Archiv der Kategorie: Gesetze, Gesetzesvorhaben

Von der Anhörung im Wirtschaftsausschuss zum 3. TMG-Änderungsgesetz

Wie schon hier angesprochen, war ich am 26.6.2017 als Sachverständiger zur Anhörung zum 3. TMG-Änderungesetz im Wirtschaftsausschuss des Bundestages eingeladen. Im Kern geht es bei dem Gesetz um den erneuten Versuch, die Haftungssituation bei Anbietern von WLANs zu verbessern.

Geladen waren insgesamt sieben Sachverständige, drei der CDU, zwei der SPD und jeweils einer für DIE LINKE und Bündnis ’90/Grüne, letztere hatten mich eingeladen.

Es sollten vorab schriftliche Stellungnahmen abgegeben werden (abrufbar hier). Meine Einschätzung zu dem Gesetzesentwurf (mit Literaturfundstellen zu Aufsätzen zu dem Thema) findet sich hier. Die weiteren Stellungnahmen sind auf der Seite des Wirtschaftsausschusses verfügbar, ich verlinke sie hier mal alle (in der Reihenfolge wie im Wirtschaftsausschuss eingestellt):

Prof. Tobias Keber konnte keine Stellungnahme mehr verfassen, da er sehr (sehr!) kurzfristig eingeladen worden war.

Die Anhörung verlief insgesamt in angenehmer Atmosphäre. Eingangsstatements waren leider nicht vorgesehen, stattdessen drei Fragerunden, in denen die Anzahl der Fragen zwischen CDU/SPD/Linke/Grüne wie folgt verteilt war: 1. 2:2:1:1, 2. 5:3:1:1, 3. 2:2:1:1. Üblicherweise befragen die Parteien „ihre“ Sachverständigen, das wurde aber glücklicherweise nicht streng eingehalten. Diskussionen unter den Sachverständigen sind leider praktisch nicht möglich.

Ich möchte hier nicht auf die einzelnen Äußerungen eingehen, wer will, sollte sich die schriftlichen Stellungnahmen ansehen, es wird auch ein Wortlautprotokoll geben. Die Anhörung verlief allerdings nur teilweise wie erwartet. Während Dr. Florian Drücke das Gesetz für komplett europarechtswidrig hielt und als „Rechtsdurchsetzungsverhinderungsgesetz“ bezeichnete, sprach sich Andreas May dafür aus, Überwachung auch in WLANs zu ermöglichen. Von diesen beiden abgesehen, bestand aber erstaunliche Einigkeit unter den Sachverständigen, dass zum einen eine Novellierung erforderlich ist. Zum anderen wurde Kritik insbesondere an Websperren insgesamt, aber auch an der konkreten Gesetzesformulierung erhoben.

Auch die CDU hat mich zwischendurch befragt und zwar, ob es rechtlich zulässig sei, die Privilegierung in § 8 Abs. 1 S. 2 TMG ebenfalls nur auf WLAN-Betreiber zu beschränken und auch insofern eine Ungleichbehandlung von Access Providern und WLAN-Anbietern herbeizuführen. Kurzversion: Gut finde ich das nicht, aber für unzulässig halte ich es auch nicht.

Hervorheben möchte ich die Redebeiträge von Volker Tripp vom Digitale Gesellschaft e.V. Volker wurde am häufigsten befragt und hat durchgehend ruhig und souverän dargestellt, dass Websperren nicht zu empfehlen sind. Insbesondere hat er sehr deutlich gemacht, dass es keinerlei Beleg dafür gibt, dass es vermehrt zu Rechtsverletzungen aus öffentlichen WLANs kommt. Die CDU griff diese Frage dann auch gleich auf und stellte sie ihren Experten, ohne dass Volkers Einwand widerlegt werden konnte: Dr. Florian Drücke hatte auch keine Zahlen. Andreas May konnte von genau einem Fall berichten, in dem der Täter gefasst werden konnte, da es der Nachbar des Anschlussinhabers war.

Ich weiß nicht, ob die Anhörung einen Einfluss hatte. Wie sich nun andeutet, wird das Gesetz wohl so oder zumindest sehr ähnlich kommen wie bisher im Gesetzgebungsverfahren, was ich für insgesamt positiv halte, auch wenn das Gesetz nicht gelungen ist. Eventuell (wahrscheinlich?) hatte sich die Koalition schon vor der Anhörung verständigt und die im Verfahren geäußerte Kritik verhallt tatsächlich ungehört, aber darauf kommt es dann jetzt auch nicht mehr an.

Das Wortlautprotokoll verlinke ich demnächst hier noch, wenn es verfügbar wird.

Weitere Links:

Anhörung im Bundestag: TMG-ÄnderungsG zur Haftung bei WLANs (26.6.2017)

Ich hatte hier im Blog bereits den ersten Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des TMG besprochen, mit dem (wieder und endlich) die WLAN-Haftung neu geregelt werden soll.

Am 26.6.2017 findet dazu im Wirtschaftsausschuss des Bundestages eine Anhörung statt, zu der ich als Sachverständiger eingeladen worden bin. Hierfür war eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, die ich hier vorab online stelle.

In den nächsten Tagen werden alle Stellugnahmen auf der Webseite des Bundestages erscheinen, ich werde diese dann hier verlinken.

(Update 25.6.2017: Link auf Webseite des Wirtschaftsausschusses)

WLAN-Haftung: RefE zur (3.) Änderung des TMG in der Kurzanalyse

Das BMWi hat einen Referentenentwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes in die Verbändeanhörung geschickt (abrufbar bei Netzpolitik hier). Der Gesetzesentwurf soll (nun endlich) das Versprechen der Großen Koalition wahr machen, Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber herzustellen.

1. Der (geänderte Entwurfs-)Text

Zunächst einmal der (konsolidierte) geänderte Text von §§ 7 und 8 TMG:

§ 7 Allgemeine Grundsätze

(1) Diensteanbieter sind für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich.

(2) Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 sind nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.

(3) Verpflichtungen zur Entfernung von Informationen oder zur Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen aufgrund von gerichtlichen oder behördlichen Anordnungen bleiben auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 unberührt. Das Fernmeldegeheimnis nach § 88 des Telekommunikationsgesetzes ist zu wahren.

