Internet-Nutzungsvertrag von Rechtsanwaltskanzlei WBS

Die Kanzlei Wilde Beuger Solmecke hat kürzlich einen kostenlosen „Internet-Nutzungsvertrag“ in mehreren Sprachen (deutsch, Englisch, Arabisch, Paschtu und Farsi) veröffentlicht, den Anbieter von Internet-Anschlüssen, z.B. soziale Träger, verwenden können, um ihr eigenes Haftungsrisiko zu verringern (hier die deutsche Version, Word-Dokument).

Der Vertrag besteht aus einer Präambel und zehn Einzelregelungen (im Folgenden nur Stichworte):

  • Vertraulichkeit des Passworts
  • Filesharing-Belehrung
  • Keine kostenpflichtigen Leistungen
  • Keine Pornographie, gewaltverherrlichende Seiten
  • Keine Beleidigungen / Respekt
  • Passwörter von sozialen Netzwerken
  • Belehrung über Folgen von Verstößen
  • Jederzeitige Einschränkung des Zugangs möglich
  • Auskunftspflicht bei Verdacht rechtswidriger Nutzung
  • Inkrafttreten durch Unterschrift

Der Vertrag soll also die Rechtssicherheit für Betreiber von Internetzugängen herstellen, was ich für lobenswert halte. Sinnvoll ist auch, dass der Vertrag in mehreren Sprachen verfügbar ist. Er dürfte auch für den beabsichtigten Zweck größtenteils tauglich sein und kann daher – mit den unten dargestellten Abstrichen – bei Bedarf verwendet werden.

Ich würde empfehlen, die – im Übrigen verständlich und kurz formulierten – Klauseln selbst noch einmal zu durchdenken. Nicht alle der Klauseln sind aus meiner Sicht sinnvoll, ich möchte hier nur auf einen Teil eingehen. Außerdem zeigt der Nutzungsvertrag auch die Sinnlosigkeit der geplanten Rechtstreueerklärung bei öffentlich zugänglichen WLANs.

Im Einzelnen (schlaglichtartig):

Die Filesharing-Belehrung ist lege artes nach den Tauschbörse I-III-Entscheidungen des BGH. Zumindest im privaten Bereich hat der BGH gefordert, dass den Anschluss mitnutzende, minderjährige Nutzer konkret über die Nutzung von Tauschbörsen belehrt und dieses verboten werden soll. Das ist traurig und geht an der Realität vorbei, weil über Peer-to-Peer-Netzwerke eben nicht nur illegale Inhalte getauscht werden und werden können, aber das mantraartige Wiederholen hilft nicht, der BGH will eine solche Belehrung.

Unklar ist bis heute, ob gegenüber Volljährigen Nicht-Familienmitgliedern eine Belehrung erforderlich ist. Die Mehrzahl der bisherigen Gerichtsentscheidungen lehnt dies aber ab.

Unverständlich ist aus meiner Sicht das Verbot der Inanspruchnahme von kostenpflichtigen Leistungen (Ziffer 3). Sinnvoll wäre das für solche Leistungen, deren Bezahlung über den Internetanschluss selbst erfolgt. Das kann der Anschlussinhaber selbstverständlich nicht wollen. Solche Leistungen kann man z.B. über ein WLAN aber in der Regel gar nicht abrufen bzw. in Anspruch nehmen.Der Vertrag sieht aber ein Verbot von eBay, Amazon etc. vor. Warum sollte ich über einen fremden Internetanschluss nicht ein Paket zu mir nach Hause bestellen können? Das leuchtet mir nicht ein. Ob so eine Klausel wirksam vereinbart werden kann, wage ich zu bezweifeln.

Auch die nächste Ziffer 4 ist nicht ganz klar. Warum muss der Anschlussinhaber auch den Abruf pornographischer Internetseiten verbieten? Ein Internetanschluss ist ja erst einmal etwas technisch völlig Neutrales, von daher sollte man jedenfalls legale Inhalte erst einmal auch als zulässig behandeln. Es steht natürlich jedem frei, solche Auflagen den Nutzern machen zu wollen, aber ist das wirklich sinnvoll? Auch der Abruf (!) von Seiten mit sonst schwierigem Inhalt ist ja für sich nicht illegal, nur das eigene Angebot ist in der Regel problematisch.

Ziffer 5 ist wiederum sinnvoll: Du sollst niemanden beleidigen. Außerdem klingt eine Art Netiquette an, indem an den Respekt gegenüber anderen appelliert wird.

Warum in Ziffer 6 und 7 darüber belehrt wird, dass Passwörter von sozialen Netzen sicher aufzubewahren sind und ich gegenüber Anbietern im Internet bei Verletzung gegen deren (!) Bedingungen haften kann, erschließt sich mir auch nicht ganz. Das sollte eigentlich jeder wissen und ist meist auch von den Anbietern schon so geregelt.

Erklärungsversuch

Ich erkläre mir die zu beobachtende „Überregulierung“ des Vertrages durch die Nutzerzielgruppe, nämlich z.B. Flüchtlinge, also Personen, die viele der Regeln im Internet (möglicherweise) noch nicht kennen. Für solche Erläuterungen und Ermahnungen benötige ich aber eigentlich keinen Vertrag, sondern eher eine Art Informationsblatt, aber das mag jeder lösen, wie er möchte.

Lizenz des Vertrages

Schade ist, dass für den Vertrag selbst keine Lizenz angegeben ist. Der Vertrag ist zwar kostenfrei abrufbar, aber es ist nicht klar, ob man den Vertrag auch wiederum weitergeben, teilen oder bearbeiten darf. Hier wäre eine klare Lizenz, z.B. die Creative Commons-Attribution-Lizenz (CC-BY) sicherlich wünschenswert. Der Werbeeffekt für die Kanzlei bliebe auch dadurch erhalten.

Fazit

Der Vertrag ist sinnvoll für bestimmte Einrichtungen, er löst das potentielle Problem, dass die Einrichtung für ihre Nutzer belegen kann, entsprechenden Belehrungspflichten nachgekommen zu sein. Auch Vermieter können den Vertrag als Entwurfsvorlage nutzen. Jeder/jede Einrichtung sollte aber ruhig einzelne Klauseln ganz streichen, weil der Vertrag nach meiner Einschätzung die Internetnutzung über Gebühr einschränkt. Ich würde in solchen Fällen die Verwendung der Klauseln Ziffern 1, 2, 5 und 8 als bedenkenlos ansehen.

Für die Internetnutzung in Familien würde ich einen solchen Vertrag nicht empfehlen. Hier ist im Grunde eine Belehrung nach Ziffer 2 und 5 und zusätzlich eine generelle Belehrung, keine Rechtsverletzungen zu begehen, sinnvoll. Der Vertrag erleichtert später den Beweis, aber die übrigen Klauseln brauche ich dafür eigentlich nicht.

Für freie Netze („frei“ im Sinne von „Freifunk“ und „Freiheit“) ist der Vertrag eher nichts. Hier ist eine einfachere Belehrung ausreichend und weitere Einschränkungen sind eher nicht sinnvoll.

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9 Gedanken zu „Internet-Nutzungsvertrag von Rechtsanwaltskanzlei WBS

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