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In eigener Sache: Anmerkung zu BGH WLAN (Urt. v. 12.5.2010 – I ZR 121/08: Sommer unseres Lebens), MMR 2010, 568 und Übersicht

Das Beste kommt immer zuletzt, oder: was lange währt wird endlich gut.

Meine Anmerkung zum WLAN-Urteil des BGH, Urt. v. 12.5.2010 – I ZR 121/08 ist nun in der MMR 2010, Heft 8, S. 568-570 erschienen.

S. dazu bzw. zu dem Urteil schon meine Bemerkungen hier, hier, hier und hier.

Insgesamt haben damit praktisch alle in dem Bereich wesentlichen Zeitschriften das Urteil inklusive Anmerkung abgedruckt. Hier eine Übersicht:

S. auch: weitere Publikationen

Lesetipp: Schwartmann/Kocks, Haftung für den Missbrauch offener WLAN-Anschlüsse, K&R 2010, 433

In der K&R 2010, Heft 7/8 (S. 433-437) ist eine weitere Anmerkung zum WLAN-Urteil des BGH (BGH, Urt. v. 12.5.2010 – I ZR 121/08: Sommer unseres Lebens, s. dazu schon hier, hier, hier und hier) bzw. ein Aufsatz mit dem Titel „Haftung für den Missbrauch offener WLAN-Anschlüsse“ von Schwartmann und Kocks erschienen.

Schwartmann/Kocks besprechen zunächst die bisherige Rechtsprechung im Bereich WLAN und gehen dann näher auf die vorinstanzlichen Entscheidungen des BGH-Urteils ein.

Sie stimmen dem Urteil im Ergebnis zu. Der BGH habe den zumutbaren Rahmen der Pflichten richtig eingegrenzt und sei dabei eher am unteren Ende geblieben, da nur der technische Standard zum Kaufzeitpunkt entscheidend sei. Kritisch sehen die Autoren allerdings den Rückgriff auf das Eigeninteresse des WLAN-Anschlussinhabers:

… die Unsicherheit eines WLAN bedingt nicht zwangsläufig zugleich die Unsicherheit der persönlichen Daten des Anschlussinhabers. Ungeachtet des nicht hinreichend geschützten Zugangs zum WLAN ist es möglich, die Freigaben in Bezug auf persönliche Daten auf dem eigenen Computer restriktiv einzustellen.

Verwundert zeigen sich Schwartmann/Kocks auch im Hinblick auf die Diskrepanz zwischen Pressemitteilung und Urteilsgründen, was § 97a Abs. 2 UrhG angeht. Die Schlussfolgerung, dass dies logisch sei, da § 97a UrhG keine Anwendung finden könne, weil das Gesetz zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung und der Abmahnung noch nicht existierte, lässt aber außer Betracht, dass manche Gerichte hier von einer Anwendbarkeit auf Altfälle ausgehen (so z.B. OLG Brandenburg MMR 2009, 258).

In den Praxisfolgen verweisen die Autoren letztlich darauf, dass für andere als private Anschlussinhaber keine Klärung eingetreten ist:

Die in der medialen Berichterstattung befürchteten Auswirkungen des Urteils auf eine Haftung für Hotspot-Betreiber wie Cafes oder Hotels sind indes auch nach der Entscheidung des BGH eher fraglich, jedenfalls aber weiterhin ungeklärt.

Bezüglich der Anwendung der Privilegierung nach § 8 TMG halten die Autoren eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung eher für fraglich (s. dazu hier sowie näher Mantz, MMR 2010, Heft 8 (erscheint demnächst)).

Lesetipp: Nenninger, Anmerkung zu BGH, Urt. v. 12.5.2010 – I ZR 121/08: Sommer unseres Lebens, NJW 2010, 2064

Bereits in Heft 28/2010 der NJW ist eine Anmerkung von Kristof Nenninger zum WLAN-Urteil des BGH (BGH, Urt. v. 12.5.2010 – I ZR 121/08: Sommer unseres Lebens, s. dazu schon hier, hier, hier und hier) erschienen.

