausübung des Bestreitensrechts oder der Abgabe einer modifizierten Unterlassungserklärung?

Ein auf Telemedicus veröffentlichtes Urteil (LG Köln, Urteil v. 21.04.2010, Az. 28 O 596/09) wirft ein Schlaglicht auf die weitverbreitete einschränkende Auslegung von § 97 Abs. 2 UrhG. Diese soll hier kurz beleuchtet werden.

1. Kein „einfach gelagerter Fall“ wegen Bestreitens der Rechtsverletzung?

Das LG Köln bleibt seiner Linie treu und zieht den Anwendungsbereich der Deckelung von Abmahnkosten nach § 97a Abs. 2 UrhG eng. Insbesondere ist es der Auffassung, dass kein einfach gelagerter Fall vorliegt, wenn der Abgemahnte seine Täterschaft bestreitet oder einen Dritten als Täter nennt. Dazu führt das Gericht aus:

„Hinzu kommt, dass es sich um einen einfach gelagerten Fall handeln müsste, was ebenfalls nicht der Fall ist. Einfach gelagert sind allein Fälle, die weder in tatsächlicher noch rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten aufweisen, bei denen also das Vorliegen einer Rechtsverletzung – ggf. auch für einen geschulten Nichtjuristen – quasi auf der Hand liegt, (Wandtke/Bullinger, UrhG, 3. Auflage 2009, § 97 RN 35). Vorliegend geht es um die Haftung von Personen im Internet, wobei die Person des Verletzers streitig ist bzw. vom Abgemahnten eine andere Person als Verletzer genannt wird und damit offensichtlich um eine komplexe Materie.“

Das hat der BGH in seinem Urteil vom 12.5.2010 (dazu hier, hier und hier) anders gesehen, denn auch dort hat der Beklagte bestritten, dass er der Täter war. Die Ansicht des LG Köln dürfte sich daher grundsätzlich erledigt haben.

Trotzdem verdient die Argumentation des LG Köln eine nähere Betrachtung:

Denn diese Auffassung findet zumindest keine Stütze im Gesetz oder in der Gesetzesbegründung. Der Gesetzgeber hat § 97a Abs. 2 UrhG ja gerade für Fälle geschaffen, in denen „Personen im Internet“ haften. Von einer Beschränkung der Verteidigungsrechte des Abgemahnten findet sich in der Begründung nichts.

Die Begründung des LG Köln mutet noch aus anderem Grunde seltsam an. Denn die Kosten für die Abmahnung entstehen in dem Zeitpunkt, in dem die Abmahnung verschickt wird (bzw. eigentlich schon bei Beauftragung des Anwalts). Wenn der Abgemahnte nachträglich bestreitet, dass er der Täter war, soll dies nach Auffassung des LG Köln zu seinen Lasten gehen. So kann § 97a Abs. 2 UrhG eigentlich nicht gemeint sein, denn § 97a Abs. 2 UrhG soll gerade nicht den Abgemahnten veranlassen, auf seine Rechte zu verzichten, um in den Genuss der Deckelung zu kommen. Diese Meinung des LG Köln lässt sich eigentlich nur so erklären, dass aus klägerischen Schriftsätzen die Ansicht ohne eingehende Überprüfung übernommen wurde.

Der „einfach gelagerte Fall“ bezieht sich auf die Abmahnung, nicht auf den Rechtsstreit. Daher sollte der Zeitpunkt für die Beurteilung dieses Merkmals der Zeitpunkt des Versandes der Abmahnung sein. Die Kosten für den folgenden Rechtsstreit fallen schließlich ohnehin unbegrenzt an. Wenn sich der Abgemahnte wehrt, muss er diese Kosten auch tragen. Es ist kein Grund ersichtlich, warum ihm in diesem Fall auch die vorprozessual entstandenen Kosten voll auferlegt werden sollen. Es ist zu hoffen, dass das Gericht hier beim nächsten Urteil nachbessert bzw. diesen Begründungsweg fallen lässt

2. Kein einfach gelagerter Fall bei Abgabe nur einer modifizierten Unterlassungserklärung

In die selbe Richtung geht die Auffassung der Kanzlei Kornmeier, von der RA Stadler berichtet:

„So schreibt mir Rechtsanwalt Dr. Kornmeier am 21.05.2010, dass eine Anwendung von § 97a Abs. 2 UrhG vorliegend schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil meine Mandantschaft nur eine modifizierte Unterlassungserklärung abgegebeben hat, was eine gesonderte anwaltliche Prüfung erfordert. Und aus diesem Grunde sei es eben auch kein einfach gelagerter Fall mehr gegeben.“

Dies ist aus dem oben genannten Grund ebenfalls falsch. Dabei sollte man sich zusätzlich vor Augen halten, dass die von Abmahnkanzleien verwendeten Unterlassungserklärungen zusätzlich häufig Schuldeingeständnisse oder Versprechen der Zahlung von Schadensersatz enthalten. Es gilt wie oben: Warum sollte die Abgabe einer modifizierten Unterlassenserklärung bewirken, dass der bisher einfach gelagerte Fall jetzt schwerer wird? Die Abmahnung zielt auf das Unterlassen des Abgemahnten ab. Dieses Ziel ist mit jeder wirksamen Unterlassungserklärung erreicht. Die Auffassung von Dr. Kornmeier verbietet es dem Abgemahnten im Ergebnis, die vorformulierte Unterlassenserklärung einer eigenen Prüfung zu unterziehen und im Endeffekt eine wirksame aber anders formulierte eigene Erklärung abzugeben. Die Unterlassungserklärung eines Interessenvertreters (wie der Abmahnkanzlei) ist aber kaum wie ein Formular einer Behörde zu betrachten, die zumindest eher gehalten ist, ihre Formulare objektiv zu gestalten und dem Ausfüllenden im Zweifel Hilfestellungen zu geben.

Letztlich kann der abmahnende Anwalt auch von seinem Mandanten gegenüber nicht mehr verlangen, weil der Abgemahnte nicht den Vordruck verwendet. denn das RVG berechnet den Aufwand pro Fall, nicht pro Prüfungsschritt. Und genau diesen Betrag deckelt § 97a Abs. 2 UrhG.

Update: S. auch die Besprechung von RAin Neubauer

——

Volltext des Urteils:

LANDGERICHT KÖLN

Im Namen des Volkes

Urteil

Aktenzeichen: 28 O 596/09

Verkündet am: 21.04.2010

Tenor:

Der Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,

die Musikaufnahmen „F“ und „P“ des Künstlers „’B“ auf einem Computer für den Abruf durch andere Teilnehmer von Filesharing-Systemen über das Internet bereitzustellen und damit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen oder machen zu lassen.

2. an die Klägerin 1.379,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.09.2009 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtstreits werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000,00 € betreffend den Tenor zu Ziffer 1) und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Unterlassung und Ersatz von außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren wegen Filesharings von Musik.

Die Klägerin ist eine große deutsche Tonträgerherstellerin. Der Beklagte ist Inhaber eines Internetanschlusses.

Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen unerlaubten Anbietens urheberrechtlich geschützter Werke, der Songs „F“ und „P“ des Künstlers „B“ im Internet auf Unterlassung sowie wegen Zahlung außergerichtlicher Anwaltsgebühren betreffend die Unterlassung des Zugänglichmachens des gesamten Albums „B“ des gleichnamigen Künstlers B in Anspruch.

Die Klägerin beauftragte die Antipiracy-Firma Y GmbH (im Folgenden Y) mit der Feststellung, Erfassung und Speicherung der IP-Adressen nebst Datum und sekundengenauer Zeit von Anbietern der streitgegenständlichen Musikstücke. Die Firma Y überwacht für die Klägerin alle einschlägigen Internettauschbörsen, bei welchen es sich um sogenannte Peer-to-Peer-Netzwerke handelt. Dabei sind die Teilnehmer über eine bestimmte Software miteinander verbunden. Die Installation der entsprechenden Software auf dem jeweiligen Computer des jeweiligen Nutzers ist zur Teilnahme an der Tauschbörse ebenso erforderlich, wie das eigene Anbieten von Dateien.

Am 20.04.2009 zwischen 20:17 und 20 Sekunden MEZ und 20:18 und 46 Sekunden MEZ erfasste die Software der Y einen Nutzer mit der IP-Adresse 87.189.202.247, welcher das Album des Künstlers „B“ nebst den beiden in Rede stehenden Songs im Rahmen des Netzwerkes unter Verwendung des Filesharingprogramms „Mainline 6.1.2“ öffentlich zugänglich machte. Der Vorgang wurde von der Mitarbeiterin T mitgehört und mit dem Paketfilterprogramm „Wireshark“ mitgeschnitten. Dieser Mitschnitt gelangte als Anlage K 3 (Bl. 22) zur Akte.

Es war deshalb zunächst ein Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG vor dem Landgericht Köln (9 OH 474/09) anhängig. Die dortige Antragsgegnerin, die X AG ordnete die IP-Adresse im Rahmen ihrer Auskunftserteilung dem Anschluss des Beklagten zu.

Daraufhin mahnten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 27.05.2009 ab und forderte zur Abgabe der Unterlassungserklärung auf. Diese wurde nicht abgeben. Im Verlaufe der Rechtstreitigkeit räumte der Beklagte ein, dass seine teils voll- und teils minderjährigen Söhne das in Rede stehende Filesharing veranlasst hätten.

Die Klägerin behauptet, sie sei Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte für das Gebiet Bundesrepublik Deutschland der in Rede stehenden Songs des Künstlers B. Dieser habe die Rechte mit Vertrag aus Oktober 2007 an die Z GbR (im Folgenden Z) zur umfassenden Verwertung, insbesondere auch betreffend die drahtlose Verwertung, übertragen. Die Z wiederum habe sämtliche Rechte aus jenem Vertrag im Rahmen eines Kooperationsvertrags vom 23.10.2007 an die N GmbH übertragen. Für den weiteren Inhalt dieser Verträge wird auf die Anlage K 10 (Bl. 92 ff d. A.) verwiesen.

Die Klägerin behauptet, die Y habe für die Feststellung, Erfassung und Speicherung der IP-Adressen nebst Datum und sekundengenauer Zeit eigens eine spezielle Software entwickelt, welche fehlerfrei und eindeutig die IP-Adresse, das Datum, die sekundengenaue Uhrzeit, die angebotene Datei sowie das hierfür verwendete Tauschbörsenprogramm erfasse und speichere. Die Software würde stets von mindestens einem Mitarbeiter überwacht, regelmäßig auf ihr fehlerfreies Funktionieren überprüft und alle 10 Minuten mit der Atomuhr der Universität Braunschweig in Abgleich gebracht.

Für das streitgegenständliche Filesharing habe die Y überprüft, dass die Musikstücke zum Herunterladen verfügbar gemacht wurden und zwar anhand der Aufzeichnungen durch das Paketfilterprogramm „Wireshark“ als auch durch die Wahrnehmungen ihrer Mitarbeiterin, Frau T, die den Überwachungsvorgang betreute.

Im Rahmen des Auskunftsanspruchs gegenüber der X würde immer nur ein bestimmter Zeitpunkt aus der Zeitspanne der Rechtsverletzung im Rahmen des Verbindungszeitraums abgefragt.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass, selbst wenn der Beklagte seine Kinder entsprechend belehrt hätte, das Internet nicht für illegales Filesharing zu nutzen, was bestritten würde, eine einweisende Belehrung die Störerhaftung nicht entfallen ließe.

Die Klägerin ist der Rechtsauffassung, der für die Abmahnung betreffend das gesamte Album von ihren Prozessbevollmächtigten angesetzte Gegenstandswert sei sachgerecht und entspräche demjenigen, was üblicherweise als Streitwert für die Unterlassung des öffentlichen Zugänglichmachens von ganzen Alben in der Rechtsprechung angesetzt würde. Eine rechtsmissbräuchliche Massenabmahnung läge nicht vor, weil es ihr als Geschädigte nicht zum Nachteil gereichen dürfe, dass es eine Vielzahl von einzelnen Verletzern gäbe.

Die Klägerin beantragt mit ihrer dem Beklagten am 29.09.2009 zugestellten Klage,

den Beklagten zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 €) zu unterlassen, die Musikaufnahmen

„F“
„P“

des Künstlers „B“ auf einem Computer für den Abruf durch andere Teilnehmer von Filesharing-Systemen über das Internet bereitzustellen und damit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen oder machen zu lassen.

2. an die Klägerin 1.780,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln, weil der Computer, von welchem die Rechtsverletzung angeblich begangen worden sei, in Dormagen stünde. Der fliegende Gerichtstand sei einzuschränken.

Er bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin, insbesondere den Kooperationsvertrag mit der Z mit Nichtwissen. Außerdem sei die Z bereits vor der in Rede stehenden Urheberverletzung am 01.04.2009 aufgelöst worden.

Der Beklagte behauptet, seine teils voll-, teils minderjährigen Kindern darüber belehrt zu haben, dass eine illegale Nutzung des Internetzugangs nicht erfolgen dürfe. Zu starre Regeln würden ihn aber auch unglaubwürdig bei seinen Kindern machen. In diesem Zusammenhang würde er rein vorsorglich mit Nichtwissen bestreiten, dass seinem Internetanschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung die genannte IP-Adresse zugewiesen worden sei. Die Auskunft der Telekom verhielte sich nur über die Zeit 20:18 Uhr, während die Klägerin eine Zeitspanne von 20:17:20 Uhr bis 20:18:46 Uhr für die Rechtsverletzung anführen würde.

Der Beklagte bestreitet zudem die ordnungsgemäße Funktionsweise der von der Firma Y verwendeten Software rein vorsorglich mit Nichtwissen. Manchmal würden Dateien auch nur in Segmenten hochgeladen. Möglicherweise seien auch die streitgegenständlichen Dateien nur als Segmente geladen worden, dies sei aber keine Urheberrechtsverletzung nach seiner Auffassung. Er bestreite daher mit Nichtwissen, dass die streitgegenständlichen Musikstücke bzw. Segmente hiervon öffentlich zugänglich gemacht wurden.