(4) Wurde ein Dienst der Informationsgesellschaft von einem Nutzer in Anspruch genommen, um das Recht am geistigen Eigentum eines anderen zu verletzen und besteht für den Inhaber dieses Rechts keine andere Möglichkeit der Verletzung seines Rechts abzuhelfen, so kann der Inhaber des Rechts von dem betroffenen Diensteanbieter nach § 8 insbesondere die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen, um die Wiederholung der Rechtsverletzung zu verhindern. Die Sperrung muss zumutbar und verhältnismäßig sein. Ein Anspruch gegen den Diensteanbieter auf Erstattung der vor- und außergerichtlichen Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung des Anspruchs nach Satz 1 besteht außer in den Fällen des § 8 Absatz 1 Satz 3 nicht.

§ 8  Durchleitung von Informationen

(1) Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie

  1. die Übermittlung nicht veranlasst,
  2. den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und
  3. die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben.

Sofern diese Diensteanbieter nicht verantwortlich sind, können sie insbesondere nicht wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers auf Schadensersatz oder Beseitigung oder Unterlassung einer Rechtsverletzung in Anspruch genommen werden; dasselbe gilt hinsichtlich aller Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung dieser Ansprüche.

Die Sätze 1 und 2 finden keine Anwendung, wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen.

(2) Die Übermittlung von Informationen nach Absatz 1 und die Vermittlung des Zugangs zu ihnen umfasst auch die automatische kurzzeitige Zwischenspeicherung dieser Informationen, soweit dies nur zur Durchführung der Übermittlung im Kommunikationsnetz geschieht und die Informationen nicht länger gespeichert werden, als für die Übermittlung üblicherweise erforderlich ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Diensteanbieter nach Absatz 1, die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen.

(4) Diensteanbieter nach § 8 Absatz 3 dürfen von einer Behörde nicht verpflichtet werden, vor Gewährung des Zugangs

  1. a) die persönlichen Daten von Nutzern zu erheben und zu speichern (Registrierung) oder b) die Eingabe eines Passworts zu verlangen oder
  2. das Anbieten des Dienstes einzustellen.

Davon unberührt bleiben Maßnahmen auf freiwilliger Basis.

2. Analyse

Der Gesetzesentwurf sieht Änderungen in §§ 7 und 8 TMG vor. Er ist systematisch nicht ganz einfach zu verstehen, auch bei den Formulierungen bleiben noch Fragen offen. Zu berücksichtigen sind insoweit auch die Vorgaben der europäischen Richtlinien, des EuGH (insbesondere in der Entscheidung „McFadden“), des BGH (insbesondere in der Entscheidung „Access Provider“) sowie der Umstand, dass die Regierungskoalition offenbar gewillt ist, nun endlich eine Lösung für die Störerhaftung herbeizuführen.

a. Störerhaftung

Zunächst einmal der wichtigste Punkt: Die Große Koalition hatte sich zum Ziel gesetzt, Rechtssicherheit für WLANs zu schaffen, indem die Störerhaftung ausgeschlossen wird. Am einfachsten wäre insoweit ein Ausschluss von Unterlassungsansprüchen gewesen. Den hatte der Gesetzgeber aber in seine letzte Änderung nicht hineingeschrieben (bzw. nur in die Gesetzesbegründung). Folgerichtig ignoriert z.B. das KG Berlin die letzte Gesetzesänderung.

Dieses Problem dürfte – mit einer Restunsicherheit, dazu unten – mit diesem Entwurf nun beseitigt sein.

Die Störerhaftung ist ein Rechtsinstitut, das aus § 1004 BGB abgeleitet wird und mittlerweile (für das Urheberrecht) in § 97 Abs. 1 UrhG kodifiziert ist. Der Anspruch ist – vereinfacht – gerichtet auf Unterlassung der Mitwirkung an einer Rechtsverletzung. Damit können insbesondere auch Intermediäre von der Störerhaftung betroffen sein. § 8 Abs. 1 S. 2 TMG-RefE schließt nun Unterlassungsansprüche ausdrücklich aus. Damit sollte die Störerhaftung für WLANs Geschichte sein. Denn der Rechteinhaber kann den Betreiber wegen § 8 TMG-RefE nicht mehr erfolgreich auf Unterlassung in Anspruch nehmen.

Warum bin ich mir nicht ganz sicher? Grund hierfür ist das Zusammenspiel zwischen § 7 Abs. 4 und § 8 Abs. 1 TMG-RefE: In § 7 Abs. 4 TMG-RefE wird ein vollständig neuer Anspruch geschaffen, nämlich einer auf Einrichtung von Websperren. Allerdings formuliert das BMWi hier offen:

[unter den Voraussetzungen in § 7 Abs. 4 S. 1 TMG-RefE …] kann der Inhaber des Rechts von dem betroffenen Diensteanbieter nach § 8 insbesondere die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen …

Das Problem ist hier das „insbesondere“. Dieses Signalwort deutet darauf hin, dass der Rechteinhaber nicht nur die Sperrung verlangen kann, sondern möglicherweise noch anderes – aber was? Auf der anderen Seite sieht § 8 Abs. 1 S. 2 TMG-RefE ausdrücklich einen Ausschluss von Unterlassungsansprüchen vor.

Der Gesetzgeber sollte also entweder erläutern, was er mit diesem „insbesondere“ meint, oder das Wort schlicht und einfach streichen. Mir fällt nämlich auch gar nicht ein, was für weitere Ziele des Anspruchs gemeint sein könnten. Es sollte mit dem neuen Gesetz klipp und klar sein, dass der Anspruch auf Unterlassung – und damit die Störerhaftung – ausgeschlossen ist, Hintertürchen sollten nicht offen bleiben.

 

Problematisch ist weiter, wie § 8 Abs. 4 TMG-RefE zu verstehen ist bzw. welche Folgen er hat. Nach § 8 Abs. 4 TMG-RefE sollen WLAN-Anbieter von einer Behörde nicht verpflichtet werden können, Nutzer zu registrieren, ein Passwort einzurichten oder das Anbieten des Dienstes einzustellen.

Mein erster Impuls war, dass das BMWi hier eigentlich meinte „von einer Behörde oder einem Gericht“, dass also auch Gerichte von WLAN-Anbietern die dort angeführten Maßnahmen nicht verlangen können. Dagegen spricht (teilweise) die Begründung. Auf S. 10 heißt es, dass nach dem neuen Absatz 4 WLAN-Betreiber nicht „behördlich“ verpflichtet werden dürfen. Andererseits steht im selben Absatz am Ende, dass verhindert werden soll, dass Betreiber aus Angst vor „Abmahnungen oder gerichtlichen Anordnungen“ ihren Dienst nicht anbieten.