Auch Nenninger ist von dem Urteil eher enttäuscht und schreibt:

Insgesamt hat es der Senat in seiner Entscheidung jedoch weitgehend versäumt, Rechtssicherheit und Klarheit über die Voraussetzungen der Haftung im Zusammenhang mit dem Betrieb eines WLAN-Netzes zu schaffen.

Weiter bedauert er, dass sich keinerlei Sicherheit für „institutionelle Betreiber“ ergibt.

Anschließend fasst Nenninger das Urteil schrittweise zusammen. Zum schon mehrfach kritisierten Begriff des Eigeninteresses im Zusammenhang mit der Zumutbarkeit von Sicherheitsmaßnahmen meint er:

Warum der Senat die Zumutbarkeit mit dem Eigeninteresse des Anschlussinhabers am Schutz seiner Daten vor Eingriffen von außen begründet, ist allerdings nicht nachvollziehbar, denn zwischen der Zugangsbeschränkung zur Nutzung des WLAN-Netzes und dem Schutz persönlicher Daten des Anschlussinhabers oder sonstiger Nutzer des WLAN-Netzes besteht kein unmittelbarer Zusammenhang.

Ebenso wenig wie viele versteht Nenninger weiter, warum der BGH ein individualisiertes Passwort verlangt, wo doch das voreingestellte mindestens genauso sicher war. Auch er kann es sich nur so erklären, dass der BGH glaubte, dass ein Standardpasswort eingestellt war, das nicht individualisiert war.

Sein Fazit:

Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. Im privaten Bereich ist die Verschlüsselung eines WLAN-Netzes jedenfalls erforderlich.

s. auch:

Lesetipp: Stang/Hühner, Anmerkung zu BGH, Urt. v. 12.5.2010 – I ZR 121/08: Sommer unseres Lebens, GRUR 2010, 636

In Heft 7/2010 der GRUR ist eine Anmerkung von Stang und Hühner zum WLAN-Urteil des BGH (BGH, Urt. v. 12.5.2010 – I ZR 121/08: Sommer unseres Lebens, s. dazu schon hier, hier, hier und hier) erschienen, GRUR 2010, 636.

Die Autoren versuchen dabei, das Urteil in die bisherige BGH-Rechtsprechung einzubetten und eine Linie der Entscheidungen zu entwickeln.

Interessant sind insbesondere die Ausführungen zu den Prüfungs- und Überwachungspflichten. So sehen Stang/Hühner in dem in Art. 15 ECRL und Art. 7 TMG verankerten Grundsatz, dass ohne Kenntnis keine Haftung besteht, nur ein Element der Abwägung und keine Voraussetzung.

Der BGH stellt nunmehr jedoch in überzeugender Weise klar, dass es sich bei der vorherigen Kenntnis des Verantwortlichen nicht um eine allgemeine Haftungsvoraussetzung handelt.

Im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechung des BGH, die die Privilegierungen auf Unterlassungsansprüche nicht anwendet, ist dies eine überraschende Wertung. Allerdings könnte sie erklären, warum der BGH bei seiner Begründung nicht ganz deutlich gemacht hat, ob und inwiefern er an dieser Rechtsprechung festhalten will (s. dazu schon hier und hier).

Zum Eigeninteresse, das der BGH für die Zumutbarkeit von Sicherungsmaßnahmen anführt, schreiben sie:

Bei der grundsätzlichen Bejahung von Prüfungspflichten stellt der BGH im Wesentlichen auf das Eigeninteresse des Anschlussinhabers an der Sicherung des Anschlusses zum Schutz eigener Daten ab. Die Folge der Berücksichtigung des Eigeninteresses eines potenziellen Störers ist nicht etwa eine Obliegenheit, deren Verletzung als ein „Verschulden gegen sich selbst” einzustufen ist. Vielmehr handelt es sich beim Eigeninteresse des Verantwortlichen um ein allgemeines Wertungskriterium, welches regelmäßig in die Bemessung zumutbarer Prüfungspflichten einfließen kann. Denn je höher das Eigeninteresse des Verantwortlichen an der konkret in Rede stehenden Maßnahme ist, desto eher ist diese als zumutbar zu bewerten.