Der Beklagte ist ferner der Auffassung, der Beschluss des LG Köln vom 11.05.2009 (9 OH 474/09) sei rechtswidrig und deshalb dürften die dort gewonnen Erkenntnisse nicht im vorliegenden Verfahren verwertet werden.

Der Beklagte meint weiterhin, dass der Gegenstandswert für die Abmahnung zu hoch angesetzt sei. Als Massenabmahnung sei der Ersatz der Anwaltsgebühren ausgeschlossen. Die Zahlung der Anwaltsgebühren durch die Klägerin an deren Prozessbevollmächtigte bestreite er mit Nichtwissen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Urkunden Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist größtenteils begründet.

1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln gegeben. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt sich aus § 32 ZPO. Die Zulässigkeit des hier erhobenen Unterlassungsantrags wird nach dem Tatortprinzip bestimmt, damit ist die Zuständigkeit in jedem Gerichtsbezirk begründet, in dem eine unerlaubte Handlung begangen werden kann. Begehungsort ist jeder Ort, an dem die streitgegenständlichen Songs dritten Personen bestimmungsgemäß öffentlich zugänglich gemacht werden (allg. hierzu: Zöller/Vollkommer, ZPO, ZPO, 27. Auflage 2009, § 32 RN 17, m. w. N.). Vorliegend also auch im Bereich der Zuständigkeit des LG Köln, da die Verletzungshandlung planmäßig über das Internet auch in Köln und damit im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Köln stattfinden konnte.

2. Die Klage ist größtenteils begründet, da der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch vollumfänglich und der Zahlungsanspruch größtenteils zusteht.

a. Der Klägerin steht nach § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG ein Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten wegen der von seinem Telefonanschluss öffentlich zugänglich gemachten Liedern zu.

1. Die Klägerin ist aktivlegitimiert, da ihr die ausschließlichen Nutzungsrechte an den streitgegenständlichen Liedern zustehen. Die Aktivlegitimation reicht so weit, wie die räumlichen, sachlichen und zeitlichen ausschließlichen Nutzungsbefugnisse reichen. Bei Rechteketten ist derjenige aktivlegitimiert, der sich auf eine ununterbrochene Kette von Übertragungen berufen kann (Dreier/Schulze, UrhG, 3. Auflage 2008, § 07 RN 19). Die Klägerin hat dafür, dass ihr die ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem streitgegenständlichen Musikstücken zustehen, die Rechtekette dargelegt und die entsprechenden Verträge hierzu vorgelegt.

Der Beklagte hat sich auch nach Vorlage der Verträge darauf beschränkt mit Nichtwissen die Aktivlegitimation zu bestreiten und darauf hinzuweisen, dass die ursprüngliche Rechteinhaberin zwar nach Übertragung der Rechte durch die Z an die Klägerin im Jahre 2007 im Jahre 2009 aufgelöst wurde. Die Auflösung ist damit für das im Jahre 2007 geschlossene Vertragsverhältnis schon nach dem Vortrag des Beklagten ohne Belang. Damit ist das Bestreiten der Aktivlegitimation der Klägerin durch den Beklagten nicht ausreichend substantiiert, sondern erfolgt ins Blaue hinein, ohne dass Zweifel an den eingereichten Unterlagen hierdurch aufgeworfen werden. Eine derartige Rechtsverletzung kann aber nur erfolgreich sein, wenn Zweifel an der Rechteinhaberschaft der Klägerin durch das Bestreiten aufgeworfen werden (OLG Hamburg, GRUR-RR 2008, 282; LG Köln, 27.01.2010 – 28 O 241/09, K& R 2010, 280 ff). Insbesondere behauptet der Beklagte selbst nicht – und hat auch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen -, dass die Rechte einem dritten Rechteinhaber zustehen könnten (OLG Hamburg, a. a. O.). Jedenfalls dann, wenn die Klägerin – wie hier durch die Anlage K 10 (Bl. 92 ff d. A.) die von ihr vorgetragene Rechtekette belegt hat, kann sich der Beklagte nicht erfolgreich „ins Blaue hinein“ auf ein pauschales Bestreiten der Rechteinhaberschaft beschränken. Eine derartige Rechtsverteidigung kann nur erfolgreich sein, wenn der Beklagte einzelfallbezogen konkrete Anhaltspunkte vorgetragen hätte, die Zweifel an der Rechteinhaberschaft der Klägerinnen wecken könnten, was vorliegend, auch unter Berücksichtigung des Vortrags zur Auflösung der Z gerade nicht geschehen ist.

2. Der Beklagte ist als Anschlussinhaber passivlegitimiert, da er zumindest Störer ist. Zwar bestreitet der Beklagte pauschal, dass die Zuordnung der IP-Adresse zutreffend sei und die Y und die X diese technisch fehlerfrei ermittelt hätten. Dieses Bestreiten ist indes widersprüchlich und unbeachtlich, da der Beklagte zugleich eingeräumt hat, dass seine Söhne das in Rede stehende Filesharing von seinem Anschluss aus veranlasst hätten.

3. Über den Anschluss des Beklagten wurden die streitgegenständlichen Lieder als schutzfähige Werke öffentlich zugänglich gemacht. Das öffentlich Zugänglichmachen setzt voraus, dass Dritten der Zugriff auf das betreffende geschützte Werk oder einen geschützten Werkteil eröffnet wird (Dreier/Schulze, UrhG, 3. Auflage 2009, § 19a RN. 6). Der Beklagte bestreitet insoweit die ordnungsgemäße Funktionsweise der antipiracy software und damit die richtige Zuordnung der Rechtsverletzung zu seiner IP-Adresse. Dieses Bestreiten ist jedoch erneut widersprüchlich und unbeachtlich, da der Beklagte eingeräumt hat, dass die in Rede stehenden Lieder allesamt durch seine Söhne öffentlich zugänglich gemacht wurden.

Soweit der Beklagte insoweit die Auskunft der Telekom aufgrund des Beschlusses 9 OH 474/09 des Landgerichts Köln als aufgrund eines rechtswidrigen Beschlusses erlangt ansieht, führt er diese Auffassung nicht weiter aus. Gesichtspunkte für eine Rechtswidrigkeit des Beschlusses sind auch nicht ersichtlich. Der Beschluss findet seine Grundlage im Gesetz, § 101 Abs. 9 UrhG. Außerdem hat das Oberlandesgericht Köln (05.05.2009 – 6 W 39/09) zu dem Beschlussverfahren allgemein festgehalten, dass die Nichtbeteiligung des Anschlussinhabers nicht in dessen Grundrechte eingreife und die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweg nehme.