Bisher sind (mir) gegenüber WLAN-Betreibern solche behördlichen Anordnungen nicht bekannt geworden. Problematisch waren bisher die gerichtlichen Verfahren und damit die gerichtlichen Anordnungen im Rahmen eines Unterlassungsanspruchs gestützt auf Störerhaftung.

Sinn ergibt die Regelung allerdings, wenn man das Zusammenspiel zwischen § 8 Abs. 3 und 4 TMG-RefE und § 7 Abs. 4 TMG-RefE beachtet. Der Gesetzesentwurf weist ausdrücklich mit Blick auf die EuGH-Entscheidung „McFadden“ darauf hin, dass der Entwurf eine Abwägung durchführt. Dem Rechteinhaber soll auf der einen Seite der Unterlassungsanspruch genommen werden, auf der anderen Seite wird ihm aber der Anspruch auf Einrichtung von Websperren nach § 7 Abs. 4 TMG-RefE eingeräumt. Dies stellt aus Sicht des BMWi den Ausgleich der betroffenen Interessen sicher. Die Gesetzesbegründung stützt diese Auslegung. Denn dort führt das BMWi aus, dass der EuGH gerichtliche Anordnungen zwar für zulässig erachtet habe, zwingend seien diese aber nicht (S. 8 des Entwurfs). Der Gesetzgeber entscheidet sich nun also für den Ausschluss gerichtlicher Anordnungen und im Gegenzug zur Einräumung eines Anspruchs auf Einrichtung von Websperren. Das ist gelebte praktische Konkordanz.

Wenn man dies im Hinterkopf hat, kann § 8 Abs. 1 S. 2 TMG-RefE nur so verstanden werden, dass Unterlassungsansprüche vollständig ausgeschlossen werden. Gerichte können in diesem Zusammenhang auch die in § 8 Abs. 4 TMG-RefE genannten Sicherungsmaßnahmen nicht anordnen. Gerichte können – bis auf die Einrichtung von Websperren – eigentlich keine Anordnungen mehr treffen, weshalb auch das „insbesondere“ in § 7 Abs. 4 TMG RefE zu streichen ist (siehe oben).

b. Websperren

In § 7 Abs. 4 TMG-RefE sieht der Entwurf wie gesagt eine neue Anspruchsgrundlage für Websperren vor. Mit dieser Neuregelung kodifiziert der Entwurf im Grunde die Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 26.11.2015 – I ZR 174/14, GRUR 2016, 268 – Access Provider, Analyse dazu hier).

aa. Voraussetzungen / Anwendungsbereich

Dem BGH folgend ordnet § 7 Abs. 4 TMG-RefE ausdrücklich eine Subsidiarität des Anspruchs an. Der Rechteinhaber muss daher zuvor vergeblich versucht haben, den Webseiteninhaber und den Host Provider zur Löschung zu bewegen. Erst dann kann er vom Access Provider die Einrichtung von Websperren verlangen.

Der Anspruch hängt weiter davon ab, dass ein „Dienst der Informationsgesellschaft von einem Nutzer in Anspruch genommen [wurde], um das Recht am geistigen Eigentum eines anderen zu verletzen.“ § 7 Abs. 4 TMG-RefE ist also ausdrücklich auf Rechte des geistigen Eigentums beschränkt. Beispielsweise wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen kann der Anspruch daher nicht geltend gemacht werden (vgl. dazu Mantz, EuZW 2016, 817, 820 m.w.N.).

bb. Anspruchsgegner

Problematisch ist insoweit, dass „Dienst der Informationsgesellschaft“ grundsätzlich weiter ist als „Diensteanbieter nach § 8 TMG“, also z.B. auch Host Provider umfasst. Mit anderen Worten, der Anspruch kann schon bestehen, wenn ein Nutzer rechtlich geschützte Werke von einer Webseite herunterlädt, weil er dann einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ genutzt hat. Wenn man nur das liest, könnte der Rechteinhaber gegen *alle* Access Provider vorgehen, über die ein Zugriff auf die Webseite möglich erscheint.

Der Anspruch besteht aber ausdrücklich nur gegen den „betroffenen Diensteanbieter nach § 8 TMG“. Das ist enger und dürfte nur den Access Provider betreffen, den der Nutzer konkret für seine Rechtsverletzung in Anspruch genommen hat. Diese Auslegung wird durch die Gesetzesbegründung gestützt. In dieser heißt es: „Konkret schafft § 7 Abs. 4 TMG[-RefE] eine Anspruchsgrundlage … gegen Dienstanbieter nach § 8 TMG, dessen Zugang von einem Nutzer … benutzt wurde …“

Es würde sich daher aus meiner Sicht empfehlen, den Gesetzeswortlaut des § 7 Abs. 4 TMG-RefE durchgängig auf den „Diensteanbieter nach § 8 TMG“ zu beschränken, um Unklarheiten zu vermeiden. Außerdem ist § 7 Abs. 4 TMG-RefE in § 7 TMG falsch verortet (dazu unten).

cc. Anspruchsziel

Der Rechteinhaber soll vom Access Provider („insbesondere“) die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen können.

Unklar ist, was das genau umfassen soll. Klar ist – auch wenn man das BGH-Urteil „Access Provider“ liest –, dass der Zugriff auf bestimmte (rechtsverletzende) Webseiten gesperrt werden soll. So könnten z.B. einzelne Torrent-Seiten oder eDonkey-Linklisten gesperrt werden.

Auf der anderen Seite stellt sich das BMWi allerdings vor, dass der Anbieter Portsperren einrichtet. Dies zielt wohl auf Tauschbörsen ab. Das Problematische an Portsperren ist, dass sie völlig wirkungslos sind und deshalb bisher im Rahmen der Störerhaftung auch überwiegend abgelehnt wurden (vgl. Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, 2014, Rn. 229 m.w.N.). Es ist leicht, die Ports eines Tauschbörsenprogramms umzustellen, sehr viel leicht als die vom BGH in der Entscheidung „Access Provider“ behandelte Umstellung des vom System genutzten DNS-Server (BGH, Urt. v. 26.11.2015 – I ZR 174/14, GRUR 2016, 268 Rn. 29, 46 ff. – Access Provider, dazu hier). Außerdem ist – wenn man die Wirksamkeit unterstellt – bei Portsperren ein Overblocking nicht zu verhindern. Denn Ziel der Portsperren ist es, den Datenverkehr einer Tauschbörse generell zu verhindern. Tauschbörsen dienen aber nicht nur dem Austausch rechtsverletzenden Materials. Vielmehr werden z.B. Linux-Distributionen über Bittorrent verteilt. Auch Windows-Updates werden tauschbörsen-ähnlich verteilt.

