Fehler im Referentenentwurf des BMJ zu Open Access (§ 38 UrhG); RefE und Creative Commons-Lizenzen

Mit Bearbeitungsstand vom 20.2.2013 ist der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums eines Gesetzes zur Nutzung verwaister Werke und zu weiteren Änderungen des Urheberrechtsgesetzes und des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes (im folgenden RefE-UrhG) veröffentlicht worden, Adrian Schneider berichtete auf Telemedicus.info, Kuhlen auf iuwis.de.

Adrian Schneider hat sich in seiner Analyse auch mit der Frage beschäftigt, ob der Wissenschaftler, der seinen Beitrag, der im Rahmen eines mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln finanzierten Lehr- und Forschungstätigkeit entstanden ist, in einer mindestens zweimal jährlich periodisch erscheinenden Sammlung (so die Voraussetzungen des neuen § 38 Abs. 4 RefE-UrhG) veröffentlicht hat, sein Werk nach Ablauf der Jahresfrist unter einer Creative Commons-Lizenz veröffentlichen kann. Da ich das für eine spannende Frage halte, habe ich sie mir vor dem Gesetzesentwurf noch einmal genau angesehen. Dabei sind mir zwei Dinge aufgefallen:

1. Fehler in Art. 1 RefE-UrhG bezüglich § 38 Abs. 1 UrhG

Die aktuelle Fassung von § 38 Abs. 1 UrhG lautet wie folgt (Hervorhebungen durch Verfasser):

§ 38 Beiträge zu Sammlungen

(1) 1Gestattet der Urheber die Aufnahme des Werkes in eine periodisch erscheinende Sammlung, so erwirbt der Verleger oder Herausgeber im Zweifel ein ausschließliches Nutzungsrecht zur Vervielfältigung und Verbreitung. 2Jedoch darf der Urheber das Werk nach Ablauf eines Jahres seit Erscheinen anderweit vervielfältigen und verbreiten, wenn nichts anderes vereinbart ist.

Ziffer 3 des Artikels 1 zur Änderung von § 38 Abs. 1 UrhG des RefE-UrhG lautet (u.a., Hervorhebung durch Verfasser):

3. § 38 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 Satz 1 werden die Wörter, „Vervielfältigung und Verbreitung“ durch die Wörter „Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Zugänglichmachung“  ersetzt.

Nach dem Referentenentwurf würde § 38 Abs. 1 also wie folgt gefasst werden (Hervorhebungen und Streichungen durch Verfasser):

(1) 1Gestattet der Urheber die Aufnahme des Werkes in eine periodisch erscheinende Sammlung, so erwirbt der Verleger oder Herausgeber im Zweifel ein ausschließliches Nutzungsrecht zur Vervielfältigung,und Verbreitung und öffentlichen Zugänglichmachung.2 Jedoch darf der Urheber das Werk nach Ablauf eines Jahres seit Erscheinen anderweit vervielfältigen und verbreiten, wenn nichts anderes vereinbart ist.

In der Begründung zum Entwurf findet sich aber der folgende Passus (Referentenentwurf, S. 15, Hervorhebungen durch Verfasser):

Zugleich wird § 38 Absatz 1 an die technische Entwicklung angepasst. Die vorgeschlagene Ergänzung erweitert die Auslegungsregel des § 38 Absatz 1 Satz 1 dahingehend, dass der Urheber dem Verleger oder Herausgeber im Zweifel nicht nur ein ausschließliches Nutzungsrecht zur Vervielfältigung und Verbreitung des Werkes einräumt, sondern auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung. Dieser Änderung folgend wird auch Satz 2, der eine Auslegungsregel zu Gunsten der Rechte des Urhebers enthält, dahingehend ergänzt, dass nach Ablauf eines Jahres der Urheber das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung hat, soweit nichts anderes vereinbart wurde.

Die Begründung des Gesetzesentwurfes geht also davon aus, dass – unabhängig von der öffentlichen Förderung – nach einem Jahr der Autor auch die Befugnis erhält, das Werk öffentlich zugänglich zu machen – unter der Bedingung, dass der zwischen dem Urheber und dem Verlag geschlossene Verlagsvertrag dies nicht verbietet (zu Open Access und Verlagsverträgen s. Mantz, in: Spindler (Hrsg.): Rechtliche Rahmenbedingungen von Open Access-Publikationen, Göttingen 2006, S. 55, 96 ff. (PDF)). Der Wortlaut des Gesetzes gibt das allerdings nicht her. Der BGH hat 2012 in seiner Entscheidung „Alles kann besser werden“ (BGH, Urt. v. 19.4.2012 – I ZB 80/11, K&R 2012, 664, Rn. 31, 32) erneut klargestellt, dass der Wille des Gesetzgebers sich im Wortlaut niederschlagen muss, ansonsten ist er unbeachtlich (unter Verweis auf BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 – X ZB 4/10, BGHZ 188, 200 Rn. 20 – S-Bahn-Verkehr Rhein/Ruhr I, mwN; BGH, Urteil vom 14. April 1983 – VII ZR 199/82, BGHZ 87, 191, 30 194 ff.; BGH, Beschluss vom 25. Juni 2008 – II ZB 39/07, BGHZ 177, 131 Rn. 17).