Auch ist nicht relevant, ob das „Verfügungbarmachen nebst Übertragung“ zum vollständigen Verfügbarmachen und zur vollständigen Übertragung der streitgegenständlichen Titel führte, weil schon der Zugriff auf Werkteile ausreichend für die Urheberrechtsverletzung ist. Insoweit kann an dieser Stelle dahinstehen, ob das Bestreiten des Beklagten mit Nichtwissen trotz Erhalt des Mitschnitts der Rechtsgutsverletzung (Anlage K 3) und der Vorlage von Screenshots ausreichend ist. Soweit der Beklagte das öffentliche Zugänglichmachen an sich mit Nichtwissen bestreitet, weil er nicht wisse, ob für die streitgegenständlichen Songs ein Filesharing stattgefunden habe, so ist dies nicht zulässig. Ein Bestreiten mit Nichtwissen ist nur zulässig, wenn der Erklärende tatsächlich keine Kenntnis hat (Zöller/Greger, 28. Auflage 2009, § 138 RN 13 m. w. N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Beklagte ist „Herr des Computers“ und seine Söhne haben nach seinen Angaben die Rechtsverletzung begangen. Damit ist es ihm möglich, weitere Indizien, soweit vorhanden, aus seiner Sphäre vorzutragen, warum gerade diese Titel nicht vom Übertragungsvorgang erfasst worden sein sollen.

4. Die Wiederholungsgefahr ist gegeben. Diese ist grundsätzlich durch eine bereits begangene Rechtsverletzung indiziert (Dreier/Schulze, a. a. O., § 97 RN 41, BGH GRUR 1955, 97). Wenn sich der Verletzer verpflichtet künftige Zuwiderhandlungen zu unterlassen, ohne diese Verpflichtung aber durch das Versprechen absichert, eine angemessen hohe Vertragsstrafe in jedem Fall der Zuwiderhandlung zu bezahlen, wird die Wiederholungsgefahr grundsätzlich nicht ausgeräumt (Schricker/Wild, a. a. O., § 97 RN 42). Die Wiederholungsgefahr kann somit nur durch eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung ausgeräumt werden (Dreier/Schulze, a. a. O., RN 42). Eine solche strafbewehrte Unterlassungserklärung hat der Beklagte, welcher nach seinem Vortrag jedenfalls als Anschlussinhaber Störer ist, nicht abgegeben.

b. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten nach § 97 a UrhG wegen des öffentlichen Zugänglichmachens des gesamten Albums des Künstlers „B“ zu, allerdings nur in Höhe von 1.379,80 €.

1. Es liegt keine rechtsmissbräuchliche Massenabmahnung vor. Beim Rechtsmissbrauch geht es typischerweise darum, dass die Ausübung eines individuellen Rechts als treuwidrig und unzulässig beanstandet wird (Palandt/Heinrichs, 68. Auflage 2009, § 242 RN 40). Der Rechtsmissbrauch begründet typischerweise eine rechtsvernichtende Einwendung (Palandt/Heinrichs, a. a. O.). Die Rechtsmissbräuchlichkeit hat nach allgemeinen Darlegungsgrundsätzen derjenige vorzutragen, welcher sich hierauf beruft. Der Vortrag des Beklagten beschränkt sich darauf, auf eine angebliche Massenabmahnung zu verweisen. Dieser pauschale Vortrag ist nicht geeignet, einen Rechtsmissbrauch darzulegen. Denn unstreitig ist die Klägerin Tonträgerunternehmen und gerichtsbekanntermaßen in großem Umfange am Markt aktiv. Sie hat lediglich die Unterlassung für Songs begehrt, an dem sie die ausschließlichen Nutzungsrechte hat. Hierin liegt kein Rechtsmissbrauch, sondern die erlaubte Ausübung des Rechts.

2. Die Ausnahmevorschrift des § 97 Abs. 2 UrhG war nicht anzuwenden und die Höhe des Anspruchs daher jedenfalls nicht auf 100,00 € gedeckelt. Die Deckelung greift nur bei unerheblichen Rechtsverletzungen ein. Dabei ist ein geringes Ausmaß der Rechtsverletzung in qualitativer wie quantitativer Hinsicht nach dem Willen des Gesetzgebers nötig, also ein Bagatellverstoß (Dreier/Schulze, a. a. O., § 97 a Rn 17 mit Nachweis der amtl. Begründung) Durch das Filesharing eines ganzen Albums und nicht etwa nur eines Titels ist diese Bagatellgrenze jedenfalls überschritten (Dreier/Schulze, a. a. O.), zumal das Werk für alle an der Tauschbörse Teilnehmende abrufbar war.

Hinzu kommt, dass es sich um einen einfach gelagerten Fall handeln müsste, was ebenfalls nicht der Fall ist. Einfach gelagert sind allein Fälle, die weder in tatsächlicher noch rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten aufweisen, bei denen also das Vorliegen einer Rechtsverletzung – ggf. auch für einen geschulten Nichtjuristen – quasi auf der Hand liegt, (Wandtke/Bullinger, UrhG, 3. Auflage 2009, § 97 RN 35). Vorliegend geht es um die Haftung von Personen im Internet, wobei die Person des Verletzers streitig ist bzw. vom Abgemahnten eine andere Person als Verletzer genannt wird und damit offensichtlich um eine komplexe Materie.

3. Der Höhe nach konnten die Abmahnkosten nach der jüngsten Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Köln nur aus einem Gegenstandwert von 50.000,00 € für das gesamte Album verlangt werden. Dies jedenfalls, weil vorliegend nicht ersichtlich war, dass das Album zum Zeitpunkt des Filesharings noch besonders aktuell oder besonders erfolgreich gewesen wäre. Damit waren nur eine 1,3 Geschäftsgebühr von 1.359,80 €, zuzüglich der Auslagenpauschale von 20,00 €, also insgesamt 1.379,80 € zu ersetzen.

4. Der Anspruch besteht auch auf Zahlung und nicht auf Freistellung, weil der Beklagte bestreitet, dass die Anwaltsgebühren von der Klägerin bereits an ihre Prozessbevollmächtigten gezahlt worden seien. Nach § 257 BGB umfasst die Verpflichtung zum Aufwendungsersatz auch die Verpflichtung zur Freistellung hierfür eingegangener Verbindlichkeiten (BGH NJW-RR 2005, 887). Zwar geht nach § 250 Satz 2 BGB der Befreiungsanspruch nach § 257 BGB erst dann in einen Geldanspruch über, wenn der Geschädigte erfolglos eine Frist zur Herstellung (hier: Freistellung) mit Ablehnungsandrohung gesetzt hat. Einen Befreiungsanspruch hat die Klägerin bislang nicht geltend gemacht; sie verlangt vielmehr Zahlung. Allerdings wandelt sich der nach § 257 BGB bestehende Befreiungsanspruch auch dann in einen Zahlungsanspruch um, wenn der Schädiger jeden Schadensersatz ernsthaft und endgültig verweigert und der Geschädigte Geldersatz fordert (BGH NJW 2004, 1868 m. w. N.). Die ist der Fall, da der begründete Klageabweisungsantrag ein solches Verweigern darstellt (zum Filesharing: OLG Köln, 23.12.209 – 6 U 101/09; allg. BGH NJW-RR, 1987, 43; BGH NJW 1999, 1542)

Der Zinsanspruch hinsichtlich des Antrages 2) folgt aus §§ 288, 291 BGB, da die Klage am 28.09.2009 dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zugestellt wurde.