Im weiteren plädieren die Autoren dafür, die vom BGH angenommene Haftung eher als eine Zurechnung des Verhaltens Dritter anzusehen und eine Haftung auf der Basis der Eröffnung einer Gefahrenquelle zu begründen – ein Punkt, den der BGH glücklicherweise gerade nicht so aufgegriffen hat (s. dazu schon Garcia, Telepolis v. 19.4.2010; Mantz, JurPC 2010, Web-Dok. 95/2010, Rn. 11-19; Krüger, http://lawgical.jura.uni-sb.de /index.php?/entry/552-WLAN-+-anonym-+-Internet-Gefahr-Stoererhaftung.html).

Der Betrieb eines ungesicherten WLAN-Funknetzes begründet eine abstrakte Gefahrenquelle für fremde Urheberrechtsverletzungen. Der Anschlussinhaber hat diese Gefahrenquelle im Rahmen des Zumutbaren abzuschirmen, und zwar unabhängig davon, ob es bereits zu Rechtsverletzungen gekommen ist oder konkrete Anhaltspunkte hierfür vorliegen. Dies deckt sich mit den Grundlagen allgemeiner Verkehrspflichten, die im Rahmen des Deliktsrechts als allgemeine Haftungsfigur anerkannt sind. Vor diesem Hintergrund verwundert es umso mehr, dass der I. Zivilsenat den vorliegenden Fall nicht zum Anlass nahm, um ein einheitliches rechtsgebietsübergreifendes täterschaftliches Haftungssystem im Bereich der Verantwortlichkeit nicht vorsätzlich handelnder Beteiligter an einer Schutzrechtsverletzung mit der Folge der grundsätzlichen Haftung auch auf Schadensersatz zu etablieren.

Der Übertragung dieser Grundsätze, die in der Literatur schon mehrfach gefordert wurde, hat der BGH allerdings eine Absage erteilt. Insgesamt hat er damit der in der Rechtsprechung zu beobachtenden Ausweitung der Haftung zumindest im Bereich des Urheberrechts Einhalt geboten. Es wird sich zeigen müssen, ob der BGH bei dieser Linie bleibt.

Stattdessen plädieren Stang/Hühner dafür, die von ihnen vorgeschlagene (sehr weitreichende) Haftung, die zudem auch Schadensersatzansprüche begründen würde, über § 8 TMG analog einzugrenzen (so auch schon als eine Möglichkeit ausführlich Mantz, Rechtsfragen offener Netze, S. 291, 293 ff. mit Diskussion und weiteren Nachweisen).

Das möglicherweise entscheidende Motiv des BGH, den Anschlussinhaber keiner Schadensersatzhaftung auszusetzen, überzeugt zwar im Ergebnis, wäre jedoch auch durch eine analoge Anwendung des § 8 Absatz 1 TMG erreichbar gewesen (vgl. Stang/Hühner, GRUR-RR 2008, 273, 275 m.w. Nachw.).

Dies könnte im Hinblick auf dogmatische Erwägungen oder eine Vereinheitlichung auf haftungsbegründender Seite erstrebenswert sein, dürfte aber anschließend weitere Probleme aufwerfen und dieses Haftungsinstrument kaum handhabbarer oder gerechter gestalten.

Lesetipp: Karger, Praktische Hinweise zum Parteivortrag nach der BGH-Entscheidung zur Störerhaftung des WLAN-Betreibers, GRUR-Prax 2010, 305

In der GRUR-Prax, Ausgabe 14,  ist ein Beitrag von Michael Karger zum WLAN-Urteil des BGH (BGH, Urt. v. 12.5.2010 – I ZR 121/08: Sommer unseres Lebens, s. dazu hier, hier, hier und hier) erschienen.