Im Übrigen richtet sich § 7 Abs. 4 TMG-RefE ja auch nicht nur gegen WLAN-Anbieter, sondern gegen alle Access Provider, der Gesetzgeber dürfte insoweit aber nur an den WLAN-Anbieter gedacht haben. Man wird aber von der Telekom nicht verlangen können, Portsperren einzurichten und damit potentiell Millionen von Kunden (wie oben dargestellt wenig effektiv) generell von Tauschbörsen auszuschließen. Die Telekom würde sonst nur ein kastriertes Internet anbieten. Ggf. wäre auch daran zu denken, ob dadurch nicht Verletzungen der Netzneutralität vorliegen.

Der Gesetzgeber täte dementsprechend gut daran, Portsperren nicht zu verlangen und auch nicht als Beispiel in die Gesetzesbegründung zu schreiben.

Ähnlich Portsperren wäre übrigens auch die Einrichtung des sog. Zapp-Scripts (s. dazu hier KG Berlin).

dd. Abwägung

Die Sperrung muss nach dem Gesetzeswortlaut technisch möglich, wirtschaftlich zumutbar und verhältnismäßig sein. Dabei ist im Einzelfall eine Interessenabwägung vorzunehmen.

Insbesondere will das BMWi ein Overblocking verhindern. Wie oben dargestellt, ist dies bei Portsperren immer der Fall. Der BGH hat insoweit bezüglich einer Linkliste ein Overblocking verneint, wenn lediglich 4% der auf der Webseite verlinkten Inhalte legal sind (BGH, Urt. v. 26.11.2015 – I ZR 174/14, GRUR 2016, 268 Rn. 54-56 – Access Provider).

Problematisch ist das Sperren von Webseiten insbesondere bei kleinen WLAN-Anbietern. Cafés, Freifunker etc. nutzen für das WLAN häufig relativ günstige WLAN-Router, das ist auch ein Teil der Erfolgsgeschichte öffentlicher WLANs und offenkundig politisch gewollt. Diese Router weisen in der Regel nur sehr wenig Speicher auf. Dementsprechend ist zwangsläufig auch die Größe einer Blacklist durch den Speicher begrenzt. Dem WLAN-Betreiber könnte daher, wenn die Blacklist bereits voll ist, die Einrichtung weiterer Sperren wirtschaftlich unzumutbar sein, die Abwägung fiele zu Lasten des Rechteinhabers aus.

Überhaupt ist fraglich, wie sinnvoll die Einrichtung von Websperren gerade bei WLANs ist. Denn Nutzer können künftig einfach ein anderes WLAN nutzen.

ee. (Selbst-)Zensurgefahr

Ein generelles Argument gegen Websperren ist die Gefahr von Selbstzensur (untechnisch gesprochen). Droht dem Betreiber eines Dienstes wegen der Rechtsverletzungen seiner Nutzer die Gefahr, dass er selbst Kosten tragen muss oder anders in die Haftung genommen wird, wird er im Zweifel eher geneigt sein, Sperrforderungen von Rechteinhabern nachzukommen, selbst wenn die Forderung möglicherweise unbegründet oder zu weitgehend ist. Denn vom Rechteinhaber droht ihm in der Regel mehr Ungemach als vom (angeblich rechtsverletzenden) nutzer. Diese Problematik zeigt sich insbesondere bei Löschforderungen nach dem „Recht auf Vergessenwerden“ bei Suchmaschinen, aber auch in anderen Zusammenhängen. Gerade kleinere Anbieter werden das Risiko, bei einer Abwägungsentscheidung falsch zu liegen, tendenziell zu Lasten ihrer Nutzer nicht eingehen.

Dies gilt auch für die hier betroffenen Websperren. Zu beachten ist insoweit allerdings, dass der Entwurf das Risiko der Betreiber deutlich minimiert (siehe zu den Kosten unten). Die Situation ist daher für den Betreiber – endlich Rechtssicherheit vorausgesetzt – bei Weitem nicht so bedrohlich wie vorher, als der Betreiber einem Unterlassungsanspruch und einem erheblich höheren Kostenrisiko ausgesetzt war. Ob der Anspruch nach § 7 Abs. 4 TMG-RefE angesichts der Kostenverteilung überhaupt häufig in Anspruch genommen werden wird, muss sich auch noch zeigen.

ff. Systematik

Der Anspruch auf Einrichtung von Websperren ist in § 7 TMG-RefE verortet, der allgemeine Regeln für die §§ 8-10 TMG enthält, obwohl sich der Anspruch nur gegen den Access Provider nach § 8 TMG richtet. Für die Host und Cache Provider (§§ 9, 10 TMG) hat § 7 Abs. 4 TMG-RefE seinem Wortlaut nach keine Bedeutung. Systematisch ist § 7 Abs. 4 TMG-Ref daher nach meiner Einschätzung falsch verortet. Hieraus resultieren zum Teil auch die oben dargestellten Auslegungsschwierigkeiten. Es wäre daher empfehlenswert, den Anspruch in § 8 TMG (z.B. als Absatz 5) zu ziehen.

d. Kosten, Rechtsverfolgungskosten

Spannend sind die Ausführungen zur Kostenverteilung: Access Provider sind nach der neuen Fassung von § 8 TMG-RefE von (fast) allen Kosten freigestellt. Da Ansprüche auf Unterlasssung nach § 8 Abs. 3 TMG-RefE ausgeschlossen sind, kann der Rechteinhaber weder Abmahnkosten, noch Schadensersatz (wie schon zuvor) verlangen und muss der Betreiber auch Gerichtskosten nicht tragen.

Im Hinblick auf den Anspruch auf Einrichtung von Websperren sieht der Entwurf vor, dass der Access Provider weder vorgerichtliche Kosten (für das Aufforderungsschreiben, Websperren einzurichten), noch die Anwaltskosten des Rechteinhabers im Gerichtsverfahren tragen muss. Wenn ein Anspruch nach § 7 Abs. 4 TMG-RefE geltend gemacht wird, beschränkt sich das Kostenrisiko des Betreibers daher auf die Gerichtskosten und die eigenen Anwaltskosten. Es bleibt abzuwarten, welche Streitwerte für den Anspruch nach § 7 Abs. 4 TMG-RefE angesetzt werden. Sie dürften aber (ggf. deutlich) unter dem Streitwert für einen Unterlassungsanspruch liegen.