Mit anderen Worten: So lange der Gesetzgeber den Referentenentwurf nicht korrigiert, erhält der Urheber über § 38 Abs. 1 S. 2 UrhG allein die (körperlichen) Rechte der Vervielfältigung und Verbreitung, die öffentliche Zugänglichmachung im Internet ist/bleibt ihm verwehrt. Der bisherigen Mindermeinung, dass § 38 Abs. 1 S. 2 UrhG auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung erfasse, wäre damit wohl auch der Boden entzogen. Bei einem so offenkundigen Fehler wie hier (in S. 1 wird „öffentliche Zugänglichmachung“ hinzugefügt, in S. 2 offensichtlich vergessen, könnte man allerdings auch an eine entsprechende weite Auslegung des Satz 2 denken. Allerdings eröffnet die aktuelle Formulierung des § 38 Abs. 1 RefE-UrhG hier ein unnötiges Maß an Rechtsunsicherheit.

2. § 38 Abs. 1 , Abs. 4 RefE-UrhG und Creative Commons-Lizenzen

Adrian Schneider weist m.E. zu Recht darauf hin, dass – gestützt allein auf § 38 Abs. 4 RefE-UrhG die Verwendung von Creative Commons-Lizenzen (hier wohl eine CC-BY-NC-ND-Lizenz, also nicht-kommerziell und ohne Bearbeitung) nicht möglich sein dürfte. Denn der Urheber erhält nur das Recht, das Werk öffentlich zugänglich zu machen, während die Creative Commons-Lizenzen alle Offline- und Online-Rechte gewähren.

Allerdings hindert dies natürlich nicht daran, eine speziell auf § 38 Abs. 4 RefE-UrhG angepasste Version der Creative Commons-Lizenzen zu verwenden. Es ist davon auszugehen, dass solche Lizenzentwürfe nach Inkrafttreten des Gesetzes bald verfügbar sein werden. Allerdings müsste der Anwendungsbereich der Lizenz gegenüber dem Original stark eingeschränkt werden, was sicher nicht im Sinne der Erfinder der Creative Commons-Lizenzen ist. In diesem Zusammenhang ist die Kritik an § 38 Abs. 4 RefE-UrhG sicherlich berechtigt (s. z.B. Kuhlen auf iuwis.de ).

Zu beachten wäre – trotz des Fehlers in § 38 Abs. 1 RefE-UrhG, der hoffentlich noch berichtigt wird – das (mögliche) Zusammenspiel von § 38 Abs. 1 und Abs. 4 RefE-UrhG: Wenn der Verlagsvertrag keine von § 38 Abs. 1 S. 2 RefE-UrhG abweichende Regelung enthält, kann der Urheber nach § 38 Abs. 1 S. 2 UrhG (auch in der alten Fassung) nach einem Jahr die körperlichen Nutzungsrechte ausüben, nach § 38 Abs. 4 RefE-UrhG (unter dessen Voraussetzungen) zusätzlich das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung. In Summe ergibt sich hier also wieder der ganze Strauß an Nutzungsrechten, so dass ohne Weiteres eine nicht modifizierte CC-BY-NC-ND-Lizenz (wobei nur § 38 Abs. 1 UrhG nicht auf die Manuskriptversion beschränkt ist, dazu auch Schneider auf Telemedicus.info) genutzt werden kann.

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Ein Gedanke zu „Fehler im Referentenentwurf des BMJ zu Open Access (§ 38 UrhG); RefE und Creative Commons-Lizenzen

  1. Adrian Schneider

    Oh ja, ein guter Hinweis! Das sieht tatsächlich nach einem Widerspruch aus.

    Ich denke aber, dass das ein so offensichtliches Redaktionsversehen ist, dass es die Klausel nicht gleich in den Abgrund reißen würde.

    § 38 Abs. 1 UrhG ist ja eine Auslegungsregel, die durch vertragliche Vereinbarung verdrängt werden kann.

    § 38 Abs. 4 UrhG-E soll hingegen eine verbindliche Schrankenregelung zu Gunsten des Urhebers sein. Wenn die Auslegungsregel nun eine rechtswidrige Auslegung vorgibt, kann man denke ich recht eindeutig sagen, dass das vom Gesetzgeber nicht gewollt sein kann und im Lichte des § 38 Abs. 4 UrhG-E ausgelegt werden müsste.

    Denn in dieser Absolutheit würde ich das auch nicht unterschreiben, dass der Wille des Gesetzgebers zwangsläufig unerheblich ist, wenn er sich nicht im Wortlaut einer Norm wiederspiegelt.

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