Dabei stellt Karger das Urteil dar und gibt jeweils auf Grundlage der Urteilsgründe hilfreiche Praxishinweise.

Die Folgen der Google-Thumbnails-Entscheidung

Nachdem der BGH in seiner Entscheidung zu Google-Thumbnails (BGH, Urt. v. 29.4.2010 – I ZR 69/08) von einer Einwilligung in die Nutzung von im Internet eingestellten öffentlich zugänglichen Werken ausgegangen ist, sofern nicht der Rechtsinhaber Vorkehrungen zum Schutz seiner Rechte trifft (wie beispielsweise das Anlegen einer robots.txt, die das Indizieren der Seite verhindert), gehen auf diesem Wege immer mehr Gerichte vor, um ähnliche Ansprüche ebenfalls abzuweisen.

So sieht das LG Hamburg keine Rechtsverletzung darin, dass die Personensuchmaschine 123people.de im Internet frei verfügbare Bilder verwendet (LG Hamburg, Urt. v. 16.6.2010 – 325 O 448/09).

Es führt dazu aus:

Dafür, dass dem Verhalten der Klägerin entnommen werden kann, sie habe in die Abbildung ihres Fotos in dem von der Beklagten betriebenen Internet-Angebot eingewilligt, spricht auch der Umstand, dass das Internet-Angebot von … ausdrücklich für Suchmaschinen optimiert wurde. Wenn die Klägerin es zulässt, dass ihr Foto auf einer solchen Homepage veröffentlicht wird, durfte die Beklagte dem Verhalten der Klägerin (auch ohne rechtsgeschäftliche Einwilligungserklärung) entnehmen, die Klägerin sei mit der Anzeige des Fotos auf dem Internet-Angebot der Beklagten einverstanden. Das Verhalten der Klägerin, ihr Foto auf der Internetseite … für den Zugriff durch Suchmaschinen zugänglich zu machen, ohne dass bei dieser Seite von den technischen Möglichkeiten Gebrauch gemacht wurde, ihr Foto von der Anzeige durch Personensuchmaschinen auszunehmen, konnte von der Beklagten als Betreiberin einer solchen Personensuchmaschine objektiv als Einverständnis damit verstanden werden, dass das Foto der Klägerin in dem bei der Bildersuche üblichen Umfang genutzt werden durfte. Ein Berechtigter, der Bilder im Internet ohne Einschränkungen frei zugänglich macht, muss mit den üblichen Nutzungshandlungen rechnen. Der Klägerin ist es auch ohne weiteres zuzumuten, hinreichende Sicherungsmaßnahmen gegen das Auffinden ihres Fotos durch die Personensuchmaschine der Beklagten vorzunehmen, wenn sie derartige Nutzungshandlungen verhindern will (vgl. BGH, a.a.O). Zwar trägt die Klägerin zutreffend vor, dass sie nicht Host-Provider sei. Allerdings hätte sie ihren Arbeitgeber auffordern können, Sicherheitsmaßnahmen hinsichtlich ihres Fotos einzubauen oder der Beklagten von vornherein eine Abbildung ihres Fotos untersagen können.

Das OLG Köln hatte schon vor der BGH-Entscheidung ähnlich geurteilt (OLG Köln, Urt. v. 9.2.2010 – 15 U 107/09):

(1.1.1) Das Landgericht ist zu Recht von einer Einwilligung des Klägers in den Zugriff durch andere Medien ausgegangen. Mit der Einstellung seines Bildnisses in die Plattform von G hat der Kläger seine Einwilligung in einen Zugriff durch Suchmaschinen wie die von der Beklagten zu 1) betriebene zumindest konkludent erklärt.