Für den Rechteinhaber sinkt durch die Kostenregelung möglichersweise das Interesse an der Rechtsverfolgung. Denn er kann weder Abmahnkosten noch die Kosten seines Anwalts im Gerichtsverfahren aufgrund der Geltendmachung des Anspruchs nach § 7 Abs. 4 TMG-RefE verlangen. Wenn er diese Kosten nicht vom eigentlichen Täter ersetzt bekommt (worauf die Entwurfsbegründung ausdrücklich verweist), was eher unwahrscheinlich ist, bedeutet dies für ihn erhebliche Kosten.

Ob vor diesem Hintergrund vom Anspruch nach § 7 Abs. 4 TMG-RefE häufig Gebrauch gemacht werden wird, ist unklar.

3. Fazit

Der Gesetzesentwurf ist nicht ganz leicht zu verstehen. Wenn man ihn wie ich oben auslegt und ggf. noch etwas nachbessert, ist er aber schon geeignet, (endlich) Rechtssicherheit für WLANs herzustellen.

Der Anspruch auf Websperren (aber bitte nur auf konkrete Webseiten und nicht mit Portsperren) ist eine Kröte, die die (WLAN-)Anbieter dann möglicherweise schlucken müssen. Dabei ist zu beachten, dass der Gesetzesentwurf im Grunde nur umsetzt, was der BGH bisher im Rahmen der Störerhaftung ausgeurteilt hat – allerdings nun mit reduziertem Kostenrisiko für den Betreiber. Von daher sehe ich den Entwurf „vorsichtig positiv“.

Im Entwurf sind meiner Einschätzung nach jedenfalls folgende Änderungen vorzunehmen:

  • § 7 Abs. 4 TMG-RefE sollte in § 8 TMG gezogen werden.
  • Die Gesetzesbegründung sollte zur Klarstellung erwähnen, dass Unterlassungsansprüche vollständig ausgeschlossen sind und der Rechteinhaber (allein) auf den Sperranspruch nach § 7 Abs. 4 TMG-RefE verwiesen wird.
  • In § 7 Abs. 4 TMG sollte das „insbesondere“ gestrichen werden.
  • Portsperren sollten nicht als Beispiel genannt werden.

Links:

TMG-Änderungsgesetz ist in Kraft

Gestern ist das Zweite TMG-Änderungsgesetz im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Damit ist es heute in Kraft getreten.

Zur Erinnerung die wesentlichen Neuerungen für WLANs:

Nach § 2 Satz 1 Nummer 2 wird folgende Nummer 2a eingefügt:

1. „2a. ist drahtloses lokales Netzwerk ein Drahtlos- zugangssystem mit geringer Leistung und geringer Reichweite sowie mit geringem Störungs-risiko für weitere, von anderen Nutzern in un- mittelbarer Nähe installierte Systeme dieser Art, welches nicht exklusive Grundfrequenzen nutzt,“.

3. Dem § 8 wird folgender Absatz 3 angefügt:

„(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Diensteanbieter nach Absatz 1, die Nutzern einen Inter- netzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen.“

Ich hatte den Gesetzesentwurf schon einmal hier bewertet. Demnächst werde ich versuchen eine nähere Analyse mit Bewertung der Folgen für öffentliche und heimische WLANs zu schreiben.

Aktuelle Änderung des WLAN-TMG-Gesetzesentwurfs – eine kurze Analyse (Update)

Nun ist der WLAN-Gesetzesentwurf in Form einer Änderung der BT-Drs. 18/6745 also endlich da. Ich möchte ihn hier ganz kurz darstellen und analysieren.

1. Wie sieht der Entwurf aus?

§ 8 Abs. 3 TMG soll in Zukunft wie folgt aussehen:

„(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Diensteanbieter nach Absatz 1, die Nutzern einen Internetzugang u?ber ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen.“‘

Der bisher enthaltene § 8 Abs. 4 TMG soll komplett entfallen.

Interessant ist hingegen die Gesetzesbegründung. Dort heißt es u.a.:

… Mit der Änderung wird klargestellt, dass auch die Anbieter von WLAN-Internetzuga?ngen ohne jede Einschra?nkung Diensteanbieter i.S.d. § 8 TMG sind. …

Der Wortlaut der Bestimmungen des Artikels 12 der Richtlinie 2000/31/EG und des § 8 TMG schließt weitere Voraussetzungen oder Prüfplichten fu?r deren Anwendung ausdrücklich aus. Deswegen wurden die im Gesetzentwurf der Bundesregierung in § 8 Absatz 4 TMG genannten Voraussetzungen und Prüfpflichten gestrichen, weil diese mit den unionsrechtlichen Vorgaben unvereinbar sind und das Ziel des Gesetzentwurfes, Rechtssicherheit fu?r WLAN-Anbieter zu schaffen, verfehlt hätten.

Die Beschränkung der Haftung umfasst horizontal jede Form der Haftung fu?r rechtswidriges Verhalten jeder Art. Das gilt fu?r die straf-, verwaltungs- und zivil- rechtliche Haftung sowie fu?r die unmittelbare und mittelbare Haftung fu?r Hand- lungen Dritter. Die Haftungsprivilegierung des Diensteanbieters nach § 8 Absatz 1 und 2 umfasst z.B. uneingeschränkt auch die verschuldensunabhängige Haftung im Zivilrecht nach der sog. Störerhaftung und steht daher nicht nur einer Verurteilung des Vermittlers zur Zahlung von Schadenersatz, sondern auch seiner Verurteilung zur Tragung der Abmahnkosten und der gerichtlichen Kosten im Zusammenhang mit der von einem Dritten durch die U?bermittlung von Informationen begangenen Rechtsverletzung entgegen. Diese Auslegung der unionsrechtlichen Vorgaben hat der Generalanwalt beim Europa?ischen Gerichtshof Maciej Szpunar in seinen Schlussanträgen vom 16. Ma?rz 2016 in der Rechtssache C-484/14 bekräftigt (siehe Rz. 63ff., 151).