Die Nebenentscheidungen verhalten sich wie folgt: Sie beruhen für die Kosten auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Da die außergerichtlichen Anwaltsgebühren nicht nur für die zwei Lieder, für welche Unterlassung begehrt wurde, entstanden waren, sondern darüber hinaus gingen, waren sie zwar (teils) Hauptforderung und erhöhten den Streitwert, jedoch war die Zuvielforderung der Klägerin im Hinblick auf den Streitwert des gesamten Rechtstreits und ihr Obsiegen im Übrigen geringfügig. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1, wobei Kosten und denkbarer Vollstreckungsschaden berücksichtigt wurden (OLG München, 27.11.1979 – 25 U 1518/79, MDR 1980, 408-409), bzw. betreffend die Vollstreckung wegen Geldforderungen auf § 709 Satz 2 ZPO.

Streitwert:

Antrag zu 1) 20.000,00 €

Antrag zu 2) bis 2.000,00 €

Insgesamt: 22.000,00 €

Das WLAN-Urteil des BGH und § 97a Abs. 2 UrhG (vorläufig) – ein einfach gelagerter Fall

Jens Ferner weist darauf hin, dass die Vertreter der Musikindustrie bereits jetzt versuchen, die Bedeutung der Bemerkung in der Pressemitteilung zur Anwendbarkeit von § 97a Abs. 2 UrhG kleinzureden.

Dabei geht der in der Stuttgarter Zeitung zitierte Vertreter davon aus, dass vorliegend nur eine „unerhebliche Rechtsverletzung“ i.S.v. § 97a Abs. 2 UrhG vorgelegen haben kann, weil nur ein Lied ausgetauscht wurde. Aus dem Artikel:

„Bei Abmahnungen, die sich auf ganze Alben, Filme oder Hörbücher beziehen, handle es sich nach der bisherigen Rechtsprechung um gravierende Urheberrechtsverletzungen. Dabei greife die Deckelung der Abmahngebühren auf 100 Euro nicht.“

Ob er damit Recht hat, lässt sich vor Veröffentlichung der Urteilsbegründung nicht sagen, auch wenn er damit wie ein Teil der Literatur (in diese Richtung aber im Ergebnis offen z.B. Dreier/Schulze, § 97a UrhG Rn. 17) argumentiert. Man sollte allerdings nicht den Fehler begehen, die Rechtsprechung zu § 101 UrhG (die im Übrigen auch uneinheitlich ist) auf § 97a Abs. 2 UrhG zu übertragen (Übersicht zu § 101 UrhG hier).

Was an dem Zitat neben den Feststellung von RA Ferner beachtlich ist: Wenigstens der Streit um das Merkmal des „einfach gelagerten Falls“ dürfte teilweise beigelegt sein. Denn bisher hatten die Rechtsinhaber immer auch die Ansicht vertreten, dass Filesharing-Fälle rechtlich unglaublich kompliziert seien, und deshalb § 97a Abs. 2 UrhG auch keine Anwendung finde (s. dagegen schon sehr überzeugend Hoeren, CR 2009, Heft 6, S. 378 ff. Besprechung dazu hier). Dazu sagt der Vertreter der Musikindustrie im Artikel nichts. Zudem handelt es sich um eine Auffassung, die angesichts tausender täglich verschickter Abmahnungen kaum ernsthaft vertretbar ist. Der BGH hat also im Ergebnis festgestellt, dass Filesharing-Fälle an sich nicht rechtlich so kompliziert sind, dass sie von vornherein nicht einfach gelagert sein können. Damit verbleibt der Musikindustrie weniger Argumentationsspielraum als vorher – auch das ist schon ein Erfolg. Und wo die Grenze bei § 97a Abs. 2 UrhG zu ziehen ist – also bei zwei Liedern, einem Album (oder mehreren), einem Film (oder mehreren) – dazu warten wir einfach erstmal die Begründung des Urteils ab und sind dann vermutlich genauso weit wie vor dem Urteil.

AG Hamburg, Urt. vom 14.07.2009 – 36a C 149/09: Anwendbarkeit von § 97a Abs. 2 UrhG

AG Hamburg, Urteil vom 14.07.2009 – 36a C 149/09
Leitsätze (des Verfassers):
1. Auf den Verkauf von Bootlegs findet § 97a Abs. 2 UrhG Anwendung.

2. Mahnt der Rechtsinhaber eine Vielzahl von ähnlichen Verletzungen unterschiedlicher Personen in einem kurzen Zeitraum ab, spricht dies für eine Anwendung des § 97a Abs. 2 UrhG.

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 100 EURO nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 13.11.2008 zu zahlen.Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte 12% und die Klägerin 88% zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung im Kostenpunkt abzuwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit leistet in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand:

Die Klägerin eine eingetragene Rechtsanwalts-Partnergesellschaft, begehrt aus abgetretenem Recht einer Mandantin, der Iron Maiden Holdings Ltd., von der Beklagten, die als Brotverkäuferin tätig ist, Ersatz der anlässlich einer urheberrechtlichen Abmahnung angefallenen Anwaltskosten.

Am 6.11.2008 bot die Beklagte auf Internet-Verkaufsplattform X je einen Tonträger „Iron Maide – Live USA“ sowie „Iron Maiden Europe 1992“ mit Aufnahmen der weltweit bekannten Heavy Metal Band Iron Maiden zum Erwerb an. Im Namen der Zedentin Im Namen ihrer Zedentin mahnte die Klägerin daraufhin die Beklagte mit Schreiben vom 10.11.2008 u. a. auf Unterlassung des Vertriebs von Live-Aufnahmen der Gruppe Iron Maiden ab und forderte sie gleichzeitig zur Zahlung von Abmahnkosten auf. Die Beklagte gab eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab und lehnte den Ausgleich der Gebühren ab.

Die Klägerin behauptet, bei den von der Beklagten angebotenen Tonträgern handele es sich um sog. „Bootlegs“, inoffizielle und von den Rechteinhabern unautorisierte Mitschnitte von Konzerten der Gruppe Iron Maiden. Inhaberin der Künstlerschutzrechte an allen musikalischen Darbietungen und Aufnahmen in Bezug auf diese Musikgruppe sei die Iron Maiden Holdings Ltd., eine Gesellschaft britischen Rechts. Deren Gesellschafter seien die Bandmitglieder der Gruppe Iron Maiden, die ihre Rechte nach dem Gesellschaftsvertrag auf die Ltd. übertragen hätten. Die Klägerin ist der Ansicht, da sie die Beklagte berechtigt abgemahnt habe könne sie von dieser die Erstattung der im Rahmen dieses Vorgehens nach einem Gegenstandswert von 20.000 € angefallenen Rechtsanwaltsgebühren verlangen. Die Ausnahmevorschrift des § 97a Abs. 2 UrhG fände keine Anwendung, da es sich vorliegend nicht um einen einfach gelagerten Fall mit nur unerheblicher Rechtsgutverletzung handele, denn mit der britischen Zedentin sei die gesamte Korrespondenz in englischer Sprache zu führen gewesen. Zudem handele es sich um einen komplexen Sachverhalt. Die Tonträger seien Aufnahmen zweier kompletter Konzerte, welche die Beklagte vorsätzlich auf X angeboten habe.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 859,80 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.11.2008 zu zahlen.