Diese Einwilligungskonstruktion ist für Suchmaschinen natürlich sehr begrüßenswert. Sie führt aber zu einer neuen Problematik im Bereich des Urhebervertragsrechts. Denn auf eine Einwilligung kann sich im Grunde nicht nur der Suchmaschinenbetreiber berufen.

Fraglich ist jetzt, was man z.B. mit offiziell von Rechtsinhabern eingestellten YouTube-Videos macht. Denn wenn man ketzerisch die Konstruktion des BGH und der Gerichte weitertreibt, stellen sich eine Reihe neuer Fragen:

  • Darf der Betreiber einer Webseite diese nun verwenden und dafür die „üblichen Vervielfältigungshandlungen“ vornehmen, mit anderen Worten nicht nur die Inhalte von Youtube auf der eigenen Seite einbetten, sondern gleich die Flash-Datei vorhalten?
  • Und ist das Abgreifen des Tons aus einer solchen Datei möglicherweise auch eine „übliche Vervielfältigungsmaßnahme?
  • Und noch einen Schritt weitergedacht, ist das Einstellen dieser Datei dann auch von der Einwilligung gedeckt?

Bis auf die erste Frage dürfte hier mit „Nein“ zu antworten sein, denn das Abgreifen des Tons dürfte ein neues Werk oder wenigstens eine Bearbeitung darstellen, die einer Einwilligung bedarf. Aber der BGH hatte bei der Google-Thumbnails-Entscheidung die Einwilligung ja sogar so weit reichen lassen, dass Google die Bilder verkleinern, also bearbeiten darf – und trotzdem diese Bearbeitungen vervielfältigen und zum öffentlichen Zugang anbieten darf.

Der BGH hatte diesbezüglich ausgeführt:

Da die Vorschaubilder der Bildersuchmaschine der Beklagten die Werke der Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts lediglich verkleinert, ansonsten aber ohne wesentliche Veränderungen identisch in ihren schöpferischen Zügen gut erkennbar wiedergeben, handelt es sich bei ihnen – unabhängig davon, ob sie als Bearbeitungen oder Umgestaltungen unter § 23 UrhG fallen – gleichfalls um Vervielfältigungen i.S. von § 16 Abs. 2 UrhG. Vom Vervielfältigungsrecht des Urhebers werden auch solche – sogar in einem weiteren Abstand vom Original liegende – Werkumgestaltungen erfasst, die über keine eigene schöpferische Ausdruckskraft verfügen und sich daher trotz einer vorgenommenen Umgestaltung noch im Schutzbereich des Originals befinden, weil dessen Eigenart in der Nachbildung erhalten bleibt und ein übereinstimmender Gesamteindruck besteht (BGH, Urt. v. 10.12.1987 – I ZR 198/85, GRUR 1988, 533, 535 – Vorentwurf II, m.w.N.). Nach den von der Revision nicht angegriffenen weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts erfolgt die den Vorschaubildern zugrunde liegende körperliche Festlegung jedoch auf in den USA gelegenen Speichermedien. Etwaige Verletzungshandlungen in den USA sind aber, wie dargelegt, nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Sonstige Vervielfältigungshandlungen der Beklagten oder ihr zurechenbare Vervielfältigungshandlungen Dritter, die im Inland begangen worden wären, sind nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Klägerin, soweit er auf die Untersagung von Vervielfältigungen gerichtet ist, schon deshalb mit Recht verneint.

Nun könnte man das Darstellen des vom Youtube-Video abgegriffenen Tons als solche „ohne wesentliche Veränderungen identisch in ihren schöpferischen Zügen gut erkennbar wiedergebene“ Kopie des Werks ansehen. Und wenn man die Vervielfältigungen in den USA fertigt, hat der Kläger das Problem.

Wie schon erwähnt, dies ist eine „ketzerische“ Auslegung des Urteils des BGH. Sie soll einfach nur aufzeigen, dass die Einwilligungs-Konstruktion des BGH durchaus nicht unproblematisch ist, so elegant sie auch auf den ersten Blick wirkt.