Die Beschränkung der Haftung steht dagegen nicht dem Erlass einer gerichtlichen Anordnung auf einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage entgegen, wobei diese jedoch nicht die Feststellung irgendeiner Haftung des Vermittlers fu?r eine durch die Übermittlung von Informationen begangenen Rechtsverletzung bein- halten kann (ebd. Rz. 86). Eine solche gerichtliche Anordnung muss wirksam und verhältnismäßig und darauf gerichtet sein, eine bestimmte Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern, und keine allgemeinen U?berwachungspflichten implizieren. Zudem muss sie ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den Grundrechten wahren (ebd. Rz. 115, 151). Eine solche gerichtliche Anordnung ist nach Artikel 12 Absatz 3 und Artikel 15 Absatz 1 der Richtlinie 2000/31/EG unzulässig, wenn der Adressat dieser nur dadurch nachkommen kann, dass er den Internetzugang stilllegt, mit einem Passwortschutz oder Verschlüsselung sichert oder sämtliche über den Anschluss laufende Kommunikation auf Rechtsverletzungen hin untersucht (ebd. Rz. 105ff., 151).

2. Was bedeutet das?

Die Regierungskoalitionen haben lange um den Entwurf gerungen. Erst vor kurzem hatten sie stolz verkündet, dass die Störerhaftung für WLANs nun endlich abgeschafft wird. Erklärtes Ziel des TMG-Änderungsgesetzes (im Hinblick auf § 8 TMG) war die Schaffung von Rechtssicherheit für die Anbieter von WLANs. Hieran muss sich der nun vorliegende Entwurf also messen lassen.

Und leider muss man sagen: Dieses Ziel verfehlt der jetzt vorliegende Gesetzesentwurf. Die Klarstellung in § 8 Abs. 3 TMG, dass nämlich WLAN-Anbieter den „klassischen“ Access Providern gleichgestellt werden, ist begrüßenswert, bewirkt aber tatsächlich keinerlei Änderung des status quo. Das war nämlich auch bisher Stand der Rechtsprechung und Literatur. Schon der bisherige Wortlaut von § 8 TMG war da (eigentlich) eindeutig.

Positiv ist allerdings, dass nun auch implizit klargestellt ist, dass dies auch für rein private Anbieter gilt. Auch das war eigentlich schon weitgehend geklärt, aber die Klarstellung ist insoweit dennoch zu begrüßen.

Die Störerhaftung, die die bestehende Rechtsunsicherheit bisher hauptsächlich ausmachte, wird im Gesetzeswortlaut aber nicht angesprochen. Stattdessen wird dies nur in der Gesetzesbegründung, dort aber wenigstens eindeutig, klargestellt. Dieses Vorgehen wird wohl der Kompromiss der Regierungskoalitionen gewesen sein.

Allerdings ist der Entwurf so nicht geeignet, die Rechtsunsicherheit wirklich und endgültig zu beseitigen. Denn der BGH hat in ständiger Rechtsprechung § 8 TMG nicht auf Unterlassungsansprüche angewandt. Der EuGH hat die Ansicht des BGH im Ergebnis gebilligt und gerichtliche Anordnungen nicht generell für unzulässig erklärt. Zwar steht nun in der Gesetzesbegründung, dass Unterlassungsansprüche erfasst sind. Allerdings stellt bei der Gesetzesauslegung die Begründung durch den Gesetzgeber nur eines von mehreren Kriterien dar – und zusätzlich das schwächste. Grundsätzlich kann die Begründung des Gesetzgebers durch die Gerichte auch mit dem Argument ignoriert werden, dass die nach der Begründung gewünschte Interpretation im Gesetzeswortlaut wenigstens hätte angedeutet werden müssen. Und angesichts der ständigen Rechtsprechung des BGH hätte es ja nahe gelegen, eine solche Regelung unmittelbar in den Wortlaut aufzunehmen. Die Bundesregierung sollte also gefragt werden, warum sie dies nicht getan hat. Denn so eröffnet sie wieder einen Auslegungsspielraum und damit Unsicherheiten, den sie doch gerade beseitigen wollte. Es ist nämlich nicht ausgemacht, ob der BGH für § 8 TMG als Reaktion auf die Gesetzesbegründung von seiner bisherigen Rechtsprechung abrückt.

Im Übrigen nimmt die Begründung Bezug auf die Stellungnahme des Generalanwalts beim EuGH (dazu eingehend hier) und stellt klar, dass gerichtliche Anordnungen weiterhin möglich sind. Der Generalanwalt hatte formuliert, dass gerichtliche Anordnungen gegen Betreiber auch von WLANs grundsätzlich möglich sind. Allerdings dürften die Betreiber nicht mit Gerichtskosten und Abmahnkosten belastet werden. Das will nun auch der Gesetzesentwurf. Wie das aber tatsächlich umgesetzt werden soll, bleibt letztlich völlig offen.

Der Bundestag soll übrigens übermorgen (=Donnerstag, 2.6.2016) über den Gesetzesentwurf entscheiden.

Update: Ich möchte hier auf die spannende Twitter-Diskussion u.a. mit Steffen Meyer vom Team von SPD-Netzpolitiker Lars Klingbeil hinweisen. Meyer vertritt die Auffassung, dass mit dem Gesetz nun alles klar geregelt sei und erhält Gegenrede u.a. von Ulf Buermeyer, Thomas Stadler und Jens Ferner.

Weil es in meinem Beitrag bisher eventuell nicht deutlich genug wurde: Ich finde die Auslegung der Regierungskoalition unterstützenswert. Die Gerichte können die deutlich und klar formulierte Gesetzesbegründung (aber nicht den Wortlaut) zum Anlass nehmen, § 8 TMG nun auch auf Unterlassungsansprüche anzuwenden. Wenn der Entwurf so Gesetz wird, hat man immer ein gutes Argument für diese Auslegung an der Hand („Der Gesetzgeber wollte es ausdrücklich so.“). Der Vorwurf ist aber, dass diese Auslegung eben keinesfalls zwingend ist. Es kann sich also nun unter den Juristen und vielleicht auch den Gerichten (bis zum BGH) eine Diskussion über die neue Auslegung von § 8 TMG entwickeln. Aber sicher im Sinne von „rechtssicher“ ist das eben leider nicht. Mehr Mut zur eigentlich beabsichtigten Regelung wäre hier wünschenswert gewesen. Denn wenn sich die Bundesregierung einig war, dass sie eine Ausdehnung von § 8 TMG auf Unterlassungsansprüche regeln wollte, dann hätte sie das ins Gesetz schreiben oder wenigstens im Gesetzeswortlaut andeuten können. Mit dem jetzigen Stand sind die Türen zur Diskussion weit offen.