Die Beklagte, die den geltend gemachten Anspruch in Höhe von € 100,- nebst Zinsen anerkannt hat, beantragt,

die Klage im Übrigen abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der Gesetzgeber habe mit § 97a Abs. 2 UrhG gerade vor unverhältnismäßig hohen Abmahnkosten schützen wollen, weshalb sein Anwendungsbereich eröffnet sei.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist in Höhe des anerkannten Betrages begründet (§ 307 ZPO).

Ein weitergehender Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten steht der Klägerin jedoch nicht zu.

Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin überhaupt aktivlegitimiert ist, da ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Abmahnkosten gemäß § 97a Abs.2 ZPO auf € 100,- begrenzt ist.

I.

Nach dieser Vorschrift werden für den Fall einer erstmaligen Abmahnung in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs die erstattungsfähigen Aufwendungen auf € 100 beschränkt. Die vier genannten Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben.

1. Zunächst einmal hat sich um eine (erste) Abmahnung ggü. der Beklagten in einem einfach gelagerten Fall gehandelt. Wann genau ein solcher vorliegt, ist anhand einer Gesetzesauslegung zu ermitteln. Hierbei ist auf den in der Gesetzesbegründung konkretisierten Willen des Gesetzgebers abzustellen. Danach liegt dann ein einfacher Fall vor, wenn er nach Art und Umfang ohne größeren Arbeitsaufwand zu bearbeiten ist, es sich also um einen Routinefall handelt (RegE = BT-Drs. 16/8783, S. 49). Die Gesetzesbegründung darf dabei nicht dahingehend missverstanden werden, dass diese Voraussetzungen nur vorliegen, wenn die Einschaltung eines Anwalts nicht erforderlich ist. Denn in diesem Fall würde ein Ersatzanspruch bereits an der in § 97 a Abs. 1 S. 2 UrhG normierten Voraussetzung der „Erforderlichkeit“ der Kosten scheitern. Daher ist das Kriterium des „einfach gelagerten Falles“ so zu verstehen, dass Fälle erfasst werden, die zwar nicht so einfach sind, dass ein Erstattungsanspruch gänzlich ausgeschlossen ist, aber dennoch eine Deckelung der Gebühren legitimiert ist. Entscheidend ist, dass der Fall weder in rechtlicher noch tatsächlicher Hinsicht Schwierigkeiten aufweist, also das Vorliegen und die Geltendmachung einer Rechtsverletzung quasi auf der Hand liegt. Denn nur in diesen Fällen geht nach dem Willen des Gesetzgebers das Schutzinteresse des Verletzers dem Ersatzinteresse des Verletzten vor.

a) Eine rechtliche Schwierigkeit war hier nach dem Tatsachenvortrag der Klägerin nicht gegeben.

aa) Es handelt sich bei sog. „Bootlegs“ grundsätzlich um Urheberrechte verletzende Tonträger, so dass auch die Verletzung des Verbreitungsrechtes durch den Verkauf eines derartigen Tonträgers auf X klar auf der Hand liegt und ohne juristische Probleme – sogar durch einen entsprechend instruierten Nichtjuristen – festgestellt werden kann. Wer die beiden „Bootlegs“ zum Verkauf angeboten hat, ist offensichtlich gewesen, und auch die Frage nach der verletzten Person, also dem Rechteinhaber, hat weder der Iron Maiden Holdings Ltd. noch der Klägerin juristische Schwierigkeiten bereitet. Wo genau der Unterschied zum dem ausdrücklich in der Gesetzesbegründung genannten Beispielsfall der unberechtigten Verwendung eines Fotos bei einer X-Auktion (vgl. hierzu auch OLG Brandenburg ZUM 2009, 412 ff.) liegen soll, ist nicht ersichtlich.

bb) An dieser Bewertung ändert auch die Tatsache nichts, dass die Bandmitglieder ihre Rechte – entsprechend der in der Musikindustrie gängigen Praxis – im Rahmen des Gesellschaftsvertrages auf die Iron Maiden Holdings Ltd. übertragen haben sollen. Zwar ist zumindest dem mit der Abmahnung beauftragten Anwalt zur Vermeidung einer unberechtigten Abmahnung eine rechtliche Überprüfung der Rechtekette zuzustehen. Käme man jedoch angesichts dessen zu der Feststellung, es liege kein einfach gelagerter Fall vor, so würde dies den Sinn und Zweck des § 97 a Abs. 2 UrhG konterkarieren. Denn zumindest bei anwaltlichen Abmahnungen aus dem Bereich der Musikindustrie wird regelmäßig eine Rechtekette gegeben sein. Auch dass es sich bei der Zedentin um eine Gesellschaft britischen Rechts handelt, lässt vorliegend keine rechtliche Schwierigkeit erkennen. Die Feststellung eines Urheberrechtsverstoßes lag trotz der Internationalität sowohl aus Sicht der Iron Maiden Holdings Ltd. als auch aus der der Klägerin quasi auf der Hand.

b) Auch in tatsächlicher Hinsicht war der Fall nicht schwierig gelagert. Im Tatsachenkern ging es schlicht um den Verkauf zweier CD’s mit Konzertaufnahmen der Gruppe Iron Maiden auf X. Weshalb hierin – wie von der Klägerin geäußert – ein komplexer Sachverhalt zu sehen sein soll, erschließt sich dem Gericht nicht. Der pauschale Vortrag, wonach die Klägerin ihrer Mandantin zunächst eine Beratung über das deutsche Urheberrecht habe zukommen lassen müssen, vermag ebenso wenig eine Schwierigkeit in tatsächlicher Hinsicht zu begründen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass es Ziel des Gesetzgebers war, vor allem in Fällen von Massenabmahnungen eine Anspruchsbegrenzung vorzunehmen. Genügt jedoch in diesen Fällen – ganz unabhängig davon, ob man vorliegend von einer Massenabmahnung ausgeht, – der bloß pauschale Hinweis auf die vorgenommene anwaltliche Beratung der ausländischen Mandantschaft, so würde die Schutzfunktion des § 97 a Abs. 2 UrhG immer dann leer laufen, wenn Rechteinhaber eine ausländische natürliche oder juristische Person ist. Genau dies wird aber bei den meisten, auf musikalische Urheberrechte gestützte Abmahnungen der Fall sein. Ähnlich ist auch der Vortrag der Klägerin zu beurteilen, wonach sämtliche Korrespondenz mit der Mandantin in englischer Sprache geführt worden sei.