(Urteile via wbs-law)

Update: Besprechung zum Urteil des LG Hamburg auf Telemedicus

WLAN-Urteil des BGH: Router war gesichert (AVM)

Mittlerweile habe ich mit der Pressestelle des Fritz!Box-Herstellers AVM ueber die tatsaechlichen Grundlagen des WLAN-Urteils (hier, Besprechung hier) gesprochen. Dabei haben sich hinsichtlicher meiner Fragen (s. hier, s. auch die AVM-Pressemitteilung) die folgenden Erkenntnisse ergeben:

  1. AVM liefert seit 2004 WLAN-faehige Router aus. Diese Router waren von Anfang an mit einem auf den Router individualisierten Kennwort versehen.
  2. Das Kennwort besteht aus 16 zufaelligen Ziffern und ist auf dem Router ausgedruckt.

Mit anderen Worten: Der Beklagte im Urteil des BGH hat mit Sicherheit einen durch ein 16-stelliges zufaelliges und unbekannten Dritten nicht bekanntes Kennwort gesicherten WLAN-Router verwendet.

Es stellt sich die Frage, ob das dem BGH klar war, als er sein Urteil gefaellt hat. Diese Frage wage ich mit „nein“ zu beantworten. Denn ein personalisiertes, nachtraeglich eingerichtetes Kennwort ist im Zweifel sogar unsicherer als das voreingestellte 16-stellige Kennwort.

Vermutlich ist der BGH also davon ausgegangen, dass das „standardmaessig voreingestellte Kennwort“ fuer alle Router der Modellreihe gleich war – und damit einem Dritten bekannt sein konnte. Hier bestand nach dieser Lesart eine Luecke im Sachverhalt, die im Laufe des Verfahrens nicht geschlossen wurde.

Zur Problematik, ob der Aufdruck des Kennworts auf dem Router die Quelle der Unsicherheit gewesen sein koennte, s. Moeller, Telemedicus. Allerdings haette sich der BGH dann mit der Frage beschaeftigen muessen, ob der Aufdruck bzw. die Mitteilung des Kennworts z.B. an Haushaltsmitglieder fuer eine Annahme der Stoererhaftung ausreicht – was im Hinblick darauf, dass der BGH ebenfalls festgestellt hat, dass das Teilen des Internetanschlusses in Ordnung ist, kaum haette ausgereichen koennen.

Eine Analogie zum WLAN-Urteil des BGH

Ich habe mich gerade mit einem amerikanischen Kollegen ueber das WLAN-Urteil des BGH unterhalten. Und er hat das Urteil in eine sehr verstaendliche Form uebersetzt und mich gefragt:

„Nehmen wir an, dass ich eine Scheune auf dem Land besitze. Jemand benutzt diese Scheune, ohne dass ich es weiss, um dort Bootlegs (=nicht autorisierte Tonaufzeichnung) zu verkaufen.

Laut dem German Supreme Court soll ich dafuer haftbar sein?“

Und ich musste ihm antworten:

„Ja, und es wird noch besser, denn Du hast Deine Scheune sogar mit einem Zaun gesichert, aber der Typ hat das Tor aufgebrochen.“

Sein Kommentar war so etwas aehnliches wie „stupid fucked up Germans“… 🙂

Erneut zum Tatbestand des WLAN-Urteils des BGH – Sicheres Kennwort oder nicht?

Simon Moeller von Telemedicus macht mich eben auf eine Klarstellung des Fritz!Box-Herstellers AVM zur Verschlüsselung seiner Router aufmerksam:

http://www.avm.de/de/News/artikel/2010/wlan_urteil.html

„AVM liefert FRITZ!Box-Produkte ab Werk mit einem individuellen WLAN-Netzwerkschlüssel aus. Damit ist eine FRITZ!Box bereits ab dem ersten Einschalten sicher vor unberechtigten Zugriffen. Dieses Verfahren wenden wir seit der Auslieferung der ersten FRITZ!Box mit WLAN im Jahre 2004 an.“

Leider bleibt das Dilemma, dass wir nicht genau wissen, welchen Router der Beklagte verwendet hat. Denn es bleibt eine Luecke, in der wir nicht genau sagen koennen, ob der Router individualisiert war.