3. Fazit; tl;dr

Im Ergebnis ist der Gesetzesentwurf kein guter Kompromiss. Das Wort „Störerhaftung“ taucht nur in der Begründung auf, statt klar und deutlich im Gesetzestext das zu formulieren, was man sich anfangs auf die Fahnen geschrieben hatte: Die Abschaffung der Störerhaftung für Betreiber öffentlich zugänglicher WLANs. Das eröffnet weiterhin Spielraum für Auslegung und damit Rechtsunsicherheit, die leicht vermeidbar gewesen wäre.

Bundesregierung will WLAN-Störerhaftung doch nicht abschaffen – oder?

Die Haftung bei WLANs ist nun seit vielen Jahren ein Dauerbrenner. Im letzten Jahr ist in das Thema sehr viel neuer Schwung gekommen, der nun kürzlich in der Meldung der Großen Koalition mit der Bezeichnung „Störerhaftung wird abgeschafft“ kulminierte. Die Tagesschau beispielsweise formulierte „Koalition will freies WLAN stärken – Abschied von der Störerhaftung„. Lars Klingbeil postete bei Twitter: „Koalition einig – Freies WLAN kommt – Done!„.

https://twitter.com/larsklingbeil/status/730295181757583362

Das hörte sich gut an, eindeutig und klar. Deshalb hatte ich hier im Blog auch geschrieben, dass nun eine Regelung „ohne Wenn und Aber“ kommen soll. Doch schon kurz darauf kamen mahnende Zeigefinger. Der Titel könnte doch nicht stimmen. Es sei noch unklar, was tatsächlich beschlossen worden sei. Ulf Buermeyer hat das Problem in seinem Podcast (mit Philip Banse) „Lage der Nation“ Nr. 10 sehr schön aufgearbeitet.

Und nun zeigt sich, dass der Kompromiss, den die Große Koalition da ausgehandelt hatte, wohl mit einer Abschaffung der Störerhaftung beim Betrieb öffentlich zugänglicher WLANs in ungefähr so viel miteinander zu tun hatte wie ein Paperflieger mit einem Airbus A380.

Denn offenbar war der Plan, dass in § 8 TMG – wie schon im bisherigen Entwurf – der Betreiber eines öffentlichen WLANs mit einem Access Provider wie z.B. der Deutschen Telekom rechtlich gleich gestellt werden sollte. Mit anderen Worten: § 8 TMG soll auch auf WLANs Anwendung finden. Das ist grundsätzlich schön – aber nur als Klarstellung. Denn das ist seit Jahren der Status Quo. Der Wortlaut von § 8 TMG ist da nämlich auch bisher schon eindeutig gewesen: WLAN ist Access Provider, eine Unterscheidung zwischen „klassischen“ und „nicht-klassischen“ Access Providern sieht das Gesetz nicht vor. In der juristischen Literatur war das längst klar. Auch die Gerichte erkannten das zunehmend, wenn sie sich denn ernsthaft damit beschäftigen mussten, was sehr selten der Fall war.

Was ein Teil der Großen Koalition nicht erkannt hatte: Damit ist das Problem der Störerhaftung nicht gelöst. Ganz im Gegenteil, das Problem ist noch nicht einmal berührt. Das ist so, als wenn man mit einem Bogen auf eine Zielscheibe schießt, aber vergisst, den Pfeil einzulegen. Und hinterher behauptet, man hätte ins Schwarze getroffen.

Denn nach der ständigen Rechtsprechung des BGH findet § 8 TMG auf Unterlassungsansprüche überhaupt keine Anwendung. Und – man ahnt es – Störerhaftung bedeutet, dass gegen einen Betreiber ein Unterlassungsanspruch besteht. Dann kann eine Erweiterung der Haftungsprivilegierung aber auch keinen Effekt haben … Die Große Koalition hat also großmundig behauptet, sie würde die Störerhaftung abschaffen, dafür aber in Wahrheit keinen Finger krumm getan.

Um es ganz klar zu sagen: Wenn für WLANs der Anwendungsbereich von § 8 TMG nicht auf Unterlassungsansprüche erweitert wird, bleibt es bei der bisher bestehenden, großen Rechtsunsicherheit!

Auf Freifunkstattangst schreibt der regelmäßig gut informierte Christian Heise:

„Die WLAN-Störerhaftung ist noch nicht vom Tisch. Erstens liegt noch immer kein finaler Entwurf vor, obwohl der Bundestag schon kommende Woche darüber abstimmen will. Zweitens vermuten wir, dass es diese überarbeiteten Entwurf zwar gibt, die Union diesen aber blockiert, weil sie Unterlassungsansprüche und Abmahnungen weiterhin möglich machen will.“

Damit haben sich die Befürchtungen wohl bewahrheitet, was die Einigung der Großen Koalition angeht (Papierflieger und A380), aber offenbar hat – sicher auch wegen des öffentlichen Aufschreis ob des oben dargestellten Sachverhalts – zumindest die SPD erkannt, dass sie auf ein Gesetz, das die Störerhaftung nicht berührt nicht „Störerhaftung wird abgeschafft“ draufschreiben kann. Und nun streiten die Koalitionsparteien also wieder. Man kann nur hoffen, dass das Gesetz doch keine Mogelpackung wird.

Christian Heise hat eine entsprechende Petition bei Change.org gestartet, die sich zu zeichnen lohnt.

WLAN: TMG-Änderungsgesetz soll kommen – Haftungsprivilegierung ohne Wenn und Aber

Wie mittlerweile bekannt geworden ist, ist der Streit um das TMG-Änderungsgesetz, das insbesondere eine Klarstellung und Neuregelung der Haftung für Betreiber von öffentlich zugänglichen WLANs bringen sollte, nun endlich beigelegt. Nachdem der EuGH-Generalanwalt sehr deutlich formuliert hatte, dass erzwungene Sicherungsmaßnahmen für WLANs europarechtswidrig sein dürften, hat die Regierungskoalition darum gerungen, ob nicht doch bestimmte Maßnahmen, ggf. nur für Private, verlangt werden sollen.

Kanzlerin Merkel soll letzte Woche ein Machtwort gesprochen haben, damit das Thema endlich vom Tisch kommt – allerdings ohne eine Richtung vorzugeben.

Nun sollen sich die Regierungskoalitionen darauf geeinigt haben, dass die Klarstellung in § 8 Abs. 3 TMG-Entwurf kommen soll, also WLAN-Betreiber (wie nach bisheriger Rechtslage) den „klassischen“ Access Providern gleichgestellt werden. Die in § 8 Abs. 4 TMG-Entwurf (und in einem früheren Entwurf für „nicht geschäftsmäßige“ Anbieter in § 8 Abs. 5 TMG-Entwurf) vorgesehenen „angemessenen Maßnahmen“, insbesondere Verschlüsselung und die Einholung einer Rechtstreueerklärung des Nutzers sollen entfallen.