c) Für einen einfach gelagerten Fall spricht zudem, dass die Klägerin – wie gerichtsbekannt ist – in engem zeitlichen Zusammenhang mit der vorliegenden Abmahnung diverse gleichgelagerte Abmahnungen versandt hat, die allesamt Urheberrechtsverletzungen wegen Veräußerungen von „Bootlegs“ auf X zum Gegenstand hatten. Auch wenn vom Grundsatz her jede Abmahnung für sich betrachtet werden muss, so heißt dies nicht, dass die Häufigkeit derartiger Rechtsverletzungen und die damit verbundene Routine bei der Rechtsverfolgung außer Betracht zu bleiben hat. In diesem Zusammenhang erscheint dem Gericht ein Hinweis auf den praktischen Ablauf einer Abmahnung der vorliegenden Art angebracht. Mangels Vortrags der Klägerin kann wohl kaum angenommen werden, dass die Zedentin selber die Rechtsverletzung, welche ihr gegenüber in Form des Verkaufs von „Bootlegs“ auf X vorgenommen wird, feststellt und sie dann die Klägerin mit einer Abmahnung beauftragt. Auszugehen ist vielmehr davon, dass im General-Auftrag der Zedentin entweder eine Drittfirma oder die klagende Anwaltsgesellschaft selber die Rechtsverstöße ermittelt und dann entweder nach kurzer Rücksprache bei der Ltd. oder sogar ohne eine solche die Abmahnung ausgesprochen wird. Dass es sich bei einer solchen Konstellation um reine Routinefälle handelt, liegt auf der Hand.

2. Bei dem Verkauf der beiden „Bootlegs“ auf X handelte es sich auch um eine nur unerhebliche Rechtsverletzung einer privaten Verkäuferin. Nach der Gesetzesbegründung zu § 97a Abs.2 UrhG erfordert eine unerhebliche Rechtsverletzung ein geringes Ausmaß der Verletzung in qualitativer wie quantitativer Hinsicht, wobei es auf die Umstände des Einzelfalls ankommt (Begr. RegE = BT-Drs. 16/5048, S. 49). Hier wurden von der Beklagten nur zwei „Bootlegs“ auf X angeboten, womit sich die Verletzung noch in einem geringem quantitativen Ausmaß bewegte. Dass es sich dabei um zwei komplette Konzerte gehandelt haben soll, ist nicht ausschlaggebend. Abzustellen ist auf den Tonträger und nicht etwa auf die Anzahl der wiedergegebenen Titel oder die Abspieldauer. Auch in qualitativer Hinsicht vermag das Gericht hier keine erhebliche Rechtsverletzung auszumachen. Es handelt sich um einen gewöhnlichen Verstoß gegen das Verbreitungsrecht (§ 77 UrhG). Insofern die Klägerin darauf abstellt, die Beklagte habe vorsätzlich gehandelt, so vermag auch dieser Vortrag keine qualitativ erhebliche Rechtsverletzung zu begründen. Zum einen steht der Vorsatz der Beklagten nicht zur Überzeugung des Gerichts fest. Denn die Beklagte bezeichnete einen der Tonträger in der Artikelbeschreibung zwar als „Bootleg“, dass sie jedoch wusste, was mit diesem Begriff gemeint ist und sich somit in dem Bewusstsein rechtswidrigen Handelns befand, ist zumindest zweifelhaft. Zum anderen vermag der Vorsatz des Verletzenden nicht generell eine erhebliche Qualität der Rechtsverletzung zu begründen. Zwar hat der Vorsatz gesteigerte Unrechtsqualität. Hätte der Gesetzgeber jedoch für vorsätzliches Handeln grundsätzlich eine Ausnahme von der Beschränkung des Erstattungsanspruchs vorsehen wollten, so wäre zu erwarten gewesen, dass er dies im Gesetzestext oder zumindest in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebracht hätte.

II.

Ein über € 100,- hinausgehender Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht etwa aus § 97 Abs. 2 UrhG. Denn bei der Begrenzung des Erstattungsbetrages bliebe es auch dann, wenn die Beklagte – wovon auszugehen ist – schuldhaft gehandelt hat. Da an das Vorliegen einer zumindest leicht fahrlässigen Urheberrechtsverletzung keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind, würde dies den Tatbestand des § 97 a Abs. 2 UrhG signifikant einengen. Zudem hat der Gesetzgeber die Beschränkung auf 100 Euro nicht von einem fehlenden Verschulden abhängig gemacht (so auch Kefferpütz in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl. 2009, § 97 a Rn. 38)

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 708 Nr. 1, Nr.11 und 711 ZPO.

AG Halle/Saale, Urt. v. 24.11.2009 – 95 C 3258/09: Auswirkungen von § 97a Abs. 2 UrhG auf Altfälle und Höhe des Streitwerts bei einem Film

AG Halle/Saale, Urt. v. 24.11.2009 – 95 C 3258/09: Auswirkungen von § 97a Abs. 2 UrhG auf Altfälle und Höhe des Streitwerts bei einem Film

Leitsätze (des Verfassers):

1. Bei der Bewertung der Rechtsverletzung durch unberechtigtes Bereitstellen eines Films im Internet ist auch bei Altfällen der Sinn und Zweck des § 97a Abs. 2 UrhG zu berücksichtigen.
2. Ein Streitwert von 10.000,- € ist bei nur einem Film nicht gerechtfertigt, da es sich um einen Bagatellfall handelt.

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 305,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 03.05.2009 zu zahlen, die weitergehende Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt 63% der Kosten des Rechtsstreits, der Beklagte zu 37%.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Erstattung von Anwaltskosten aufgrund einer Abmahnung. Am 31.03.2007 um 13:44:46 Uhr (MEZ) wurde über das Peer-to-Peer Netzwerk „eMule“ im Internet über den Anschluss mit der IP- Adresse 8. der Film „Genshiken“ zum Hochladen angeboten. Im Rahmen eines staatsanwaltlichen Auskunftsverlangen (§ 113 TKG) konnte festgestellt werden, dass der betreffende Internetanschluss zu diesem Zeitpunkt auf den Beklagten angemeldet war.

Zur Wahrnehmung ihrer Rechte und Interesse beauftragte die Klägerin einen Rechtsanwalt, der den Beklagten mit Schreiben vom 18.04.2008 (Bl. 12-16 d.A) abmahnte und zur Abgabe einer Unterlassungerklärung aufforderte. Hierdurch sind der Klägerin Kosten entstanden, die sie vom Beklagten ersetzt verlangt.

Die Klägerin behauptet, sie sei die alleinige Inhaberin der Urheber- und Nutzungsrechte für den Film „Genshiken“.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 826,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 03.05.2008 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, die Abmahnung vom 18.04.2008 sei ihm nicht zugegangen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat teilweisen Erfolg.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von 305,50 € zu (§ 97 UrhG, §§ 683 S. 1, 670 BGB).

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Sie ist Inhaberin der ausschließlichen Verwertungsrechten an dem Film „Genshiken“. Das folgt aus der vorgelegten CD des Werkes mit Urhebervermerk.

Der Klägerin steht dem Grunde nach ein entsprechender Kostenerstattungsanspruch gegen den Beklagten zu.