Ich habe daher soeben eine Mail an die Pressestelle von AVM geschickt und um weitere Informationen gebeten:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe soeben mit Interesse Ihre Pressemitteilung zum Urteil des BGH (http://www.avm.de/de/News/artikel/2010/wlan_urteil.html) gelesen.
Ich habe fuer die Zeitschrift Multimedia und Recht (MMR) in deren „aktuell“-Teil bereits eine Kurzanmerkung zur Pressemitteilung des Urteil verfasst (MMR-aktuell 2010, 303438) und bearbeite gerade eine volle Anmerkung fuer die Zeitschrift selbst, die vermutlich im Juli-Heft erscheinen wird. Ausserdem habe ich das Urteil bereits kurz in meinem Blog „Offene Netze und Recht“ (http://www.retosphere.de/offenenetze/2010/06/04/das-wlan-urteil-des-bgh-und-seine-auswirkungen-auf-offene-netze/) besprochen. Bei der Bearbeitung faellt aber auf, dass aus dem Tatbestand des Urteils des BGH nicht deutlich wird, wie genau die Sicherung des WLAN-Routers des Beklagten ausgesehen hat (s. z.B. zu den Unsicherheiten Simon Moeller,
http://www.telemedicus.info/article/1774-Der-BGH-zur-WLAN-Haftung.html).
Dennoch scheint das Urteil bei Ihnen genug Eindruck hinterlassen zu haben, um die oben angefuehrte Pressemitteilung herauszugeben.

Leider fehlt trotz der Informationen in Ihrer Pressemitteilung noch ein letzter Schritt, und ich hoffe, dass Sie mir hier evtl. weiterhelfen koennen:

Nach den Informationen, die zur Verfuegung stehen, war der Fritz!Box-Router des Beklagten mit einem 16-stelligen Passwort gesichert und ausserdem mit WPA verschluesselt. In Ihrer Pressemitteilung heisst es, dass ab 2004 nur noch individualisierte Passwoerter vergeben wurden. Soweit ich es herausfinden konnte, wurde ebenfalls 2004 WPA offiziell verabschiedet. Allerdings wurde laut Tatbestand des LG Frankfurt der Computer 2003/2004 eingerichtet. Der Filesharing-Vorfall erfolgte im Jahr 2006.

Es ist aber weiter nicht ganz klar, ob das Passwort im konkreten Fall auf den Router individualisiert war, oder aus einer fuer alle Router der Modellreihe gleichen Kennung bestand.

Daher meine zwei Fragen:
1) Gab es je einen Router aus Ihrem Hause aus den Vertriebsjahren 2003-2006 (einschliesslich), der mit einem 16-stelligen Passwort und WPA standardmaessig aktiviert versehen war, ohne dass das Kennwort auf den Router individualisiert war?

2) Wie sah so ein individualisiertes Passwort aus? War es eine Abfolge von zufaelligen oder nahezu zufaelligen Zeichen?

Vielen Dank und mit freundlichen Gruessen“

Ich hoffe, dass die Antwort von AVM Licht ins Dunkel bringt und werde hier berichten.

Update: Mittlerweile habe ich mit der Pressestelle von AVM gesprochen. Die Antworten finden sich hier.

Interview zum WLAN-Urteil des BGH in der Jungle-World

In eigener Sache: In der Jungle-World ist ein Interview mit mir zum WLAN-Urteil des BGH erschienen: http://jungle-world.com/artikel/2010/22/41060.html

Dabei ist zu beachten, dass dieses auf dem Kenntnisstand der Pressemitteilung beruht, der sich durch die Urteilsbegruendung massgeblich geaendert hat.