Spiegel-Online gibt die Einigung wie folgt wieder:

„Der Kompromiss: Nun sollen auch private und nebengewerbliche Anbieter (wie ein Café-Betreiber) das sogenannte Providerprivileg der gewerblichen Anbieter genießen. Sie müssen, anders als von Gabriel geplant, ihr WLAN nun nicht mit einer Vorschaltseite oder mit einem Passwort sichern. Tatsächlich offene Hotspots werden damit möglich.“

Der SPD-Netzpolitiker Lars Klingbeil hat die Einigung über Twitter bestätigt.

Die Änderungen sollen in der nächsten Sitzungswoche im Parlament beschlossen werden. Eventuell tritt das TMG-Änderungsgesetz damit bereits ab Herbst in Kraft.

Die geplante Regelung ist aus meiner Sicht durchweg zu begrüßen. Sie beseitigt die bisher vorherrschende Rechtsunsicherheit und entspricht dem, was Experten durchweg gefordert hatten.

 

Bisherige Beiträge zu dem Thema:

Zum Stand des (WLAN-)TMG-Änderungsgesetzes: Die Bundesregierung will zuwarten

An dieser Stelle nur ein kurzer Zwischenruf. Wie man hört, hat sich die Regierungskoalition im Hinblick auf die geplanten Anforderungen an WLANs im TMG-Änderungsgesetz noch nicht auf eine einheitliche Linie einigen können. Zur Erinnerung: Letzter Entwurfsstand (BT-Drs. 18/6745) war, dass WLANs künftig verschlüsselt werden müssen und jeder Nutzer vor der Nutzung versprechen muss, keine Rechtsverletzungen zu begehen (treffend auch „Lügenseite“ genannt). Der Bundesrat hatte gefordert, diese Anforderungen zu streichen (BR-Drs. 440/15). Auch sonst war heftige Kritik am Entwurf laut geworden.

Zwischenzeitig war dann verlautbart worden, dass die Verschlüsselungspflicht möglicherweise gestrichen werden sollte.

Wie mir nun zugetragen wurde, konnte eine Einigung bisher noch nicht erzielt werden. Stattdessen soll zunächst die Stellungnahme des Generalanwalts beim EuGH in der Vorlagesache des LG München I (LG München I, Beschl. v. 18. 9. 2014 – 7 O 14719/12, GRUR Int. 2014, 1166 – Bring mich nach Haus; dazu Mantz/Sassenberg, MMR 2015, 85 (PDF)) abgewartet werden.

Es könnte also wesentlich davon abhängen, was der EuGH (bzw. in Vorbereitung der Generalanwalt, dessen Vorschlägen der EuGH in rund 2/3 der Fälle folgt) zur Thematik des § 8 TMG bzw. Art. 12 E-Commerce-RL sagt. Dabei ist es durchaus sinnvoll, dass die Bundesregierung zunächst zuwartet. Denn ggf. müsste das Gesetz ansonsten unmittelbar wieder geändert werden.

Bundesregierung treibt WLAN-Gesetz voran – und verwirft Vorschläge des Bundesrates

Ich hatte hier im Blog über die Empfehlung des Bundesrats berichtet, der sich im Grunde dafür ausgesprochen hat, die Haftung für die Betreiber von WLANs deutlich weiter einzuschränken und nicht zusätzliche Maßnahmen zu verlangen (BR-Drs. 440/15).

Die Bundesregierung hat am 13.11.2015 zu dieser Empfehlung des Bundesrates Stellung genommen (s. Anlage 3 zu BT-Drs. 18/6745, S. 20). Zum relevanten Punkt, nämlich der Änderung des § 8 Abs. 4 TMG-Entwurf heißt es in der Stellungnahme):

„Die Bundesregierung wird das Anliegen eingehend prüfen.“

Nun hat aber andererseits die Bundesregierung am 18.11.2015 – also 5 Tage nach der Stellungnahme – mit ihrem Gesetzesentwurf den nächsten Schritt des Gesetzgebungsverfahrens eingeleitet (BT-Drs. 18/6745) – und darin die Änderung des Bundesrates nicht übernommen. Es soll also weiter bei der – offenkundig misslungenen – Fassung des § 8 Abs. 4 TMG bleiben. Die Bundesregierung hat also die massiven Bedenken des Bundesrates beiseite gewischt. Leider ohne Begründung.

Es ist daher zu erwarten, dass sich die Situation für WLANs in Deutschland sogar noch verschlechtert. Eine Förderung ist von diesem Gesetz jedenfalls nicht zu erwarten.

Bundesrat fordert Bundesregierung zur Änderung des Gesetzes zur WLAN-Störerhaftung auf

In der Sitzung des Bundesrates heute hat sich der Bundesrat deutlich für eine Änderung des Gesetzesentwurfs ausgesprochen (ich hatte hier schon über die Empfehlung des Wirtschaftsausschusses berichtet).

Das Video der entsprechenden Diskussion kann in der Mediathek des Bundesrates angesehen werden.

Malu Dreyer (Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz) hat im Video z.B. formuliert, dass der Gesetzesentwurf nicht weit genug gehe. Der Zugang über WLANs werde in der heutigen Zeit immer wichtiger.

Peter Friedrich (Minister für Bundesrat, Europa und Internationale Angelegenheiten Baden-Württemberg): Öffentliches WLAN sei ein Faktor zur Steigerung der Lebensqualität. Es stelle einen Standortnachteil dar, dass Deutschland das Potential von WLANs nicht ausschöpfe. Die Störerhaftung setze den Betreiber einer nicht zumutbaren Rechtsunsicherheit aus.

Weiter haben Wolfgang Tiefensee (Thüringen) („Bundesregierung soll sich des Bremsklotzes Störerhaftung annehmen“; Gesetzesvorschlag bewirkt Verschlimmerung) Franz-Josef Lersch-Mensche (NRW) und Uwe Beckmeyer (parl. Staatssekretär) gesprochen.

Wenn Wortprotokolle verfügbar sind, werde ich diese hier einstellen.

 

Der Digitale Gesellschaft e.V. hat hierzu bereits Stellung genommen.

Eine Übersicht meiner Beiträge zum TMG-Änderungsgesetz findet sich hier.