Mit Schreiben vom 18.04.2008 (Bl. 12-16) mahnte die Klägerin den Beklagten ab und forderte ihn zur Abgabe der Unterlassungserklärung auf. Dieses Schreiben ist dem Beklagten auch zugegangen. Bei Abmahnschreiben dieser Art hat der Absender einer Abmahnung darzulegen, das Schreiben abgeschickt zu haben. Es obliegt dem Empfänger Umstände vorzutragen, aus denen sich ableiten lässt, die Abmahnung nicht empfangen zu haben (BGH Beschluss vom 21.12.2006 I ZB 17/06).

Die Klägerin konnte glaubhaft darlegen, dass sie die Abmahnung ordnungsgemäß auf den Postweg gebracht hat, da diese nicht mit dem Vermerk „unzustellbar“ zurückgesandt wurde. Dagegen trägt der Beklagte keine Tatsachen vor, die für einen unterbliebenen Zugang sprächen.

Die durch die Abmahnung entstandenen Kosten sind über die Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag zu ersetzen. Derjenige, der vom Störer die Beseitigung der Störung verlangen kann, hat nach anerkannter Rechtsprechung einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen als Geschäftsführer ohne Auftrag, soweit er seinerseits bei der Beseitigung der Störung mitwirkt und dabei im Einklang und Interesse mit dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Störers tätig wird (BGH Urteil vom 15.10.1969 I ZR 3/68; Urteil vom 17.01.2002 I ZR 241/99 ).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Durch die vorprozessuale Abmahnung erhielt der Beklagte die Gelegenheit einen kostspieligen Rechtsstreit zu vermeiden. Sie lag somit im Interesse des Beklagten und die Klägerin konnte davon ausgehen, dass sie die Aufwendungen für eine solche Abmahnung im Einklang mit dem mutmaßlichen Willen des Störers erbringt. Somit sind insbesondere die durch die Abmahnung entstandenen Kosten eines Rechtsanwaltes zu ersetzen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind.

Das unter dem 18.04.2008 an den Beklagten gerichtete Abmahnschreiben war veranlasst und erfolgte ordnungsgemäß. Indem der Beklagte den Film „Genshiken“ im Netzwerk „eMule“ zum Hochladen angeboten hat, hat er gegen die ausschließlichen Nutzungsrechte der Klägerin verstoßen (§§ 19a, 97 UrhG). Zudem war zum Zeitpunkt der Abmahnung eine Wiederholungsgefahr gegeben, die noch nicht vom Beklagten ausgeräumt wurde. Diese ist für den Unterlassungsanspruch materielle Anspruchsvoraussetzung (§ 97 Abs. 1 UrhG) und wird nach übereinstimmender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur durch die festgestellte Rechtsgutsverletzung vermutet und kann nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung beseitigt werden (LG Hamburg ZUM 2006, 661 m.w.N) .

Die Einschaltung eines Rechtsanwaltes war auch erforderlich im Sinne des § 670 BGB. Dabei kann dahinstehen, inwieweit die Klägerin zu einer Abmahnung selbst im Stande war, da die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes zumindest aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 475 StPO notwendig war. Nach dieser Vorschrift ist das Akteneinsichtsrecht im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens einem Rechtsanwalt vorbehalten. Die Einsichtnahme in die Ermittlungsakte war jedoch notwendig, da die Identität des Beklagten erst im Strafverfahren ermittelt werden konnte.

Die Klage ist nur in der tenorierten Höhe begründet.

Die Klägerin macht Gebühren ausgehend von einem Streitwert in Höhe von 10.000 € geltend. Dieser Gegenstandswert ist für den vorliegenden Rechtsstreit überhöht. Auch wenn das Bereitstellen von Filmen oder Musik in Filesharing-Systemen kein Kavaliersdelikt darstellt, hält das Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände einen Streitwert in Höhe von 1.200 € für angemessen.

Durch das Zugänglichmachen von Filmen und Musik im Internet über Filesharing-Systeme wird die Film- und Musikindustrie in erheblichen Umfang geschädigt. Wohl ist dabei das Unrechtsbewusstsein bei einer Vielzahl der Rechtsverletzer überwiegend gering ausgebildet. Die Streitwertbemessung hat jedoch keine abschreckende oder gar sanktionierende Wirkung, sondern orientiert sich an dem Wertinteresse des Gläubigers und an der Intensität der Rechtsverletzung.

Der Beklagte stellte nur einen einzigen urheberrechtlich geschützten Film der Klägerin zum Hochladen bereit. Dies stellte – soweit ersichtlich – zudem den ersten Verstoß des Beklagten gegen die Nutzungsrechte der Klägerin dar. Damit liegt lediglich eine bagatellartige Rechtsverletzung vor, die einen Streitwert in Höhe von 10.000 € nicht rechtfertigen kann (vergleiche LG Darmstadt vom 20.04.2009, 9 Qs 99/09, das eine Bagatelle selbst bei zwei Filmwerken annimmt).

In diesem Zusammenhang geht das Gericht auch nicht von einer gewerblichen Nutzung aus. Eine solche liegt nur dann vor, wenn die Bereitstellung zur Erlangung eines wirtschaftlichen und kommerziellen Vorteils erfolgt, was zu einer Erhöhung des Streitwertes führte. Dafür sind indes keine Anhaltspunkte gegeben.

Zu berücksichtigen ist ferner der Schutzzweck des § 97a Abs. 2 UrhG. Diese Vorschrift ist am 01.09.2008 im Zuge der Umsetzung der „Enforcement- Richtlinie“ in Kraft getreten. Ziel dieser Norm ist es, den Betroffenen vor unverhältnismäßig hohen Rechnungen der abmahnenden Rechtsanwälte bei erstmaligen Abmahnungen zu bewahren. Auch wenn diese Vorschrift für den vorliegenden Fall nicht unmittelbar berücksichtigt werden kann, da sie nur für Fälle Anwendung finden kann, in denen einen Abmahnung nach dem 01.09.2008 ausgesprochen wurde, wird die Zielsetzung des Gesetzgebers bei Schaffung dieser Norm bei der Streitwertbemessung berücksichtigt.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten zudem ein Anspruch auf Schadensersatz zu (§§ 249,252 BGB). Die Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr ist danach zu bestimmen, was bei vertraglicher Einräumung ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer gewährt hätte. Hiervon ausgehend sind die von der Klägerin geforderten 100,00 € angemessen und ersatzpflichtig.

Zur Höhe des Anspruchs:

Der Schaden setzt sich danach insgesamt zusammen aus 1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG Wert 1200€ (110,50 €); Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 €, Kosten Durchführung Ermittlungsverfahren in Höhe von 75,00 € sowie 100,00 € Schadensersatzanspruch für ersparte Lizenzgebühren. Dies ergibt 305,50 €.

Der Zinsanspruch folgt aus dem Gesichtspunktes des Verzuges (§§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB).

Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Berufung wird zugelassen, da die überinstanzliche Rechtsprechung bei Urheberrechtsverletzungen durch die Nutzung von Tauschbörsen der Streitwert oftmals bei mindestens 10.000 € ansetzt, wovon das erkennende Gericht in Anbetracht eines erstmaligen Verstoßes des Beklagten und des Schutzzweckes des neuen § 97a Abs. 2 UrhG abweicht.